Einleitung

Die gesetzliche Krankenversicherung dient der Absicherung der als sozial schutzbedürftig angesehenen Versicherten vor den finanziellen Risiken einer Erkrankung. Dabei findet ein umfassender sozialer Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, vor allem aber zwischen Versicherten mit niedrigen Einnahmen und solchen mit höheren Einnahmen sowie zwischen Alleinstehenden und Personen mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen statt. Um dies zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber den Kreis der Versicherungspflichtigen einerseits danach abgegrenzt, welcher Personenkreis für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist, und andererseits danach, welche Personen deren Schutz benötigen. Gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeitnehmer sind grundsätzlich versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Hiervon ausgenommen sind diejenigen Arbeitnehmer, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze (außerhalb der Gesetzesterminologie auch als Versicherungspflichtgrenze bezeichnet) übersteigt. Die Höhe des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts entscheidet damit über den krankenversicherungsrechtlichen Status von Arbeitnehmern. Im dualen Krankenversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland stellt die Jahresarbeitsentgeltgrenze dementsprechend ein wesentliches Instrument zur Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung dar.

Der GKV-Spitzenverband stellt mit den vorliegenden Grundsätzlichen Hinweisen eine Entscheidungshilfe mit empfehlendem Charakter zur Verfügung, die die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze näher beschreibt und insbesondere die Folgen des Über- bzw. Unterschreitens darstellt. Die in den Grundsätzlichen Hinweisen enthaltenen Aussagen dienen der Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung durch die Krankenkassen. Sie sollen sicherstellen, dass bei gleichgelagerten Sachverhalten unabhängig von der Krankenkassenwahl bzw. -zugehörigkeit gleiche Beurteilungen getroffen oder gleichgerichtete Auskünfte erteilt werden. Losgelöst hiervon entscheidet abschließend allein die Krankenkasse über die Versicherungspflicht oder –freiheit des einzelnen Arbeitnehmers.

Die "Grundsätzlichen Hinweise zur Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze" sind erstmalig unter dem Datum vom 22.3.2017 [GR v. 22.3.2017] veröffentlicht worden. Die vorliegende zweite Fassung trägt das Datum vom 20.3.2019. Sie berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2018 zur Berücksichtigung von feststehenden oder mit hinreichender Sicherheit absehbaren Entgeltveränderungen im Rahmen der Prognoseentscheidung zur Feststellung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts zwecks Ausscheiden aus der Versicherungspflicht. Darüber hinaus ist auch die Anfang 2018 innerhalb der GKV abgestimmte Präzisierung im Umgang mit variablen Arbeitsentgeltbestandteilen aufgenommen worden. Des Weiteren beinhaltet die vorliegende zweite Fassung Aussagen zu den Auswirkungen einer zeitlich befristeten Minderung des laufenden Arbeitsentgelts von nur kurzer Dauer auf den Versicherungsstatus.

1. Allgemeines

[1] Die gegen Arbeitsentgelt mehr als geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer unterliegen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. mit Satz 1 SGB XI grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung. Sie sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V allerdings krankenversicherungsfrei, wenn ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt. Die Krankenversicherungsfreiheit bewirkt, dass aufgrund der Beschäftigung auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung eintritt. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung hat die Höhe des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts für den Versicherungsstatus von Arbeitnehmern dagegen keine Relevanz.

[2] Die Jahresarbeitsentgeltgrenze hat eine doppelte Funktion: Sie grenzt einerseits den Mitgliederkreis der gesetzlichen Krankenversicherung danach ab, welcher Personenkreis zur Bildung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist. Andererseits definiert sie, welche Personen – in einer stark verallgemeinernden Betrachtungsweise – als schutzbedürftig angesehen werden und der Krankenversicherungspflicht unterliegen. Der Gesetzgeber knüpft mithin die über den Versicherungsstatus zum Ausdruck kommende Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern an die Einkommensverhältnisse, gemessen an der absoluten Höhe des regelmäßigen Arbeitsentgelts aus der Beschäftigung, ohne dass Art oder Umfang der Beschäftigung dabei von Bedeutung sind. Zur Bestimmung des versicherungsrechtlichen Status ist ein Vergleich des regelmäßigen Arbeitsentgelts auf der Grundlage eines prognostizierten Jahreswertes (vgl. Ausführungen unter Nummer 2) mit der maßgebenden Jahresarbeitsentgeltgrenze (vgl. Ausführungen unter Nummer 3) anzustell...

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