Rz. 58

Das Merkmal der Unselbständigkeit wird wesentlich bestimmt durch die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber, dessen Direktionsrecht der Beschäftigte unterliegt, sei es infolge vertraglich vereinbarter Weisungsgebundenheit oder dadurch, dass der Arbeitende in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist (BSG, Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R; Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R; Urteil v. 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R). Dem Arbeitgeber steht eine Verfügungs- und Weisungsbefugnis (Direktionsrecht) gegenüber dem Arbeitenden zu, kraft dessen der Arbeitgeber Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung bestimmt (BSG, Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R; Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.9.2017, L 5 R 4632/16). Zu unterscheiden ist hiernach u. a. das örtliche und das fachliche Weisungsrecht. Verrichtet der Betreffende eine Tätigkeit überwiegend in den Räumlichkeiten des Auftraggebers, sagt allerdings dies allein noch nichts über ein Weisungsrecht aus (BSG, Urteil v. 17.12.2014, B 12 R 13/13 R). Maßgebend ist, wer über die Örtlichkeiten entscheidet. Das Weisungsrecht besteht in örtlicher Hinsicht z. B. dann, wenn der Betreffende nicht die freie Entscheidung hat, ob er seine Tätigkeit von zu Hause oder in den Räumlichkeiten des Auftraggebers ausübt. Es ist ein rein äußerer Umstand, der allein als solcher für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unergiebig ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.9.2016, L 4 R 2120/15 ZVW). Hat der Auftragnehmer die alleinige Fachkompetenz, unterliegt er nicht dem fachlichen Weisungsrecht des Auftraggebers, was für Selbständigkeit spricht.

 

Rz. 59

Das SGB IV definiert den Begriff des Arbeitgebers nicht. Stattdessen verweist § 7 Satz 1 HS 2 auf das Arbeitsverhältnis. Dieses wird durch einen Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) begründet (vgl. dazu Rz. 23). Indessen fehlt auch dort eine Begriffsbestimmung des Arbeitgebers. Stattdessen verwendet § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB die verklausulierte Formel "im Dienste eines anderen". Dieser "andere" ist der Arbeitgeber, was § 611a Abs. 2 BGB wie selbstverständlich aufnimmt, indem dort bestimmt wird, dass der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist. Arbeitgeber ist mithin derjenige ("andere"), der vertraglich befugt ist, einen anderen (Arbeitnehmer) anzuweisen, in persönlicher Abhängigkeit fremdbestimmte Arbeit (vgl. hierzu Rz. 24, 48, 81, 89, 92, 97, 116, 122, 176) zu verrichten. Diese zivilrechtliche Herleitung greift auch für § 7 Abs. 1. Das dort verwendete Wort "Arbeitsverhältnis" ist originär zivilrechtlicher Natur und wird mittels der in jenem Rechtsbereich entwickelten Grundsätze konkretisiert. Unschädlich ist insoweit, dass das aus dem Arbeitsverhältnis gründende Direktionsrecht vielfach durch individual- oder kollektivrechtliche Regelungen eingeschränkt ist.

 

Rz. 60

Direktionsrecht und Eingliederung stehen in einer Wechselbeziehung. Je weniger das Direktionsrecht des Arbeitgebers in Gestalt ausdrücklicher Weisungen in Erscheinung tritt, je mehr der Arbeitnehmer bei der Gestaltung seiner Arbeit auf sich selbst gestellt ist, um so größeres Gewicht erhält das Merkmal der Eingliederung in einen übergeordneten Organismus für die Abgrenzung zwischen abhängig geleisteter Arbeit und selbständig verrichteten Diensten (kritisch zum Merkmal der Eingliederung: Hromadka, NJW 2003 S. 1847, 1848). Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in einem solchen Fall zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (BSG, Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R; Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R; Urteil v. 31.3.2015, B 12 R 1/13 R – Rechtsreferendar; Urteil v. 31.3.2015, B 12 KR 17/13 R – Merchandiser; Urteil v. 17.12.2014, B 12 R 13/13 R – Bilanzbuchhalterin; Urteil v. 5.3.2014, B 12 R 4/12 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.09.2017, L 5 R 4632/16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.9.2017, L 1 KR 311/15). Da die persönliche Abhängigkeit die Eingliederung in den Betrieb und eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers voraussetzt, reicht allein das formelle Fortbestehen des Dienstvertrages nicht aus, wenn gleichzeitig die wesentlichen Beschäftigungsmerkmale – Eingliederung in den inländischen Betrieb und Fortbestehen des Weisungsrechts – fehlen (BSG, Urteil v. 28.11.1990, 5 RJ 87/89).

 

Rz. 61

Fehlt es am Weisungsrecht, kann der Betreffende seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei disponieren oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko (vgl. auch Rz. 41, 48, 57, 81, 135) gekennzeichnet zu sein pflegt (vgl. BSG, Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R; Urteil v. 31.3.2017, B 12 KR 16/14 R; Urteil v. 31.3.2015, B 12 KR 17/13 R – Merchandiser; Urteil v. 17.12.2014, B 12 R 13/13 R – Bilanzbuchhalterin; Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 1...

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