Leitsatz (amtlich)

1. Als der Bemessung des Beitrags zur freiwillig aufrechterhaltenen gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde zu legende Einkommensverhältnisse bzw - gleichbedeutend - Gesamteinkommen iS von RVO § 313a Abs 1 der nicht verdienenden, vermögenslosen Hausfrau ist die Hälfte des Bruttoeinkommens des Ehemannes anzusehen (Abweichung von BSG 1974-02-22 3 RK 59/72 = BSGE 37, 127).

2. Bei der nach der Rechtsprechung des Senats in Anwendung von RVO § 313a Abs 1 S 2 anzustellenden Prüfung, ob die Differenz zwischen dem vom freiwillig Weiterversicherten ohne Höherstufung zu zahlenden Beitrag und dem nach Änderung des Einkommens zu zahlenden Beitrag 20 % oder mehr beträgt, ist der bisherige Beitrag mit dem Beitrag des Versicherten zu vergleichen, der bei gleichen Leistungen einen einkommensgerechten Beitrag zu zahlen hätte (Fortführung von BSG 1974-08-29 5 RKn 5/72 = BSGE 38, 84).

3. Sind für ein Sachgebiet nur 2 Senate zuständig und wird die Zuständigkeit des 1. Senats durch Änderung der Geschäftsverteilung auf einen 3. Senat übertragen, so braucht der 2. Senat wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung des 1. Senats nicht den Großen Senat anzurufen, wenn der 3. Senat erklärt, er teile die abweichende Auffassung des 2. Senats.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen insbesondere von Kindern in der Weise, daß um sie das als Beitragsbemessungsgrundlage zu berücksichtigende Einkommen zu vermindern wäre, verbietet das das Recht der Krankenversicherung beherrschende Prinzip der Solidarität.

2. Der Krankenversicherungsträger kann die Versetzung des Weiterversicherten in eine höhere Beitragsklasse oder Beitragsstufe ohne seine Zustimmung nur dann vornehmen, wenn dessen Beiträge in einem erheblichen Mißverhältnis zu seinem Gesamteinkommen und den im Krankheitsfall zu gewährenden Kassenleistungen stehen.

3. Macht eine freiwillig in der knappschaftlichen Krankenversicherung weiterversicherte Ehefrau keine Angaben über das Bruttoeinkommen ihres Ehemannes, so ist die Knappschaft nicht berechtigt, einen Höchstbeitrag unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen.

 

Normenkette

RVO § 313a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1924-12-15, S. 2 Fassung: 1924-12-15; SGG § 42 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 4. April 1974 und des Sozialgerichts Hannover vom 24. Oktober 1973 geändert. Die Klagen gegen die Beitragsbescheide der Beklagten vom 12. April 1972 und vom 29. September 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1973 werden abgewiesen. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 4. Januar 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1973 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Beitragsbescheides vom 28. Februar 1974 verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats einen Bescheid über die Höhe ihres Beitrags zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit ab 1. März 1974 zu erteilen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zur Hälfte zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Beitrages, den die Klägerin als freiwillig in der knappschaftlichen Krankenversicherung weiterversicherte Hausfrau an die Beklagte zu entrichten hat.

Die 1934 geborene, verheiratete Klägerin schied mit Ablauf des März 1972 aus einer Beschäftigung als Angestellte eines knappschaftlich versicherten Betriebes aus. Sie versorgt seither nur noch ihren kinderlosen Haushalt. Ihr Ehemann ist Beamter des Landes Niedersachsen in der Besoldungsgruppe A 14.

Anfang April 1972 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sie ihre bisherige Mitgliedschaft in der knappschaftlichen Krankenversicherung aufrechterhalten wolle. Sie verwies zugleich darauf, daß sie kein eigenes Einkommen habe, die Bruttobezüge ihres Ehemannes rd. 2.300,- DM betrügen und daher der Bemessung ihres Beitrages "ein Unterhaltssatz von ca. 600,- DM" zugrundezulegen sei.

Mit Bescheid vom 12. April 1972 setzte die Beklagte den Beitrag der Klägerin als freiwilliges Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung ab 1. April 1972 auf 115,90 DM monatlich fest. Dem legte sie die Hälfte des von der Klägerin angegebenen Bruttoeinkommens des Ehemannes - DM 1.115,- - als beitragspflichtiges Einkommen der Klägerin sowie einen Beitragssatz von 10,17 v. H. zugrunde. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch; sie beantragte neuerdings, bei der Beitragsberechnung "von einem Unterhaltssatz von 600,- bis 700,- DM netto" auszugehen.

Mit weiterem Bescheid vom 29. September 1972 erhöhte die Beklagte ab 1. Oktober 1972 den Beitrag der Klägerin auf 127,- DM monatlich, indem sie bei unveränderter Beitragsbemessungsgrundlage den neuen satzungsmäßigen Beitragssatz von 11,14 v. H. zugrunde legte. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

In einem dritten Bescheid vom 4. Januar 1973 setzte die Beklagte den Monatsbeitrag ab 1. Januar 1973 mit der Begründung, daß sich das Einkommen der Klägerin auf 1.296,70 DM erhöht habe, auf DM 143,70 fest, nachdem die Klägerin als Monatseinkommen ihres Mannes DM 2.593,40 angegeben hatte. Die Klägerin erhob wiederum Widerspruch.

Durch Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1973 wies die Beklagte die Rechtsbehelfe der Klägerin zurück. Das Einkommen des Ehemannes sei nach der "Pro-Kopf-Methode" als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen.

Mit der dagegen erhobenen Klage hatte die Klägerin in den Vorinstanzen zum Teil Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte in Abänderung ihrer Beitragsbescheide verurteilt, bei der Ermittlung des Beitrags der Klägerin ein Drittel des Nettoverdienstes des Ehemannes zugrunde zu legen. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und nachfolgend durch Bescheid vom 28. Februar 1974 den Beitrag der Klägerin ab 1. März 1974 auf 208,90 DM festgesetzt. In der Begründung heißt es, als Monatseinkommen der Klägerin sei nunmehr ein Betrag in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von 1.875,- DM zugrundezulegen, weil sie keine Bescheinigung über das Bruttoeinkommen des Ehegatten vorgelegt habe.

In der angefochtenen Entscheidung vom 4. April 1974 hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie erneut die Beitragsbescheide der Beklagten abgeändert und die Beklagte - unter Ab- bzw. Zurückweisung von Klage und Berufung im übrigen - verurteilt, den Beitrag der Klägerin ab 1. April 1972 nach Gehaltsklasse 26 und ab 1. März 1974 nach Gehaltsklasse 31 festzusetzen. Zur Begründung ist ausgeführt, zu den Einkommensverhältnissen (§ 313 a Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) der den Haushalt versorgenden Nur-Hausfrau gehöre auch ein Anteil am Einkommen des Ehemannes, und zwar in Höhe der Hälfte von dessen - zum Unterhalt der Familie allein zur Verfügung stehenden - Nettoeinkommen bis höchstens zur Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze. Diese Begrenzung rechtfertige sich aus dem Umstand, daß die Klägerin für ihren Ehemann keinen Anspruch auf Familienhilfe habe. Der Bescheid vom 4. Januar 1973 sei aufzuheben, weil es an einem von § 313 a Abs. 1 Satz 2 RVO geforderten erheblichen Mißverhältnis zwischen Beitrag und Einkommen der Klägerin fehle.

Das LSG hat in seinem Urteil die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat die Revision eingelegt und mit einem am 13. August 1974 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie trägt vor, bezüglich der Versäumung der bis zum 12. August 1974 verlängerten Revisionsbegründungsfrist sei ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie den Begründungsschriftsatz bereits am 9. August 1974 ihrer Poststelle zur Absendung übergeben habe. In der Sache könne dem angefochtenen Urteil nicht zugestimmt werden, daß das für die weiterversicherte Nur-Hausfrau anzusetzende Einkommen auf die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze zu beschränken sei; das LSG liefere keine stichhaltige Begründung. Es bleibe zu klären, nach welchen Maßstäben der Unterhalt einer einkommenslosen freiwillig versicherten Frau ermittelt werden solle und ob der Unterhaltsbedarf der Frau tatsächlich seine Begrenzung in der Hälfte der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze finde.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist im Verfahren vor dem BSG nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Hinsichtlich der von der Beklagten versäumten Frist zur Begründung der Revision bewilligt der Senat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, nachdem die Beklagte glaubhaft gemacht hat, daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

In der Sache ist die Revision zum Teil begründet.

Die Klägerin ist nach §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 20 Satz 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) i. V. m. § 313 Abs. 1 und 2 RVO ab 1. April 1972 freiwilliges Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung, weil sie nach Beendigung der bis zum 31. März 1972 bestandenen Pflichtversicherung eine entsprechende Erklärung fristgerecht abgegeben hat. Als freiwillig Weiterversicherte hat die Klägerin den Beitrag zur knappschaftlichen Krankenversicherung gemäß §§ 20, 117 RKG i. V. m. §§ 380, 381 Abs. 3 RVO allein zu tragen. Die Beklagte hat in ihrer Eigenschaft als Trägerin der gesetzlichen knappschaftlichen Krankenversicherung (§ 6 RKG) die Beiträge nach §§ 119 Abs. 1, 121 Satz 1 RKG i. V. m. § 148 Abs. 3 ihrer Satzung in Vomhundertsätzen des tatsächlichen versicherungspflichtigen Arbeitsentgelts bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (§§ 119 Abs. 1, 113 RKG i. V. m. § 148 Abs. 3 der Satzung der Beklagten, §§ 385 Abs. 1 Satz 2, 180 Abs. 1 Satz 3, 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO) zu erheben. Für freiwillig Weiterversicherte, die kein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt beziehen, folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 313 Abs. 1 RVO - nach welchem die vorher kraft Versicherungspflicht bestandene Mitgliedschaft so weiterbestehen soll, wie sie zuletzt bestanden hat -, daß sie Beiträge nach dem satzungsmäßigen Vomhundertsatz (§§ 151, 152 der Satzung der Beklagten) ihres letzten versicherungspflichtigen Arbeitsentgelts zu entrichten haben (vgl. dazu den erkennenden Senat in SozR 2200 § 313 a Nr. 1).

Zu Recht hat die Beklagte indessen der Bemessung der Beiträge der Klägerin ab 1. April 1972 nicht das letzte Bruttogehalt der Klägerin von 1.715,- DM bis zur Beitragsbemessungsgrenze (1.575,- DM), sondern einen geringeren Betrag zugrunde gelegt: Nach § 20 Satz 1 RKG i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 RVO kann das Mitglied bei Beginn oder während der Dauer der Weiterversicherung seine "Versetzung in eine niedere Stufe oder Klasse" beantragen. Da die Satzung der Beklagten im Hinblick auf die Sondervorschrift des § 119 RKG für die Beitragserhebung keine Lohnstufen oder -klassen kennt, bedeutet dies, daß der Bemessung des Beitrages der Klägerin entsprechend ihren Einkommensverhältnissen ein geringerer Betrag als der letzte tatsächliche Arbeitsverdienst zugrundezulegen ist.

Mit der herrschenden Auffassung ist davon auszugehen, daß unter "Einkommensverhältnissen" nichts anderes als das "Gesamteinkommen" (vgl. § 313 a Abs. 1 Satz 2 RVO) des Versicherten zu verstehen ist (BSGE 7, 164, 167; 37, 127, 128 = SozR 2200 § 313 a Nr. 1). Als Gesamteinkommen einer freiwillig weiterversicherten, nicht selbst verdienenden Ehefrau hat die Beklagte zu Recht die Hälfte des Bruttoeinkommens des Ehemannes angesetzt. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Nach den schlüssigen Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß die nicht erwerbstätige Klägerin auch nicht über Erträgnisse aus einem eigenen Vermögen verfügt. Hiernach bestreitet sie ihren Lebensunterhalt aus den von ihrem Ehemann aus dessen Einkommen zur Verfügung gestellten Mitteln. Dieser eheliche Unterhalt ist kein Einkommen im rechtstechnischen Sinn, insbesondere kein Einkommen im Sinne des Einkommensteuerrechts (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 22 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -); vor allem lassen sich die Vorteile, die einem Ehegatten aus der für den Familienunterhalt erbrachten Arbeitsleistung des anderen Ehegatten zufließen, nicht als dessen Einkommen ansehen (vgl. § 8 EStG). Indessen verbietet sich die Annahme, daß die nicht verdienende, vermögenslose Hausfrau mangels eines eigenen Einkommens im engeren Sinne in Anwendung des § 313 a Abs. 1 Satz 1 RVO etwa beitragsfreies Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sein könnte Es kann kein begründeter Zweifel bestehen, daß in Fälle der vorliegenden Art die "Einkommensverhältnisse" im Sinne der genannten Vorschrift, d. h. nach der gesicherten Rechtsprechung die "wirtschaftliche Lage" der Frau (vgl. RVA in EuM 50, 150; BSGE 7, 164, 167) vom Einkommen des Mannes geprägt werden. Dies ist nicht nur tatsächlich so; der gesetzliche Anspruch der Frau nach §§ 1360, 1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegen ihren Mann, zum Unterhalt der Familie angemessen beizutragen, sichert eine Beteiligung der Frau am Einkommen des Mannes auch rechtlich ab. Diese gesetzlich abgestützte wirtschaftliche Beteiligung der Frau am Einkommen des Mannes kann, wie schon das Reichsversicherungsamt (RVA) in ständiger Spruchpraxis betont hat, bei Anwendung des § 313 a Abs. 1 RVO "billigerweise nicht außer Betracht" bleiben. Dies muß um so mehr verlangt werden, als die Beiträge der Nur-Hausfrau zur freiwillig aufrechterhaltenen gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Bareinkommen - einschließlich der geldwerten Sachbezüge - des Mannes bestritten werden müssen und der Ehemann kraft der gesetzlichen Unterhaltspflicht, die die Sorge für die Ehefrau auch in ihren kranken Tagen umfaßt, hierzu auch verpflichtet ist.

Indessen lassen sich die - mit Gesamteinkommen gleichbedeutenden - Einkommensverhältnisse der Frau nicht mit dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann gleichsetzen. Nach §§ 1360, 1360 a BGB sind beide Ehegatten einander verpflichtet in der Weise, daß sie einander ihre Arbeitskraft, ihren Arbeitsverdienst und den Stamm ihres Vermögens zum Unterhalt der Familie zur Verfügung zu stellen haben; die wechselseitigen Unterhaltsansprüche der Ehegatten umfassen die Pflicht, für den Unterhalt der gemeinschaftlichen Kinder zu sorgen. Bereits oben ist darauf hingewiesen, daß insbesondere die Vorteile der kraft gegenseitiger gesetzlicher Unterhaltspflicht erbrachten Arbeitsleistung nicht Einkommen der Ehegatten insbesondere im Sinne des Einkommensteuerrechts sind; diese Vorteile können aber erst recht nicht Einkommen im Sinne des § 313 a Abs. 1 RVO sein, da diese Vorteile nicht der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zugrundegelegt werden können. Da der Begriff des ehelichen Unterhalts mithin Elemente enthält, die sich nicht als Einkommen ansprechen lassen, ist er umfassender als der der Einkommensverhältnisse bzw. des Gesamteinkommens im Sinne der hier auszulegenden Vorschrift; schon deshalb lassen sich beide Begriffe nicht miteinander identifizieren. Gesamteinkommen als Grundlage für die Bemessung der Beiträge der Ehefrau zur gesetzlichen Krankenversicherung kann nur ein Anteil am Bar- bzw. geldwerten Naturaleinkommen des Mannes sein, das - wie dargestellt - aus tatsächlichen wie aus rechtlichen Gründen für den Beitrag der Frau gleichsam "haftet".

Freilich ist es rechtlich unstatthaft, einen solchen Anteil der Frau am geldwerten Einkommen des Mannes in der Weise zu gewinnen und festzulegen, daß dieses Einkommen um Steuern und Sozialabgaben vermindert wird und von dem hiernach verbleibenden Nettoeinkommen jedem Ehegatten und den gemeinschaftlichen Kindern ein Kopfteil - gegebenenfalls in unterschiedlicher Höhe - zugewiesen wird (so der 3. Senat des BSG in BSGE 37, 127 = SozR 2200 § 313 a Nr. 1). Eine solche Verfahrensweise bedeutet im Ergebnis, daß der Ehefrau ein Anspruch auf eine Unterhaltsrente nach dem Modell des für getrennt lebende oder geschiedene Eheleute geltenden Rechts eingeräumt wird (vgl. § 1361 Abs. 4 Satz 1 BGB; §§ 58, 62 des Ehegesetzes - EheG -). Diese Auffassung übersieht, daß die §§ 1360, 1360 a BGB einen Anspruch der nicht getrennt lebenden Ehefrau gegen ihren Mann auf eine Unterhaltsrente nicht kennen. Dies ist nicht nur zufällig so; dem liegt vielmehr zugrunde, daß der aus verschiedenen Elementen bestehende wechselseitige Unterhaltsanspruch der Ehegatten, wie er oben umrissen worden ist, nicht künstlich aufgeschlüsselt werden kann.

Aus alledem erhellt, daß der eherechtliche Unterhaltsanspruch der Frau gegen ihren Mann nicht in Geldeswert ausgedrückt werden kann und daher als solcher nicht geeignet ist, als Einkommen der Frau im Sinne des § 313 a Abs. 1 RVO angesehen zu werden. Indessen ist dies auch nicht notwendig. Aus dem vorstehend Dargelegten folgt, daß es in Fällen der hier zu entscheidenden Art nur darum gehen kann festzulegen, mit welchem Anteil das für die Beitragsleistung allein zur Verfügung stehende geldwerte Einkommen des Mannes beitragsrechtlich zugleich als Einkommen der Frau angesehen werden kann. Hierbei liefert die Überlegung, daß gemäß der wechselseitigen gesetzlichen Unterhaltspflicht der Ehegatten grundsätzlich keiner von ihnen gegen den anderen höhere Ansprüche zu stellen hat, die Grundlage dafür, die Hälfte des Bar- und geldwerten Naturaleinkommens des Mannes als Gesamteinkommen der Frau in dem speziell beitragsrechtlichen Sinne des § 313 a Abs. 1 RVO zu verstehen. Hinzu tritt die Überlegung, daß die gemeinschaftlichen Kinder nach § 205 RVO ohne Mehrbeitrag immer in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert sind, es also auch die Kopfzahl der Familie nicht rechtfertigen kann, eine andere als eine hälftige Aufteilung des geldwerten Einkommens des Mannes vorzunehmen.

Aus den dargestellten Gründen kann der erkennende Senat der oben genannten Entscheidung des 3. Senats nicht folgen. Auch der Überlegung des 3. Senats, daß eine andere als die von ihm für richtig gehaltene Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage "für weiterversicherte Ehefrauen nicht selten unzumutbar hohe Beiträge ergeben (würden), die aus dem Bareinkommen der Familie, das dafür allein zur Verfügung stände, kaum zu entrichten wären", kann nicht beigepflichtet werden. Diese Auffassung berücksichtigt nicht, daß dann, wenn der Ehemann selbst kraft Gesetzes oder freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Anspruch auf Familienhilfe versichert ist, eine Aufrechterhaltung einer selbständigen Mitgliedschaft der Ehefrau in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Sicherung vor den Wechselfällen des Lebens offenkundig nicht notwendig ist. Ist der Ehemann der einzige Verdiener der Familie, dann ist die Ehefrau in aller Regel unterhaltsberechtigt im Sinne des § 205 RVO (vgl. den erkennenden Senat in BSGE 19, 282 = SozR Nr. 15 zu § 205 RVO). Der Ehemann hat dann für die Frau - und für die gemeinschaftlichen Kinder - ohne Mehrbeitrag Anspruch auf Familienkrankenhilfe. Ist der Ehemann nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, dann trifft ohnedies regelmäßig ihn - und nicht die nicht erwerbstätige Frau - gemäß § 1360 BGB die Pflicht, den Unterhalt der Familie auch in kranken Tagen sicherzustellen, d. h. aus seinem Einkommen für einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz der Familienangehörigen zu sorgen. Die Übernahme der Krankenkassenbeiträge für eine freiwillige Weiterversicherung der Frau ist eine Möglichkeit, dieser gesetzlichen Pflicht zu genügen; es bietet sich auch die Möglichkeit einer privaten Versicherung an, bei Beamten überdies die Inanspruchnahme der Beihilfe seitens des öffentlichen Arbeitgebers. Ein Anlaß, die Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung der nicht berufstätigen Hausfrau besonders preisgünstig auszugestalten, besteht nach allem nicht.

Bei alledem ist vom Bruttoeinkommen des Mannes auszugehen. In dem für Pflichtversicherte geltenden Beitragsrecht der Sozialversicherung ist es nicht gestattet, ein Einkommen zugrundezulegen, daß sowohl um Steuern und Sozialabgaben als auch um Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Familienangehörigen vermindert ist. Vielmehr ist auch in der Krankenversicherung das unverkürzte Bruttoeinkommen anzusetzen (vgl. §§ 385 Abs. 1 ab Satz 1, 180 Abs. 1 Satz 1, 160 RVO i. V. m. dem Gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 20. September 1941 - AN S. II 371 - und § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung). Es besteht kein Anhalt dafür, daß die Begriffe "Einkommensverhältnisse" und "Gesamteinkommen" in § 313 a Abs. 1 RVO auf ein - zusätzlich - um Unterhaltsanspruche vermindertes Nettoeinkommen abzielten. Auch hierbei ist vielmehr vom Bruttoeinkommen auszugehen (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl., Anm. 3 e zu § 313 a RVO). Die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen insbesondere von Kindern in der Weise, daß um sie das als Beitragsbemessungsgrundlage zu berücksichtigende Einkommen zu vermindern wäre, verbietet auch das das Recht der Krankenversicherung beherrschende Prinzip der Solidarität. In Auswirkung dieses Prinzips sind in der gesetzlichen Krankenversicherung keine höheren Beiträge zu zahlen, wenn mitversicherte Familienangehörige vorhanden sind. Dem Prinzip des solidarischen Ausgleichs der versicherten Risiken durch die Versichertengemeinschaft widerspricht es aber, daß derjenige, der von einer Leistungserweiterung begünstigt wird, zu Lasten der solidarisch für die Kosten haftenden Versichertengemeinschaft auch noch eine Beitragsentlastung erfährt. Anzufügen ist die bereits oben angestellte Überlegung, daß die gemeinschaftlichen Kinder der Ehegatten in einem Fall der vorliegenden Art beitragsfrei in der Krankenversicherung der Mutter mitversichert sind, so daß in bezug auf die Kinder keine Krankheitskosten offenbleiben, die aus dem Einkommen des Mannes abzudecken wären.

Obschon der erkennende Senat mit seiner Auffassung, daß als Gesamteinkommen bzw. als Einkommensverhältnisse der freiwillig weiterversicherten Hausfrau die Hälfte des Bruttoeinkommens des Mannes - bis zur Beitragsbemessungsgrenze - anzusehen ist, von der mehrfach erwähnten Entscheidung des 3. Senats abweicht, brauchte er nicht den Großen Senat des BSG gemäß § 42 SGG anzurufen. Der Vorsitzende des 3. Senats hat auf eine entsprechende Anfrage des erkennenden Senats mitgeteilt, daß sich der 3. Senat nach Änderung seiner Entscheidungszuständigkeit durch den Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 1976 - Übertragung von Zuständigkeiten auf den 12. Senat - nicht mehr für zuständig halte, über Fragen der Beitragspflicht - einschließlich der Berechnung der Beiträge für freiwillig Weiterversicherte - zu entscheiden. Der erkennende Senat hat hierauf beim 12. Senat entsprechend angefragt. Dieser hat mitgeteilt, er halte sich nunmehr für zuständig, über die Höhe des Beitrages freiwillig versicherter Mitglieder zu entscheiden; er teile die Bedenken des erkennenden Senats gegen die oben angegebene Rechtsprechung des 3. Senats; an dieser Rechtsprechung solle nicht festgehalten werden. Da sonach der nunmehr zur Entscheidung über die streitige Rechtsfrage zuständige Senat nicht mehr an der vom 3. Senat vertretenen Rechtsauffassung festhält, ist der erkennende Senat hieran nicht mehr gebunden; nach der Erklärung des 12. Senats scheidet für die Zukunft eine unterschiedliche Rechtsprechung der für den Bereich der Krankenversicherung nach der RVO und nach dem RKG zuständigen Senate des BSG zu der strittigen Rechtsfrage aus. Es besteht hiernach keine Notwendigkeit, zur Wahrung der Rechtseinheit eine Entscheidung des Großen Senats des BSG herbeizuführen.

Nach alledem hat die Beklagte zu Recht den Beitrag der Klägerin zur freiwillig aufrechterhaltenen knappschaftlichen Krankenversicherung ab 1. April 1972 durch den Bescheid vom 12. April 1972 auf den von der Klägerin gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 SGG gestellten Antrag unter Zugrundelegung der Hälfte des - von der Klägerin angegebenen - Bruttoeinkommens des Ehemannes festgesetzt. Daß das Bruttoeinkommen in Wahrheit höher war als von der Klägerin angegeben - 2.593,47 DM statt 2.300,- DM -, wirkte sich zugunsten der Klägerin aus und gibt daher keinen Anlaß, den von der Klägerin angegriffenen Bescheid zu beanstanden.

Nicht zu beanstanden ist auch der zweite Beitragsbescheid vom 29. September 1972. Durch ihn hat die Beklagte lediglich der Erhöhung des satzungsgemäßen Beitragssatzes von 10,17 v. H. auf 11,14 v. H. (§ 152 Nr. 2 c der Satzung der Beklagten) Rechnung getragen, ohne die Beitragsbemessungsgrundlage zu verändern.

Dagegen kann der dritte Beitragsbescheid vom 4. Januar 1973 keinen Bestand haben. Nach § 20 RKG i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 2 RVO kann der Krankenversicherungsträger die Versetzung des Weiterversicherten in eine höhere Klasse oder Stufe ohne seine Zustimmung nur dann anordnen, wenn dessen Beiträge in erheblichem Mißverhältnis zu seinem Gesamteinkommen und den im Krankheitsfall zu gewährenden Kassenleistungen stehen. Für Weiterversicherte in der knappschaftlichen Krankenversicherung, die - wie oben dargelegt - für die Beitragsbemessung keine Lohnklassen oder -stufen kennt, bedeutet dies, daß ein höheres als das zugunsten des freiwillig Weiterversicherten durch §§ 313 Abs. 1 RVO, 313 a Abs. 1 Satz 1 RVO als Beitragsbemessungsgrundlage festgeschriebene Einkommen nur dann der Beitragsberechnung zugrunde gelegt werden darf, wenn das bezeichnete Mißverhältnis in bezug auf dieses Einkommen gegeben ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 29. August 1974 (aaO) bereits grundsätzlich ausgesprochen, daß ein solches Mißverhältnis nur anzunehmen ist, wenn die Differenz zwischen dem Betrag, den der freiwillig Weiterversicherte ohne Höherstufung zu zahlen hätte und dem einkommensgerechten Beitrag, der sich aus dem jetzigen - geänderten - Einkommen des Versicherten - bis zur Beitragsbemessungsgrenze - ergibt, mehr als 20 v. H. beträgt. Die Beklagte hat die oben angegebene Entscheidung des erkennenden Senats mißverstanden, wenn sie meint, daß danach der bisher entrichtete Beitrag des freiwillig Weiterversicherten mit dem jetzigen Beitrag eines Pflichtversicherten zu vergleichen sei, der aber im Gegensatz zum freiwillig Versicherten immer Anspruch auf Krankengeld habe. Zu vergleichen ist der bisherige Beitrag vielmehr mit dem Beitrag eines Versicherten, der bei gleichen Leistungen einen einkommensgerechten Beitrag zu zahlen hätte (z. B. bestimmte Versicherungsberechtigte). Es ist daher unerheblich, daß es Pflichtversicherte ohne Anspruch auf Krankengeld nicht gibt. Der einkommensgerechte Beitrag bei Zugrundelegung des erhöhten neuen Einkommens von 1.290,- DM, wie dies im Bescheid vom 4. Januar 1973 geschehen ist, beträgt bei unverändertem Beitragssatz 143,70 DM. Bei Vergleich mit dem letzten Beitrag von 127,- DM ergibt sich mit 16,70 DM eine Beitragsdifferenz von weniger als 20 v. H., so daß der Beitragserhöhungsbescheid einer Rechtsgrundlage entbehrt und ersatzlos aufzuheben war.

Rechtswidrig und daher aufzuheben war auch der vierte, während des Berufungsverfahrens erlassene Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. Februar 1974. Der Umstand, daß die Klägerin keine Angaben über das Bruttoeinkommen ihres Ehemannes ab 1. März 1974 machte, berechtigte die Beklagte nicht, ihren Beitrag auf den Höchstbetrag, d. h. unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze von 1.875,- DM festzusetzen. Die Sanktionen, mit denen die Bundesknappschaft die Unterlassung gesetzlicher Auskunftspflichten dem Versicherten gegenüber ahnden kann, sind in § 141 Abs. 5 RKG festgelegt. Diese Vorschrift erlaubt nur die Auferlegung eines Zwangsgeldes, nicht aber die Festsetzung des Höchstbeitrages. Abgesehen davon konnte die Beklagte, da der Ehemann der Klägerin als Beamter des Landes Niedersachsen seine Besoldung nach gesetzlichen Vorschriften erhält, die Höhe von dessen Bruttoeinkommen unschwer ermitteln. Dies wird die Beklagte nach Aufhebung der unrechtmäßigen Beitragsbescheide nachzuholen und dabei nach den oben dargestellten Grundsätzen zu prüfen haben, ob der bisherige Beitrag der Klägerin ab 1. März 1974 gegenüber dem einkommensgerechten Beitrag einer Vergleichsperson in einem Mißverhältnis steht und daher entsprechend anzupassen ist. In Anwendung des § 131 Abs. 3 SGG war die Beklagte entsprechend zu verurteilen (vgl. dazu BSGE 3, 180, 191 = SozR Nr. 2 zu § 131 SGG). Hiernach war unter Abänderung der angefochtenen Urteile zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1651286

BSGE, 49

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