Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. innerer Zusammenhang. sachlicher Zusammenhang. Unterbrechung des versicherten Weges. Verkehrsunfall. gesetzliche Verpflichtung. Regulierung der Unfallfolgen

 

Orientierungssatz

Die im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang erfolgende Regulierung der Folgen eines auf einem versicherten Weg geschehenen Verkehrsunfalls stellt keine den Versicherungsschutz aufhebende Unterbrechung des Weges dar. Denn Maßnahmen zwecks Bestätigung der Unfallbeteiligung und zwecks Mitteilung der Personalien gehören gem § 142 StGB und § 34 StVO zu den gesetzlichen Pflichten eines Unfallbeteiligten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.02.2009; Aktenzeichen B 2 U 26/07 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung eines Unfalles als Arbeitsunfall.

Der in W-Stadt wohnhafte Kläger war als Lagerarbeiter bei der Firma Z. Deutschland AG in M-Stadt beschäftigt. Ausweislich der Unfallanzeige der Beschäftigungsfirma vom

12. Januar 2006 befand er sich am 13. Dezember 2005 auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle mit dem Pkw auf der L 3022 - aus O-Stadt kommend in Richtung S-Stadt fahrend - als der Spiegel seines Pkw von einem entgegenkommenden Pkw beschädigt wurde. Der Kläger habe angehalten, um den Unfall zu klären und sei dabei von einem anderen Fahrzeug erfasst worden. Laut Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. H. und dem Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. Y. vom 16. Mai 2006 erlitt der Kläger einen Schienbeinbruch, eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und eine Beckenprellung, wobei die Verletzungen mit einem verzögerten, mehrmonatigen Heilungsverlauf verbunden war. Dr. Y. äußerte den Verdacht auf eine unfallbedingte depressive Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung.

Die Beklagte zog die Verkehrsunfallakte vom Amtsgericht Limburg bei. Nach der Verkehrsunfallanzeige der Polizeistation L-Stadt vom 28. Dezember 2005 war der Kläger nach der Kollision zunächst einige Meter weiter gefahren, hatte auf der Fahrbahn gewendet und war zurückgefahren bis hinter den Pkw des Unfallgegners, der ebenfalls angehalten hatte. Als ein weiterer Pkw auf den am Fahrbahnrand abgestellten Pkw des Klägers auffuhr, wurde der Kläger zwischen seinem und dem vor ihm stehenden Pkw eingeklemmt und dabei verletzt. Wegen der Aussagen der Unfallgegner X. und V. vom 18. Dezember 2005 im Rahmen der polizeilichen Vernehmung wird auf den Inhalt der Verkehrsunfallakte Bezug genommen. Mit Bescheid vom 12. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Der Kläger sei auf dem Heimweg nicht betrieblich bedingt umgekehrt und der danach erlittene Unfall unversichert. Der zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendete Abweg habe der Regulierung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche gedient. Das Erreichen der Wohnung als versicherter Zweck der Heimfahrt sei nicht mehr bestimmendes Handlungsziel des Klägers gewesen, so dass der für die Annahme von Versicherungsschutz erforderliche innere Zusammenhang mit dem versicherten Heimweg gefehlt habe.

Mit Klage vom 28. August 2006 machte der Kläger vor dem Sozialgericht Wiesbaden (SG) geltend, er habe sich weiterhin auf dem direkten Heimweg befunden und habe den öffentlichen Verkehrsraum nicht verlassen. Der innere Zusammenhang mit dem Zurücklegen des Heimweges sei auch infolge des Wendens nicht unterbrochen worden. Wäre er weitergefahren, hätte er sich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht. Die Tatsache, dass er aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen angehalten habe, um mit dem Unfallgegner die Schadensabwicklung zu klären, dürfe nicht dazu führen, dass er den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz verliere. Das Wenden und Abstellen des Fahrzeuges stelle keine kausale Unterbrechung dar, denn er habe sein Ziel, auf dem schnellsten und kürzesten Weg nach Beendigung der Arbeitstätigkeit seine Wohnung zu erreichen, nicht aufgegeben.

Mit Urteil vom 19. Januar 2007 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen. Der Kläger sei einer versicherten Tätigkeit nachgegangen, als es zu dem ihn körperlich schädigenden Unfall gekommen sei, da er auch während der Unterbrechung des Heimweges versichert gewesen sei. Ziel der Fahrtunterbrechung sei die Regulierung der Unfallfolgen gewesen, zu der die Bestätigung seiner Unfallbeteiligung und die Mitteilung seiner Personalien gezählt hätten. Im Hinblick auf den Umstand, dass diese Maßnahmen gemäß § 142 StGB und § 34 Straßenverkehrsordnung (StVO) zu seinen gesetzlich...

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