Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall im Ausland. Ausstrahlung bzw Entsendung gem § 4 Abs 1 SGB 4. Freistellungsvereinbarung zwischen dem inländischen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. tatsächliche Verhältnisse während der Ausübung der Tätigkeit im Ausland: Direktionsrecht. Leistungsbestimmungsrecht. Fürsorgepflicht. Abgrenzung zu einem fortbestehendem Rumpfbeschäftigungsverhältnis. Tierpfleger. Projekt in einem vietnamesischen Nationalpark

 

Leitsatz (amtlich)

Der Abschluss einer Freistellungsvereinbarung zwischen dem inländischen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zum Zwecke der Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland schließt das Vorliegen einer Entsendung nicht von vornherein aus. Insoweit kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse während der Ausübung der Tätigkeit im Ausland an.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2015; Aktenzeichen B 2 U 1/14 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Mai 2011 aufgehoben und unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2010 festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 10. November 2009 um einen Arbeitsunfall handelt.

II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines im Ausland erlittenen Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall im Rahmen der Ausstrahlungsregelungen des § 4Viertes Buch Sozialgesetzbuch -Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV).

Der 1982 geborene Kläger ist Tierpfleger im Zoo A-Stadt und in dieser Tätigkeit bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Im gesamten Kalenderjahr 2009 war er in C-Stadt im C. (im Folgenden „C.“), D. Nationalpark, beschäftigt. Dort erlitt er während einer im Rahmen seiner Tätigkeit durchgeführten Exkursion zum Ausfindigmachen geeigneter Futterpflanze für laubfressende Affen am 10. November 2009 einen schweren Unfall, in dessen Folge ihm das linke Bein zu 1/3 amputiert werden musste.

Mit Unfallanzeige vom 19. November 2009 zeigte die Zoo A-Stadt GmbH (im Folgenden „Zoo“) dieses Ereignis bei der Beklagten als Arbeitsunfall an.

Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte zunächst telefonisch weitere Informationen von Seiten des Zoos ein. Frau E. von der Personalabteilung bestätigte, dass der Kläger eine Freistellungsvereinbarung für ein Jahr mit dem Zoo gehabt habe. In dieser Zeit habe er auch kein Gehalt bekommen und es seien keine Sozialversicherungsbeiträge für ihn abgeführt worden. Der Zoo fördere ein Projekt in dem genannten Nationalpark in C-Stadt und überweise dorthin wohl immer Geld. Die Tierpfleger würden dann vor Ort durch den Park das Geld erhalten, das sie zum Leben benötigen würden. Für diese Zeit in C-Stadt hätten sie Freistellungsverträge. Frau E. äußerte in diesem Telefongespräch die Ansicht, da der Zoo Gelder nach C-Stadt bezahle, müsse es sich doch bei dem Unfall um einen Arbeitsunfall handeln.

Die Beklagte forderte daraufhin vom Zoo sämtliche im Zusammenhang mit der dortigen Tätigkeit und der Tätigkeit des Klägers in C-Stadt bestehende schriftliche Vereinbarungen an. Der Zoo übersandte ihren mit dem Kläger unter dem 21. Mai 2008 geschlossenen Arbeitsvertrag und eine Freistellungsvereinbarung vom 11. Dezember 2008. Diese Freistellungsvereinbarung trifft u. a. folgende Regelungen:

„§ 1 Die Zoo A-Stadt GmbH und der Arbeitnehmer vereinbaren einvernehmlich die befristete Freistellung von der Arbeitsleistung für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2009, sofern betriebliche Interessen dem nicht entgegenstehen. § 2 Während der Freistellungsphase ruht das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer macht für diesen Zeitraum keinen Entgeltanspruch gemäß §§ 611, 615 Satz 1 BGB in Verbindung mit seinem Arbeitsvertrag geltend.“

Daneben übersandte der Zoo seine Vereinbarung mit dem „C., C-Stadt“ (C.), die u. a. folgende Regelungen trifft:

„1. Leistungen des Zoos Der Zoo leistet eine Zahlung von EUR 12.000.- an das C. Die Zahlung erfolgt bis zum 01.03.2009 in einer Summe an den verantwortlichen Projektleiter. 3. Verwendungszweck Mit dem o.g. Beitrag soll die Stelle eines A-Stadter Tierpflegers finanziert werden, der die Arbeit der Station unterstützt und heimische Pfleger schulen kann. Das C. ist für die korrekte Abwicklung der Bezahlung des Pflegers verantwortlich. 4. Laufzeit Zoo und C. vereinbaren eine einjährige Laufzeit der Vereinbarung vom 01.01.2009 - 31.12.2009. Anschließend entscheidet der Zoo, ob er die Zusammenarbeit in dieser Form fortsetzen will, abhängig von der personellen Besetzung der Stelle durch einen A-Stadter Tierpfleger. […] 6. Verwendungsnachweis Bis zum 31.03.2010 ist ein Nachweis der Mittelverwendung durch das C. an den Zoo zu übergeben.“

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, der Kläger habe zum Zeitpu...

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