Rz. 25

Für die Ermessensentscheidung ("kann") ist maßgebend, dass alle Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit als Kollegialgerichte ausgestaltet sind (vgl. § 12 Abs. l Satz l, § 33 Satz l, § 40 Satz 1), um die Qualität ihrer Rechtsprechung zu steigern. Der Entscheidung des Gesetzgebers, Kollegialgerichte einzurichten, liegt nämlich die Annahme zugrunde, dass richterlichen Entscheidungen des Kollegiums eine höhere Richtigkeitsgewähr beizumessen ist (BVerfG, Beschluss v. 5.5.1998, 1 BvL 23/97, NJW 1999 S. 274, 275). Dies folgt aus dem Umstand, dass der Entscheidungsfindungsprozess im Kollegium in aller Regel maßgeblich vom Diskurs zwischen den einzelnen Kollegiumsmitgliedern im Rahmen der Beratungen bestimmt wird. Der Berichterstatter muss hierbei die Mehrheit des Kollegiums von seiner Ansicht überzeugen. Lediglich dann, wenn die Rechtssache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach gelagert ist, kann aus verfahrensökonomischen Gründen auf einen Diskurs innerhalb des Kollegiums verzichtet werden. Das bedeutet: Die ausnahmsweise mögliche Verlagerung der Entscheidungskompetenz vom Kollegium auf den Vorsitzenden bzw. Berichterstatter ist auf die Vielzahl der Verfahren zugeschnitten, die keine rechtlichen Schwierigkeiten aufweisen, weil einer ständigen Rechtsprechung – auch des eigenen Senats – gefolgt werden soll (so BSG, Urteil v. 8.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, SozR 4-1500 § 155 Nr. 2 m. w. N.; zustimmend Keller, jurisPR-SozR 11/2008 Anm. 5 = jurisPR extra 2008 S. 159; krit. Lüdtke, SGb 2008 S. 682; ablehnend Knispel, SGb 2010 S. 357). Zutreffend schließt das BSG (a. a. O.) hieraus, dass eine Entscheidung durch den Vorsitzenden bzw. Berichterstatter bei Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. l oder bei Divergenz i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 regelmäßig nicht in Betracht kommt (vgl. auch Zeihe, SGG, § 155 Rn. 21a). Allerdings gilt einschränkend: Lässt der Berichterstatter die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, ist ein Verfahrensfehler nicht anzunehmen, wenn er der Sache keine nennenswerte Breitenwirkung beimisst und die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Berichterstatterentscheidung auch für den Fall der Zulassung der Revision erklärt haben. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Entscheidung auf einer ständigen Rechtsprechung des eigenen Senats, einer schon vorhandenen, verfahrensfehlerfrei in vollständiger Senatsbesetzung getroffenen Leitentscheidung beruht oder beim BSG bereits Parallelfälle anhängig sind (vgl. BSG, Urteil v. 25.7.2009, B 3 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 24). Eine weitere Ausnahme ist angezeigt, wenn der Berichterstatter wie hier von einer Entscheidung durch das Kollegium im Interesse einer zügigen Abwicklung des Verfahrens abgesehen hat, weil er der Sache nicht nur Einzelfallbedeutung, aber auch keine nennenswerte Breitenwirkung beigemessen hat und die Beteiligten ihr protokolliertes Einverständnis mit einer Berichterstatterentscheidung auch für den Fall der Zulassung der Revision erklärt haben (zutreffend BSG, Urteil v. 3.12.2009, B 11 AL 38/08 R, SozR 4-4300 § 53 Nr. 4; vgl. aber BSG, Urteil v. 6.5.2009, B 6 A 1/08 R, SozR 4-2500 § 94 Nr. 2).

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