1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift dient der Verfahrensbeschleunigung. Sie hatte ursprünglich allein aus dem jetzigen Abs. 1 bestanden. Absatz 2 ist durch Art. 1 Nr. 42 des 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung zum 2.1.2002 angefügt worden.

 

Rz. 2

§ 130 enthält nunmehr 3 Verfahrensregelungen:

Nach Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 kann das Gericht auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage i. S. d. § 54 Abs. 4 durch ein Grundurteil ("dem Grunde nach") zur Geldleistung verurteilen. Das Urteil ist in diesem Falle ein Endurteil. Es findet kein Nachverfahren statt, stattdessen wird über die Leistungshöhe im Ausführungsbescheid entschieden.

Absatz 1 Satz 1 Alt. 2 ermöglicht im Falle der reinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5) ein Grundurteil, welches ein Zwischenurteil darstellt, so dass über die Leistungshöhe im Nachverfahren zu entscheiden ist.

Während Urteile nach Abs. 1 stets voraussetzen, dass alle Voraussetzungen des Geldleistungsanspruchs geklärt sind (nur die Höhe der Leistung darf offen bleiben), gibt der neue Abs. 2 dem Gericht die Handhabe, über einzelne Fragen vorab zu entscheiden. Diese Entscheidung schließt das Verfahren nicht ab (sonst handelte es sich um eine umfassende Zurückverweisung an die Verwaltung), sondern stellt lediglich ein Zwischenurteil dar.

 

Rz. 3

Urteile nach Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 sind häufig, sie stellen in der Rentenversicherung den Regelfall dar. Für Entscheidungen nach Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 existiert lediglich ein kleiner Anwendungsbereich (siehe Rn. 11). Von § 130 Abs. 2 wird offenbar nur zurückhaltend Gebrauch gemacht. Das mag an der nicht ohne weiteres deutlich werdenden Abgrenzung zu Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 liegen, vor allem aber daran, dass das Zwischenurteil nach Abs. 2 die Instanz nicht abschließt und von der h. M. weder für rechtskraftfähig noch für rechtsmittelfähig gehalten wird (Näheres dazu unter Rz. 17).

2 Rechtspraxis

2.1 § 130 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1: Grundurteil als Endurteil, Klage nach § 54 Abs. 4

2.1.1 Voraussetzungen

 

Rz. 4

Anders als nach § 304 ZPO ist das sozialgerichtliche Grundurteil im Falle einer Anfechtungs- und Leistungsklage (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 54 Abs. 4) kein Zwischenurteil, weil das Betragsverfahren lediglich durch eine neue Verwaltungsentscheidung in Gang gesetzt werden kann (vgl. BSG, SozR 3-1300 § 104 Nr. 9 S. 24 m. w. N.); systematisch handelt es sich um eine gesetzlich ausnahmsweise zugelassene Zurückverweisung an die Behörde, um die Höhe der Leistung feststellen zu lassen (BSG, Urteil v. 20.4.1999, B 1 KR 15/98 R, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8; wegen der Zurückverweisung an die Verwaltung siehe auch § 131 Abs. 5 i. d. F. seit dem 1. Justizmodernisierungsgesetzes v. 24.8.2004, BGBl. I S. 2198). Da lediglich insoweit die Verpflichtung des Gerichts zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts (§ 103) und zur vollständigen Entscheidung über den erhobenen Anspruch (§ 123) hintangestellt wird, erhält das Gericht durch § 130 Abs. 1 Satz 1 keine unbeschränkte Befugnis, den Streitgegenstand in einzelne Elemente aufzuspalten, indem es im Wege des Grundurteils immer nur zur gerade streitigen Rechtsfragen Stellung nimmt und die Anwendung der "gesetzlichen Vorschriften" im Übrigen der Verwaltung vorbehält. Hiervon macht auch der neue Abs. 2 nur teilweise eine Ausnahme, denn das Urteil nach Abs. 2 schließt das Verfahren nicht ab und überlässt die Entscheidung über die vom Gericht (noch) nicht geprüften übrigen Leistungsvoraussetzungen nicht der Verwaltung, sondern verschiebt diese Entscheidung auf das gerichtliche Nachverfahren.

 

Rz. 5

Ein Grundurteil nach Abs. 1 darf mithin nur ergehen, wenn alle Voraussetzungen des streitigen Anspruchs geprüft und festgestellt worden sind (vgl. BSG, Urteil v. 20.4.1999, B 1 KR 15/98 R, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8; BSG, USK 83141). Welche dies im Einzelnen sind, hängt vom jeweiligen Streitgegenstand, also vom erhobenen Anspruch i. S. d. § 123 ab. Zwischen "positiven" und "negativen" Anspruchsmerkmalen kann insoweit nicht unterschieden werden, da deren Bedeutung für den Streitgegenstand dieselbe ist (BSG, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8). Von der Verpflichtung des Gerichts, bei einem Grundurteil nach Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 sämtliche Anspruchselemente zu prüfen, sind Umstände, die "nur" zum Ruhen des Anspruchs führen, nicht auszunehmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Ruhensgrund bereits zu Beginn des strittigen Zeitraums eingreift und zwangsläufig den Auszahlungsanspruch nicht nur der Höhe nach, sondern insgesamt betrifft (BSG, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8). Ein rechtskräftig gewordenes Grundurteil, das zur Rentenzahlung von einem bestimmten Zeitpunkt an verurteilt hat, schließt für die nach diesem Zeitpunkt liegenden Zeiten die nachträgliche Erhebung der Verjährungseinrede aus (vgl. BSGE 53 S. 253; LSG Sachsen, Urteil v. 20.7.2005, L 6 LW 1/04). Nach BSG, SozR 3-1300 § 104 Nr. 3 sind in einem Grundurteil darüber hinaus aber nicht auch die Tatsachen zu prüfen, die – wie beispielsweise der Bezug einer anderen Sozialleistung – die Minderung des Anspruchs oder bei entsprechender Höhe auch dessen Wegfall herbeiführen.

 

Rz. 6

Durch ein Grundurteil nach Abs. 1 können nur bestimmte Leist...

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