Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsgeld. Versorgungsleistung. Offizier im besonderen Einsatz. Anspruchsgrundlage. Gesetzesänderung. Aufhebung Bewilligung. Rückforderung. Zahlungsgebot. Mitwirkungspflicht. Nebenbestimmung. Ermächtigungsgrundlage. maßgeblicher Zeitpunkt. Selbstvollzug Gesetz

 

Leitsatz (amtlich)

  • § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG ermächtigt frühestens mit Wirkung ab Januar 1992 und nur nach Maßgabe des § 48 Abs 1 SGB X, die Bewilligung solcher nicht in die Rentenversicherung überführter Versorgungsleistungen aufzuheben, die an hauptberuflich tätige MfS-Offiziere im besonderen Einsatz aufgrund der verdeckenden Tätigkeit geleistet wurden.
  • Zum sogenannten Selbstvollzug des Gesetzes, zur nachträglichen Beifügung von Nebenbestimmungen/Vorbehalten und zu den Rückbewirkungsermächtigungen der Mitteilungspflichtverletzung sowie zur Kenntnis des Fortfalls des sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden Anspruchs iS von § 48 Abs 1 S 2 Nrn 2 und 4 SGB X.
 

Normenkette

SGG §§ 123, 95; SGB X §§ 50, 48, 45, 40, 32; AAÜG §§ 8-11, 13 Abs. 1 Nr. 4, § 16 Abs. 3; SVersLV § 9; EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr. 9; SGB I § 60

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 13.12.1994; Aktenzeichen L 12 An 80/94)

SG Berlin (Urteil vom 09.03.1994; Aktenzeichen S 38 An 1771/92)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 1994 und des Sozialgerichts Berlin vom 9. März 1994 insoweit abgeändert, als darin der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 1992 auch für den Monat Juni 1992 aufgehoben worden ist. Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin sechs Siebtel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung einer Übergangsrente für Bezugszeiten vom 1. Dezember 1991 bis zum 30. Juni 1992 und die Rückforderung von 2.107,00 DM.

Die 1946 geborene Klägerin war von 1965 bis zum 28. Februar 1990 für die Deutsche Volkspolizei der früheren DDR ua als Sekretärin des Dienststellenleiters beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 1972 stand sie zugleich bis zur Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) in der Hauptabteilung VIII/OibE (Beobachtung, Ermittlung; Diensteinheit: Verdeckte Mitarbeiter des Ministeriums des Innern) hauptberuflich als Offizier des MfS für dieses im besonderen Einsatz (OibE – dazu OibE-Ordnung/Ordnung Nr 6/86). Auf ihr Dienstalter beim MfS wurde ihr die Zeit ihrer Tätigkeit als Volkspolizei-Angehörige beim Ministerium des Innern (Abteilung K) vom 1. Januar 1965 bis zum 30. September 1972 angerechnet.

Ende Februar 1990 schied sie aus dem aktiven Dienst der Volkspolizei aus. Mit Bescheid vom 12. Februar 1990 gewährte ihr das Ministerium des Innern (Mdl) nach der (Sonder-)Versorgungsordnung für ua die Deutsche Volkspolizei (Ordnung Nr 11/72) eine Übergangsrente in Höhe von zunächst 446,00 M. Ferner bezog sie seit dem 1. März 1990 eine sog Differenzrente in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der vom Mdl bewilligten Übergangsrente zu ihrem (Haupt-)Anspruch nach der (Sonder-)Versorgungsordnung für das MfS (Ordnung Nr 7/87); einschriftlicher Verwaltungsakt über Höhe und Dauer dieser Leistung liegt nicht vor; nach Angaben der Klägerin ist die (MfS-)Differenzrente zum 30. Juni 1990 eingestellt worden.

Die Beklagte änderte den Bescheid vom 12. Februar 1990 durch Bescheid des Bundesministers des Innern (BMI) vom 29. Juni 1991. Darin begrenzte sie die Übergangsrente der Klägerin (aus der Ordnung Nr 11/72) wegen anzurechnenden Erwerbseinkommens auf monatlich 301,00 DM ab dem 1. August 1991. Ab 1. Januar 1992 zahlte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mittels der Deutschen Bundespost die Übergangsrente aus.

Der BMI forderte die Klägerin mit Schreiben Nr 1 vom 6. November 1991 unter Hinweis auf das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606, 1677, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994 ≪BGBl I 1311≫) auf, bis zum 25. November 1991 ua mitzuteilen, ob sie zB als OibE hauptberufliche Mitarbeiterin des MfS gewesen sei. Er nahm dabei weiterhin Bezug auf das vom Deutschen Bundestag am folgenden Tag, dem 7. November 1991 beschlossene Gesetz zur Änderung des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG), den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des RÜG (RÜG-ÄndG). Dieses wurde am 18. Dezember 1991 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt (BGBl) vom 24. Dezember 1991 (BGBl I 2207) verkündet. Ferner führte der BMI aus, er mache vorsorglich darauf aufmerksam, daß die Gewährung der Versorgungsleistung unter dem “Vorbehalt der termingemäßen Rücksendung der Anlage und der Richtigkeit der von Ihnen gemachten Angaben” erfolge. Hierauf antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 2. Dezember 1991, nicht für das MfS gearbeitet zu haben.

Mit Schreiben Nr 2 vom 24. April 1992 hörte der BMI die Klägerin zu seiner Absicht an, “die Zahlung Ihrer Übergangsrente mit Wirkung ab dem 1. Dezember 1991 einzustellen, den Rentenbescheid vom 12. Februar 1990 über die Bewilligung Ihrer Versorgungsleistung rückwirkend zum 1. Dezember 1991 aufzuheben (§ 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch), die seit Dezember 1991 an Sie gezahlten Versorgungsleistungen zurückzufordern (§ 50 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch)”. Er setzte eine Frist bis zum 12. Mai 1992 und bestimmte, “die Zahlung Ihrer Versorgungsleistung ab 1. Dezember 1991 erfolgt unter dem Vorbehalt der Rückforderung”. Er verwies auf die Nr 4 des § 13 Abs 1 AAÜG, der durch Art 1 des RÜG-ÄndG mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 eingeführt worden sei. Danach werde die Zahlung von ua Übergangsrenten nach der Versorgungsordnung des Mdl eingestellt, wenn dieser “Versorgungsleistung auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde liegen”. Dazu erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Mai 1992, sie sei nicht hauptberuflich verdeckt für das MfS tätig gewesen, sondern habe für die Deutsche Volkspolizei einige dienstliche Angelegenheiten mit dem MfS regeln müssen.

Der BMI verfügte mit dem streitigen Bescheid vom 11. Mai 1992, die Übergangsrente werde mit Wirkung ab 1. Dezember 1991 eingestellt, der Rentenbescheid vom 12. Februar 1990 mit Wirkung ab 1. Dezember 1991 aufgehoben und die sich daraus ergebende Überzahlung von Dezember 1991 bis Juni 1992 in Höhe von 2.107,00 DM zurückgefordert (§§ 48, 50 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫). Zu diesem Zeitpunkt hatte die BfA die Zahlung der Übergangsrente für die Bezugszeit Juni 1992 bereits veranlaßt; die Aufhebung des Zahlungsauftrags wurde der BfA durch die Rentenrechnungsstelle der Deutschen Bundespost im Juni 1992 bestätigt.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat eine Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR eingeholt. Die Klägerin hat am 9. März 1994 zur Niederschrift des SG erklärt: “Soweit der angefochtene Bescheid die Entziehung der Leistung für die Zukunft betrifft, nehme ich die Klage zurück. Ich beantrage deshalb lediglich noch die Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 1992 insoweit, als eine Rückforderung geltend gemacht wird”. Das SG hat den streitigen Bescheid vom 11. Mai 1992 aufgehoben, “soweit Leistungen zurückgefordert werden” (Urteil vom 9. März 1994). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 1994). Das Berufungsgericht ist folgender Ansicht: Gemäß § 9 Abs 2 der Verordnung über nicht überführte Leistungen der Sonderversorgungssysteme der DDR (SVersLV) vom 26. Juni 1992 (BGBl I 1174) sei die Beklagte verpflichtet gewesen, bei ihrer Entscheidung über die Rückforderung Ermessens- und Billigkeitsgründe zu erwägen. Die SVersLV sei zwar erst am 1. Juli 1992 in Kraft getreten, finde aber jedenfalls zugunsten der Klägerin Anwendung. Vor dem 1. Juli 1992 habe es keine vergleichbaren, durch § 9 Abs 2 SVersLV abgelöste Regelungen gegeben. Für die Anwendung sprächen elementare rechtsstaatliche Prinzipien. Ermessen habe die Beklagte nicht betätigt; eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht erkennbar.

Die Beklagte rügt mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision eine Verletzung der §§ 48, 50 SGB X iVm § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG. Die letztgenannte Vorschrift verpflichte zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides und zur Rückforderung erbrachter Leistungen. Ermessen sei nicht eingeräumt. § 9 Abs 2 SVersLV sei nicht anwendbar. Es komme auf die im Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Bescheides gültige Rechtslage an. Ermessen werde auch nicht durch Teil D Abschnitt I Nr 4 Abs 1 Satz 1 der Versorgungsordnung des Mdl eingeräumt. § 13 AAÜG enthalte – wie die vergleichbaren Regelungen in §§ 10 und 11, jeweils Abs 5, AAÜG – eine abschließende Spezialermächtigung zur Absenkung bestimmter Ansprüche und verdränge die §§ 45 bis 48 SGB X, wie das Bundessozialgericht (BSG) zu den vorgenannten Vorschriften ausgeführt habe.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des LSG vom 13. Dezember 1994 und das Urteil des SG vom 9. März 1994 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 11. Mai 1992 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie meint, die Bewilligung der Übergangsrente sei nicht kraft Gesetzes, sondern durch den Verwaltungsakt der Beklagten vom 11. Mai 1992 aufgehoben worden. Dieser sei an § 48 Abs 1 SGB X zu messen. Danach habe der Rentenanspruch nur für die Zukunft entzogen werden dürfen. Denn ein Grund, der nach § 48 Abs 1 Satz 2 aaO regelmäßig eine rückwirkende Aufhebung rechtfertige; liege nicht vor. Andernfalls sei ein sog atypischer Fall gegeben; die Beklagte habe jedoch dann Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt. Weder § 13 Abs 1 Nr 1 AAÜG noch § 16 Abs 3 aaO schlössen eine direkte Anwendung der Vorschriften des SGB X aus. Andernfalls fehle bis zum 1. Juli 1992 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage auch für die Rückforderung. Werde § 9 SVersLV aber dennoch angewandt, fehle es wiederum an der erforderlichen Ermessensbetätigung.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist nur im Blick auf die Regelungen für den Monat Juni 1992 begründet. Das LSG hat das Urteil des SG insoweit zu Recht bestätigt, als der Bescheid vom 11. Mai 1992 für den Leistungszeitraum vom 1. Dezember 1991 bis zum 31. Mai 1992 keinen Bestand haben kann. Demgegenüber hat die Beklagte die Bewilligung der Übergangsrente für den Monat Juni 1992 zu Recht aufgehoben und der Klägerin befugtermaßen geboten, die für diesen Monat gezahlte Übergangsrente von 301,00 DM zu erstatten.

A: Im Rahmen der Revision der Beklagten hat das BSG beide von der Klägerin zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Streitgegenstände in vollem Umfang zu prüfen. Ihr – prozeßrechtlich maßgebliches (§ 123 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) – Klagebegehren war darauf gerichtet, das SG solle die für die Erstattungspflicht vorgreifliche Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Bewilligung der Übergangsrente für den noch streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis zum 30. Juni 1992 und das hiervon abhängige Gebot, 2.107,00 DM zu erstatten, aufheben. Die vorinstanzlichen Urteile lassen erkennen, daß über beide Streitgegenstände entschieden worden ist. Die durch die Zurückweisung ihrer Berufung formell beschwerte Beklagte kann daher mit ihrer Revision Erfolg nur haben, wenn beide in dem streitigen Bescheid vom 11. Mai 1992 enthaltenen Verwaltungsakte, soweit sie den streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis zum 30. Juni 1992 betreffen, rechtmäßig sind. Denn gegen die Zulässigkeit der beiden hiergegen in statthafter Klagehäufung erhobenen isolierten Anfechtungsklagen bestehen keine Bedenken.

Gegenstände (iS von § 95 SGG) revisionsgerichtlicher Prüfung sind die beiden in dem streitigen Bescheid vom 11. Mai 1992 enthaltenen Verwaltungsakte. Die in der Kompetenz des Revisionsgerichts liegende Auslegung des rechtlichen Gehalts dieses Schreibens der Beklagten ergibt nämlich, daß sie zwei rechtliche Regelungen und außerdem eine Verhaltensankündigung verlautbart hat. Mit der Erklärung, sie werde die Zahlung der Rente “einstellen”, hat sie lediglich ein schlichtes Verwaltungshandeln angekündigt, nämlich ein “reales Unterlassen”; dieses besteht nur darin, die für die Überweisung des Geldbetrages erforderlichen Handlungen nicht mehr vorzunehmen. Insoweit liegt kein Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X vor (ständige Rechtsprechung, stellvertretend BSGE 75, 262, 269 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2). Soweit der Bescheid besagt, die Rentenbewilligung des Mdl der früheren DDR vom 12. Februar 1990 solle aufgehoben werden, ist noch hinreichend bestimmt erkennbar, daß die Beklagte den letzten bindenden Rentenbewilligungsbescheid außer Kraft setzen und damit ihren Bescheid vom 29. Juni 1991 aufheben wollte, der seit dem 1. August 1991 die früheren Bewilligungen der Übergangsrente in vollem Umfang ersetzt hatte. Schließlich verdeutlicht die Formulierung, die sich aus der Aufhebung der Rentenbewilligung ab Dezember 1991 “ergebende Überzahlung in Höhe von 2.107,00 DM werde zurückgefordert”, daß dies keine – rechtlich unverbindliche – bloße Zahlungsaufforderung, sondern eine Verfügung, dh das Gebot, ist, 2.107,00 DM an die Beklagte zu zahlen.

B: Die Beklagte war zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 29. Juni 1991 nur für Bezugszeiten ab Juni 1992 ermächtigt:

Sie hat als zuständiger Versorgungsträger (§ 8 Abs 4 Nr 2 iVm § 9 Abs 3 Satz 1 und 2 AAÜG) den Verwaltungsakt nach der gebotenen (ständige Rechtsprechung seit BSGE 72, 50, 57 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) Anhörung gemäß § 24 SGB X und ohne die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes nach § 42 Satz 1 SGB X bewirkende Verfahrensfehler formgerecht durch “Bescheid”, dh in Schriftform, erlassen. Für die Aufhebung der Rentenbewilligung als Eingriff in ein zuerkanntes Recht bedurfte sie wegen des hierfür gültigen rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehaltes sowie der einfachgesetzlichen Vorbehalte aus § 77 SGG und § 31 SGB X einer gesetzlichen Ermächtigung (stellvertretend BSGE 72, 50, 55, 59 mwN).

Einzig anwendbare Ermächtigungsgrundlage ist § 48 Abs 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift muß der zuständige Verwaltungsträger einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlaß des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt; nur unter den Voraussetzungen des Satzes 2 Nrn 1 bis 4 aaO soll der Verwaltunsakt (höchstens) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden.

1. Entgegen der Ansicht des LSG ist das Erste Kapitel des SGB X anwendbar. Hierfür war eine ausdrückliche Anordnung im AAÜG nicht erforderlich. Nach dem Einigungsvertrag (EinigVtr – im folgenden: EV) Anl I Kap VIII Sachgebiet D Abschn III Nr 2 gilt das Erste Kapitel des SGB X – jedenfalls – seit dem 1. Januar 1991 ua für den Sachbereich der Rentenversicherung iS des EV. Hierzu zählen nach ständiger Rechtsprechung des BSG (seit BSGE 72, 50) alle – aus der Sicht des Bundesrechts – öffentlich-rechtlichen Regelungen, die thematisch dem Rentenversicherungsrecht des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) entsprechen oder vom EV in einen inneren, sachlichen Zusammenhang mit diesem gestellt worden sind. Dies gilt insbesondere für Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die im EV Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 (EV Nr 9) geregelt worden sind. EV Nr 9 Buchst e hat einen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den nicht in die Rentenversicherung des SGB VI überführbaren Versorgungsansprüchen (zB Übergangsrenten, befristete erweiterte Versorgung) und den Ansprüchen wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit und Todes hergestellt. EV Nr 9 bestimmt ferner, daß die Versorgungssysteme und ihre leistungsrechtlichen Regelungen von den “jeweiligen Funktionsnachfolgern gemäß Art 13 EV” (für eine Übergangszeit) weitergeführt werden sollen. Dadurch waren auch diejenigen Versorgungsträger, die bei der Verwaltung ihrer übrigen Aufgaben nicht an das SGB X gebunden waren, bei Erfüllung ihrer Aufgaben als Funktionsnachfolger in den Versorgungssystemen dem Verfahrensrecht des SGB X unterstellt. Das AAÜG hat auch den Versorgungsträgern, die im übrigen nicht an das SGB X gebunden waren, die Entscheidung über Vorfragen der eigentlichen Rentenüberleitung (sog Feststellung und Begrenzung der Arbeitsentgelte – § 8 Abs 2 und 3 AAÜG) oder über die Kürzung zuerkannter Ansprüche (§ 10 Abs 5 und § 11 Abs 1 Satz 2 und Abs 5 Satz 5 AAÜG) sowie die Verwaltung von Versorgungsleistungen übertragen, die nicht in die Rentenversicherung überführt werden konnten. Das Verwaltungsverfahrensrecht des Ersten Kapitels des SGB X unterscheidet sich von dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und den entsprechenden Regelungen der Länder vor allem in den Bestimmungen über die Anhörung vor Erlaß eingreifender Verwaltungsakte sowie über die Aufhebung von Verwaltungsakten und die Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen. Mit dem Gebot gleicher Rechtsanwendung (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) wäre es unvereinbar gewesen, die Versorgungsberechtigten je nach dem zuständigen Versorgungsträger inhaltlich unterschiedlichem Verwaltungsverfahrensrecht sowie materiell unterschiedlich ausgestalteten Eingriffsermächtigungen zu unterwerfen. Folgerichtig wurde in §§ 8 Abs 3 Satz 2, 10 Abs 5, 11 Abs 1 Satz 2 und Abs 5 Satz 5 AAÜG insoweit ausdrücklich die Anwendung des SGB X für alle Versorgungsträger vorgeschrieben. Das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994 (BGBl I 1311) hat die Maßgeblichkeit des SGB X für das Verfahrens- und Eingriffsrecht der Versorgungsträger iS von § 8 Abs 4 AAÜG durch Einfügung des Satzes 2 in § 9 Abs 1 AAÜG bestätigt. Nach dieser Vorschrift sind für die in die Rentenversicherung nicht überführten Versorgungsleistungen “die Vorschriften des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden”. Somit gilt auch § 37 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) “entsprechend”. Danach gelten das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern Abweichendes nicht ergibt. Die Anordnung “entsprechender” Anwendung ua des SGB X berücksichtigt sachlich zutreffend, daß die in § 9 AAÜG geregelten Versorgungsleistungen aus dem SGB nicht begründbar, sondern nur auf der Grundlage der nachgehenden Fürsorgepflicht der Funktionsnachfolger bundesrechtlich anerkannt sind (vgl BSGE 72, 50, 56).

2. Zu Unrecht meint die Beklagte, § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG habe – als eine § 48 Abs 1 SGB X verdrängende Spezialvorschrift – sie ermächtigt, die Bewilligungen von Versorgungsleistungen iS von § 9 Abs 1 Nr 1 aaO – rückwirkend zum 1. Dezember 1991 – aufzuheben, oder diese sogar – sich selbst vollziehend – unmittelbar außer Kraft gesetzt. Beides ist nicht der Fall. Nach § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG (Nr 4 eingefügt durch Art 1 des RÜG-ÄndG) gilt: “Vom Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an wird die Zahlung folgender Leistungen eingestellt: Versorgungsleistungen nach § 9 Abs 1 Nr 1 aaO, denen auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde liegen; (Nr 3 2. Halbsatz gilt entsprechend)”.

a) Der Wortlaut des Gesetzes enthält keine Andeutung, dieses selbst solle wirksame Verwaltungsakte aufheben oder die Versorgungsträger, die Adressaten der Norm, dazu ermächtigen. Dem möglichen Wortsinn kann nur die an den Versorgungsträger gerichtete Anordnung entnommen werden, vom Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an Versorgungsleistungen nicht mehr zu zahlen, falls diese die in Nr 4 genannten Voraussetzungen erfüllen. § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG enthält darüber hinaus keine Regelung, die sich selbst vollziehen könnte. Dies setzte voraus, daß das, was im Einzelfall zwischen dem Verwaltungsträger und dem Bürger konkret verbindlich gelten soll, sich jedenfalls für die Betroffenen offensichtlich aus dem Gesetzestext ergibt, also keines die besonderen Umstände des Einzelfalles prüfenden Erkenntnisprozesses mehr bedarf. Dies ist schon wegen der Formulierung des Gesetzes zumindest fraglich. Vor allem aber gibt das Gesetz auf, zwischen den Versorgungsberechtigten, welche die ihnen zuerkannte Versorgungsleistung behalten dürfen, und denjenigen zu unterscheiden, die aufgrund ihrer Beschäftigungszeiten/Beschäftigungsart künftig die Leistung nicht mehr erhalten sollen. Es kommt also entscheidend auf individuelle Umstände des Einzelfalles an. Sie festzustellen und die Rechtsfolge verbindlich festzusetzen, ist der Verwaltung vorbehalten. Die Rechtsfolge ergibt sich jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Darüber hinaus ist in verfassungsorientierter Auslegung zu beachten, daß die verbindliche Festsetzung dessen, was im Einzelfall zwischen Bürger und Verwaltung rechtens sein soll, im gewaltenteiligen Rechtsstaat der Verwaltung vorbehalten ist und zum Kernbereich dieser Staatsfunktion gehört. Die im Rechtsstaat gebotene Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verlangt grundsätzlich eine Konkretisierung des gesetzlich gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt (oder Vertrag – vgl schon BSG SozR 1300 § 48 Nr 57 S 173 f; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 13 S 19; BSGE 75, 226, 266 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2 S 16; Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl 1995, § 12 I Rdnr 5, S 243 ff; Badura, in: Erichsen, aaO, § 33 I 1 Rdnr 2, S 417; Maurer, DVBl 1989, 798, 806, jeweils mwN). Nur in Ausnahmefällen, die einer verfassungskräftigen Rechtfertigung bedürfen, sind die Organe der Gesetzgebungsfunktion kompetent, unmittelbar durch Gesetz konkrete Rechte und Pflichten bestimmter Bürger in ihren Rechtsverhältnissen zu bestimmten Verwaltungsrechtssubjekten festzusetzen. Hingegen müssen sie schon bei der Wahl der Handlungsform des Gesetzes die Gleichbehandlung aller Bürger und deren Interesse an einer effektiven Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte, also an effektivem Rechtsschutz, beachten (Art 19 Abs 4 Satz 1, Art 3 Abs 1 GG; BVerfGE 49, 252, 257; BVerfGE 44, 302, 306; Papier, in: Isensee/Kirchhof ≪Hrsg≫, Handbuch des Staatsrechts, Bd VI, § 154 Rdnr 14 ff; Lorenz, AöR 105 ≪1980≫ 623, 639). Da eine solche verfassungsrechtliche Rechtfertigung hier nicht ersichtlich und auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien im Gesetzgebungsverfahren nicht geprüft worden ist, scheidet eine Auslegung des Gesetzes als eine sich selbst vollziehende Aufhebung von Verwaltungsakten aus (vgl schon zu § 10 Abs 1 AAÜG: BVerfG, Beschluß der 3. Kammer des 1. Senats vom 4. Mai 1992 – 1 BvR 1815/91 und Senatsurteil vom 27. Januar 1973, BSGE 72, 50, 57). Einen Selbstvollzug des Gesetzes gibt es auch im Sozialverwaltungsrecht grundsätzlich nicht (näher dazu Senatsurteil vom 16. November 1995 – 4 RK 1/94, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Weil sich die Rentenbewilligung also nicht “kraft Gesetzes” (und auch nicht auf sonstige Weise) “erledigt” hat, also nicht unwirksam (dh nichtig) geworden ist iS von § 39 Abs 2 SGB X, greift die Ermächtigung zur Feststellung der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes und der Beseitigung des durch ihn veranlaßten Rechtscheins aus § 40 Abs 5 iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht zugunsten der Beklagten ein. Denn § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG hat die Rentenbewilligung vom 29. Juni 1991 weder aufgehoben noch außer Kraft gesetzt.

b) Der Wortlaut der Vorschrift enthält ferner keine Andeutung, den Versorgungsträgern solle die Befugnis erteilt werden, Bewilligungen von Versorgungsleistungen iS von § 9 Abs 1 Nr 1 AAÜG aufzuheben. Denn die Anordnung, bewilligte Ansprüche auf Versorgungsleistungen bei Vorliegen der in Nr 4 aaO genannten Voraussetzungen nicht mehr zu erfüllen, bedeutet weder nach allgemeinem noch nach juristischem Sprachgebrauch die Zuweisung der Rechtsmacht, die sich aus dem begünstigenden Verwaltungsakt ergebenden Ansprüche durch Aufhebung des Verwaltungsaktes zu vernichten. Es bedarf keiner Darlegung, daß in dem dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt unterliegenden Eingriffsrecht nicht von der gesetzlichen Zuweisung einer Aufgabe auf die Verleihung einer Ermächtigung zu Eingriffen geschlossen werden darf (Verbot des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis). Erst recht scheidet eine richterrechtliche Begründung von Eingriffsermächtigungen aus.

§ 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG hat vielmehr ausschließlich materiell-rechtliche Bedeutung, dh er ändert die gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Versorgungsleistung. Ansprüche und Anwartschaften auf Versorgungsleistungen, welche die Voraussetzungen der Nr 4 aaO erfüllen, aber – anders als im vorliegenden Fall – durch Verwaltungsakt (oder Vertrag) noch nicht konkretisiert worden sind, werden “eingestellt”, dh unmittelbar durch Gesetz aufgehoben (so schon der Senat in BSGE 72, 50, 61). Die Änderung oder Aufhebung einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage hat jedoch keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes (oder eines verwaltungsrechtlichen Vertrages), der auf der Grundlage des bislang maßgeblichen materiellen Rechts wirksam erlassen worden ist. Wie gerade auch die Regelungen der §§ 44 ff, insbesondere des § 48 SGB X zeigen, bildet der Verwaltungsakt eine wirksame und rechtsbeständige Anspruchsgrundlage gerade auch dann, wenn die ihm zugrundeliegende materiell-rechtliche Norm nachträglich geändert wird. Der mit ihm bewilligte Anspruch bleibt grundsätzlich – mit der Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) durchsetzbar – bestehen, solange und soweit der begünstigende Verwaltungsakt nicht wirksam aufgehoben wird. § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG beschränkt sich also darauf, die materiell-rechtlichen Bestimmungen über die Gewährung der dort genannten Versorgungsleistungen zu ändern. Das AAÜG hat – entgegen der Ansicht der Beklagten – den Versorgungsträgern für die Umsetzung dieser materiell-rechtlichen Änderungen keine besonderen Eingriffsbefugnisse verliehen. Anders als in den vergleichbaren materiell-rechtlichen Regelungen (zB in § 10 Abs 1, § 11 Abs 1 AAÜG) hat das Gesetz dem § 13 AAÜG keine der besonderen Eingriffsermächtigung in § 10 Abs 5 AAÜG entsprechende Regelung beigefügt und auch nicht, anders als in § 11 Abs 1 Satz 2 und Abs 5 Satz 5 aaO, auf § 10 Abs 5 AAÜG verwiesen. Dies bekräftigt, daß § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG nur eine materiell-rechtliche Regelung enthält, für deren Umsetzung der Verwaltung die ihr allgemein zugewiesenen gesetzlichen Eingriffsermächtigungen zur Verfügung stehen.

§ 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG verdrängt also § 48 Abs 1 SGB X als Eingriffsermächtigung nicht.

3. Der BMI war auch nicht aufgrund der von ihm angesprochenen Vorbehalte in seinem Schreiben Nr 1 vom 6. November 1991 oder dem (Anhörungs-)Schreiben Nr 2 vom 24. April 1992 zur Aufhebung der Rentenbewilligung befugt.

a) Die Auslegung des rechtlichen Gehalts des Schreibens Nr 1 ergibt, daß es sich um eine – inhaltlich unzutreffende – Wissensmitteilung, nicht um die ihrer Rechtsnatur nach den Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes darstellende nachträgliche Beifügung einer Nebenbestimmung handelt. Die Beklagte hat nämlich die Klägerin “darauf aufmerksam” gemacht, die Gewährung der Versorgung stehe unter dem Vorbehalt der termingemäßen Rücksendung der Anlage und der Richtigkeit der Angaben. In keinem der Klägerin zuvor erteilten Bescheid gab es einen derartigen Vorbehalt. Aus der hier maßgeblichen Sicht eines verständigen, an Treu und Glauben orientierten Adressaten, der im Zweifel davon ausgeht, daß die Behörde sich rechtmäßig verhalten will, liegt es nahe, dem Schreiben Nr 1 die Bedeutung zu entnehmen, der BMI wolle keine Regelung iS eines belastenden Verwaltungsaktes treffen; anzunehmen ist, die Behörde habe nur auf die Rechtslage “aufmerksam machen”, dh über die bestehende Rechtslage belehren wollen. Würde hingegen dieser Hinweis als nachträgliche Änderung der Rentenbewilligung durch Beifügung eines Rücknahmevorbehalts verstanden, wäre dieser Verwaltungsakt nach ständiger Rechtsprechung des BSG, deren Maßgeblichkeit für den gesamten Bereich des Rentenüberleitungsrechts (EV Nr 9) der Senat bereits betont hat (BSGE 72, 50, 55 durch Bezugnahme ua auf BSG SozR 3-1300 § 32 Nrn 2, 4; SozR 3-1200 § 42 Nr 2) offensichtlich rechtswidrig (dazu näher unten). Jedenfalls ist die inhaltlich unzutreffende Belehrung über einen rechtlich nicht bestehenden Vorbehalt keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Beklagte, die Rentenbewilligung aufzuheben.

b) Im Ergebnis dasselbe gilt für den “Vorbehalt” im (Anhörungs-)Schreiben Nr 2. Dort heißt es lediglich, die Zahlung der Versorgungsleistung ab 1. Dezember 1991 erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Zwar spricht der Gesamtzusammenhang des Schreibens Nr 2 dafür, daß die Beklagte die Rentenbewilligung nachträglich und für Bezugszeiten ab dem 1. Dezember 1991 insoweit abändern und unter den genannten Vorbehalt stellen wollte. Abgesehen davon, daß ein “Rückforderungs”-Vorbehalt kaum in einen Aufhebungs- oder Rücknahmevorbehalt umgedeutet werden darf, weil dessen Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären (§ 43 Abs 2 Satz 1 Regelung 2 SGB X), gibt es für diesen belastenden Verwaltungsakt keine Ermächtigungsgrundlage. § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG verleiht als ausschließlich materiell-rechtliche Regelung keine Eingriffsbefugnisse. Spezielle Eingriffsermächtigungen gibt es nicht. Da auf Übergangsrenten ein Rechtsanspruch besteht, durften gemäß § 32 Abs 1 SGB X dem Rentenbewilligungsbescheid Nebenbestimmungen nur beigefügt werden, wenn sie unter Wahrung des Zweckes der Rentenbewilligung (Abs 3 aaO) sicherstellen sollen, daß die Bewilligung bei Eintritt ihrer inneren Wirksamkeit mit der Rechtsordnung übereinstimmt. Nach Erlaß eines solchen Verwaltungsaktes, dh also nach Eintritt seiner äußeren Wirksamkeit mit seiner Bekanntgabe, darf diesem eine Nebenbestimmung deswegen nur noch bis zum Eintritt seiner inneren Wirksamkeit beigefügt werden. Wird hingegen – wie hier von der Beklagten beabsichtigt – die Nebenbestimmung erst beigefügt, wenn der Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes in Kraft getreten ist, bedeutet dies die Aufhebung des Verwaltungsaktes und seinen Wiedererlaß mit der Nebenbestimmung (so auch Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rdnr 64; HJ Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl 1994, § 47 Rdnr 25). Die Beklagte kann sich für eine solche Regelung auf keine gesetzliche Ermächtigung berufen. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil der einem leistungsbewilligenden Verwaltungsakt rechtswidrig beigefügte Vorbehalt nicht zu Lasten des Begünstigten vollzogen werden darf (BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 23 mwN).

Die vom BMI angesprochenen Vorbehalte können somit die Anwendung von § 48 Abs 1 SGB X nicht hintanhalten.

4. Auch § 9 SVersLV vom 26. Juni 1992 (BGBl I S 1174) enthält keine, insbesondere keine spezielle oder sonst vorrangige Ermächtigungsgrundlage zur Aufhebung der Rentenbewilligung. Diese Rechtsverordnung ist am 30. Juni 1992 im BGBl verkündet worden und gemäß § 11 aaO mit Wirkung vom 1. Juli 1992 in Kraft getreten; sie hat sich keine Rückwirkung beigelegt. Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SVersLV sind zuviel gezahlte Versorgungsleistungen zu erstatten. In Satz 2 aaO werden Regelbeispiele für zuviel gezahlte Versorgungsleistungen und darunter (Nr 2 aaO) auch Versorgungsleistungen genannt, die nach § 13 AAÜG einzustellen sind. Nach § 9 Abs 2 SVersLV kann in den Fällen des Abs 1 “von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der jeweils zuständigen obersten Dienstbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden”. Augenfällig enthält diese Verordnung nähere Regelungen nur über die Rückforderung von Versorgungsleistungen. Versorgungsleistungen, die aufgrund wirksam gebliebener Verwaltungsakte erbracht worden sind, sind aber, solange der begünstigende Verwaltungsakt nicht aufgehoben worden ist, niemals zuviel gezahlt worden. § 9 SVersLV enthält also schon nach seinem thematischen Geltungsbereich keine Ermächtigung zur Aufhebung von Versorgungsleistungen bewilligenden Verwaltungsakten. § 48 Abs 1 SGB X wird also nicht verdrängt.

5. Die Beklagte war nach Maßgabe von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X befugt und verpflichtet, die Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft, dh für die noch streitige Bezugszeit Juni 1992, aufzuheben.

a) Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 ist gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsaktes nachträglich eine wesentliche materiell-rechtliche Änderung eingetreten. Denn ab 1. Januar 1992 konnten die in § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG genannten Versorgungsleistungen (auf gesetzlicher Grundlage) nicht mehr beansprucht werden, falls ihnen “auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde lagen”.

aa) Diese Rechtsänderung ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – zum 1. Januar 1992 eingetreten:

Die Vorschrift wurde durch Art 1 Nr 6 Buchst c RÜG-ÄndG in das AAÜG eingefügt. Äußere Wirksamkeit erlangte dieses Gesetz und damit die in Nr 4 aaO geregelte Ergänzung des § 13 AAÜG zum Zeitpunkt der Verkündung des RÜG-ÄndG im BGBl am 24. Dezember 1991. Nach Art 3 RÜG-ÄndG trat dieses Gesetz (mit Ausnahme des Art 1 Nr 5 Buchst a) “mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 in Kraft”. Dies bedeutet aber nicht, daß auch § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG in “echter Rückwirkung”, dh unter “Rückbewirkung von Rechtsfolgen”, zum 1. Dezember 1991 (oder sogar zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG zum 1. August 1991) innere Wirksamkeit erlangt hätte. Rechtsnormen werden nämlich erst zum Zeitpunkt ihrer Verkündung existent; sie ist letzter und unverzichtbarer Akt des Rechtsetzungsverfahrens (BVerfGE 63, 343, 353 f; 72, 200, 241; BSG SozR 3-4100 § 45 Nr 3). Sie erlangen erst mit der amtlichen Bekanntgabe des Gesetzeswortlautes durch die Ausgabe des Gesetzblattes und dem Inverkehrbringen des ersten Stücks der jeweiligen Nr des Gesetzblattes äußere Wirksamkeit (BVerfGE 87, 48, 60; 63, 343, 353; 16, 6, 16). Erst dann können die Betroffenen sich verläßlich Kenntnis vom Gesetzesinhalt verschaffen (BVerfGE 65, 283, 291).

Die Auffassung der Beklagten von der (“echt”) rückwirkenden Inkraftsetzung des Gesetzes zum 1. Dezember 1991 ist unvereinbar mit der spezialgesetzlichen Inkraftsetzung in § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG selbst und der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des Gesetzes. Art 3 RÜG-ÄndG enthält eine allgemeine, dh für alle Regelungen in diesem Gesetz grundsätzlich geltende Inkraftsetzung zum 1. Dezember 1991. In § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG ist aber spezialgesetzlich auf den Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an abgestellt. Da Nr 4 aaO erstmals durch das am 24. Dezember 1991 verkündete Gesetz Gesetzeskraft erlangen konnte, hat diese Regelung mit Beginn des Folgemonats materiell-rechtliche, dh innere Wirksamkeit erlangt. Damit knüpft das Gesetz – vertragstreu – an EV Nr 9 Buchst e an; dort war einem näher umgrenzten Kreis von Berechtigten, die ua Ansprüche auf die jetzt in §§ 9 Abs 1, 13 Abs 1 AAÜG erfaßten Leistungen hatten, durch bundesrechtliches Übergangsrecht zugesichert worden, diese Leistungen würden bis zur Überführung der in die Rentenversicherung überführbaren Versorgungsansprüche am 31. Dezember 1991 (ohne sog Zahlbetragsgarantie) weitergewährt. Die verfassungsorientierte Gesetzesauslegung hat davon auszugehen, daß dem Deutschen Bundestag vor Augen stand, durch diese Vorschrift werde er die gesetzlichen Grundlagen für im Einzelfall nach Bundesrecht bindend zuerkannte Versorgungsansprüche umgestalten. Für den Fall, daß das Parlament gleichwohl die Rechtsfolgen der neuen Regelung rückwirkend für Zeiten vor der Verkündung dieses Gesetzes hätte in Kraft setzen wollen, wäre es rechtsstaatlich verpflichtet gewesen, zwischen Rechtssicherheit und insbesondere schutzwürdigem Vertrauen auf bindende Verwaltungsakte einerseits und dem vom Gesetz verfolgten Interesse an der Leistungsbegrenzung für OibE abzuwägen. Den Gesetzesmaterialien ist keine Andeutung zu entnehmen, die Gesetzgebungsorgane hätten die rechtsstaatlich gebotenen Abwägungen vorgenommen.

bb) Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 hatten Ansprüche auf die von § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG erfaßten Versorgungsleistungen keine gesetzliche Grundlage mehr, falls diesen auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS zugrunde lagen. Wenn diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt waren, waren die Versorgungsträger gesetzlich angewiesen, die neue Rechtslage mit den ihnen im übrigen zur Verfügung gestellten Eingriffsermächtigungen möglichst weitgehend umzusetzen. Deshalb war diese Rechtsänderung seither immer “wesentlich” iS von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X.

b) Die Beteiligten streiten nicht mehr darüber, daß die Beklagte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen ist, bei der Klägerin sei diese wesentliche Änderung eingetreten. Allerdings bedarf der Wortlaut des Gesetzes einer am Zweck der Vorschrift orientierten Einengung. Denn der Versorgungsleistung, die der Klägerin seit Juli 1990 weitergewährt worden ist, lag ihre – verdeckende – Tätigkeit bei der Deutschen Volkspolizei zugrunde; die bundesrechtlich anerkannten Versorgungsleistungen an verdeckte Mitarbeiter des MfS waren ausschließlich nach Maßgabe der Sonderversorgungsordnungen für die in Anl 2 Nrn 1 bis 3 AAÜG verrichteten Tätigkeiten, also den verdeckenden Beschäftigungen, begründet. “Zeiten” einer Tätigkeit für das MfS waren für diese Versorgungsleistungen nach Grund und Höhe ohne Belang. Aus dem insoweit irreführenden Wortlaut wird aber noch hinreichend klar, daß der Deutsche Bundestag Sonderversorgungsleistungen nicht mehr zuerkennen wollte, soweit sie auf einer verdeckenden Tätigkeit, inhaltlich aber auf einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS beruhten. Dabei ging er davon aus, es sei der Allgemeinheit nicht mehr zumutbar, diesen Sonderversorgungsberechtigten aus Steuermitteln besondere Übergangsleistungen zu erbringen, weil sie nach den Wertmaßstäben des GG eine Unrechtstätigkeit (dazu stellvertretend Vorlagebeschluß des Senats vom 14. Juni 1995 – 4 RA 54/94) verrichtet haben. Denn das alltägliche, berufsmäßige und von konkreten Gefahren nicht veranlaßte Ausspionieren von (scheinbaren) Arbeitskollegen und Arbeitsbereichen im Auftrag einer die Gesellschaft durchdringenden Überwachungsorganisation greift derart in die Menschenwürde (Art 1 Abs 1 Satz 1 GG) ein, daß es weder durch das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) noch durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 Halbsatz 2 Regelung 3 GG) geschützt wird. Die Beendigung gesetzlicher Ansprüche auf Übergangsleistungen, die auf dieser Unrechtstätigkeit der verdeckt tätigen Stasi-Offiziere beruhen, ist auch im übrigen nicht verfassungswidrig. Diese Versorgungsleistungen (§ 9 Abs 1 Nr 1 AAÜG/EV Nr 9 Buchst e) sind Fürsorgeleistungen, die den aus dem aktiven Dienst entlassenen Offizieren einen Teil der Differenz zwischen ihrem bisherigen Gehalt und den Einkünften aus ihrer Zivilbeschäftigung oder aus Erwerbsersatzeinkommen ausgleichen (stellvertretend hierzu BSG SozR 3-8570 § 11 Nr 2). Ein sachlicher Grund, die von § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG erfaßten Stasi-Mitarbeiter von dieser fürsorgenden Vergünstigung auszuschließen, liegt vor. Die Regelung ist nicht unverhältnismäßig. Soweit die bislang Berechtigten in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert oder wegen Alters außerstande sind, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten, stehen ihnen seit dem 1. Januar 1992 nach den Vorschriften des SGB VI Ansprüche auf entsprechende Renten zu; soweit sie krank und arbeitsunfähig sind, werden sie gemäß § 309 Abs 2 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geschützt (stellvertretend BSG SozR 3-8570 § 12 Nr 1); soweit sie arbeitslos, aber arbeitsfähig und arbeitswillig sind, können ihnen Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz zustehen.

Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG war die Klägerin vom 1. Oktober 1972 jedenfalls bis zum 28. Februar 1990 hauptberufliche Mitarbeiterin des MfS und für dieses bei der Deutschen Volkspolizei verdeckt tätig.

Die Beklagte war demnach gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ermächtigt und verpflichtet, die Bewilligung der Übergangsrente im Bescheid vom 29. Juni 1991 mit Wirkung für die Zukunft, dh für Bezugszeiten nach dem 14. Mai 1992, dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitigen Bescheides vom 11. Mai 1992, aufzuheben; seither hat die Klägerin weder aufgrund des Gesetzes noch kraft Verwaltungsakt einen Anspruch auf Übergangsrente.

6. Die Beklagte durfte jedoch den Bewilligungsbescheid nicht rückwirkend, dh für Zeiten vor Bekanntgabe des streitigen Bescheides, aufheben:

Liegen – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X vor, soll nach Satz 2 aaO der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit einer der in Satz 2 Nrn 1 bis 4 aaO genannten Tatbestände erfüllt ist. Keiner Darlegung bedarf, daß die Tatbestände nach Satz 2 Nr 1 (Änderung zugunsten des Betroffenen) oder Nr 3 (anzurechnendes Einkommen oder Vermögen) nicht in Betracht kommen.

Obwohl die Klägerin in ihren Antworten auf die Schreiben Nr 1 und Nr 2 der Beklagten offensichtlich vorsätzlich die Unwahrheit über ihre Tätigkeit für das MfS gesagt hat, sind weder der Tatbestand von Satz 2 Nr 2 (Mitteilungspflichtverletzung) noch derjenige der Nr 4 aaO (bösgläubige Berufung auf den Verwaltungsakt) erfüllt.

a) Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X soll der Verwaltungsakt rückwirkend aufgehoben werden, soweit “der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist”.

aa) Voraussetzung ist also, daß der Betroffene gesetzlich verpflichtet war, die (objektiv wesentliche und für ihn nachteilige) Änderung iS von § 48 Abs 1 Satz 1 aaO dem Verwaltungsträger mitzuteilen; ferner muß er diese Pflicht (Obliegenheit) verletzt, dh ohne rechtfertigenden Grund nicht erfüllt haben; weiterhin muß das ungerechtfertigte Unterlassen der gesetzlich gebotenen Mitteilung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen; darüber hinaus muß der so qualifizierte Pflichtverstoß wesentliche Bedingung dafür geworden sein, daß der Leistungsträger die Anpassung des Verwaltungsaktes (bei vorhersehbaren Änderungen) nicht rechtzeitig ab Eintritt der Änderung bzw (bei überraschenden Änderungen) nicht rechtzeitig zum nächstmöglichen Zeitpunkt vornehmen konnte.

Eine gesetzliche Pflicht des Bürgers, einem Verwaltungsträger mitzuteilen, ein diesen betreffendes verwaltungsrechtliches Gesetz habe sich zum Nachteil des Bürgers verändert, gibt es im SGB nicht. Die Klägerin hat schon deswegen insoweit im Blick auf das Inkrafttreten des § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG keine Pflicht zur Mitteilung verletzt.

bb) § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X ist jedoch sinngemäß auch in den Fällen anwendbar, in denen die Verwaltung aufgrund einer Änderung des dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegenden Gesetzes verpflichtet ist zu prüfen, ob dadurch entscheidungserheblich gewordene tatsächliche Umstände vorliegen, welche nach der neuen Rechtslage die Aufhebung oder Anpassung des Dauerverwaltungsaktes rechtfertigen. Dann sind die Berechtigten zur wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet, falls eine Rechtsvorschrift ihnen die Angabe entscheidungserheblicher Tatsachen vorschreibt (vgl § 60 Abs 1 Nr 1 SGB I). Andernfalls würde entgegen dem Konzept der §§ 45 Abs 2 Satz 3 und 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X das nicht schutzwürdige Bestandsinteresse auch desjenigen Begünstigten dem öffentlichen Interesse an der Abänderung des Dauerverwaltungsaktes vorgezogen, der durch eine Verletzung seiner Mitteilungspflicht ua iS von § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I den Verwaltungsträger von der Anwendung des § 48 SGB X abhält. Die Klägerin hat aber auch nach dem Maßstab dieser – verfassungsrechtlich zulässigen – Konkretisierung des gesetzlichen Konzepts der Eingriffsermächtigungen in den §§ 45, 48 SGB X den Rückwirkungstatbestand des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X nicht erfüllt:

b) Als sie das Schreiben Nr 1 der Beklagten vom 6. November 1991 am 2. Dezember 1991 unzutreffend beantwortete, bestand für sie keine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung an den Versorgungsträger, daß sie hauptberuflich als Mitarbeiterin des MfS verdeckt tätig gewesen war. Nach dem auf die hier streitige Versorgungsleistung entsprechend anzuwendenden § 60 Abs 1 Nr 1 SGB I hat ua derjenige, der die Versorgungsleistung erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Weder am 6. November 1991 noch am 2. Dezember 1991 waren die von der Beklagten verlangten Auskünfte jedoch “für die Versorgungsleistung erheblich” (zur Entscheidungserheblichkeit iS der Mitwirkungspflichten: BSGE 76, 16 ff = SozR 3-1200 § 66 Nr 3). Denn § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG ist – wie ausgeführt – erst am 24. Dezember 1991 verkündet und damit äußerlich wirksam geworden. Frühestens zu diesem Zeitpunkt konnten überhaupt Mitwirkungspflichten (Obliegenheiten) der Klägerin entstehen, dem Versorgungsträger Auskünfte der begehrten Art zu geben. Da die vollziehende Gewalt vor dem Zeitpunkt der Verkündung eines Gesetzes nicht befugt ist, die Bürger über Umstände zu befragen, die erst aufgrund dieses Gesetzes entscheidungserheblich werden, bedarf keiner Darlegung, daß sie rechtswidrige Auskunftsersuchen der Verwaltung nicht beantworten müssen. Schon deswegen ist nicht darauf einzugehen, daß das Schreiben Nr 1 der Beklagten die Grenzen der Mitwirkungslast iS von § 65 SGB I möglicherweise nicht beachtet hat und wegen des unrichtigen Hinweises auf einen nicht bestehenden Vorbehalt iVm der gesetzlich nicht gerechtfertigten Androhung einer Entziehung der Versorgungsleistung bei unrichtiger oder unvollständiger Antwort auch nicht aus anderen Gründen wahrheitsgemäß beantwortet werden mußte.

c) Hingegen hat die Klägerin durch die falschen Angaben in ihrem Schreiben vom 4. Mai 1992 ihre gesetzliche Mitteilungspflicht aus § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I ohne rechtfertigenden Grund nicht erfüllt. Denn das (Anhörungs-)Schreiben Nr 2 der Beklagten vom 24. April 1992 hat der Klägerin – trotz der oben aufgezeigten rechtswidrigen Beifügung eines Rückforderungsvorbehalts – nur Gelegenheit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Demgemäß stand es ihr im Rahmen der Anhörung frei, zu den von der Beklagten mitgeteilten Tatsachen Stellung zu nehmen (§ 24 Abs 1 SGB X). Die Freiheit, im Anhörungsverfahren zu schweigen, enthob sie jedoch nicht der Pflicht aus § 60 Abs 1 Nr 1 SGB I, “alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind”. Dies umfaßt die Pflicht, sich wahrheitsgemäß zu erklären, falls sie sich gegenüber dem Versorgungsträger zu leistungserheblichen Tatsachen äußert. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt hat sie diese Pflicht auch vorsätzlich verletzt. Gleichwohl kann deswegen die Rentenbewilligung nicht rückwirkend aufgehoben werden. Denn die Verletzung der Mitteilungspflicht hat zu keiner Verzögerung der Aufhebungsentscheidung der Beklagten geführt (Antwortschreiben der Klägerin vom 4. Mai 1992; streitiger Bescheid vom 11. Mai 1992). Die zweite Lüge der Klägerin hat also die Aufhebungsentscheidung der Beklagten weder verhindert noch verzögert. Daher ist der Klägerin dadurch kein vom Vertrauensschutz nicht umfaßter Vorteil verblieben.

Die Beklagte war also nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X nicht ermächtigt, die Bewilligung der Übergangsrente rückwirkend für Zeiten vor der Bekanntgabe des Bescheides vom 11. Mai 1992 aufzuheben.

7. Im Ergebnis dasselbe ergibt sich auch bei Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X. Nach dieser Vorschrift soll der Dauerverwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Dieser Rückwirkungstatbestand setzt objektiv voraus, daß der sich aus dem Dauerverwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Nachteil des Berechtigten geändert worden ist. Subjektiv wird verlangt, daß der Berechtigte dies weiß oder nur deshalb nicht weiß, weil er die ihm gegenüber dem Leistungsträger mögliche, gebotene und erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße, dh grob fahrlässig (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X), verletzt hat.

a) Schon der objektive Tatbestand ist in direkter Anwendung des Wortlauts der Vorschrift nicht erfüllt. Denn der sich aus dem Verwaltungsakt der Rentenbewilligung ergebende Anspruch der Klägerin ist durch die materiell-rechtliche Änderung der gesetzlichen Anspruchsgrundlage weder zum Ruhen gebracht noch ganz oder teilweise weggefallen. Gerade im Regelungszusammenhang des § 48 Abs 1 SGB X unterscheidet das SGB X zwischen den Ansprüchen aus Gesetz, aus Vertrag und aus Dauerverwaltungsakt. Während Ansprüche aus verwaltungsrechtlichem Vertrag nur in den Grenzen des § 59 SGB X abgeändert werden dürfen, führt eine bloße Abänderung des gesetzlichen Anspruchs gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nur zur Aufhebung des Dauerverwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft. Wäre demgegenüber – entgegen dem Wortlaut von Nr 4 aaO – der objektive Rückwirkungstatbestand immer schon dann erfüllt, wenn der sich aus dem Gesetz ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Nachteil des Bürgers abgeändert worden ist, so wäre der objektive Rückwirkungstatbestand in Nr 4 aaO mit dem objektiven Tatbestand von Satz 1 aaO insoweit deckungsgleich und deshalb überflüssig. Für die Rückwirkungsermächtigung käme es dann allein auf den subjektiven Tatbestand an.

Demgegenüber ist mit dem Wortlaut des Gesetzes darauf abzustellen, daß der objektive Rückwirkungstatbestand grundsätzlich nur erfüllt ist, wenn speziell der sich aus dem Dauerverwaltungsakt ergebende Anspruch, also nicht bloß der Anspruch aus Gesetz (oder aus Vertrag), gerade “kraft Gesetzes” (also nicht durch Verwaltungsakt) zum Ruhen gekommen ist. Da aber – wie ausgeführt – es den Organen der gesetzgebenden Gewalt nur ausnahmsweise und nur bei besonderer verfassungsrechtlicher Rechtfertigung (zB bei Funktionsausfall der vollziehenden Gewalt) erlaubt ist, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte günstige Rechtsposition “kraft Gesetzes” zu entziehen oder nachteilig zu verändern, hat der Rückwirkungstatbestand des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nur einen engen Anwendungsbereich.

Im Falle der Klägerin ist der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Der Anspruch, der sich für sie aus der Rentenbewilligung der Beklagten ergibt, ist durch die bloß materiell-rechtliche Regelung des § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG nicht “kraft Gesetzes” entfallen, sondern kann nur durch aufhebenden Verwaltungsakt wegfallen. Daher bedarf keiner Darlegung, daß der subjektive Rückwirkungstatbestand nicht erfüllt ist.

b) Gleichwohl ist eine sinngemäße Anwendung dieser Rückwirkungsermächtigung über ihren sehr begrenzten unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus (vgl BSGE 65, 185, 189 = SozR 1300 § 48 Nr 57; BSG DRV 1986, 638) in eng begrenztem Umfang auch auf solche Fallgestaltungen geboten, bei denen lediglich der dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegende gesetzliche Anspruch zum Ruhen gekommen oder weggefallen ist, ohne daß der sich aus dem Verwaltungsakt selbst ergebende Anspruch kraft Gesetzes dasselbe Schicksal erfahren hätte:

Nr 4 aaO erfaßt in der wortlautgemäßen Anwendung Fälle, in denen der Berechtigte weiß (oder nur grob fahrlässig nicht weiß), daß der ihn materiell begünstigende Verwaltungsakt durch das Gesetz selbst unwirksam gemacht worden ist; falls er gleichwohl wegen der verbliebenen Handlungsform “Verwaltungsakt” noch auf diesen vertraut, ist dies nicht mehr schutzwürdig. Eine in allen wesentlichen Punkten vergleichbare Lage kann aber auch dann eintreten, wenn der durch den Dauerverwaltungsakt Begünstigte weiß (oder grob fahrlässig nicht weiß), daß der ihm erteilte Verwaltungsakt von einem bestimmten Zeitpunkt an in einem eindeutig bestimmten Umfang in Widerspruch zur materiellen Rechtslage geraten ist; auch dann kann es treuwidrig sein, wenn der Berechtigte sich auf den (formellen und materiellen) Verwaltungsakt (bösgläubig) beruft.

Im einzelnen hierzu: Hierbei ist das grundsätzliche rechtsstaatliche Verbot der rückwirkenden Anpassung (Verbot der Rückbewirkung von Rechtsfolgen durch die vollziehende Gewalt) zu beachten, das der Wertung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X zugrunde liegt. Danach ist der Vertrauensschutz des Bürgers auf den Bestand der im Dauerverwaltungsakt zugesagten Begünstigung grundsätzlich und in aller Regel höher einzuschätzen als das öffentliche Interesse daran, den Verwaltungsakt möglichst zum Zeitpunkt des Eintritts einer wesentlichen Änderung der materiellen Rechtslage anzupassen. Eine rückwirkende Anpassung zum Nachteil des Bürgers ist (abgesehen von der Einkommens- oder Vermögensanrechnung nach Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 aaO) überhaupt nur zulässig, wenn der Begünstigte sich – unter Berücksichtigung seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten – in grober Weise treuwidrig verhalten hat und dies für die Verzögerung der Anpassungsentscheidung wesentliche Bedingung war. Insbesondere ist bei der sinngemäßen Anwendung der Nr 4 aaO immer zu beachten, daß der Verwaltungsakt, nicht das abstrakte und generelle Gesetz, die individuelle Rechtsposition des Betroffenen gegenüber dem Verwaltungsträger bestimmt. Der Verwaltungsakt entlastet den Bürger von eigener Rechtskenntnis; er entbindet ihn davon, die sich ständig ändernde Vielzahl der das tägliche Leben regelnden verwaltungsrechtlichen Gesetzesvorschriften zu verfolgen und ständig selbst zu prüfen, was er von der Verwaltung zu Recht beanspruchen kann. Deshalb brauchte der aus einem Dauerverwaltungsakt Berechtigte grundsätzlich nicht nachzuhalten, ob sein sich aus dem Verwaltungsakt ergebender Anspruch “kraft Gesetzes” nachträglich entfallen oder zum Ruhen gekommen ist. Insbesondere wird er nicht schon durch die Publikation eines auf Verwaltungsvollzug angelegten Gesetzes (zB § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG) “bösgläubig”. Er kann weiterhin und sogar dann auf seinen Verwaltungsakt vertrauen, wenn seine Unkenntnis davon, daß der verwaltungsaktliche Anspruch nicht mehr mit der materiellen Gesetzeslage übereinstimmt, nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruht.

Die sinngemäße Anwendung der Rückwirkungsermächtigung in Nr 4 aaO ist daher nur dann erlaubt, wenn positiv festgestellt ist, daß der aus dem Dauerverwaltungsakt Berechtigte erkannt hat (oder grob fahrlässig nicht erkannt hat), daß “sein” Verwaltungsakt von einem bestimmten Zeitpunkt an und in bestimmtem Umfang wegen einer bestimmten Änderung der Verhältnisse nachträglich “kraft Gesetzes” in Widerspruch zur materiellen Rechtslage geraten, dh rechtswidrig geworden ist (vgl § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X). Bei der sinngemäßen Anwendung der Vorschrift ist – anders als bei der wortlautgemäßen – eine bösgläubige Berufung auf den Dauerverwaltungsakt wegen der Bindungs- und Vertrauensschutzwirkung des Verwaltungsaktes nur bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles gegeben. Wegen des Unterschiedes zwischen dem gesetzlichen Anspruch und einem solchen, der sich aus einem Verwaltungsakt ergibt, kann das Wissen (bzw das grob fahrlässige Nichtwissen) um den Wegfall des gesetzlichen Anspruchsgrundes allein nicht zur Erfüllung des sinngemäß angewandten Tatbestandes der Nr 4 aaO ausreichen. Die Vertrauensschutz- und Entlastungsfunktion der Leistungsbewilligung (BSGE 65, 185, 188 = SozR 1300 § 48 Nr 57) dürfen nur dann in Frage gestellt werden, wenn der Begünstigte die ihn bösgläubig machende Schlußfolgerung gezogen hat oder er sich diesem Schluß auch unter Würdigung der Funktionen des Verwaltungsaktes grob fahrlässig entzogen hat (BSG SozR 1300 § 48 Nr 22; KasselerKomm – Steinwedel, § 48 SGB X Rdnr 55). Insbesondere ist der Begünstigte nicht verpflichtet, Gesetzesänderungen zu verfolgen, Hinweise auf eine mögliche Rechtsänderung zur Kenntnis zu nehmen oder die Maßgeblichkeit einer Rechtsänderung für seinen Anspruch nach den Regeln der Rechtswissenschaft zu überprüfen (BSGE 71, 202, 203 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3).

Aufgrund dieser Maßstäbe kommt die sinngemäße Anwendung der Rückwirkungsermächtigung in Nr 4 aaO nur in Betracht, wenn die Schlußfolgerung, der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch sei inhaltlich mit der Gesetzeslage nicht mehr vereinbar, für jeden, der mit den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Falles vertraut ist, offen auf der Hand liegt. Der Berechtigte muß die Schlußfolgerung entweder gezogen oder dies unter grober Mißachtung der Belange des Verwaltungsträgers unterlassen haben. Besteht die wesentliche Änderung der Rechtslage – wie hier – in einer Änderung des dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegenden Gesetzes, kann grobe Fahrlässigkeit regelmäßig nur vorgeworfen werden, wenn das Änderungsgesetz selbst so eindeutig ausgestaltet ist, daß jeder Betroffene ohne weiteres erkennen kann, daß sein sich aus dem Verwaltungsakt ergebender Anspruch von der Verwaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt und in absehbarem Umfang aufgehoben werden muß. Ein gleiches Maß von Klarheit kann zB dadurch herbeigeführt werden, daß inhaltlich zutreffende Aufklärungsmaßnahmen der Leistungsträger (§ 13 SGB I) den Berechtigten individuell erreichen, daß er konkret beraten wird (§ 14 SGB I) oder daß er Kenntnis von einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung oder von zutreffenden Informationen seines Berufsverbandes erhält. Dies muß jeweils individuell festgestellt werden.

§ 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG vermag eine derartige Klarheit aus sich heraus nicht zu bieten. Wie oben dargelegt, ist sein zeitlicher Geltungsbereich nur im Wege der Auslegung und sein Regelungsinhalt nur durch teleologische Reduktion zu ermitteln. Aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sowie dem Inhalt der in Bezug genommenen Akten ergibt sich kein Hinweis darauf, es könnten die bei der sinngemäßen Anwendung der Nr 4 aaO erforderlichen besonderen Umstände für das Vorliegen von Bösgläubigkeit der Klägerin schon vor Mai 1992 gegeben sein. Schon deswegen ist es nicht iS von § 170 Abs 2 Satz 2 SGG tunlich, die Sache zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

8. Nach alledem war die Beklagte nicht ermächtigt, die Bewilligung der Übergangsrente für Bezugszeiten vor dem 1. Juni 1992 rückwirkend aufzuheben. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage war also begründet, so daß die Revision der Beklagten insoweit im Ergebnis ohne Erfolg bleiben mußte. Hingegen war die Aufhebung der Rentenbewilligung für die Zukunft, dh für den hier noch streitigen Zeitraum Juni 1992 rechtmäßig, so daß die vorinstanzlichen Entscheidungen insoweit abzuändern waren.

C: Der zweite im streitigen Bescheid vom 11. Mai 1992 bekanntgegebene Verwaltungsakt, das Gebot, an die Beklagte 2.107,00 DM zu zahlen, ist nur in Höhe eines Zahlungsgebots von 301,00 DM rechtmäßig.

1. Einzig anwendbare Ermächtigungsgrundlage ist § 50 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist durch schriftlichen Verwaltungsakt die zu erstattende Leistung festzusetzen, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist und deswegen bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind.

a) Wie dargelegt, sind die Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X hier anwendbar. § 50 SGB X wird auch nicht durch Spezialregelungen verdrängt. Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG keine Ermächtigung, Erstattungspflichten durch Verwaltungsakt festzusetzen. Im Wortlaut der Vorschrift ist nicht einmal andeutungsweise ausgedrückt, sie betreffe die Rückforderung von Versorgungsleistungen.

b) § 9 SVersLV ist gleichfalls nicht anwendbar. Der zeitliche Geltungsbereich dieser Verordnung hat erst mit dem 1. Juli 1992 begonnen. Eingriffsermächtigungen, die ihrer Rechtsnatur nach notwendig materiell-rechtliche Regelungen sind, können den Erlaß eines eingreifenden Verwaltungsaktes nur rechtfertigen, wenn sie im Zeitpunkt des Eingriffs gültiges Recht sind. Zwar enthält § 9 Abs 1 Satz 1 SVersLV die Regelung eines Anspruchs des Versorgungsträgers gegen den Versorgungsberechtigten auf Erstattung zuviel gezahlter Versorgungsleistungen. In § 9 Abs 3 Satz 1 aaO wird der Versorgungsträger ermächtigt, den zu erstattenden Betrag durch Bescheid festzusetzen. Insoweit stimmt die Rechtsverordnung mit der höherrangigen Vorschrift des § 50 Abs 1 und Abs 3 SGB X überein. Schon deswegen ist hier nicht darauf einzugehen, ob die Verordnung durch eine ermächtigungskonforme Auslegung jedenfalls insoweit in Einklang mit der Verordnungsermächtigung in § 16 Abs 3 AAÜG gebracht werden muß, als sie über den Bereich der Rückforderungen von Versorgungsleistungen wegen der Anrechnung von Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen auf Versorgungsleistungen hinausgehende Befugnisse der Versorgungsträger begründet.

§ 9 Abs 2 SVersLV ist ebenfalls nicht anwendbar. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte ist bei isolierten Anfechtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier der 11. Mai 1992. Mit dem Erlaß der angefochtenen Verwaltungsakte war das Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X beendet; denn dieses umfaßt – außer der Vorbereitung des Verwaltungsaktes (bzw des Vertrages) – nur noch dessen Erlaß. Falls nicht übergangsrechtliche Ausnahmeregelungen (dazu BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr 3) oder Spezialregelungen (vgl dazu BSG SozR 1200 § 59 Nrn 4, 5, 6, 7) etwas anderes bestimmen, ist das Verwaltungsverfahren mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes abgeschlossen. Jedoch kann auch bei isolierten Anfechtungsklagen eine später eintretende Änderung der Rechtslage erheblich werden, wenn der Verwaltungsträger deswegen gegenüber dem Kläger zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes verpflichtet ist (stellvertretend Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 54 Rdnr 33 mwN). Das Revisionsgericht hat dies am Maßstab aller Gesetze zu überprüfen, die das Berufungsgericht anwenden müßte, wenn es zu dem Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts entscheiden müßte (Meyer-Ladewig, SGG, § 162 Rdnr 8 mwN; zur Beachtlichkeit neuen Bundesrechts stellvertretend auch BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 2). Eine solche günstigere Rechtslage kann sich für die Klägerin aus § 9 Abs 2 SVersLV in diesem Rechtsstreit nicht ergeben. Nach dieser Vorschrift kann in den Fällen des Abs 1 (Erstattungspflicht im Blick auf zuviel gezahlte Versorgungsleistungen) von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der jeweils zuständigen obersten Dienstbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Diese Regelung betrifft nicht die Entstehung der Erstattungspflicht, sondern erlaubt dem Versorgungsträger nur, aus Billigkeitsgründen den entstandenen Rückforderungsanspruch nicht geltend zu machen. Insbesondere verpflichtet sie die Versorgungsträger nicht, von Amts wegen in jedem Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen das Absehen von der Rückforderung zu prüfen und darüber zu entscheiden. Vielmehr sind die Versorgungsträger auch nach § 9 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 SVersLV verpflichtet, die Rückforderung durch Bescheid festzusetzen. Sie dürfen also auch dann, wenn sich im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Billigkeitsprüfung ergeben, die Entscheidung über das Absehen von der Rückforderung nach § 9 Abs 2 aaO vor, nach oder zusammen mit dem Erlaß des Leistungsbescheides regeln, dürfen also insbesondere diesen Verwaltungsakt auch später erlassen (vgl stellvertretend BSG SozR 1200 § 42 Nr 4).

c) Die Beklagte hat den Leistungsbescheid, dh die Anordnung, die Klägerin habe an sie 2.107,00 DM als zu erstattenden Wert überzahlter Übergangsrente zu zahlen, zwar als zuständiger Versorgungsträger (§§ 8 Abs 4, 9 Abs 3 AAÜG) nach ordnungsgemäßer Anhörung in der gebotenen Form getroffen, war hierzu aber nur im Blick auf den Bezugszeitraum Juni 1992 befugt. Da die zugleich ausgesprochene rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung keinen Bestand hatte, ist insoweit – entgegen § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X – kein Verwaltungsakt aufgehoben worden. Die Klägerin hat vielmehr aufgrund des für sie und die Beklagte bindend gebliebenen Bescheides vom 29. Juni 1991 die Übergangsrente bis einschließlich Mai 1992 mit Rechtsgrund erlangt.

Für die Bezugszeit Juni 1992 ist hingegen – wie dargelegt – die Rentenbewilligung rechtmäßig aufgehoben worden. Der Zahlung von 301,00 DM für diesen Monat lag also kein Rechtsgrund zugrunde. Entgegen der Ansicht des SG scheitert die Anwendung von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X für die im Juni 1992 gezahlte Rente nicht daran, daß die Klägerin den Rentenbetrag erst nach Bekanntgabe des streitigen Bescheides erhalten hat. Die Anspruchsgrundlage (§ 50 Abs 1 SGB X) setzt wie die Ermächtigungsgrundlage (§ 50 Abs 3 Satz 1 aaO) nur voraus, daß Leistungen aufgrund eines nunmehr aufgehobenen Verwaltungsaktes bereits “erbracht” worden sind. Die Klägerin hat den Zahlbetrag für Juni 1992 nur wegen des inzwischen aufgehobenen Bewilligungsbescheides erhalten. Diese Leistung war aber auch bereits bei Bekanntgabe des streitigen Bescheides erbracht. Das ist iS dieser Vorschrift der Fall, sobald der Leistungsträger das Erforderliche getan hat, damit das Geschuldete dem Berechtigten rechtzeitig zufließen kann. Es kommt darauf an, ob von ihm keine weiteren Verwaltungsmaßnahmen mehr getroffen werden müssen, daß die Leistung den Empfänger rechtzeitig erreicht. Hierfür reicht bei Geldleistungen aus, daß die Zahlstelle zur fristgerechten Auszahlung des Betrages angewiesen ist. Gerade bei Dauerleistungen muß der Leistungsträger langfristige Auszahlungsaufträge vergeben. Andererseits ist er gegenüber dem durch den Entziehungsbescheid unterrichteten Bürger nicht verpflichtet, besondere Anstrengungen zu unternehmen, die laufende Auszahlung für den nächstfolgenden Bezugszeitraum sofort zu unterbinden. Die BfA, welche für die Beklagte für die Auszahlung der Rente verantwortlich war, hatte die entsprechende Auszahlungsanweisung an die Deutsche Bundespost schon vor dem 11. Mai 1992 erteilt und sie unverzüglich widerrufen.

Daher durfte die Beklagte die Klägerin verpflichten, 301,00 DM an sie zu zahlen.

Nach alledem war die Revision der Beklagten nur im Blick auf die für den Monat Juni 1992 getroffenen Regelungen erfolgreich; hingegen waren die vorinstanzlichten Entscheidungen bezüglich des Regelungszeitraumes von Dezember 1991 bis einschließlich Mai 1992 im Ergebnis zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 956149

BSGE, 253

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