Zusammenfassung

 
Begriff

Inobhutnahme ist eine vorläufige Maßnahme des Jugendamts zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen durch Unterbringung bei einer Person oder in einer Einrichtung.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: Die Pflicht des Jugendamts zur (endgültigen) Inobhutnahme bestimmt § 42 SGB VIII. Ausführungsgesetze der Länder auf der Grundlage des § 49 SGB VIII regeln Einzelheiten der Inobhutnahme, insbesondere die Zusammenarbeit mit der Polizei (§ 26 LKJHG Baden-Württemberg; Art. 56 AGSG Bayern; § 16 AG-KJHG Berlin; § 26 BremKJFöG; § 51 Hessisches KJGB; § 24 AG-KJHG Rheinland-Pfalz; § 20 KJHAG Thüringen).

§ 8 JuSchG legt fest, dass die Polizeibehörde das Jugendamt unterrichten muss, wenn sie ein Kind oder einen Jugendlichen an einem jugendgefährdenden Ort aufgegriffen hat.

Die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme ist unabhängig davon, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland besteht. Die Pflicht des Jugendamts zur vorläufigen Inobhutnahme regelt § 42a SGB VIII.

Das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderehen vom 17.7.2017 (BGBl.I S. 2429) hat § 42a SGB VIII dahin ergänzt, dass auch verheiratete minderjährige Ausländer als unbegleitet gelten.

Das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 28.7.2017 (BGBl. I S. 2780) hat § 42 Abs. 2 SGB VIII ergänzt, indem es das Jugendamt verpflichtet, einen Asylantrag zu stellen.

Art. 6 des Zweiten Datenaustauschverbesserungsgesetzes vom 4.8.2019 hat in § 42a SGB VIII einen Abs. 3a eingefügt, wonach das Jugendamt dafür sorgen muss, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Abs. 8 und 9 AufenthG eingeleitet werden, wenn Zweifel an der Identität des Jugendlichen bestehen.

Das Gesetz zur familiengerichtlichen Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen vom 21.7.2017 (BGBl.I S. 2424) ergänzt die Regelungen im FamFG.

1 Voraussetzungen

In § 42 Abs. 1 SGB VIII sind 3 Fälle der Inobhutnahme geregelt:

Fall 1 ist die Inobhutnahme nach einer entsprechenden Bitte des Jugendlichen selbst ("Selbstmelder").

Fall 2 liegt vor, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen besteht. "Dringende Gefahr" ist eine Gefahr für besonders wichtige Rechtsgüter oder eine Gefahr, die Schäden in besonders großem Umfang befürchten lässt.[1]

Fall 3 wurde durch das KICK[2] eingefügt und betrifft die (endgültige) Inobhutnahme unbegleitet einreisender ausländischer Minderjähriger[3] nach Zuweisungsentscheidung im Verteilungsverfahren.[4]

"Unbegleitet" ist der Minderjährige, wenn er entweder allein einreist oder die ihn begleitende Person nicht personensorgeberechtigt oder mindestens erziehungsberechtigt ist.[5]

[1] Zur Inobhutnahme bei Suizidgefahr, vgl. OVG NRW, Beschluss v. 3.3.2021, 12 A 1403/18.
[2] Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe.
[5] VG Ansbach, Beschluss v. 25.6.2020, AN 6K 18.00385.

2 Rechtsfolge

Das Jugendamt ist zu umfangreichen sozialpädagogischen Hilfen verpflichtet, die der Vielfalt der Probleme des Hilfebedürftigen gerecht werden. Da im Fall von Abs. 1 Nr. 1 häufig ein Konflikt mit den Eltern der Grund für das Weglaufen ist, muss dem Kind zunächst Gelegenheit gegeben werden, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat den Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten. Widerspricht der Erziehungsberechtigte der Inobhutnahme, hat ihm das Jugendamt das Kind zu übergeben oder beim Familiengericht eine Entscheidung nach § 1666 BGB über den weiteren Verbleib herbeizuführen. Dasselbe gilt im Fall 2. Hier muss zunächst eine Herausnahme erfolgen.

Während der Inobhutnahme hat das Jugendamt die Stellung des Personensorgeberechtigten. Es hat den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen.

Bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern muss das Familiengericht zunächst einen Vormund bestellen.[1] Dies regelt nun § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII ausdrücklich.

[1] BVerwG, Urteil v. 7.7.2004, 5 C 63.05.

3 Form der Unterbringung

Das Jugendamt bringt das Kind oder den Jugendlichen bei einer geeigneten Person (Bereitschaftspflegefamilie) oder in einer Einrichtung oder sonstigen betreuten Wohnform (Jugendschutzstelle, Bereitschaftsheim) unter.

Eine geschlossene Unterbringung ist eine freiheitsentziehende Maßnahme und kommt nur dann in Betracht, wenn sie erforderlich ist, um Gefahren für Leib und Leben des Kindes/Jugendlichen oder Dritter abzuwenden. Gemäß Art. 104 Abs. 2 GG ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, auch dann, wenn der Personensorgeberechtigte der geschlossenen Unterbringung zustimmt.[1] Die richterliche Entscheidung ist im Verfahren nach §§ 167, 312 FamFG herbeizuführen. Die Überprüfung der Inobhutnahme als Verwaltungsakt erfolgt dagegen im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit.[2]

Mit der vorläufigen Inobhutnahme unterliegt der Jugendliche nicht mehr dem Verteilungsverfahren nach § 15a AufenthG; dieses lebt nach Volljährigkeit nicht wieder auf.[3]

[2] OVG NRW, Urteil v. 24.1.2013, 12 E 1259/12.
[3] OVG B...

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