Rz. 23

Für die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage über den entschiedenen Einzelfall hinaus nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre und ihre Klärungsfähigkeit nach den Gegebenheiten des zu beurteilenden Falls darzulegen (vgl. BSG, Beschluss v. 16.11.1995, 11 BAr 117/95; BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 7; BVerwG, NJW 1993 S. 2825 f.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl. BSG, Beschluss v. 5.12.2007, B 11a AL 112/07 B).

Vorzutragen ist daher:

  • die mit der Beschwerde aufgeworfene konkrete Rechtsfrage,
  • die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage,
  • die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage.

Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss präzise herausgearbeitet werden. Es muss sich um eine vom Einzelfall losgelöste Frage handeln, denn nur eine solche kann grundsätzliche Bedeutung haben. Sie muss in der Regel so konkret und verständlich formuliert sein, dass sie bejaht oder verneint werden kann. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, das klägerische Vorbringen darauf zu untersuchen, ob sich aus ihm eventuell eine Rechtsfrage herausfiltern lässt (vgl. BSG, Beschluss v. 5.2.2005, B 4 RA 66/02 B; BSG, Beschluss v. 5.3.2003, B 4 RA 100/02 B; BSG, Beschluss v. 14.2.2007, B 13 R 477/06 B). Diese Begründungsanforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss v. 14.4.2010, 1 BvR 2856/07).

 

Rz. 24

Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nicht mehr, die das BSG bereits entschieden hat (BSG, str. Rspr., vgl. etwa BSG, Beschluss v. 18.11.2021, B 9 V 17/21 B). Sie kann dann keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben; es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden. Auch dies muss aber substantiiert vorgetragen werden (vgl. BSG, Beschluss v. 14.5.2007, B 1 KR 16/07 B). Voraussetzung für die Annahme einer erneuten Klärungsbedürftigkeit ist es mithin, dass in der Nichtzulassungsbeschwerde wesentlich neue Gesichtspunkte, d. h. ganz erhebliche Bedenken bzw. gewichtige Argumente gegen die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung vorgebracht werden (vgl. BSG, Beschluss v. 6.3.2007, B 12 KR 100/06 B; BSG, Beschluss v. 10.11.2021, B 1 KR 62/21 B). Da das Recht nicht statisch ist, bleibt es dem Beschwerdeführer unbenommen, die rechtliche "Weichenstellung" anzugreifen. Dazu muss er darlegen, warum und inwieweit neuerlich Klärungsbedarf entstanden ist. Hierzu muss er auf neuere und bislang nicht berücksichtigte Rechtsentwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum substantiiert eingehen. Es ist darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist, oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl. BSG, Beschluss v. 6.1.2011, B 12 KR 50/10 B). Die formelhafte Behauptung, eine Rechtsfrage sei über den entschiedenen Einzelfall hinaus bedeutsam, wird der gesetzlichen Darlegungslast nicht gerecht (vgl. BSG, Beschluss v. 22.7.1999, B 11 AL 91/99 B). Stets ist eine eingehende Auseinandersetzung insbesondere mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG ggf. aber auch dem Schrifttum erforderlich.

 

Rz. 25

Eine die Bedeutung einer Norm betreffende Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, wenn zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte dafür geben, wie die konkret aufgeworfene Frage zu beantworten ist (vgl. BSG, Beschluss v. 9.9.2010, B 13 R 173/10 B; BSG, Beschluss v. 16.5.2007, B 13 R 97/07 B; BSG, NZS 1993 S. 280; zu den Einzelheiten vgl. § 160 Rz. 8 ff.). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargetan, wenn in der Beschwerdebegründung eine Frage irrevisiblen Rechts als klärungsbedürftig bezeichnet wird, ohne dass die besonderen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Prüfungsbefugnis des BSG dargelegt werden (vgl. BSG, Beschluss v. 8.10.2010, B 8 SO 49/10). Bei ausgelaufenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw. ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat. Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. BSG, Beschluss v. 16.12.2009, B 6 KA 13/09 B; BSG, Beschluss v. 26.5.2021, B 6 KA 26/20 B).

 

Rz. 26

Wird die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung in Frage gestellt, muss unter Berücksichtigung nicht nur der Rechtsprechung des BVerfG, sondern auch des ...

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