Verfahrensgang

BSG (Urteil vom 26.06.1996; Aktenzeichen 12 RK 39/95)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, welcher Beitragssatz auf Versorgungsbezüge von Ruhestandsbeamten anzuwenden ist, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind.

I.

1. Das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz – GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2477) hat Ruhestandsbeamten, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, die Möglichkeit genommen, eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner zu begründen. Grundlage dafür ist § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V in der Fassung des Art. 1 GRG (zur Entwicklung der Krankenversicherung der Rentner vgl. BVerfGE 69, 272 ≪274 ff.≫; 102, 68 ≪69 ff.≫). Gleichzeitig wurden allgemein die Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner verschärft, indem § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der Fassung des Art. 1 GRG eine Vorversicherungszeit von neun Zehnteln der zweiten Hälfte des Erwerbslebens verlangte (vgl. dazu BVerfGE 102, 68 ≪71 f.≫). Für die freiwillig Versicherten brachte das Gesundheits-Reformgesetz erhebliche Änderungen im Beitragsrecht. In § 240 SGB V wurde der Grundsatz verankert, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen hat (dazu näher BVerfGE 102, 68 ≪72 f.≫). Zu dem auf Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen anzuwendenden Beitragssatz bestimmte § 248 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Art. 1 GRG:

Bei Versicherungspflichtigen gilt für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes der zuständigen Krankenkasse. Gehört die Krankenkasse einem Landesverband an, gilt als Beitragssatz die Hälfte des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen im Landesverband. Der jeweils zum 1. Juli festgestellte Beitragssatz gilt für das folgende Kalenderjahr. Den durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen in einem Landesverband stellt die für den Landesverband zuständige Aufsichtsbehörde fest.

§ 248 Abs. 2 SGB V lautete in der damaligen Fassung:

Absatz 1 gilt auch für freiwillige Mitglieder nach Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres, wenn sie zu diesem Zeitpunkt versichert sind und seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte dieses Zeitraums Mitglied einer Krankenkasse oder mit einem Mitglied verheiratet und nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig waren.

Damit räumte das Gesetz auch den freiwillig Versicherten nach Vollendung des 65. Lebensjahres als so genanntes Altersprivileg einen ermäßigten Beitragssatz ein.

2. Durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266; im Folgenden: GSG) sind die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner weiter verschärft worden. Die Vorversicherungszeit konnte nur noch mit Zeiten einer Pflichtversicherung oder einer durch eine Pflichtversicherung begründeten Familienversicherung erfüllt werden (dazu näher BVerfGE 102, 68 ≪73≫). Zudem wurde § 248 Abs. 2 SGB V durch Art. 1 Nr. 138 GSG aufgehoben. Für diejenigen Versicherten, bei denen das „Altersprivileg” des § 248 Abs. 2 SGB V am 31. Dezember 1992 anzuwenden war, blieb es aufgrund der durch Art. 1 Nr. 137 GSG eingefügten Übergangsvorschrift des § 240 Abs. 3 a SGB V bei der bisherigen Rechtslage. § 248 Abs. 1 SGB V gilt in einer nur unwesentlich geänderten Fassung weiter.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der am 28. Februar 1928 geborene und am 12. Juni 1997 verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin war von 1945 bis 1953 versicherungspflichtig beschäftigt. Im November 1953 wurde er in das Beamtenverhältnis berufen. Er entschied sich für eine freiwillige Weiterversicherung bei der im Ausgangsverfahren beklagten Ersatzkasse. Mit Ablauf des Monats Februar 1991 trat er als Städtischer Verwaltungsdirektor in den Ruhestand. Er blieb weiterhin freiwillig krankenversichert. Ab 1. März 1993 bezog er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Regelaltersrente in Höhe von 350,54 DM. Sein monatlich zu zahlender Krankenversicherungsbeitrag belief sich ab Januar 1993 auf 686 DM. Mit der Beitragshöhe, insbesondere mit dem angewandten Beitragssatz, war er nicht einverstanden. Seine dagegen gerichteten Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.

Die Verfassungsbeschwerde, die die Beschwerdeführerin als Alleinerbin ihres Ehemannes weiterführt, richtet sich unmittelbar gegen das seine Revision zurückweisende Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Juni 1996, mittelbar gegen Art. 1 Nr. 138 und Art. 1 Nr. 137 GSG. Gerügt wird eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das Gesundheitsstrukturgesetz hätte nach Auffassung der Beschwerdeführerin eine die Aufhebung von § 248 Abs. 2 SGB V begleitende Übergangsregelung treffen müssen, durch die auch solchen Personen das „Altersprivileg” erhalten worden wäre, die – wie der Ehemann der Beschwerdeführerin – kurz nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes das 65. Lebensjahr vollendeten.

III.

Die Weiterführung der Verfassungsbeschwerde durch die Beschwerdeführerin als Alleinerbin ihres während des Verfahrens verstorbenen Ehemanns ist zulässig, weil es sich um finanzielle Ansprüche handelt (vgl. BVerfGE 69, 188 ≪201≫); die Beschwerdeführerin begehrt im Ergebnis die Rückerstattung von Krankenversicherungsbeiträgen.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts und die ihm zugrunde liegenden Vorschriften des Art. 1 Nr. 137 und Nr. 138 GSG sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Art. 1 Nr. 138 GSG ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar.

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt (BVerfGE 100, 59 ≪90≫). Das Grundrecht ist aber dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 104, 126 ≪144 f.≫; stRspr).

b) Eine ungleiche Behandlung des Ehemannes der Beschwerdeführerin gegenüber anderen Personengruppen lag in mehrfacher Hinsicht vor.

Er gehörte zum Personenkreis der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ruhestandsbeamten, die das 65. Lebensjahr erst nach dem 31. Dezember 1992 vollendeten. Seit In-Kraft-Treten des Gesundheitsstrukturgesetzes werden deshalb die Ruhegehälter dieser Personen bis zur Beitragsbemessungsgrenze des § 240 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 223 Abs. 3 SGB V als beitragspflichtige Einnahmen mit dem vollen Beitragssatz ihrer Kasse herangezogen, der nur bei einer Versicherung ohne Anspruch auf Krankengeld gegenüber dem allgemeinen Beitragssatz (§ 241 SGB V) ermäßigt ist (§ 243 Abs. 1 SGB V). Für pflichtversicherte Bezieher von Versorgungsbezügen gilt hinsichtlich dieser Einnahmen nach wie vor die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes (§ 248 Abs. 1 SGB V i.d.F. des Art. 1 GRG; jetzt § 248 SGB V).

Benachteiligt ist der Personenkreis, zu dem der Ehemann der Beschwerdeführerin gehört, auch im Verhältnis zu freiwillig Versicherten oder Pflichtversicherten, bei denen die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Haupteinnahmequelle darstellt. Die Beiträge aus der Rente muss der Rentenbezieher im Ergebnis nur zur Hälfte tragen (vgl. § 249 a SGB V für die Pflichtversicherten, § 106 SGB VI für freiwillig Versicherte). Schließlich war der in Frage stehende Personenkreis wegen der Übergangsregelung des § 240 Abs. 3 a SGB V auch gegenüber denjenigen freiwillig versicherten Ruhegehaltsempfängern schlechter gestellt, die bereits vor dem 1. Januar 1993 die Voraussetzungen von § 248 Abs. 2 SGB V erfüllt, insbesondere das 65. Lebensjahr vollendet hatten.

c) Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch sachlich hinreichend gerechtfertigt.

aa) Der Gesetzgeber ist durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht angehalten, beitragspflichtige Einnahmen unterschiedlicher Herkunft und Rechtsnatur allein wegen ihrer gemeinsamen Eigenschaft als „Altersbezüge” grundsätzlich gleich zu behandeln, insbesondere sie einem einheitlichen Beitragssatz zu unterwerfen. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezüge müssen nicht schon deshalb in gleichem Maß mit Beiträgen belastet werden, weil beide Arten von Einnahmen der Alterssicherung dienen. Ebenso wenig ist es gleichheitsrechtlich geboten, das Beitragsrecht für Pflichtversicherte und für freiwillig Versicherte einheitlich zu regeln. Art. 3 Abs. 1 GG lässt es zu, das Beitragsrecht der freiwillig und Pflichtversicherten unterschiedlich zu gestalten.

bb) Der Gesetzgeber kann davon ausgehen, dass mit dem beamtenrechtlichen Beihilfesystem Ruhestandsbeamten grundsätzlich außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung eine ausreichende Absicherung im Krankheitsfall zur Verfügung steht. Der Personenkreis der Ruhestandsbeamten ist deswegen unter dem Gesichtspunkt einer Absicherung in der Pflichtversicherung nicht schutzbedürftig. Deshalb durfte der Gesetzgeber Ruhestandsbeamten, die zugleich eine Rente beziehen, durch § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V den Zugang zur Krankenversicherung der Rentner ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG versperren. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl Beamte und Ruhestandsbeamte als freiwillige Mitglieder zur gesetzlichen Krankenversicherung zulässt, kann es ihm nicht verwehrt sein, bei der Bemessung der Beiträge sachgerecht zu differenzieren. Dies ist hier der Fall.

aaa) Die durch das Gesundheitsstrukturgesetz bewirkte unterschiedliche Beitragsregelung für Ruhestandsbeamte einerseits und für Mitglieder der Krankenversicherung der Rentner sowie der freiwillig Versicherten andererseits, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bestreiten, knüpft an die beitragsrechtliche Rechtsstellung im aktiven Erwerbsleben an. Die Einnahmen, die Entgeltersatzcharakter haben, werden weitgehend sowohl bei Arbeitern und Angestellten mit Rentenbezug als auch bei pensionierten Beamten beitragsrechtlich wie die im aktiven Erwerbsleben bezogenen Einnahmen behandelt. So tragen Arbeiter und Angestellte die auf das Arbeitsentgelt zu leistenden Beiträge im Ergebnis grundsätzlich zur Hälfte. Das folgt für pflichtversicherte Arbeitnehmer aus § 249 Abs. 1 SGB V, für freiwillig versicherte Arbeitnehmer (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB V) aus dem Umstand, dass sie nach § 257 Abs. 1 SGB V grundsätzlich einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf einen hälftigen Beitragszuschuss haben. Arbeitern und Angestellten, die nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Erwerbsleben in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert sind, bleibt die grundsätzlich hälftige Beitragsbelastung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 249 a SGB V), aber auch für die betriebliche Altersversorgung (§ 248 SGB V) erhalten. Personen, die die Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner nicht erfüllen und deshalb nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Erwerbsleben als freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben, wird hinsichtlich der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Beitragszuschusses nach § 106 SGB VI ebenfalls im Ergebnis nur die hälftige Beitragsbelastung auferlegt. Eine Durchbrechung dieses gesetzgeberischen Konzepts kann lediglich darin gesehen werden, dass dieser Personenkreis für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung wegen der Streichung des „Altersprivilegs” nun voll beitragspflichtig ist (vgl. BVerfGE 102, 68 ≪95≫). Dadurch wird das Grundkonzept als solches aber nicht in Frage gestellt, zumal Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei Eintritt eines Versorgungsfalles im Allgemeinen nur zur Ergänzung einer anderweitig vom Arbeitnehmer erzielten Versorgung gewährt werden (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Auflage 2000, § 81 Rn. 8).

Für den Kreis der Ruhestandsbeamten gilt nichts anderes. Aktive Beamte, die freiwillig krankenversichert sind, haben die aus ihrer Besoldung zu leistenden Beiträge in voller Höhe und allein zu tragen (§ 250 Abs. 2 SGB V). Der Dienstherr gewährt auch keinen Beitragszuschuss (vgl. Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, § 257 Rn. 15 ≪Stand: August 2000≫). Diese rechtliche Behandlung setzt sich im Ruhestand hinsichtlich des Ruhegehalts fort. Dass bei so genannten Rentner-Pensionären (vgl. BVerfGE 79, 223 ≪224≫) ebenfalls ein auf den Zahlbetrag der Rente bezogener Beitragszuschuss nach § 106 SGB VI gewährt wird, stellt den dargestellten Grundsatz nicht in Frage, weil die Rente im Verhältnis zu den Versorgungsbezügen bei dieser Gruppe regelmäßig deutlich geringer ausfällt.

bbb) Zu diesem Gesichtspunkt der Systemkonsequenz kommt eine weitere sachgerechte gesetzgeberische Erwägung hinzu. Der Gesetzgeber hat die Krankenversicherung der Rentner in den Voraussetzungen des Krankenversicherungsschutzes, hinsichtlich der Beitragspflicht der Versicherten sowie der Art der Finanzierung häufigen Rechtsänderungen unterworfen (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪274≫; 102, 68 ≪70≫). Die Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte ist von dem Grundgedanken bestimmt, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für Rentner zu entlasten (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪313≫; BTDrucks 11/2237, S. 141, 152, 159; BTDrucks 12/3608, S. 75). Der Gesetzgeber hat zu diesem Zweck insbesondere Regelungen erlassen, die den Zugang zur beitragsgünstigen Krankenversicherung der Rentner deutlich eingeschränkt haben. Dadurch sollte die Zahl der Versicherten, die nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in der freiwilligen Krankenversicherung höhere Beiträgen entrichten, gesteigert werden. Dieses Bestreben einer Entlastung der jüngeren Versichertengeneration ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪313≫) und kann es rechtfertigen, die freiwillig Versicherten beitragsmäßig schlechter als die Pflichtversicherten zu stellen. Der Gesetzgeber hat zwar dafür zu sorgen, dass die Abgrenzung zwischen den Personen, die in die Krankenversicherung der Rentner gelangen können, und denjenigen, die auf die freiwillige Versicherung verwiesen werden, nach sachgerechten Kriterien, insbesondere der sozialen Schutzbedürftigkeit und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, erfolgt (vgl. BVerfGE 102, 68 ≪89 ff.≫). Genügt er aber diesen Anforderungen, so kann er grundsätzlich freiwillig Versicherte durch höhere Beitragssätze stärker als Pflichtversicherte zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung heranziehen und ihnen insbesondere – wie hier – beitragsmäßige Sondervergünstigungen entziehen.

cc) Auch die Benachteiligung des Ehemanns der Beschwerdeführerin gegenüber den Personen, die in den Genuss der Übergangsregelung des § 240 Abs. 3 a SGB V gelangt sind, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Jede als Übergangsregelung konzipierte Norm, die einen bestimmten Personenkreis vom Geltungsbereich einer als nachteilig zu bewertenden neuen Regelung ausnimmt, muss eine Stichtagsregelung enthalten, die den zeitlichen Anwendungsbereich der Übergangsvorschrift beschränkt. Die Stichtagsregelung ist demnach als solche geboten und sachgerecht (vgl. BVerfGE 29, 245 ≪258≫). Dass eine solche Stichtagsregelung gewisse Härten mit sich bringt, ist nicht zu vermeiden (vgl. BVerfGE 3, 58 ≪148≫). Diese müssen dann hingenommen werden, wenn die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfGE 13, 31 ≪38≫). Die verfassungsrechtliche Prüfung muss sich darauf beschränken, ob sich die gefundene Lösung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 44, 1 ≪21 f.≫). Gemessen daran bestehen gegen die Stichtagsregelung keine Bedenken. Der Gesetzgeber hat eine nachvollziehbare Abgrenzung vorgenommen, indem § 240 Abs. 3 a SGB V nur auf solche freiwillig Versicherten anwendbar ist, die zu dem Zeitpunkt bereits die Voraussetzungen von § 248 Abs. 2 SGB V erfüllt hatten, in dem Art. 1 Nr. 138 GSG in Kraft getreten ist, der diese Vorschrift aufgehoben hat.

2. Die Streichung des § 248 Abs. 2 SGB V durch Art. 1 Nr. 138 GSG verstößt auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Sie hat mit Wirkung für die Zukunft in öffentlich-rechtliche Versicherungsverhältnisse, die nicht von der Übergangsregelung des Art. 1 Nr. 137 GSG erfasst wurden, eingegriffen und diese zum Nachteil für die bereits freiwillig versicherten pensionierten Beamten, die am 31. Dezember 1992 noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hatten, aber auch für die aktiven Beamten umgestaltet. Damit kommt der Regelung unechte Rückwirkung zu (vgl. BVerfGE 103, 392 ≪403≫). Eine solche Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügt dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (vgl. BVerfG, a.a.O.; stRspr). Dies ist hier der Fall.

a) Zwar ist das Vertrauen, insbesondere der älteren und gesundheitlich beeinträchtigten Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, auf den Fortbestand einer günstigen beitragsrechtlichen Rechtslage in der Regel hoch einzuschätzen (vgl. BVerfGE 103, 392 ≪404≫). Allerdings ist dieses Vertrauen hier nur eingeschränkt schutzwürdig, weil die Rechtslage, auf die es sich bezog, nicht für die Zukunft gesichert erscheinen konnte. § 248 Abs. 2 SGB V sollte den von der Vorschrift erfassten Personenkreis beitragsmäßig ebenso begünstigen wie versicherungspflichtige Rentner bei vergleichbarer Vorversicherungszeit (vgl. BTDrucks 11/2237, S. 226). Die gewährte Vergünstigung sollte sich an die für die Krankenversicherung der Rentner geltende Rechtslage anlehnen. Da der Gesetzgeber die Zugangsvoraussetzungen zu dieser Versicherung und das für pflichtversicherte Rentner geltende Beitragsrecht seit den siebziger Jahren mehrfach zum Nachteil der Betroffenen verändert hatte (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪311≫), musste der Personenkreis, zu dem der Ehemann der Beschwerdeführerin gehörte, damit rechnen, dass auch das Beitragsrecht der freiwillig Versicherten modifiziert werden könnte. Hinzu kommt, dass Versorgungsbezüge freiwillig Versicherter vor In-Kraft-Treten des Gesundheitsreformgesetzes bereits mit dem vollen Beitragssatz belastet waren; die Aufhebung von § 248 Abs. 2 SGB V durch Art. 1 Nr. 138 GSG hat daher die alte Rechtslage nur wiederhergestellt.

b) Jedenfalls überwiegen im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung die mit der Regelung verfolgten öffentlichen Belange. Der Gesetzgeber muss im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aus Gründen des Allgemeinwohls Neuregelungen treffen können, die sich geänderten Erfordernissen anpassen (vgl. auch BVerfGE 69, 272 ≪311 f.≫). Solche Erfordernisse von einigem Gewicht lagen bei Erlass des Gesundheitsstrukturgesetzes vor. Die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung in den alten Ländern galt als dramatisch (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 66). Für 1992 wurde mit einem Defizit von über zehn Milliarden DM gerechnet. Der durchschnittliche allgemeine Beitragssatz war auf ein „historisches Rekordniveau” gestiegen. Auch für die neuen Länder begann sich eine ungünstige Entwicklung abzuzeichnen (vgl. BTDrucks, a.a.O.).

Die Aufhebung von § 248 Abs. 2 SGB V trug als Teil eines im Gesundheitsstrukturgesetz enthaltenen Bündels von Maßnahmen zur Erhöhung der Beitragseinnahmen und damit zur Erhaltung der Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung bei (vgl. BVerfGE 103, 392 ≪404≫). Angesichts der prekären Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung war der Gesetzgeber nicht gehalten, über § 240 Abs. 3 a SGB V hinaus weiteren Personengruppen das „Altersprivileg” zu erhalten. Es mussten effiziente und vor allem sofort wirksame Maßnahmen getroffen werden, um die Beitragssatzstabilität zu gewährleisten. Bestandsinteressen der betroffenen freiwillig Versicherten hat der Gesetzgeber dadurch ausreichend berücksichtigt, dass er denjenigen, die bereits vor dem 1. Januar 1993 in den Genuss des „Altersprivilegs” gekommen waren, dieses belassen hat. Die Erwartung, auch über diesen Zeitpunkt hinaus an dieser Vergünstigung teilhaben zu können, musste er von Verfassungs wegen nicht schützen.

c) Der Ausschluss des Ehemannes der Beschwerdeführerin war nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Beitragsmehreinnahmen, die von der Streichung des „Altersprivilegs” zu erwarten waren, möglicherweise für sich gesehen kaum ins Gewicht fielen. Denn die Aufhebung von § 248 Abs. 2 SGB V war Teil eines Gesamtkonzepts, mit dem durch eine Vielzahl von Maßnahmen die vor allem im Jahr 1992 aufgetretenen Finanzierungslücken geschlossen werden sollten. Es verbietet sich deshalb, jede Einzelmaßnahme für sich einer Effizienzkontrolle zu unterwerfen und daraufhin zu überprüfen, ob bei anderen oder an anderen Stellen größere Einsparpotentiale bestehen (vgl. BVerfGE 103, 173 ≪189≫).

3. Soweit das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts auf den mit dem Grundgesetz in Einklang stehenden Vorschriften des Art. 1 Nr. 137 und Art. 1 Nr. 138 GSG beruht, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch ist nicht erkennbar, dass die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften in einer Weise erfolgt ist, die das Grundgesetz verletzt.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Hoffmann-Riem

 

Fundstellen

Haufe-Index 1267202

NVwZ-RR 2003, 368

NZS 2003, 254

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