0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit dem SGB X v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1469) mit Wirkung zum 1.1.1981 in Kraft getreten. Aufgrund der Regelung im Vierten Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) ist sie unverändert mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) mit Wirkung zum 1.1.2001 bekanntgemacht worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Der Bundesgesetzgeber schuf im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) v. 25.5.1976 eine mit §§ 53ff. weitgehend übereinstimmende Regelung. In der Begründung (BT-Drs. 7/910 S. 76/77) ist seinerzeit unter anderem ausgeführt worden, dass für den öffentlich-rechtlichen Vertrag unabweisbare Bedürfnisse aus der Sicht der Verwaltung und des Bürgers sprächen, weil für die Praxis der Verwaltung die Regelung durch Verwaltungsakt, der nur ein Entweder-Oder zuließe, häufig zu starr sei und den Besonderheiten atypischer Fälle, denen die auf den Normalfall zugeschnittenen normativen Regelungen nicht Rechnung tragen könnten, durch öffentlich-rechtliche Verträge besser als durch Verwaltungsakt entsprochen werden könnte, ohne dass das öffentliche Interesse dadurch Schaden erleiden müsste. Damit ist auch die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im Über- und Unterordnungsverhältnis (subordinationsrechtliche Verträge) bejaht worden. Durch die Bestimmungen in §§ 53ff. ist neben dem Verwaltungsakt eine zweite gleichwertige Handlungsalternative geschaffen worden, derer sich die Behörde bedienen kann, sofern nicht eine bestimmte Handlungsform vorgeschrieben ist (BSGE 51 S. 126, 129).

Der öffentlich-rechtliche Vertrag hat im Leistungs- und Beitragsrecht keine überragende Bedeutung erringen können, da die Zulässigkeit subordinationsrechtlicher Verträge durch § 53 Abs. 2 auf Ermessensleistungen beschränkt worden ist. Die Einschränkung in Abs. 2 erfolgte zum Schutze des Bürgers. Es soll verhindert werden, dass Verträge über Sozialleistungen geschlossen werden, auf die der Bürger einen Anspruch hat (BT-Drs. 8/2034 S. 36). Deshalb ist in den Bereichen des Leistungs- und Beitragsrechts der Verwaltungsakt die maßgebliche Handlungsform geblieben (zur Anwendung des öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sozialhilferecht sowie für den Bereich des Sozialen Entschädigungsrechtes vgl. Kretschmer, DÖV 2006 S. 893; Gent, SGb 1987 S. 495; Salje, DÖV 1988 S. 333, Böhm, VersorgungsB 1986 S. 15, 30, 44). Der öffentlich-rechtliche Vertrag findet hingegen im Wesentlichen bei der Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungsträgern seine Anwendung. Jedoch hat er auch im Bereich der Grundsicherungsleistungen zuletzt an Bedeutung gewonnen, da der Gesetzgeber insoweit von diesem Regelungsinstrument Gebrauch gemacht hat (z. B. § 15 Abs. 1 SGB II).

Durch eine vertragliche Gestaltung, die die Beteiligten wesentlich beeinflussen können, wird der Rechtsfrieden eher herbeigeführt als mit einer einseitigen hoheitlichen Regelung (Engelmann, in: v. Wulffen, Kommentar SGB X, § 53 Rz. 2). Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten verringert sich deutlich. Die Rechtsbeständigkeit ist gegenüber derjenigen eines Verwaltungsaktes auch größer, da eine Änderung des öffentlich-rechtlichen Vertrages der Einigung beider Vertragspartner bedarf, während ein Verwaltungsakt einseitig (unter bestimmten Voraussetzungen) von der Behörde aufgehoben werden kann.

2 Rechtspraxis

2.1 Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrages

 

Rz. 3

Nach der Legaldefinition des Abs. 1 Satz 1 liegt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vor, wenn auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ein Rechtsverhältnis begründet, geändert oder aufgehoben worden ist. Da eine ausdrückliche Regelung über das Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages fehlt, sind nach § 61 Satz 2 die Vorschriften des BGB entsprechend anzuwenden. Danach kommt ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande (§§ 145 ff. BGB; BSG, Urteil v. 4.4.2017, B 11 AL 19/16 R). Ob ein Vertrag vorliegt, ist eine Auslegungsfrage. Auf die ausdrückliche Bezeichnung kommt es nicht an (BVerwGE 25 S. 78).

Die Vorschriften der §§ 53ff. finden nur auf eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Leistungsträger nach dem SGB Anwendung. Sie gelten deshalb nicht für völkerrechtliche Verträge, Staatsverträge, Verwaltungsabkommen sowie verfassungs- und kirchenrechtliche Verträge (Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, § 53 Rz. 10). Ebenso sind die §§ 53ff. nicht auf privatrechtliche Verträge anwendbar.

 

Rz. 3a

Der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ist in das pflichtgemäße Entschließungs- oder Auswahlermessen (§ 39 SGB I) der Behörde gestellt. Behörden sind die Sozialleistungsträger sowie deren Verbände und Arbeitsgemeinschaften. In der Grundsicherung nach dem SGB II handelt das Jobcenter als Sozialleistungsträger. Die Bereitschaft des Vertragspartners ist erforderlich. Dieser kann nicht durch einen Verwaltungsakt zum Abschluss gezwungen werden. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag kann während des gesamten Verwaltungsverfahrens einschließlich eines Widerspruchsverfahrens und im ggf. darauf folgenden sozialgerichtlichen Verfahren bis zu dessen Ende sowohl außergerichtlich als auch ...

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