Rz. 3

Abs. 1 Satz 1 geht vom pflichtgemäßen Ermessen der Behörde bei der Ermittlung des Sachverhalts aus, beinhaltet den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel und stellt in Abs. 1 Satz 2 der Behörde die Mittel zur Verfügung, die sie im Einzelfall braucht, um den Sachverhalt umfassend und von Amts wegen ermitteln zu können. Die Behörde kann sich dabei aller erfolgversprechenden Beweismittel bedienen; allerdings besteht für die Beteiligten kein Anspruch auf Anwendung eines bestimmten Beweismittels, z. B. auf Zeugenvernehmung im Ausland. In ihre Überlegungen muss die Behörde verschiedene Beweismittel einbeziehen, u. U. auch solche, die von einer regelmäßig geübten Führung eines Nachweises abweichen .

Die Aufzählung der Beweismittel im Gesetz ist nicht abschließend; von der Behörde kann daneben jedes andere Beweismittel herangezogen werden (z. B. eine Untersuchung nach § 62 SGB I), soweit es rechtsstaatlichen Prinzipien genügt. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Beweismitteln richtet sich nach den Gesichtspunkten der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit; aber auch die Grundsätze der Sparsamkeit und zügigen Durchführung eines Verwaltungsverfahrens sollen bei der Beweiserhebung berücksichtigt werden. Von mehreren geeigneten Beweismitteln kann sich die Behörde für dasjenige entscheiden, das die Beteiligten, aber auch sie selbst am wenigsten belastet und mit dem geringsten finanziellen Aufwand verbunden ist.

 

Rz. 4

Beweisbedürftig sind grundsätzlich alle Tatsachen, die, sofern sie nicht unstreitig oder anerkannt, offenkundig oder gesetzlich zu vermuten sind, noch nicht als feststehend angesehen werden können, aber nach Überzeugung desjenigen, der den Sachverhalt festzustellen hat, für die Entscheidung wesentlich sind. Im Vergleich mit den Gerichten sind einer Behörde bei der Aufklärung des Sachverhalts gewisse Grenzen gezogen. So dürfen Behörden keinen Eid abnehmen und nur in Ausnahmefällen eine Versicherung an Eides statt verlangen (vgl. insoweit § 23). Nur im Fall einer besonderen Rechtsvorschrift besteht gegenüber Behörden eine Pflicht der Beteiligten zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage (Abs. 2 Satz 3) bzw. eine Pflicht für Zeugen und Sachverständige zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten (Abs. 3 Satz 1).

 

Rz. 5

Auch für das Beweisverfahren im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nach dem SGB gilt der Grundsatz der Nichtförmlichkeit (vgl. § 9). Deshalb besitzen Beteiligte keinen Anspruch auf Anwesenheit bei einer nichtförmlichen Beweiserhebung durch die Behörde. Beweise dürfen auch in Abwesenheit und ohne Kenntnis der Beteiligten erhoben werden. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, Beteiligte an einer Beweisaufnahme teilnehmen zu lassen. Die Parteiöffentlichkeit im Verwaltungsverfahren ist deshalb nicht notwendig, weil die auf die Ermittlungen gestützten Maßnahmen einer Behörde der Kontrolle der Gerichte mit dem förmlichen Beweisverfahren ohnedies unterliegen (BVerwG, Urteil v. 16.2.1972, V C 68.70, FEVS 19 S. 325, 328).

Bei der Beweisaufnahme muss keine Niederschrift gefertigt werden; dies ist aber insofern zweckmäßig, um dadurch das Ergebnis der Beweisaufnahme aktenkundig zu machen. Im Übrigen gilt im allgemeinen Verwaltungsverfahren nach dem SGB nicht der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. § 117 SGG, § 355 ZPO). Deshalb kann ein anderer Behördenbediensteter als der, welcher die Beweiserhebung vorgenommen hat, einen abschließenden Verwaltungsakt erlassen.

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