Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch. grob fahrlässige Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit für Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Inhaftierung nach Straftat. Bedarfsgemeinschaft zum Zeitpunkt des sozialwidrigen Verhaltens. gleichzeitige Sperrzeit

 

Orientierungssatz

1. Ein Ersatzanspruch gem § 34 SGB 2 kommt in Betracht, wenn das Verhalten, durch welches die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende herbeigeführt werden, als sozialwidrig anzusehen ist. Als Fallgruppe eines solchen sozialwidrigen Verhaltens kommt auch die Verletzung der Unterhaltspflicht durch Herbeiführung von Untersuchungs- oder Strafhaft in Betracht.

2. Für die Entstehung des Ersatzanspruchs wegen der Herbeiführung der Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit dem Verursacher in einer Bedarfsgemeinschaft leben, kommt es allein darauf an, dass zum Zeitpunkt des sozialwidrigen Verhaltens oder des Zeitpunktes der Herbeiführung der Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit eine Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Verursacher und diesen Personen besteht.

3. Die gleichzeitige Verhängung einer Sperrzeit gem § 144 SGB 3 durch die Bundesagentur für Arbeit gegenüber dem Verursacher schließt Ersatzansprüche gem § 34 SGB 2 nicht aus.

 

Normenkette

SGB II §§ 34, 7 Abs. 3; SGB III § 144

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.11.2012; Aktenzeichen B 4 AS 39/12 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 abgeändert und die Klage in vollem Umfange abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Ersatzanspruch nach § 34 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II.

Der 1973 geborene Kläger ist seit 1996 verheiratet und hat ein am xx. xxx 2004 geborenes Kind. Wegen einer am 15. Juli 2003 begangenen Straftat wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 18. Oktober 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Aufgrund eines Haftbefehls wurde der Kläger am 17. Januar 2005 in Untersuchungshaft genommen.

Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 24. Januar 2005 gekündigt hatte, beantragte die Ehefrau am 15. Februar 2005 bei dem Beklagten Leistungen. Diese wurden mit Bescheid vom 9. März 2005 für die Zeit vom 15. Februar bis zunächst 31. März 2005 bewilligt und mit weiterem Bescheid vom 14. April 2005 für den Zeitraum April und Mai 2005.

Am 18. März 2005 wurde der Kläger aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit wurde letztlich mit Bescheid vom 16. Juni 2005 ab 22. März 2005 entsprochen (Sperrzeit vom 26. Januar 2005 bis 21. März 2005).

Mit Bescheid vom 14. April 2005 forderte der Beklagte von dem Kläger die Erstattung der Leistungen nach § 34 SGB II für die Zeit vom 15. Februar 2005 bis 19. April 2005 in Höhe von insgesamt 2.595,45 €. Mit weiterem Bescheid vom 23. März 2006 wurde der Bescheid vom 14. April 2005 aufgehoben und die Erstattung auf den Zeitraum 15. Februar 2005 bis 21. März 2005 in Höhe von 1.477,41 € ermäßigt. Die Widersprüche des Klägers vom 27. April 2005 und 7. April 2006 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 zurückgewiesen. Der Erstattungsbetrag wurde nunmehr auf 1.513,34 € festgesetzt.

Hiergegen hat der Kläger am 31. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Er trägt vor, die Verhängung einer Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit schließe die Anwendung von § 34 SGB II aus. Außerdem habe er während seiner Untersuchungshaft nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Familie gelebt. Mit Urteil vom 24. Mai 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide des Beklagten hinsichtlich des Zeitraums vom 15. Februar 2005 bis 17. März 2005 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Während der Zeit der Untersuchungshaft habe der Kläger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinem Kind gelebt, so dass für diesen Zeitraum eine Anwendung des § 34 SGB II nicht in Betracht komme. Eine Bedarfsgemeinschaft habe erst wieder ab dem 18. März 2005 bestanden. Der Ersatzanspruch sei damit auf die Zeit vom 18. März 2005 bis 21. März 2005 beschränkt.

Gegen dieses dem Beklagten am 7. Juni 2011 zugestellte Urteil hat er am 20. Juni 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfüllung des Merkmals des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft sei der Zeitpunkt der Herbeiführung der Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit. Dabei sei im Falle des Klägers unbeachtlich, ob man auf den Zeitpunkt des Begehens der Straftat oder auf den Zeitpunkt der Inhaftnahme abstelle.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 abzuändern und d...

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