Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Bundeserziehungsgeld ist grundsätzlich nicht zu gewähren, wenn der Anspruchsteller während der Zeit, für die er diese Leistung begehrt, keine Erwerbstätigkeit im Inland hätte verrichten dürfen.

 

Normenkette

BErzGG § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 4; SGB I § 30 Abs. 1, 3; AuslG §§ 1-2, 5, 7 Abs. 3, §§ 8, 17, 49; AuslG 1990 §§ 1-2, 3 Abs. 1 S. 1, §§ 10, 14 Abs. 2, § 55 Abs. 1; AsylVfG § 19 Abs. 1, § 20; GG Art. 116 Abs. 1

 

Gründe

I. Streitig ist die Gewährung von Bundeserziehungsgeld für die Zeit vom 14. Februar 1987 bis zum 8. Dezember 1987.

Der 1963 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger aramäischen Volkstums und syrisch-orthodoxen Glaubens. Seine Heimat ist T. A. in der südostanatolischen Provinz Mardin. Dort war er als Bauer tätig. Nachdem der sein Hab und Gut verkauft bzw. an Verwandte abgegeben hatte, reiste er am 27. Dezember 1984 mit seiner Ehefrau und zwei Kindern mit dem Flugzeug von Istanbul über Wien nach Brüssel. Dort wurde er von einem Bruder mit dem Pkw abgeholt und - ohne Einreiseerlaubnis - nach W. /Nordrhein-Westfalen (NW) gebracht, wo zwei Brüder bereits als anerkannte Asylanten wohnten. Seither lebt er mit seiner Familie dort. Er erhält Sozialhilfe.

Bereits am 28. Dezember 1984 hatte der Kläger beantragt, ihn und seine Familie als Asylberechtigte anzuerkennen. Dies lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf durch Entscheidung vom 29. August 1985 ab. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos (Urteil des Verwaltungsgerichts -VG- Minden vom 24. April 1987 - 8 K 10958/85; Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen - Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NW) vom 2. September 1987 18 A 10102/87).

Für die Durchführung des Asylverfahrens war dem Kläger der Aufenthalt i.S. von § 20 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gestattet, u.a. die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hingegen nicht (Bescheinigungen des Kreises Paderborn vom 28. Januar 1985, 23. Juli 1986 und vom 13. Oktober 1987). Nach Abschluß des Verfahrens ordnete das Ausländeramt des Kreises Paderborn die Ausweisung nicht an. In Anwendung der Härtefallregelung im Erlaß des Innenministers Nordrhein-Westfalen (NW) vom 18. Dezember 1985 (MinBl NW 1986 Nr. 1, S. 8) erteilte es ihm auf den Antrag vom 9. Dezember 1987 am 18. Januar 1988 eine zunächst auf ein Jahr befristete, inzwischen bis zum 18. Januar 1992 verlängerte Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage, eine selbständige Erwerbstätigkeit oder eine vergleichbare unselbständige Tätigkeit sei nicht, eine Arbeitsaufnahme nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet. Das Arbeitsamt Paderborn lehnte mit Bescheiden vom 16. Februar 1988 und vom 4. Oktober 1988 Anträge des Klägers auf Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung als Fleischwarengehilfe ab, weil die Erlaubnis weder nach § 19 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) noch unter Härtegesichtspunkten nach § 2 Abs. 6 der Arbeitserlaubnisverordnung (ArbErlaubV) erteilt werden könne.

Am 5. März 1987 beantragte der Kläger die Gewährung von Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für seine am 14. Februar 1987 geborene Tochter Jennifer. Dies lehnte das Versorgungsamt Bielefeld mit Bescheid vom 9. März 1987, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Nordrhein-Westfalen (NW) vom 13. April 1987, ab, weil der ungesicherte ausländerrechtliche Status als Asylbewerber sowohl die Wohnsitznahme als auch die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) verhindere. Während des nachfolgenden Klageverfahrens bewilligte das Versorgungsamt Bielefeld durch Bescheid vom 18. Februar 1988 Bundeserziehungsgeld für Jennifer ab 9. Dezember 1987, nachdem das Ausländeramt des Kreises Paderborn mitgeteilt hatte, seit dem 9. Dezember 1987, dem Datum der Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, halte sich der Kläger rechtmäßig auf.

Das Sozialgericht (SG) Detmold hat mit Urteil vom 30. November 1938 das beklagte Land verurteilt, dem Kläger Bundeserziehungsgeld ab Geburt bis Ende des neunten Lebensmonats des Kindes zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NW) hat auf die - vom SG zugelassene - Berufung des beklagten Landes mit Urteil vom 15. August 1989 die Klage abgewiesen, soweit sie Erziehungsgeld für die Zeit vor dem 9. Dezember 1987 betrifft, weil der Kläger im streitigen Leistungszeitraum entgegen § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der bis zum 30. Juni 1989 geltenden Fassung weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Bundesrepublik Deutschland oder West Berlins gehabt habe.

Mit der - vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) i.V.m. § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Mit dem Bundessozialgericht (BSG; USK 87182) sei davon auszugehen, daß er seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Geburt seines Kindes am 14. Februar 1987 in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Es sei auch zu berücksichtigen, daß das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zunächst mit Urteil vom 2. August 1983 türkische Christen als asylberechtigt anerkannt habe, so daß er im Zeitpunkt seiner Einreise im Dezember 1984 habe davon ausgehen können, sein Asylantrag werde anerkannt. Dies sei auch noch im Zeitpunkt der Geburt seiner Tochter Jennifer der Fall gewesen. Erst kurz darauf habe sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NW) der inzwischen geänderten Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) angeschlossen, so daß von diesem Zeitpunkt an die syrisch-orthodoxen Christen auch in Nordrhein-Westfalen (NW) von allen Verwaltungsgerichten nicht mehr als asylberechtigt anerkannt worden seien. Fast alle seine Landsleute seien im Februar 1987 bereits anerkannt gewesen und erhielten Erziehungsgeld für ihre zwischenzeitlich geborenen Kinder. Er selbst habe das Pech gehabt, daß sein Streitverfahren vor dem VG auf eine andere Kammer übergegangen und deswegen entsprechend später entschieden worden sei. Bei dieser Sachlage und im Blick auf die Härtefallregelung im Erlaß des Innenministers Nordrhein-Westfalen (NW) habe praktisch zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestanden, daß er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werde. Er habe sich auf einen Daueraufenthalt in Deutschland eingerichtet und könne praktisch auch nicht mehr in die Türkei zurück.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. August 1989 aufzuheben und die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30. November 1988 zurückzuweisen.

Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, Asylbewerber hätten während des Asylverfahrens im Bundesgebiet grundsätzlich nur einen vorübergehenden Aufenthalt; einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt könnten sie wegen ihres nur vorläufigen Anwesenheitsrechtes in der Regel nicht begründen, weil es an einem realisierbaren Willen, an einem bestimmten Ort zu wohnen, fehle (Hinweis auf BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44). In § 30 Abs. 3 SGB I sei nicht definiert, welche "Umstände" für die Beurteilung heranzuziehen seien, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt. Auch sei nicht definiert, wann ein Verweilen "vorübergehend" sei. Es komme darauf an, ob aus der Sicht der in Frage kommenden Bezugszeit ein Ende des Aufenthaltes nicht zu erwarten sei (Hinweis auf BSGE 62, 67 = SozR 7833 § 1 Nr. 1). Die Aufenthaltsgestattung während des Asylverfahrens reiche nicht aus (Hinweis auf BSG USK 87182). Die Härtefallregelung im Erlaß des Innenministers Nordrhein-Westfalen (NW) vom 18. Dezember 1985 habe zugunsten des Klägers nicht eingreifen können, weil er während des streitigen Leistungszeitraumes die Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Außerdem habe er nur - anders als es in dem vorgenannten Urteil des BSG gefordert werde - nicht mit der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, sondern nach Nr. 3.5 des o.g. Erlasses des Innenministers Nordrhein-Westfalen (NW) nur mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis rechnen können. Auf in anderen Fällen erteilte Duldungen könne der Kläger sich nicht berufen, zumal eine Duldung gemäß § 17 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) nur eine vorübergehende ("zeitweise") Maßnahme sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes SGG).

II.

Für die Durchführung des Asylverfahrens war dem Kläger der Aufenthalt iS von § 20 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) gestattet, ua die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hingegen nicht. Nach Abschluß des Verfahrens ordnete das Ausländeramt die Ausweisung nicht an. In Anwendung der Härtefallregelung im Erlaß des Innenministers Nordrhein-Westfalen (NW) vom 18. Dezember 1985 (MinBl NW 1986 Nrn 1, 8) erteilte es ihm auf den Antrag vom 9. Dezember 1987 am 18. Januar 1988 eine zunächst auf ein Jahr befristete, inzwischen bis zum 18. Januar 1992 verlängerte Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage, eine selbständige Erwerbstätigkeit oder eine vergleichbare unselbständige Tätigkeit sei nicht, eine Arbeitsaufnahme nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet. Das ArbA lehnte Anträge des Klägers auf Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung als Fleischwarengehilfe ab, weil die Erlaubnis weder nach § 19 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) noch unter Härtegesichtspunkten nach § 2 Abs 6 ArbErlaubV erteilt werden könne.

Am 5. März 1987 beantragte der Kläger Bundeserziehungsgeld für seine am 14. Februar 1987 geborene Tochter J. Dies lehnte die Versorgungsverwaltung ab, weil der ungesicherte ausländerrechtliche Status als Asylbewerber sowohl die Wohnsitznahme als auch die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts iS von § 1 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) vom 6. Dezember 1985 (BGBl I 2154) verhindere. Während des nachfolgenden Klageverfahrens bewilligte das VersorgA Bundeserziehungsgeld für J. ab 9. Dezember 1987, nachdem das Ausländeramt des Kreises P. mitgeteilt hatte, seit dem 9. Dezember 1987, dem Datum der Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, halte sich der Kläger rechtmäßig auf.

Das SG hat das beklagte Land verurteilt, dem Kläger Bundeserziehungsgeld ab Geburt bis Ende des neunten Lebensmonats des Kindes zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die - vom SG zugelassene - Berufung des beklagten Landes die Klage abgewiesen, soweit sie Erziehungsgeld für die Zeit vor dem 9. Dezember 1987 betrifft.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß ihm Bundeserziehungsgeld für die Zeit vom 14. Februar 1987 bis zum 8. Dezember 1987 nicht zusteht.

Gemäß § 1 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) hat Anspruch auf Erziehungsgeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (Nr 1), mit einem nach dem 31. Dezember 1985 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Durch das Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) und anderer Vorschriften vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1297) ist an § 1 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) mit Wirkung vom 1. Juli 1989 (Art 8 Abs 1 des vorgenannten ÄndG) folgender Satz 2 angefügt worden: "Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist". Diese Neufassung des Wortlauts des Gesetzes ist hier noch nicht anzuwenden, weil der Leistungsfall am 14. Februar 1987 eingetreten ist.

Die tatsächlichen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Berufungsgerichts reichen aus, in der Sache abschließend zu entscheiden: Danach steht fest, daß der Kläger Bundeserziehungsgeld nicht zu beanspruchen hat, weil er in dem Zeitraum, für den er diese Leistung begehrt, keine Erwerbstätigkeit ausüben durfte (§ 1 Abs 1 Nr 4 BErzGG).

Gemäß § 1 Abs 1 Nr 4 BerzGG hat - wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind - Anspruch auf Erziehungsgeld, wer "keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt". Hierbei wird unausgesprochen vorausgesetzt, daß der Begünstigte - rechtlich erlaubt - eine Erwerbstätigkeit überhaupt hätte aufnehmen dürfen, wenn er dies während des möglichen Leistungszeitraumes (§ 4 Abs 1 BErzGG) gewollt hätte. Diese in § 1 Abs 1 Nr 4 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) mitgedachte, aber - weil in den typischen Fallgestaltungen selbstverständlich gegeben - nicht genannte Anspruchsvoraussetzung ergibt sich zwingend aus Sachprogramm und Sinn des Bundeserziehungsgeldes (vgl zur Herleitung eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals stellvertretend: Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in: BVerfGE 62, 1, 42; vgl auch BSGE 55, 212 = SozR 5520 § 31 Nr 2):

Nach dem in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (BVerfG SozR 7833 § 3 Nr 2) beschränkten Zweck des BErzGG, zu ermöglichen oder zu erleichtern, daß sich ein Elternteil in der für die ganze spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase eines Kindes dessen Betreuung und Erziehung widmet, indem für Mütter und Väter mehr Wahlfreiheit zwischen der Tätigkeit für die Familie und einer Erwerbstätigkeit geschaffen wird (so BT-Drucks 10/3792; BSGE 64, 296, 300 ff = SozR 7833 § 3 Nr 1), soll das Erziehungsgeld den wirtschaftlichen Nachteil der Einschränkung der Erwerbsmöglichkeit während und - vom Gesetzgeber vermutet - wegen der Betreuung und Erziehung eines Kindes in der ersten Lebensphase teilweise ausgleichen (BT-Drucks 10/3792 S 13), nicht aber Unterhaltsaufwendungen ersetzen oder - abstrakt - die Zuwendung zum Kind "belohnen". Das Erziehungsgeld soll es ermöglichen oder erleichtern, daß ein Elternteil ganz oder teilweise "auf eine Erwerbstätigkeit verzichten" kann; in diesem Sinne wird die Erziehungsleistung der Familie anerkannt (BT-Drucks 10/3792 S 13). Der Zweck, die "Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern", kann indessen dann nicht erreicht werden, wenn der Betroffene keine Erwerbstätigkeit aufnehmen darf (BT-Drucks 11/4776 S 2).

Bei der Ausgestaltung des § 1 Abs 1 Nr 4 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) konnte der Gesetzgeber davon absehen, die rechtliche Erlaubnis der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich als Anspruchsvoraussetzung niederzuschreiben, weil die Personen, die sich erlaubterweise im Inland aufhalten, typischerweise und in aller Regel zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach freiem Willen berechtigt sind. Dies bedarf weder für Deutsche (Art 12 Abs 1 GG) noch für sog Gemeinschaftsbürger (Art 48 ff, Art 52 ff EWGVtr iVm §§ 1 ff des Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - Aufenthaltsgesetz/EWG - AufenthG/EWG) einer Darlegung. Auch im Blick auf - anerkannte - Asylanten (§ 29 AsylVfG), heimatlose Ausländer (§§ 16, 17 des Gesetzes über die Rechtstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet), sog Abkommensflüchtlinge (Art 17 bis 19 des Abk über die Rechtstellung der Flüchtlinge - Genfer Konvention), im Blick auf die Staatenlosen (Art 17 bis 19 des Übereinkommens über die Rechtstellung der Staatenlosen) und für den Regelfall auch im Blick auf sonstige Aufenthaltsberechtigten (§ 8 Ausländergesetz (AuslG) vom 28. April 1965) und Ausländer, denen eine mehrjährige oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, durfte der Gesetzgeber grundsätzlich (vgl § 7 AuslG) die rechtliche Erlaubtheit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit voraussetzen. Aber auch die Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nur befristet oder nur zu einem vorübergehenden Zweck erteilt worden ist oder die nur geduldet werden, sind ausländerrechtlich nicht schlechthin davon ausgeschlossen, eine Arbeitserlaubnis (§ 19 AFG) zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung zu erhalten (BSGE 65, 126 = SozR 4100 § 19 Nr 22; BSG SozSich 1988, 120) oder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen zu dürfen (vgl § 1 Gewerbeordnung (GewO) und § 7 Abs 3 AuslG).

Lediglich diejenigen Ausländer, denen die Ausländerbehörde eine Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Duldung (§ 17 AuslG) nur mit der - wirksamen - Auflage (§ 7 Abs 3 AuslG; Art 1 §§ 14 Abs 2, 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 - AuslRNG) erteilt hat, sie dürften überhaupt keine Erwerbstätigkeit oder keine selbständige Erwerbstätigkeit bzw eine Erwerbstätigkeit vergleichbarer Art verrichten, sind rechtlich an einer Erwerbsaufnahme gehindert. Soweit die Ausländerbehörde jegliche Erwerbstätigkeit wirksam ausgeschlossen hat, bedarf dies keiner Darlegung (vgl auch § 19 Abs 2 AFG). Hat sie nur die Aufnahme einer selbständigen oder vergleichbaren Erwerbstätigkeit untersagt, ergibt sich unmittelbar aus § 19 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) (gesetzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), daß Nichtdeutschen die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung ohne Erlaubnis der BA untersagt ist, soweit in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist.

Nach den bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgericht (LSG) war dem Kläger während der Durchführung des Asylverfahrens keine Erwerbstätigkeit, danach keine selbständige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit gestattet und keine Arbeitserlaubnis erteilt worden. Er hätte also in dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit verrichten dürfen, hatte folglich keine "Wahlfreiheit" zwischen Erwerbstätigkeit und Hinwendung zum Kind und mußte wegen der Kindeserziehung nicht auf die Möglichkeit "verzichten", durch Erwerbstätigkeit Einkünfte zu erzielen.

In diesem Zusammenhang weist der Senat - auch im Blick auf § 1 Abs 1 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) nF - klarstellend darauf hin, daß - anerkannte - Asylanten, bei denen schon im Zeitraum des begehrten Leistungsbezugs die Voraussetzungen des Art 16 Abs 2 Satz 2 GG objektiv vorlagen und denen der Aufenthalt für die Durchführung des Asylverfahrens nur mit der Auflage eines Erwerbsverbots gestattet war, von der vorgenannten einschränkenden Auslegung des § 1 Abs 1 Nr 4 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) grundsätzlich nicht betroffen sind, weil das - anerkannte - Asylrecht nicht "teilbar" in eine Zeit vor und nach seiner Anerkennung ist, also der Anspruch auf Erziehungsgeld nicht von der Dauer des Asylverfahrens abhängen darf (BSGE 65, 261, 264 = SozR 7833 § 1 Nr 7).

Verfassungsrechtliche Bedenken dahin (dazu Bode in: Streit, Femministische Rechtszeitschrift, 1990, 26 f), § 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) könne in der hier dargelegten Auslegung mit Art 12 Abs 1, 6 Abs 1, 3 Abs 1 und 2, 2 Abs 1 GG, dem rechtstaatlichen Gesetzesbegriff oder dem Übermaßverbot nicht vereinbar sein, hat der Senat nicht.

Da dem Kläger schon aus den vorgenannten Gründen Bundeserziehungsgeld nicht zu gewähren ist, braucht hier nicht umfassend dargelegt zu werden, daß ihm - wie das Landessozialgericht (LSG) im Ergebnis zu Recht erkannt hat - auch deswegen die Leistung nicht zusteht, weil er - entgegen § 1 Abs 1 Nr 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) (dazu Urteil des Senats vom 27. September 1990 - 4 REg 30/89 = SozR 3 - 7833 § 1 Nr 2) - im entscheidungserheblichen Zeitraum im Jahre 1987 keinen gewöhnlichen Aufenthalt (bzw Wohnsitz) im Geltungsbereich des Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) gehabt hat. § 1 Abs 1 Nr 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) setzt nach seinem im Verhältnis zu § 30 Abs 1 und 3 SGB I speziellen kollisionsrechtlichen Zweck - vorbehaltlich über- und zwischenstaatlicher Bestimmungen (§ 30 Abs 2 SGB I) - im Blick auf ausländische Staatsbürger voraus, daß ihr Aufenthalt (bzw ihr Wohnen) im Inland, mag er zeitlich (faktisch) auch lange andauern, nicht nur vorübergehender Natur ist. Im Rechtssinn vorübergehend ist er, wenn er nach materiellem Aufenthaltsrecht auf Beendigung ausgerichtet, also kraft Gesetzes rechtlich nicht beständig ist. Das ist dann der Fall, wenn der Verbleib im Inland längstens bis zur Erreichung eines bestimmten Zwecks erlaubt oder bis zum Fortfall von Hinderungsgründen für die Ausreise oder Abschiebung gestattet ist. So liegt der Fall hier:

Nach §§ 1, 2 Abs 1 Ausländergesetz (AuslG) (vgl Art 1 §§ 1, 3 Abs 1 Satz 1 AuslRNG) bedürfen Ausländer, die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einreisen und sich darin aufhalten wollen, einer Aufenthaltserlaubnis, soweit dieses Gesetz auf Ausländer, dh hier: jede Person, die nicht Deutscher iS des Art 116 Abs 1 GG ist, Anwendung findet (§ 49 AuslG, vgl Art 1 § 2 AuslRNG) und soweit kraft Gesetzes keine Befreiung von diesem Erfordernis erfolgt ist (§ 2 Abs 2 und 3 Ausländergesetz (AuslG) iVm § 1 der VO zur Durchführung des Ausländergesetzes - DVAuslG). Keiner Darlegung bedarf, daß der Kläger 1987 keine Aufenthaltsberechtigung (§ 8 AuslG) und auch keine Aufenthaltserlaubnis (§§ 2, 5 AuslG) hatte. Ferner ist rechtskräftig festgestellt, daß er die Voraussetzungen des Asylgrundrechts (Art 16 Abs 2 Satz 2 GG) nicht erfüllt. Ihm war im streitigen Zeitraum bis zum Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NW) vom 2. September 1987 lediglich gemäß §§ 19 Abs 1, 20 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) der Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes beschränkt auf den Bezirk der Ausländerbehörde "zur Durchführung des Asylverfahrens", also augenfällig nur zu einem vorübergehenden Zweck, gestattet. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ausländerbehörde den Aufenthalt des Klägers in der Zeit zwischen dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NW) vom 2. September 1987 und der Erteilung der befristeten Aufenthaltserlaubnis am 18. Januar 1988 "geduldet" hat. Denn materiell-rechtlich war der Kläger gemäß § 12 Abs 1 Ausländergesetz (AuslG) (Art 1 § 42 AuslRNG) zur Ausreise verpflichtet, weil er keine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis hatte, nicht von diesem Erfordernis befreit war und die Aufenthaltsgestattung (§§ 19, 20 AsylVfG) gemäß § 20 Abs 3 Nr 3 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) erloschen war. Die "Duldung", dh die zeitweise Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers (§ 17 Abs 1 AuslG; Art 1 § 55 Abs 1 AuslRNG), die in entsprechender Anwendung des § 7 Abs 1, 3 und 4 die formelle Rechtmäßigkeit des Inlandsaufenthalts für die Zeit der Aussetzung der Abschiebung bewirkt, läßt die materielle Verpflichtung zur Ausreise unberührt. Denn ihr unmittelbarer Regelungsgehalt erschöpft sich in der verbindlichen Erklärung, daß der Ausländer während ihrer Laufzeit nicht abgeschoben wird (BVerwG, Beschluß des 1. Senats vom 3. Juni 1987 - 1 BV 58/87; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) InfAuslR 1987, 109; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) DÖV 1984, 171). Weiterhin ist nicht darauf einzugehen, ob dem Kläger ab dem 9. Dezember 1987 Bundeserziehungsgeld zustand, obwohl ihm erst am 18. Januar 1988 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, deren Befristung darauf hindeuten kann, daß auch sie möglicherweise nur zu einem vorübergehenden Zweck (vgl § 14 Abs 1 AuslG; Art 1 § 30 AuslRNG) erteilt worden ist. Der Kläger gehörte nämlich nur dann zu dem vom Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) begünstigten Personenkreis, wenn er bereits in dem Zeitraum, für den er Bundeserziehungsgeld begehrt, "nicht nur vorübergehend" im Inland gewohnt oder sich aufgehalten hätte, wenn also sein Aufenthalt bereits damals auch rechtlich beständig gewesen wäre. Dies ist - wie aufgezeigt - nicht der Fall.

 

Fundstellen

BSGE, 238

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