Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Versicherungsfreiheit. Pfarrer im Ruhestand. Dienstunfall gem § 29 Abs 2 S 2 PfarrDG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Dienstverhältnis eines Pfarrers besteht auch nach dessen Eintritt in den Ruhestand fort.

2. Übt ein Pfarrer nach Eintritt in den Ruhestand sein Amt aus, so handelt es sich um eine versicherungsfreie Tätigkeit iS von § 4 Abs 1 Nr 1 SGB 7. Ein hierbei erlittener Unfall stellt einen Dienstunfall dar, der nicht nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen ist.

 

Orientierungssatz

Hinsichtlich der Beendigung des Dienstverhältnisses trifft das Pfarrerdienstgesetz (PfarrDG) eine gegenüber dem Bundesbeamtengesetz (BBG) abweichende Regelung.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. September 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII gehörte.

Der 1934 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 1997 Pfarrer im Ruhestand bei der Evangelischen Kirche in X. (EKX). Er war zuvor bei der evangelisch-lutherischen Y-gemeinde in A-Stadt tätig. Gegenüber dieser Gemeinde erklärte er sich vertretungsweise bereit, am 10. April 2009 den Karfreitags-Gottesdienst zu gestalten und durchzuführen. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes stürzte der Kläger auf der Treppe zur Orgelempore und brach sich das linke Bein. Der Kläger wurde noch am gleichen Tag operiert und anschließend stationär und ambulant behandelt.

Nachdem die EKX den Unfall bei der Beklagten angezeigt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2009 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 10. April 2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht zum versicherten Personenkreis nach § 2 SGB VII gehört habe. Pfarrer seien nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Personen, für die beamtenrechtliche Unfallfürsorgepflichten gelten, versicherungsfrei und somit nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Der Kläger sei daher zum Unfallzeitpunkt nicht wie ein Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, sondern wie eine versicherungsfreie Personen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig geworden. Es habe sich somit bei dem Ereignis vom 10. April 2009 nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 16. Juli 2009 Widerspruch ein, welchen er damit begründete, dass er Pfarrer auf Lebenszeit sei und damit die vollen Ordinationsrechte auch nach der Pensionierung unverändert weiter innehabe. Er sei deshalb wie ein Beschäftigter tätig geworden. Er fügte ein Schreiben der Y-gemeinde vom 20. Juli 2009 bei, worin diese mitteilte, dass die Gemeinde in Zeiten von Vakanzen und Personalabbau auch auf die Mitarbeit von Pfarrern und Pfarrerinnen im Ruhestand angewiesen sei. Der Kläger habe auch im Auftrag und für die Gemeinde gehandelt und hierfür keinerlei Honorar oder Vergütung erhalten. Der Kläger als Pfarrer im Ruhestand sei auch nicht verpflichtbar gewesen, Gottesdienste für andere Pfarrer zu übernehmen, so dass die Übernahme des Gottesdienstes als ehrenamtliche Tätigkeit zu werten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, da der Kläger als Pfarrer im Ruhestand grundsätzlich nicht zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis gehöre. Erleide ein Pfarrer, auch wenn er sich bereits im Ruhestand befinde, bei Ausübung seiner Tätigkeit einen Unfall, handele es sich um einen Dienstunfall, welcher vom Dienstherrn im Rahmen der beamtenrechtlichen Versorgung abzuwickeln sei. Eine Entschädigung durch die gesetzliche Unfallversicherung sei ausgeschlossen. Die Übernahme eines Gottesdienstes durch einen Pfarrer im Ruhestand könne auch nicht als ehrenamtliche Tätigkeit für eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft gewertet werden, selbst wenn die Übernahme auf freiwilliger Basis und ohne Vergütungsanspruch erfolge. Dies ergebe sich schon daraus, dass ein Pfarrer auch im Ruhestand die vollen Ordinationsrechte behalte.

Hiergegen hat der Kläger am 7. Dezember 2009 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. September 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei vorliegend als versicherungsfreie Person im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig gewesen, so dass eine Einstandspflicht der Beklagten nicht vorliege. Er habe am 10. April 2009 einen Dienstunfall im Sinne von § 29 Abs. 2 S. 2 des Kirchengesetzes über die Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer - Pfarrerdienstgese...

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