Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente an frühere Ehefrau. pactum de non petendo. prozessuale Durchsetzbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein "pactum de non petendo" ist das Versprechen des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, die Forderung nicht geltend zu machen. Der Schuldner wird dadurch nicht befreit, sondern erhält lediglich die Möglichkeit, der Geltendmachung der Forderung im Wege einer Einrede zu widersprechen. Die Schuld bleibt erfüllbar, doch ist die Forderung nicht mehr durchsetzbar.

2. Der Unterschied zwischen dem pactum de non petendo und der Einschränkung der Klagbarkeit ist darin zu sehen, daß bei Bestehen eines pactum de non petendo die Klage als unbegründet, dagegen bei Bestehen eines Prozeßhindernisses aufgrund einer vertraglichen Einschränkung der Klagbarkeit die Klage als unzulässig abgewiesen werden muß. Das pactum de non petendo mit seiner Nähe zur Stundung oder zum Erlaßvertrag ist eine materiell-rechtliche Einrede, während der Mangel der Klagbarkeit eine prozeßrechtliche darstellt.

3. Was ein Vertrag seinem "objektiven Erklärungswert" nach rechtlich ist, ist keine Tatsachenfeststellung, sondern eine rechtliche Beurteilung.

 

Normenkette

RVO § 1265 S 1; SGG § 163

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 11.05.1979; Aktenzeichen L 14 J 133/78)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.11.1977; Aktenzeichen S 10 J 166/76)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als der früheren Ehefrau des 1974 gestorbenen Versicherten (V) W L eine Hinterbliebenenrente nach § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.

Die 1913 geborene Klägerin ist Deutsche. Sie lebt in den USA. Auch V besaß die deutsche Staatsangehörigkeit. 1936 heirateten die Klägerin und V in Deutschland. 1959 gingen sie in die USA. Ihre Ehe wurde durch Urteil des Bezirksgerichts des Kreises Jefferson, Staat Colorado, USA, am 9. April 1973 ohne Schuldausspruch rechtskräftig geschieden. Das Urteil ist im Juli 1975 durch den Senator für Justiz in Berlin anerkannt worden. V lebte seit dem 17. April 1973 in der Bundesrepublik. Er bezog von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland-Pfalz ab 1. Juni 1973 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, zuletzt in Höhe von monatlich 424,-- DM.

Anläßlich der Scheidung hatten die Klägerin und V am 9. April 1973 eine dann auch in das Scheidungsurteil mit aufgenommene und darin genehmigte Vereinbarung getroffen, in deren Einleitung es ua wörtlich übersetzt heißt:

"In Anbetracht dessen, daß ... Ehemann und Ehefrau

übereingekommen sind, alle Angelegenheiten, die

sich aus ihrer Ehe ergeben, durch eine Vereinbarung

in vollem Umfang zu regeln, ... wird aus diesem Grund

gemeinsam folgendes vereinbart:"

In der nun folgenden Vereinbarung wird in Ziffer 1 bis 3 geregelt, daß das gemeinsame ausgebaute Grundstück, die Möbel, die Inneneinrichtung und das Haushaltsgut der Ehefrau übertragen werden, während der Ehemann die persönlichen Effekten bekommen sollte.

Weiter heißt es in der Vereinbarung:

"5. Der Ehemann überträgt der Ehefrau alle seine Rechte,

Titel und Interessen bezüglich und an der Volkshilfe

Versicherungspolice Nr D0140848, datiert vom 1. Januar 1962.

Die Ehefrau soll für die Zahlung der hierauf

entstehenden Prämien verantwortlich sein. Der Ehemann

soll monatlich den Betrag von 150 Dollar für Unterhalt

der Ehefrau zahlen. Die Ehefrau erklärt, daß sie kein

Rechtsverfahren gegen den Ehemann wegen Zahlung dieses

Unterhaltsgeldes einleiten wird, jedoch soll sie berechtigt

sein, für den Fall, daß er vor ihr sterben sollte, Leistungen,

die etwa gemäß dem Sozialversicherungsprogramm des Landes

Westdeutschland zahlbar werden könnten und auf die sie auf

Grund ihrer Ehe mit der Gegenpartei Anspruch hat, anzunehmen.

6. Von und nach dem Zeitpunkt dieser Vereinbarung soll

keine der Parteien irgendwelche Ansprüche, Interessen

oder Forderungen an order bezüglich des Eigentums,

Vermögens oder Verdienstes der anderen Partei haben oder

geltend machen oder irgendwelche Schulden oder Verpflichtungen

auf Kosten des anderen eingehen, mit Ausnahme der

Bestimmungen dieser Vereinbarung.

7. Mit Ausnahme der hierin zuvor ausdrücklich aufgeführten

Punkte entband und entbindet hiermit von nun an jede Partei

die andere Partei von irgendwelchen und allen Ansprüchen,

Schulden, Forderungen, gesetzlichen Rechten der Vererbung

oder Verwaltung des Nachlasses der anderen Partei, und allen

Rechten an und bezüglich des Vermögens der anderen Partei

oder sich an Vermögenswerten oder Besitz der anderen Partei

zu beteiligen".

Den Antrag der Klägerin von Dezember 1974, ihr Hinterbliebenenrente nach ihrem geschiedenen Mann zu gewähren, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 21. Januar 1976). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. November 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 11. Mai 1979 die Berufung zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt:

Die Unterhaltsvereinbarung, die die Klägerin mit V geschlossen habe, sei zwar nicht, wie das SG meine, gem § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) als Scheingeschäft unwirksam. In Ziffer 5 des gerichtlichen Vergleiches sei zwar wirksam eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten begründet worden und diese habe auch noch im Zeitpunkt des Todes des Versicherten wirksam bestanden. Sie vermöge gleichwohl keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente auszulösen, denn das bloße Bestehen eines Unterhaltsanspruches reiche zur Begründung eines Hinterbliebenenrentenanspruchs nicht aus. Erforderlich sei vielmehr das Bestehen eines "konkreten", damit auch realisierbaren Unterhaltsanspruches. Einen realisierbaren Unterhaltsanspruch habe die Klägerin gegenüber V durch Ziffer 5 der Vereinbarung aber nicht erworben. Denn sie habe bei der vertraglichen Begründung der Unterhaltspflicht des Versicherten zugleich auch die gerichtliche Geltendmachung ihrer Rechte vertraglich ausgeschlossen. Durch diese Vereinbarung sei der Unterhaltsanspruch von Anfang an mit einer dauernden Abwehrmöglichkeit behaftet worden. Nach dem objektiven Erklärungswert könne diese Vereinbarung nur als ein unbefristetes "pactum de non petendo", also als ein Vertrag verstanden werden, der wegen der Endgültigkeit der Nichtgeltendmachung der Forderung dem Erlaßvertrag nahekomme und als Einforderungsverzicht verstanden werden müsse.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 12ö5 RVO. Sie trägt vor:

Sie habe sich keineswegs ihrer Rechtsstellung begeben, wenn sie nach Begründung einer Unterhaltsverpflichtung seitens ihres Mannes zusätzlich erklärt habe, daß sie gegen Zahlung dieses Unterhaltsgeldes "kein Rechtsverfahren gegen ihren Ehemann einleiten werde". Entscheidend sei allein, daß sie durch die Vereinbarung echte geldliche Unterhaltszahlungsansprüche sowohl im Hinblick auf die Lebensversicherung ihres Mannes als auch auf seine Rentenanwartschaft erworben habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des

Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. November 1977

sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 1976

aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin

Hinterbliebenenrente gem § 1265 RVO nach dem am

27. November 1974 verstorbenen Versicherten W L ab

1. Januar 1975 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem im November 1974 verstorbenen Versicherten W L gem § 1265 Satz 1 RVO ab 1. Januar 1975. Aus den vom LSG festgestellten Tatsachen läßt sich abschließend aber noch nicht entscheiden, ob und gegebenenfalls inwieweit dieser Anspruch ruht.

Die Klägerin hat nach § 1265 Satz 1 RVO Anspruch gegen die Beklagte auf Hinterbliebenenrente. Gem § 1265 Satz 1 RVO wird einer früheren Ehefrau eines Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt geleistet hat. Die Klägerin ist die frühere Ehefrau des V. Ihre Ehe mit ihm ist vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden. Die Klägerin war seit 1936 mit V verheiratet. Durch Urteil des Bezirksgerichts des Kreises Jefferson, Staat Colorado der USA, vom 9. April 1973 ist die Ehe der Klägerin mit V geschieden worden. Diese Scheidung wirkt auch in der Bundesrepublik Deutschland. Ausländische Urteile entfalten auch im Inland Wirkungen. Sie bedürfen allerdings einer innerstaatlichen Bestätigung (vgl für die Vollstreckbarkeit von Zivilurteilen die §§ 722, 723 der Zivilprozeßordnung -ZPO-). Ehescheidungsurteile wirken im Inland dann, wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung (§ 328 ZPO) vorliegen (Art 7 § 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften -Familienrechtsänderungsgesetz- vom 11. August 1961, BGBl I S 1221). Das ist hier durch die Entscheidung des Senators für Justiz des Landes Berlin vom 31. Juli 1975 geschehen.

Die Klägerin hat auch zur Zeit des Todes des V gegen diesen einen Anspruch auf Unterhalt "aus sonstigen Gründen" gehabt.

Die Klägerin konnte trotz ihrer Scheidung durch das Gericht eines Staates der USA Ansprüche aufgrund eines deutschen Gesetzes (Ehefolgenregelung), also aufgrund des EheG (Gesetzes-Nr 16 des Kontrollrats vom 20. Februar 1946 - KRABl 77, ber S 294) Ansprüche gegen V (etwa aus § 58 EheG) erwerben. Denn nach Art 17 Abs 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ist Scheidungsstatut für Eheleute, auf jeden Fall, wenn sie beide deutsche Staatsangehörige sind, das deutsche Recht, so wie auch die persönlichen Beziehungen deutscher Eheleute selbst im Ausland durch deutsches Recht bestimmt werden (Art 14 Abs 1 EGBGB). Die Frage, ob das Abstellen allein auf die Staatsangehörigkeit des Mannes, wie jetzt noch der Wortlaut des Art 17 Abs 1 EGBGB ausspricht, noch verfassungsgemäß ist (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 38), kann hier dahinstehen. Hier waren beide Eheleute deutscher Staatsangehörigkeit. Damit ist deutsches Recht unwandelbares Scheidungsstatut, gleichgültig, welches Recht das ausländische Gericht angewendet hat (BSG aaO). Als solches bestimmt das Statut das Scheidungs- und das Scheidungsfolgenrecht. Daß die Klägerin und V auch ihre Vereinbarung nicht ausschließlich ausländischem Recht unterwerfen wollten, hat das LSG festgestellt. Wenn davon auszugehen wäre, daß das ausländische Gericht zu Ungunsten der deutschen Beteiligten deutsches Recht nicht angewendet hätte, also nicht vom Scheidungsstatut des Art 17 EGBGB ausgegangen wäre, wäre dem Urteil die Anerkennung zu versagen gewesen (§ 328 ZPO).

Doch haben die Klägerin und ihr Ehemann, wie sich aus ihrem Vergleich vor dem Bezirksgericht Jefferson ergibt, ihre gesetzlichen Ansprüche ausschließen und ihre nachehelichen Beziehungen ausschließlich auf vertragliche Grundlage stellen wollen. Das hat das LSG zutreffend dem Wortlaut des vor dem Scheidungsgericht geschlossenen Vertrages entnommen.  Schon deshalb folgte für die Klägerin aus der Scheidung kein Unterhaltsanspruch nach den §§ 58 ff EheG. Die Unterhaltspflichten nach der Scheidung konnten und können nicht nur nach dem Recht des Staates Colorado, sondern auch nach deutschem Recht durch Vereinbarung der Eheleute geregelt und damit auch eingeschränkt werden (§ 72 EheG). Das Urteil des Bezirksgerichtes Jefferson ist zudem ohne Schuldausspruch ergangen, so daß Unterhaltsansprüche aus dem EheG nur ausnahmsweise hätten entstehen können.

Doch stellt die Vereinbarung der Vertragsparteien, daß V der Klägerin monatlich 150 Dollar Unterhalt zu zahlen hatte, einen "sonstigen Grund" iS des § 1265 Satz 1 RVO dar. Unterhaltsverträge sind "sonstige Gründe" iS des § 1265 Satz 1 RVO.

In der Vereinbarung vom 9. April 1973 hatte die Klägerin mit V ausgemacht, daß sie "die etwa gemäß dem Sozialversicherungsprogramm des Landes Westdeutschland zahlbaren Leistungen" nach dem Tode des V in Empfang nehmen dürfe. Dieser Teil der Vereinbarung überschritt die Regelungsmacht der Vertragspartner. Er stellt eine Vereinbarung zu Lasten eines Dritten dar, die nicht möglich ist. Die grundsätzliche Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) umfaßt nur das Recht, die eigenen Angelegenheiten zu regeln, aber, was selbstverständlich ist, nicht das Recht, Dritte zu belasten.

Weiter wurde ausgeführt, V solle monatlich einen Betrag von 150 Dollar für Unterhalt an die Klägerin zahlen. Diese Vereinbarung ist wirksam (§ 72 EheG). Durch sie wurde V auch rechtlich verpflichtet. Und diese Verpflichtung ist auch nicht dadurch wieder entfallen, daß die Klägerin sich ihrerseits verpflichtete, "kein Rechtsverfahren gegen den Ehemann wegen Zahlung dieses Unterhaltsgeldes einzuleiten". Diese Vereinbarung stellte kein Scheingeschäft dar (§ 117 BGB). Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die rechtsgeschäftlichen Erklärungen jeweils mit Wissen und Einverständnis des anderen nur zum Schein abgegeben werden. Diese tatsächlichen Voraussetzungen hat das LSG bereits verneint, woran das Revisionsgericht gebunden ist (§ 163 SGG). Zu Recht hat das LSG auch ausgeführt, daß ein Scheingeschäft dann nicht anzunehmen ist, wenn die Parteien (des Geschäfts) zur Erreichung des erstrebten Erfolges ein ernsthaft gemeintes Geschäft für notwendig erachtet haben (vgl BGHZ 36, 84 ff, 87, 88). Die Klägerin und V wollten bei Abschluß des Vergleiches offenbar einerseits eine Unterhaltsverpflichtung begründen (so die tatsächlichen Feststellungen des LSG), die später eine Hinterbliebenenrente auslösen konnte, wollten aber andererseits nicht, daß V mit Klage oder gar Strafverfolgungen wegen Verletzung der Unterhaltspflicht überzogen würde, sollte er dennoch nicht zahlen. Zu diesem Zweck begründeten sie die Verpflichtung des V, schlossen aber andererseits ein "Rechtsverfahren" aus. Das LSG geht auch in dieser Hinsicht vom tatsächlichen Vortrag der Klägerin aus, hält ihn aber für unerheblich.

Dieser Ausschluß des Rechtsverfahrens war aber auch kein gleichzeitiger Verzicht auf den begründeten Anspruch. Auch das LSG hält eine rechtliche Verpflichtung für weiter existent. Insoweit ist das Revisionsgericht an die Feststellungen gebunden, daß die Vertragsparteien eine materielle Unterhaltsverpflichtung begründen wollten (§ 163 SGG).

Der Ausschluß der Klagbarkeit ist auch nicht als ein pactum de non petendo zu beurteilen. Das LSG hat ausgeführt: "Durch diese Vereinbarung ist der Unterhaltsanspruch von Anfang an mit einer dauernden Abwehrmöglichkeit behaftet worden; denn sie kann ihrem objektiven Erklärungswert nach nur als ein unbefristetes "pactum de non petendo", ein wegen seiner Endgültigkeit dem Erlaßvertrag nahekommender Einforderungsverzicht verstanden werden (vgl Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 397 BGB Anm 3c)". Diese Ausführungen stellen keine tatsächlichen Feststellungen dar, an die das Revisionsgericht gebunden wäre (§ 163 SGG). Die Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen ist zwar schwierig und die Grenzen sind nicht immer eindeutig. Tatfragen sind zB, welche Erklärungen ein Beteiligter abgegeben hat und was der wirkliche innere Wille ist. Auch der innere Wille gehört zur Tatfeststellung (BSG SozR 1500 § 163 Nr 2. Zur Abgrenzung zwischen bindender Tatsachenfeststellung und der in der Revisionsinstanz neu beurteilbaren rechtlichen Wertung vgl weiter May NJW 1959, 708; Mangold NJW 1962, 1597, 1600; Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts, 2. Aufl 1960, § 8, S 173). Was hier gesagt wurde, ist ganz eindeutig. Das LSG hat die Erklärungen im Wortlaut festgestellt. Es hat auch festgestellt, was die Vertragsparteien wollten, nämlich eine wirksame Verpflichtung begründen, aber ihre rechtliche Durchsetzbarkeit vor den Gerichten ausschließen. Das LSG hat sogar unterstellt, daß der Vortrag der Klägerin richtig sei, sie habe den V nur vor den rigorosen amerikanischen (Straf-) Bestimmungen über Unterhaltspflichtverletzungen bewahren wollen. Diesen hinter den tatsächlichen und im Wortlaut vorliegenden Erklärungen stehenden Willen der Vertragsparteien hat es aber für unerheblich erklärt. Es hat den Vertrag dann unter Zugrundelegung dieser Fakten als "pactum de non petendo" rechtlich eingeordnet. Und es hat gesagt, nach seinem objektiven Erklärungswert sei dieser Vertrag ein "pactum de non petendo". Was ein Vertrag seinem "objektiven Erklärungswert" nach rechtlich ist, ist aber keine Tatsachenfeststellung mehr, sondern eine rechtliche Beurteilung (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 162 Anm 3, § 163 Anm 3: Die Auslegung von Willenserklärungen ist Rechtsfrage; Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, §§ 549 III B 3). Die rechtliche Einordnung von Verträgen ist Rechtsfrage; das gilt überhaupt für die Subsumtion der festgestellten Tatsachen unter das Gesetz, weil in diesem Falle die Feststellung der Tatsachen und die vom Gericht als Obersatz der Entscheidung aufgestellten Rechtsregel zu eng miteinander verknüpft sind. Die Subsumtion ist untrennbar verbunden mit der Auffassung von der Rechtsregel selbst.

Ein "pactum de non petendo" ist das Versprechen des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, die Forderung nicht geltend zu machen. Der Schuldner wird dadurch nicht befreit, sondern erhält lediglich die Möglichkeit, der Geltendmachung der Forderung im Wege einer Einrede zu widersprechen. Die Schuld bleibt erfüllbar, doch ist die Forderung nicht mehr durchsetzbar. Das pactum kann befristet oder unbefristet sein; im ersten Fall kommt es einer Stundung, im zweiten einem Erlaßvertrag sehr nahe (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd 1 Allgemeiner Teil, 12. Aufl, 1979, § 19 Ia S 221, 222). Dieses pactum de non petendo ist wohl zu unterscheiden von der vertraglichen Einschränkung der Klagbarkeit, also dem Verzicht darauf, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Die Möglichkeit, durch Vertrag einen Anspruch materiell-rechtlich voll bestehen zu lassen, also auch keine materielle Einrede gegen das Recht zu begründen, sondern lediglich die Zulässigkeit des Rechtsweges auszuschließen, also ein Prozeßhindernis gegen die gerichtliche Geltendmachung zu begründen, wird heute allgemein bejaht (Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl, 1972, Vorbemerkung vor § 253 III 2; Baumbach/Lauterbach, Kommentar zur ZPO, 38. Aufl, 1980, Grundzüge vor § 253, Anm 4). Der Unterschied zwischen dem pactum de non petendo und der Einschränkung der Klagbarkeit ist darin zu sehen, daß bei Bestehen eines pactum de non petendo die Klage als unbegründet, dagegen bei Bestehen eines Prozeßhindernisses aufgrund einer vertraglichen Einschränkung der Klagbarkeit die Klage als unzulässig abgewiesen werden muß. Das pactum de non petendo mit seiner Nähe zur Stundung oder zum Erlaßvertrag ist eine materiell-rechtliche Einrede, während der Mangel der Klagbarkeit eine prozeßrechtliche darstellt.

Der Unterschied zwischen dem materiell-rechtlichen pactum de non petendo und dem Vertrag über die Einschränkung der Klagbarkeit äußert sich auch noch in anderer Weise. "Geltendgemacht" werden können Ansprüche nicht nur im Prozeß. Die können auch durch Mahnung geltend gemacht werden und damit kann der Schuldner in Verzug gesetzt werden (§ 284 BGB); bei wiederkehrenden Leistungen laufen die Einzelansprüche zu einer immer höheren Forderung auf. Eine materiellrechtliche Form der Durchsetzung einer Forderung ist auch die Aufrechnung. Diese Folgerungen ergeben sich alle nicht, wenn gegen die materiell-rechtliche Forderung bereits eine materiell-rechtliche, dauernd geltende Einrede besteht. So gerät der Schuldner durch eine Mahnung nicht in Verzug, wenn der Forderung eine dauernde Einrede entgegensteht (Palandt, Kommentar zum BGB, 39. Aufl, 1980, § 284 Anm II). Mit einer Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann nicht aufgerechnet werden (§ 390 BGB). Gemeint sind dabei aber nur materielle, keine Prozeßeinreden (RGZ 123, 348; Soergel/Siebert, Kommentar zum BGB, 10. Aufl, § 390 Anm 1). In der Literatur wird zum Teil undifferenziert erklärt, die Wirksamkeit einer Aufrechnung setze die "Durchsetzbarkeit" oder "rechtliche Erzwingbarkeit" voraus (Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, § 387 Anm 9). Als Beispiel für Nichtdurchsetzbarkeit werden etwa die Spielschulden genannt. Dieser scheinbare Widerspruch in der Literatur klärt sich dadurch auf, daß zB Spielschulden nicht nur nicht klagbar sind, sondern daß sie bereits mit einem materiell-rechtlichen Mangel behaftet sind (Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl, 1972 Vorbemerkung vor § 253 III 2).

Fragt man sich, was bei dem Vertrag der Klägerin mit V vom 9. April 1973 vorgelegen hat, ein pactum de non petendo oder ein Ausschluß der Klagbarkeit, so sprechen die überwiegenden Gründe für einen Ausschluß der Klagbarkeit. Die Klägerin hatte dem Kläger gegenüber erklärt, sie werde kein Rechtsverfahren gegen ihn anstrengen, aber nicht, sie werde das Geld, das er ihr gerade versprochen hatte, nicht von ihm fordern oder es sonst nicht gegen ihn geltend machen. Auffallend ist auch, daß es hieß, die Klägerin werde kein Rechtsverfahren "gegen den Ehemann" anstrengen. Das bedeutet, daß also die Forderung (gegebenenfalls bei Verzug, § 64 EheG) auflaufen und unter Umständen gegen etwaige Erben dennoch gerichtlich durchgesetzt werden konnte. Das LSG hat auch in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Vertragsparteien eine materiell-rechtliche Verpflichtung begründen wollten. Daß sie gegen diese materiell-rechtliche Verpflichtung auch eine Einrede begründen sollten, hat es in tatsächlicher Beziehung gerade nicht festgestellt. Gegen sie würde auch der Wortlaut der Vereinbarung sprechen.

Der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in der Entscheidung vom 27. Juni 1963 (GS 5/61, Bd 20, 1) betont, daß auch nicht realisierte und sogar nicht realisierbare Unterhaltsansprüche durch die Renten ersetzt werden. Wenn er im Wegfall eines Vollstreckungstitels auch einen Wegfall des "sonstigen Grundes" gesehen hat, so nur deshalb, weil es dort um die Frage ging, ob ein Vollstreckungstitel allein - auch ohne das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs - ein "sonstiger Grund" iS des § 1265 Satz 1 RVO sein könne. Das hatte der Große Senat bejaht. Es war dann nur folgerichtig, daß er bei Wegfall dieses Titels auch den "sonstigen Grund" entfallen lassen mußte. In dem Fall, der der Entscheidung des 11. Senats vom 10. Mai 1977 (- 11 RA 18/76 -, Bd 44, 17) zugrunde gelegen hat, ist das LSG in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, die Klägerin und der Versicherte hätten durch schlüssiges Verhalten vereinbart, daß die Klägerin während der (bis zum Tode dauernden) Erkrankung des Versicherten ihre Unterhaltsforderung nicht geltend mache und nicht aus dem Titel vollstrecke. Der Verzicht auf die Geltendmachung erfolgte in diesem Fall demnach nicht nur in der Weise, daß die prozessuale Geltendmachung (Vollstreckbarkeit) ausgeschlossen wurde, sondern auch dadurch, daß die materielle Geltendmachung der Forderung beendet wurde ("Geltendmachung und Vollstreckbarkeit"). In diesem Urteil wird auch ausdrücklich die Wirkung der "schlüssigen Vereinbarung" als eine rechtshemmende Einwendung gegen den sachlich-rechtlichen Anspruch bezeichnet.

Es wäre auch nicht gerechtfertigt, die bloße Einschränkung der prozessualen Durchsetzbarkeit einer Forderung der materiell-rechtlichen rechtshemmenden Einwendung gleich zu erachten. Die Zahlung einer Hinterbliebenenrente an die geschiedene Ehefrau ist vom  Gesetz an das Bestehen der materiellen Unterhaltspflicht geknüpft worden. Die der Vernichtung dieser Pflicht beinahe gleichkommende (weil dauernde und materielle) Einschränkung der Geltendmachung hat konsequenterweise auch die Nichtzahlung der Hinterbliebenenrente zur Folge. Das Urteil des Großen Senats vom 27. Juni 1963 (BSGE 20, 1) geht als selbstverständlich davon aus, daß das Bestehen des materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruches die eigentliche Leistungsvoraussetzung für die Hinterbliebenenrente der früheren Ehefrau ist, gleichgültig ob der Anspruch realisiert wurde oder überhaupt realisierbar war. Fraglich war bloß, ob die Hinterbliebenenrente auch zu zahlen war bei Vorliegen eines vollstreckbaren Titels ohne zugrunde liegende materielle Forderung. Es ist in der Rechtsprechung sogar die Folgerung gezogen worden, das Bestehen des materiellen Unterhaltsanspruchs reiche selbst dann aus, wenn dieser Anspruch weder angemahnt noch eingeklagt wurde (BSG SozR Nr 65 zu § 1265 RVO).

Davon, daß die materielle Unterhaltspflicht entscheidend ist, gehen auch - und gerade unter Berufung auf die Entscheidung des Großen Senats - die Urteile des 11. Senats vom 5. Februar 1976 (11 RA 30/75 SozR 2200 § 1265 Nr 14) und des 4. Senats vom 25. Oktober 1979 (4 RJ 129/78 SozR 2200 § 1265 Nr 46) aus.

Da hier bei der Klägerin eine materiell-rechtliche Pflicht des V zur Unterhaltsgewährung vorlag, liegen somit die Voraussetzungen für die Gewährung der Hinterbliebenenrente nach § 1265 Abs 1 RVO vor.

Der Beginn des Rentenrechts der Klägerin am 1. Januar 1975 folgt aus § 1290 Abs 4 RVO.

Es bedarf auch keiner Prüfung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin einerseits und des V andererseits eine Unterhaltsverpflichtung des V gegenüber der Klägerin in Höhe von 150 Dollar monatlich rechtfertigten. Der Wortlaut der Vereinbarung vom 9. April 1973 legt hier eher den Schluß nahe, die Vertragsparteien hätten die Unterhaltspflicht des V unabhängig von der gesetzlichen Unterhaltspflicht regeln wollen und nicht etwa nur die gesetzliche Unterhaltspflicht inhaltlich ausgestalten wollen. Das kann aber dahinstehen. Denn wenn die Unterhaltspflicht des V wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der geschiedenen Eheleute entfallen wäre, wäre zugunsten der Klägerin § 1265 S 2 RVO anzuwenden, weil keine Witwenrente zu gewähren ist. Denn die Klägerin hatte bei der Scheidung das 45. Lebensjahr bereits vollendet (§ 1265 S 2 Nr 2 RVO) und schon seit demselben Jahr (1970) sogar das 60. Lebensjahr (§ 1265 S 2 Nr 3 RVO). Wäre wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Vertragsparteien die Unterhaltspflicht des V zur Zeit seines Todes entfallen, so wäre die vertragliche Unterhaltspflicht des V eine solche im Sinne des § 1265 S 2 Nr 1 RVO gewesen (BSG SozR § 1265 Nr 11).

Keine Feststellungen getroffen sind vom LSG zu den Voraussetzungen der §§ 1317 ff RVO. Nach diesen Vorschriften ruht die Rente eines Deutschen, solange er sich gewöhnlich im Ausland aufhält. Die Rente wird aber dennoch gezahlt, wenn, wie die §§ 1317 ff RVO näher bestimmen, die Voraussetzungen für den Erwerb des Rentenrechts im wesentlichen im Geltungsbereich der RVO geschaffen worden sind. Ob das der Fall ist, ist vom LSG nicht festgestellt worden. Aus der Zahlung der Rente an den Versicherten läßt sich nichts herleiten, da er sich zur Zeit der Rentenzahlung im Inland aufgehalten hat. Diese noch notwendigen Feststellungen sind nachzuholen.

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreites zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656491

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