0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist am 1.7.1977 durch das Gesetz v. 23.12.1976 (BGBl. I S. 3845) in Kraft getreten und gilt seit dem 19.11.2009 i. d. F. der Bekanntmachung v. 12.11.2009 (BGBl. I S. 3710) unverändert fort.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift, die im Wesentlichen an § 5 SVwG anknüpft, regelt, wie zu verfahren ist, wenn Beschlüsse eines Selbstverwaltungsorgans gegen gesetzliche oder sonstige Rechtsvorschriften verstoßen. Zu der streitigen Diskussion, ob neben Gesetz, Rechtsverordnung und Satzung auch Gewohnheitsrecht, Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, allgemeine Regeln des Völkerrechts und Richterrecht dazu gehören, wird auf die Rechtsprechung des BVerfG verwiesen (BVerfGE 78 S. 214; BVerfGE 89 S. 235). Sie führt ein verwaltungsinternes Beanstandungsverfahren ein, das den Vorstandsvorsitzenden verpflichtet, in solchen Fällen den Beschluss zu beanstanden, eine Frist zur Berichtigung zu setzen und danach die Aufsichtsbehörde zu informieren.

2 Rechtspraxis

2.1 Beanstandungsverfahren

 

Rz. 2

Soweit der Beschluss eines Selbstverwaltungsorgans (nicht eines anderen Organs) nach der Rechtsauffassung des Vorstandsvorsitzenden gegen eine gesetzliche oder sonstige rechtliche Vorschrift verstößt, hat er diesen Beschluss zu beanstanden. Ein Ermessensspielraum besteht nicht. Aus Gründen der Rechtssicherheit hat dies schriftlich und mit Begründung zu erfolgen. Weiterhin ist dem betreffenden Selbstverwaltungsorgan eine angemessene Frist zur erneuten Beschlussfassung zu setzen. Damit soll bewirkt werden, dass das entsprechende Selbstverwaltungsorgan in die Lage versetzt wird, ohne Einschaltung der Aufsichtsbehörde unter Berücksichtigung der Argumente des Vorstandsvorsitzenden seine Entscheidung zu überdenken. Damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, hat die Beanstandung durch den Vorstandsvorsitzenden eine befristete aufschiebende Wirkung (§ 38 Abs. 1 Satz 2), sodass der Vollzug des beanstandeten Beschlusses nicht möglich ist.

 

Rz. 3

Zu den Selbstverwaltungsorganen i. S. d. Vorschrift zählen die Vertreterversammlung, der Vorstand und bei den Krankenversicherungsträgern seit Januar 1996 der Verwaltungsrat. Bei den Krankenversicherungsträgern hat der Vorsitzende des Verwaltungsrats die Beanstandungspflicht (§ 33 Abs. 3 Satz 3). Soweit bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Aufgaben auf den Bundesvorstand übertragen worden sind, obliegt das Beanstandungsrecht dem Vorsitzenden des Bundesvorstandes (§ 35 Abs. 3 Satz 2). Zu den beanstandungsfähigen Beschlüssen zählen weiter die Entscheidungen der Erledigungsausschüsse (§ 66). Nicht erfasst von § 38 werden Rechtsverstöße des Geschäftsführers oder des (hauptamtlichen) Vorstandes einer Krankenkasse, da es sich dabei nicht um Selbstverwaltungsorgane handelt.

2.2 Unterrichtung der Aufsichtsbehörde

 

Rz. 4

Soweit das betroffene Selbstverwaltungsorgan aufgrund der Beanstandung des Vorstandsvorsitzenden innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Abhilfeentscheidung trifft, muss die in § 90 genannte Aufsichtsbehörde vom Vorstandsvorsitzenden unterrichtet werden, damit sie die Möglichkeit hat, Aufsichtsmaßnahmen nach § 89 einzuleiten. Der Vorstandsvorsitzende ist zur Unterrichtung verpflichtet; andere Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane haben aber auch das Recht, die Aufsichtsbehörde zu unterrichten. Die durch die Beanstandung durch den Vorstandsvorsitzenden eingetretene aufschiebende Wirkung bleibt auch nach Unterrichtung der Aufsichtsbehörde bis zu deren Entscheidung – längstens 2 Monate – bestehen. Aufgrund dieser vom Gesetzgeber vorgenommenen Fristsetzung ist die Aufsichtsbehörde gehalten, sich alsbald mit der Sache zu beschäftigen.

2.3 Maßnahmen der Aufsichtsbehörde

 

Rz. 5

Die Aufsichtsbehörde soll gemäß § 89 Abs. 1 zunächst beratend auf den Versicherungsträger einwirken, um diesen zur Behebung der Rechtsverletzung zu bewegen. Auch in diesem Verfahrensstadium soll das Selbstverwaltungsorgan nochmals Gelegenheit zur (internen) Abhilfe haben. Soweit innerhalb einer angemessenen Frist diese beratende Tätigkeit keinen Erfolg hat, also der Versicherungsträger nicht entsprechend tätig wird, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Diese Verpflichtung kann vollstreckt werden.

 

Rz. 6

Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde kann vom Versicherungsträger durch Klage vor dem Sozialgericht angefochten werden (§ 54 Abs. 3 SGG). Die Klage hat ebenfalls aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG). Die Aufsichtsbehörde hat jedoch auch die Möglichkeit, die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung anzuordnen (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG).

2.4 Widerspruchsstellen

 

Rz. 7

Die nach § 85 SGG, § 36a durch Satzungsregelung gebildeten besonderen Ausschüsse (Widerspruchsausschuss und Feststellungsausschuss), die nicht zu den Selbstverwaltungsorganen im engeren Sinne gehören, zählen auch nicht zu den Selbstverwaltungsorganen i. S. v. § 38. Die Beschlüsse der Widerspruchs- und Feststellungsausschüsse müssen und können somit nicht vom Vorstandsvorsitzenden beanstandet werden.

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