1.1 Inhalt der Regelung

 

Rz. 2

Regelungsinhalt der Norm ist die Bestimmung des Rentenartfaktors und damit die Bestimmung eines einer jeden Rentenart zugewiesen festen Faktors für die Rentenberechnung. Der Rentenartfaktor ist der Multiplikator für die volle Rente wegen Alters, die den Prototyp der selbsterwirtschafteten Rente mit Lohnersatzfunktion darstellt, die mit dem Faktor "1" bewertet wird und an dem sich mit einem jeweils niedriger Faktor als "1" jede andere Rentenart ausrichtet. Die Wertigkeit der jeweiligen Rentenart wird damit im Verhältnis zu einer Altersrente bestimmt.

1.2 Normzweck

 

Rz. 3

Normzweck ist es, der jeweiligen Rente – angelehnt an ihr versichertes Risiko und in Anlehnung an ihren Sicherungszweck – einen bestimmten Wert im Verhältnis zur Altersrente zuzuordnen. Der Rentenartfaktor bestimmt in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Sicherungszielen der einzelnen Rentenarten daher die Rentenhöhe (vgl. auch GRA der DRV zu § 67 SGB VI, Stand: 22.6.2016, Anm. 3; zur Bewertung Vollsicherung, Viertelsicherung, 55 v. H.-Sicherung, also "kleine" oder "große" Rente – § 46 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 67 Nr. 5 und 6, vgl. auch: BSG, Urteil v. 29.1.2004, B 4 RA 29/03 R, Rz. 55). Versichertenrenten sollen ganz (Altersrenten und Renten wegen voller Erwerbsminderung) oder teilweise (Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung) entgangenen Lohn, Hinterbliebenenrenten hingegen bisherigen Unterhalt ersetzen (Lohn/Unterhaltsersatzfunktion). Dabei lehnt § 67 an der Grundsatzentscheidung des § 63 Abs. 4 an. Der Rentenartfaktor nimmt das jeweilige Sicherungsziel der jeweiligen Rente zum Anlass, diese unterschiedlich zu bewerten. Der Rentenartfaktor als wesentlicher Teil der Rentenformel dient dem Zweck der monetären Bewertung einer Rente je nach deren Funktion. So werden Renten mit Lohnersatzfunktion – also eine (volle) Erwerbsminderungsrente oder eine Altersrente – höher bewertet, als Renten, die nur die Funktion eines monatlichen Zuschusses (Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung) oder Unterhaltsersatzfunktion (Witwenrenten) haben. Dabei stellen die Renten wegen Alters mit einer Bewertungszahl von 1,0 den Grundsatz dar, weil sie vollständige Lohnersatzfunktion haben (eine Ausnahme gilt nur für die kleinen und großen Witwenrenten im Sterbevierteljahr nach Nr. 4 und 5; vgl. insoweit sogleich Rz. 5). Renten mit lediglich Unterhaltsersatzfunktion basieren gerade nicht auf einer eigenen Versicherungsleistung und unterliegen daher auch nicht dem Eigentumsschutz nach Art. 14 GG. Gerade die Witwen- oder Witwerrente sind in erster Linie von der Vorleistung des Verstorbenen abhängig (hierauf hatte bereits der Gesetzgeber hingewiesen, vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 169 – vorgesehen noch in § 66); vgl. unter Rz. 11 Verfassungsrechtliche Aspekte; vgl. auch Komm. zu § 63.

 

Rz. 4

Dem Sicherungszweck entsprechend unterschiedlich hoch ist der Rentenartfaktor, mit dem die persönlichen Entgeltpunkte (vgl. § 66) zu multiplizieren sind.

 

Rz. 5

Differenzierend hinsichtlich des Normzwecks ist aber die kleine und auch die große Witwenrente und große Witwerrente während des Sterbevierteljahres nach Nr. 4 und 5 betrachten. Der Gesetzgeber hat auch dieser Rente einen "Wertfaktor" von "1" zugeordnet. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass mit dieser Rentenart das gleiche Sicherungsziel verfolgt wird, wie mit einer allgemeinen Altersrente, die ebenfalls mit dem Faktor "1" bewertet wird. Allein ein Rentenartfaktor von 1,0 bedeutet gerade nicht, dass die Witwenrenten im Sterbeüberbrückungszeitraum das gleiche Sicherungsziel haben wie eine Altersrente (so i.E. zutreffend Bay. LSG, Urteil v. 29.11.2017, L 11 AS 322/17, Rz. 20). Die andere Ansicht (vgl. etwa Diel, in: Hauck/Noftz, SGB, 04/2015, § 67 SGB VI, Rz. 18) ist abzulehnen. Dies verkennt die besondere – auch finanzielle – Belastung, der ein Witwer oder eine Witwe regelmäßig in den ersten 3 Monaten nach Versterben des Ehepartners ausgesetzt ist. Mit dem gegenüber dem niedrigeren Wertfaktor (unterhalb von "1") bei anderen Hinterbliebenenrenten befristete Faktor von "1" und damit einhergehend eine auf 3 Monate befristete höhere Witwenrente trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass naturgemäß in dieser Zeit höhere Kosten abgefedert werden müssen, die durch den Tod des verstorbenen Ehegatten entstehen. Im Vordergrund stehen z. B. die Kosten der Beerdigung; daher verbleibt nur ein etwaiger Überschuss für die Umstellung der Lebensführung (Bay. LSG, Urteil v. 29.11.2017, L 11 AS 322/17, Rz. 20, unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil v. 30.9.1974, VI C 34/72).

1.3 Vorgängerregelungen

 

Rz. 6

Im ursprünglichen Recht existierte das Prinzip des Zugangsfaktors in der jetzigen Gestalt nicht. Die Bewertung der Rentenarten wurde durch einen Steigerungssatz sichergestellt. Insoweit finden sich folgende Vorschriften, die im weiteren Sinne als Vorgängervorschriften angesehen werden können: §§ 1253 Abs. 1, 154 Abs. 1 RVO, § 30 Abs. 1 AVG und § 31 Abs. 1 AVG.

1.4 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen

 

Rz. 7

Abweichend von § 67 gelten für die knappschaftliche Rentenversicherung wegen des dort höheren Rentenniveaus andere...

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