Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld. Anspruchsberechtigung ab 1.1.2001. Auslandsaufenthalt. Ausstrahlung. Entsendung. inländisches Rumpfarbeitsverhältnis des Ehegatten. Auslegung. Normprogramm. Abgrenzung zu § 56 SGB 6. Kindererziehungszeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Erziehender, der sich im Ausland aufhält, hat auch bei Vorliegen eines im Inland bestehend gebliebenen "Rumpfarbeitsverhältnisses" des Ehegatten ab 1.1.2001 keinen Anspruch auf Bundeserziehungsgeld (Abgrenzung von BSG vom 22.6.1989 - 4 REg 4/88 = SozR 7833 § 1 Nr 6; BSG vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 = BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4; BSG vom 30.5.1996 - 10 RKg 20/94 = SozR 3-5870 § 1 Nr 9).

 

Orientierungssatz

Der erkennende Senat vermag der Regelung des § 1 Abs 2 BErzGG (idF vom 12.10.2000) kein dem § 56 SGB 6 vergleichbares, weit gefasstes Normprogramm zu entnehmen, das es ermöglichen würde, die Fallgruppe der "Rumpfarbeitsverhältnisse" über den Gesetzeswortlaut hinaus in diese Vorschrift mit einzubeziehen. Vielmehr geht er davon aus, dass der Gesetzgeber - wie die Anwendung der herkömmlichen Auslegungsmethoden zeigt - den begünstigten Personenkreis mit Auslandswohnsitz im BErzGG deutlich enger gefasst hat als im SGB 6.

 

Normenkette

BErzGG § 1 Abs. 1 Fassung: 2000-10-12, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2000-10-12, S. 2 Fassung: 2000-10-12; SGB IV § 4 Abs. 1; SGB VI § 56

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 11.09.2008; Aktenzeichen L 9 EG 236/03)

SG München (Urteil vom 29.10.2003; Aktenzeichen S 29 EG 21/02)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Bundeserziehungsgeld (BErzg) für den 6. bis 12. Lebensmonat ihrer am 16.3.2001 geborenen Tochter C. ; in dieser Zeit hat sie sich mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in Äthiopien aufgehalten.

Der Ehemann der Klägerin war seit 15.5.2001 für die W. Organisation tätig. Dies ist eine gemeinnützige Organisation, die ua in Zusammenarbeit mit Regierungsstellen im Ausland Alphabetisierungsprogramme durchführt und (christliche) Literatur, insbesondere die Bibel, in die jeweils gesprochene Sprache übersetzt. Am 14.6.2001 schloss der Ehemann der Klägerin mit dem W. e.V. in Deutschland einen sog Versetzungsvertrag, der eine Versetzung in ein Arbeitsgebiet des Summer Institute of Linguistics (SIL) International mit Hauptquartier in D./USA vorsah. Aufgrund dieses Vertrags wurde er vom 1.8.2001 bis 31.7.2005 zur vorübergehenden Dienstleistung nach Äthiopien versetzt. Während dieser Zeit ruhten die Hauptpflichten aus seinem mit dem deutschen Verein geschlossenen unbefristeten Dienstvertrag. Es war außerdem vereinbart, dass dieser Dienstvertrag nach der Rückkehr nach Deutschland wieder seine volle Wirksamkeit entfalten sollte. Für die Zeit der befristeten Versetzung ins Ausland ging die Arbeitgeberfunktion, insbesondere die Weisungsbefugnis, vom W. e.V. auf das SIL International über; der Ehemann der Klägerin war auch in dessen organisatorische Struktur eingegliedert.

Auf Antrag der Klägerin bewilligte der beklagte Freistaat für die am 16.3.2001 geborene Tochter C. BErzg bis zum 15.8.2001. Eine Gewährung für den 6. bis 12. Lebensmonat des Kindes (16.8.2001 bis 15.3.2002) lehnte er ab, weil die Klägerin ab dem 31.7.2001 keinen Wohnsitz mehr in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe (Bescheid vom 22.8.2001). Den gegen die ablehnende Entscheidung gerichteten Widerspruch wies der Beklagte zurück. Nachdem die Klägerin bereits auf dem Antragsformular darauf hingewiesen hatte, dass sie während des Aufenthalts in Äthiopien auch über eine Adresse in Deutschland postalisch erreichbar sei, sandte der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 6.2.2002 als Briefsendung an die genannte Adresse in "G., B.". Der Widerspruchsbescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass dagegen innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe Klage beim Sozialgericht (SG) München erhoben werden könne.

Mit der am 3.5.2002 beim SG eingegangenen Klage hat die Klägerin begehrt, die ablehnende Entscheidung des Beklagten aufzuheben und ihr auch für den 6. bis 12. Lebensmonat der Tochter (16.8.2001 bis 15.3.2002) BErzg zu gewähren. Diese Klage ist ebenso wie die nachfolgende Berufung ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG München vom 29.10.2003; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 11.9.2008). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt: Die Klägerin erfülle die im streitigen Zeitraum geltenden gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) nicht, nach denen ausnahmsweise Berechtigten, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten, BErzg zu gewähren sei. Insbesondere seien beim Ehemann der Klägerin die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr 1 (iVm Satz 2) nicht gegeben. Während des Aufenthalts in Äthiopien habe dessen Beschäftigungsverhältnis nicht gemäß § 4 Abs 1 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterlegen. Die Voraussetzungen der Ausstrahlung lägen nicht vor. Da § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG ausdrücklich auf § 4 SGB IV Bezug nehme, sei - anders als nach früherem Recht - zu fordern, dass das inländische Beschäftigungsverhältnis trotz Tätigkeit im Ausland fortbestehen müsse. Die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur alten Gesetzesfassung (BSG SozR 7833 § 1 Nr 6) sei wegen der gesetzlichen Bezugnahme auf § 4 SGB IV bei der Neufassung nicht anwendbar.

Ob eine Ausstrahlung vorliege, richte sich nach der Entscheidung des BSG vom 5.12.2006 (SozR 4-2400 § 4 Nr 1). Maßgebend sei danach, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liege. Der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer müsse organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleiben. Eine Ausstrahlung liege nicht vor, wenn der Arbeitnehmer im Ausland in einen rechtlich verselbstständigten Betrieb eingegliedert sei und dieser das Arbeitsentgelt zahle. Dies sei hier der Fall, denn der Ehemann der Klägerin habe für die Zeit der Entsendung das Beschäftigungsverhältnis mit dem W. e.V. (in Deutschland) beendet und ein neues Beschäftigungsverhältnis mit dem SIL International begründet. Er sei auch bis zur tatsächlichen Rückkehr nach Deutschland dessen Weisungen unterworfen und in dessen organisatorische Struktur eingegliedert gewesen. Da es sich bei § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG um eine Ausnahme vom Territorialitätsprinzip handle, bestehe keine Möglichkeit, den Begriff der Ausstrahlung in dem von der Klägerin gemeinten Sinne (erweiternd) auszulegen. Deren Auffassung, das Rumpfarbeitsverhältnis ihres Ehemannes stehe einer Entsendung iS des § 4 SGB IV gleich, könne deshalb nicht gefolgt werden.

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von § 4 SGB IV sowie von § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG. Das BSG vertrete zum BErzGG in ständiger Rechtsprechung einen modifizierten Entsendebegriff. Dieser habe eine andere Qualität als der des § 4 SGB IV. Er setze zwar wie eine Entsendung nach § 4 SGB IV eine fortbestehende Inlandsintegration voraus, die Hauptpflichten dürften aber in der Zeit der Auslandsbeschäftigung ruhen (sog Rumpfarbeitsverhältnis). Das LSG habe verkannt, dass das BSG seine Rechtsprechung zum Rumpfarbeitsverhältnis auch dort anwende, wo das Gesetz ausdrücklich eine Entsendung iS des § 4 SGB IV voraussetze. In diesem Zusammenhang seien zwei Entscheidungen des 4. Senats des BSG (Urteile vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 und vom 16.11.1993 - 4 RA 39/92) zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs 3 Satz 2 SGB IV wichtig. Diese Bestimmung nenne zwar § 4 SGB IV nicht ausdrücklich, fordere jedoch Pflichtbeitragszeiten des arbeitenden Ehegatten. Dennoch wendeten beide Entscheidungen § 4 SGB IV über seinen Wortlaut hinaus an. Mit dieser Rechtsprechung habe sich das LSG nicht auseinandergesetzt.

In Falle ihres Ehemannes sei zwar die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung auf den neuen Arbeitgeber übergegangen, es liege jedoch ein "Rumpfarbeitsverhältnis" in Deutschland vor, das auch für die Gewährung von BErzg ausreichen müsse, ohne dass eine Entsendung iS des § 4 SGB IV vorliegen müsse. Es wäre unsystematisch, ihr die Erziehungszeiten als rentenrechtliche Zeiten anzurechnen, gleichzeitig jedoch für diese Zeiten kein BErzg zu gewähren. Beide Leistungen bildeten eine Einheit, denn sie hätten bei unterschiedlicher Funktion die gleiche Intention. Sie seien Bestandteile des Familienlastenausgleichs, wobei das BErzg zum Ziele habe, Müttern und Vätern die Betreuungsleistungen für das neugeborene Kind zu honorieren, die Erziehungskraft der Familie zu stärken und deren Erziehungsleistung von der Gemeinschaft anzuerkennen (BT-Drucks 10/3792, S 13). Eine unterschiedliche Behandlung von Kindererziehungszeiten und BErzg würde zudem gegen das GG verstoßen.

Außerdem stellt die Klägerin klar, dass ihre in B. wohnenden Eltern lediglich beauftragt gewesen seien, Schreiben des Beklagten an ihren Wohnort in Äthiopien weiterzuleiten.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. September 2008 und des Sozialgerichts München vom 29. Oktober 2003 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 22. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2002 zu ändern sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr für den 6. bis 12. Lebensmonat ihrer Tochter C. BErzg zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Nach dessen tatsächlichen Feststellungen lägen die Voraussetzungen einer Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV nicht vor. Der Auffassung der Klägerin, § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG sei auch auf ein Rumpfarbeitsverhältnis anwendbar, stehe der klare und eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift (idF des Dritten Gesetzes zur Änderung des BErzGG vom 12.10.2000, BGBl I 1426) entgegen. Der Gesetzgeber habe, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergebe, ganz bewusst auf § 4 SGB IV Bezug genommen. Aufgrund dieses klaren Wortlauts könnten die Grundsätze über eine Entsendung mit Rumpfarbeitsverhältnis auf diese Vorschrift nicht angewandt werden; auch eine ausdehnende Auslegung sei nicht möglich. Bei der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten sei die Anwendung dieser Grundsätze zudem vom Rechtsgedanken des § 56 SGB VI getragen gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung gegen das die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) abweisende Urteil des SG zurückgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf BErzg für den 6. bis 12. Lebensmonat (16.8.2001 bis 15.3.2002) ihres am 16.3.2001 geborenen Kindes. Sie bzw ihr Ehemann erfüllen insoweit nicht die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung von BErzg bei einem Auslandsaufenthalt.

1. Die Anfechtungsklage gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten im Bescheid vom 22.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2002 ist zulässig. Die Klägerin hat die Klage am 3.5.2002 erhoben. In Übereinstimmung mit der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid des Beklagten liegt im vorliegenden Fall eine Bekanntgabe im Ausland iS des § 87 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 SGG vor, die den Lauf einer Dreimonatsfrist auslöst. Zwar ist der an die Klägerin gerichtete Widerspruchsbescheid an eine Adresse in Deutschland gesandt worden, er ist dort jedoch nicht von einem Bevollmächtigten der Klägerin entgegengenommen worden (vgl § 37 Abs 1 SGB X). Vielmehr sind die in B. wohnenden Eltern der Klägerin - wie diese in der Revisionsverhandlung klargestellt hat - lediglich beauftragt gewesen, Schreiben des Beklagten an den Wohnort der Klägerin in Äthiopien weiterzuleiten. Dementsprechend ist eine wirksame Bekanntgabe an die Klägerin erst in Äthiopien erfolgt.

2. Als Anspruchsgrundlage für die Gewährung von BErzg für die Zeit des Auslandsaufenthalts der Klägerin im 6. bis 12. Lebensmonat des am 16.3.2001 geborenen Kindes (16.8.2001 bis 15.3.2002) kommt allein § 1 Abs 1 und Abs 2 BErzGG (idF des am 1.1.2001 in Kraft getretenen Art 1 Nr 1 Drittes Gesetz zur Änderung des BErzGG vom 12.10.2000 ≪BGBl I 1426≫, mit Wirkung ab 1.8.2001 geändert durch Art 3 § 47 Nr 1 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16.2.2001 ≪BGBl I 266≫) in Betracht.

a) Nach § 1 Abs 1 Satz 1 BErzGG hat derjenige Anspruch auf BErzg, der einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (Nr 1), mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Derjenige, der seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hat, hat unter den in Abs 2 geregelten besonderen Voraussetzungen Anspruch auf BErzg. Er muss nach Satz 1 entweder

1.

im Rahmen seines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend ins Ausland entsandt sein und aufgrund über- oder zwischenstaatlichen Rechts oder nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert sein oder

2.

Versorgungsbezüge nach beamten- oder soldatenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder eine Versorgungsrente von einer Zusatzversorgungsanstalt für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhalten oder

3.

Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes sein.

Nach Satz 2 gilt dies auch für den mit ihm in einem Haushalt lebenden Ehegatten, wenn dieser im Ausland keine Erwerbstätigkeit ausübt, welche den dortigen Vorschriften der sozialen Sicherheit unterliegt.

Nach den von der Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt weder die Klägerin noch ihr Ehemann die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 BErzGG. Insbesondere ist der Ehemann der Klägerin nicht "im Rahmen seines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses" nach Äthiopien "entsandt" worden, das nach § 4 SGB IV ("Ausstrahlung") dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt (§ 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 BErzGG).

Das LSG hat festgestellt, dass der Ehemann der Klägerin, der seit dem 15.5.2001 für die W. Organisation tätig war, am 14.6.2001 mit dem W. e.V. in Deutschland einen sog Versetzungsvertrag abschloss, der eine Versetzung in ein Arbeitsgebiet des SIL International mit Sitz (Hauptquartier) in D./USA vorsah. Aufgrund dieses Vertrags wurde er vom 1.8.2001 bis 31.7.2005 zur vorübergehenden Dienstleistung nach Äthiopien versetzt. Während dieser Zeit wurde ein neues Beschäftigungsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber begründet. Die Hauptpflichten aus seinem mit dem deutschen Verein geschlossenen unbefristeten Dienstvertrag ruhten; dieser Vertrag sollte erst nach der Rückkehr des Ehemannes der Klägerin nach Deutschland wieder seine volle Wirksamkeit entfalten. Im Zeitraum der befristeten Versetzung ins Ausland ging die Arbeitgeberfunktion, insbesondere die Weisungsbefugnis, vom W. e.V. auf das SIL International über; der Ehemann der Klägerin war auch in dessen organisatorische Struktur eingegliedert.

Dass es sich bei dieser vom LSG festgestellten Vertragsgestaltung nicht um ein Beschäftigungsverhältnis handelt, bei dem die Merkmale einer Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV (hierzu eingehend BSG, Urteil vom 5.12.2006 - B 11a AL 3/06 R - SozR 4-2400 § 4 Nr 1 RdNr 17 ff) erfüllt sind, wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Sie meint vielmehr, das hier vorliegende "Rumpfarbeitsverhältnis" ihres Ehemannes in Deutschland reiche für die Gewährung von BErzg aus; § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG müsse unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zum "Rumpfarbeitsverhältnis" (verfassungskonform) erweiternd ausgelegt werden.

Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen, denn damit wären die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten. Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫: BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

Der Wortlaut des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG (idF des am 1.1.2001 in Kraft getretenen Art 1 Nr 1 Drittes Gesetz zur Änderung des BErzGG vom 12.10.2000 ≪BGBl I 1426≫) enthält (anders als die bis zum 31.12.2000 geltende Fassung des § 1 Abs 2 Nr 1 BErzGG, zuletzt bekannt gemacht am 31.1.1994, BGBl I 180) mit der hier einschlägigen Formulierung "im Rahmen seines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend ins Ausland entsandt ist und … nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt" ausdrücklich eine Verweisung auf die gesetzliche Regelung der Ausstrahlung im SGB IV. Diese Verweisung hat der Gesetzgeber bewusst in die Neufassung aufgenommen, denn in den Gesetzesmaterialien wird die Änderung damit begründet, dass im Sinne einer "gesetzlichen Klarstellung" "die neugefasste Nummer 1 entsprechende Regelungen aus dem Sozialgesetzbuch berücksichtigt (§ 30 Abs 2 SGB I, § 4 Abs 1 SGB IV)" (vgl BT-Drucks 14/3553, S 13, 14).

Die systematische Stellung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG (idF vom 12.10.2000) spricht hier ebenfalls für eine enge, am Wortlaut und an der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung. Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BErzGG (ebenfalls idF vom 12.10.2000) für die Begrenzung des von diesem Gesetz begünstigten Personenkreises als Regel das Prinzip des inländischen Wohnsitzes- oder Aufenthalts gewählt (hierzu zuletzt BSG, Teilurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 6/08 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 23 ff; BSG, Vorlagebeschlüsse vom 3.12.2009 - B 10 EG 5/08 R - RdNr 50 ff, - B 10 EG 6/08 R -RdNr 50 ff und - B 10 EG 7/08 R - RdNr 48 ff). Dieses Prinzip wird in § 1 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 BErzGG für bestimmte, eng gefasste Fälle durchbrochen. Als Ausnahmeregelung ist diese Vorschrift deshalb eng zu interpretieren (zur Auslegung von Ausnahmevorschriften vgl Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 174 ff).

Auch der Zweck des BErzg gebietet es nicht zwingend, ein in Deutschland weiter bestehendes "Rumpfarbeitsverhältnis" in den Anwendungsbereich des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG einzubeziehen. Das BErzg ist - wirtschaftlich betrachtet - eine Familienleistung. Ihr Hauptzweck ist die Förderung der Betreuung und Erziehung von Kindern in der ersten Lebensphase. Der Mutter oder dem Vater eines Kindes soll es ermöglicht oder erleichtert werden, zu dessen Gunsten im Anschluss an die Mutterschutzfristen ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten. Mit dieser (zeitlich beschränkten) finanziellen Hilfe wird die Erziehungsleistung junger Familien anerkannt (zum Zweck des BErzg: BT-Drucks 10/3792, S 1, 13; Hambüchen, Kindergeld/Erziehungsgeld/Elternzeit, BErzGG, Einführung S 3, Stand Juni 2003; BVerfGE 111, 176, 178 ff, 185 f = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 2 ff, 30; aus der neueren Rechtsprechung des BSG: BSGE 93, 194 RdNr 37= SozR 4-7833 § 1 Nr 6, RdNr 46; BSG SozR 4-7833 § 1 Nr 7 RdNr 21; BSGE 97, 144 = SozR 4-1300 § 48 Nr 8, RdNr 20).

Diesem allgemeinen Zweck widerspricht es nicht, den begünstigten Personenkreis - auch aus finanziellen Erwägungen - im Grundsatz auf eine Erziehung im Inland zu beschränken und nur ausnahmsweise unter besonderen engen Voraussetzungen die Erziehung im Ausland durch die Gewährung von BErzg zu fördern, etwa - wie es die Neufassung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG (idF vom 12.10.2000) vorsieht - bei Vorliegen einer vorübergehenden Entsendung ins Ausland im Rahmen eines in Deutschland weiter bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, das nach den Grundsätzen der Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV weiterhin dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt. Jedenfalls wird der Zweck des BErzg nicht verfehlt, wenn sich der Gesetzgeber entschließt, die Grenzen für einen Leistungsexport ins Ausland enger zu ziehen.

b) Die vom Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, der systematischen Stellung und dem Gesetzeszweck gedeckte enge Auslegung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG (idF vom 12.10.2000) steht entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BSG zum "Rumpfarbeitsverhältnis", denn diese ist zu anderen Rechtsvorschriften ergangen. Sie lässt sich deshalb nicht auf das durch Art 1 Nr 1 Drittes Gesetz zur Änderung des BErzGG vom 12.10.2000 (BGBl I 1426) anders gefasste BErzGG übertragen (so auch Buchner/Becker, MuSchG - BErzGG, 7. Aufl 2003, § 1 BErzGG RdNr 18; zum Elterngeld: Buchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 1 BEEG RdNr 22).

Das LSG hat zutreffend erkannt, dass nach der Neufassung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG (idF vom 12.10.2000) die Rechtsprechung des früher für das BErzGG zuständigen 4. Senats des BSG zum "Rumpfarbeitsverhältnis" (Urteil vom 22.6.1989 - 4 REg 4/88 - SozR 7833 § 1 Nr 6) nicht zur Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden kann (ebenso Buchner/Becker, MuSchG - BErzGG, 7. Aufl 2003, § 1 BErzGG RdNr 18). Diese Rechtsprechung ist zu der ab 1.1.1986 geltenden Fassung des § 1 Abs 2 BErzGG (vom 6.12.1985 ≪BGBl I 2154≫) ergangen, in der der Gesetzgeber insoweit eine sinngemäße Anwendung des § 1 Nr 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG, idF der Bekanntmachung vom 21.1.1986 ≪BGBl I 222≫) angeordnet hatte. Diese Verweisung auf § 1 Nr 2 BKGG wurde mit Wirkung ab 1.7.1989 durch eine eigenständige inhaltsgleiche Regelung in § 1 Abs 2 Satz 1 BErzGG (idF des BErzGG-Änderungsgesetzes vom 30.6.1989 ≪BGBl I 1297≫) abgelöst. In beiden Fassungen spricht der Wortlaut nur von "entsandt", ohne dass auf den bereits seit 1.7.1977 geltenden § 4 SGB IV verwiesen wird. Diese Vorschrift konnte deshalb anknüpfend an den Wortlaut erweiternd ausgelegt werden. Der 4. Senat hat jedoch in seiner Entscheidung vom 22.6.1989 - 4 REg 4/88 - (BSG, SozR 7833 § 1 Nr 6) ausdrücklich klargestellt, dass im Zusammenhang mit der von ihm auszulegenden Vorschrift des BErzGG § 4 SGB IV nicht anwendbar ist (aaO S 14), auf den die hier anzuwendende gesetzliche Bestimmung ausdrücklich Bezug nimmt. Ebenso wie dem LSG ist es deshalb auch dem erkennenden Senat verwehrt, die frühere Rechtsprechung zum BErzGG bei Anwendung der Neufassung weiterzuführen.

Aus denselben Gründen steht die Auslegung des erkennenden Senats auch mit seiner bisherigen Rechtsprechung zum Kindergeldrecht nicht im Widerspruch. In seinem Urteil vom 30.5.1996 - 10 RKg 20/94 - (BSG, SozR 3-5870 § 1 Nr 9) hat er bei einem "Rumpfarbeitsverhältnis" unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung einen Anspruch auf Kindergeld zugesprochen. Er hat sich in dieser Entscheidung der Auffassung des 4. Senats angeschlossen und zugleich auf die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der einschlägigen Normen des Kindergeldrechts (§ 1 Abs 1 Nr 2 Buchst a BKGG in der vor dem 1.1.1985 geltenden Fassung) und des § 4 Abs 1 SGB IV hingewiesen (BSG aaO S 29 f).

Entgegen der Auffassung der Klägerin können schließlich auch die von der Rechtsprechung der Rentensenate des BSG, insbesondere des 4. Senats, entwickelten Auslegungsgrundsätze zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei fortbestehendem "Rumpfarbeitsverhältnis" nicht auf die anders gefasste Vorschrift des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG (idF vom 12.10.2000) übertragen werden. Diese Rechtsprechung betrifft die Auslegung des zum 1.1.1992 in Kraft getretenen § 56 SGB VI (idF des Rentenreformgesetzes 1992 - RRG 1992 - vom 18.12.1989 ≪BGBl I 2261≫, geändert durch Art 1 Renten-Überleitungsgesetz vom 25.7.1991 ≪BGBl I 1606≫). Der 4. Senat hat in seinem grundlegenden Urteil vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - (BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4) dieser Vorschrift ein Normprogramm entnommen, mit dem durch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten eine möglichst umfassende Einbeziehung der Erziehenden in das System der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen solle. Dadurch solle die auch im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, liegende Leistung der Erziehung von Kindern durch Mütter und Väter anerkannt und damit die Verpflichtung des Staates auch zur materiellen Unterstützung und Förderung der Familien mit Kindern zum Teil konkretisiert werden. Kindererziehungszeiten sollten möglichst allen Erziehenden zugute kommen, die Gefahr liefen, trotz der für die deutsche Rentenversicherung besonders bedeutsamen Erziehungsleistung keine oder nur geringe Rentenanwartschaften zu erwerben (BSGE 71, 227, 230 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 14 f).

Für die Anrechnung von iS des § 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB VI der Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland "gleichstehenden" Kindererziehungszeiten reiche es deshalb aus, dass die Erziehenden vor der Geburt oder während der Kindererziehung in derart enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Berufsleben stünden, dass die Grundwertung des Gesetzes Platz greifen könne, während dieser Zeit seien ihnen nicht wegen Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im Wesentlichen wegen der Kindererziehung deutsche Rentenanwartschaften entgangen (BSGE 71, 227, 231 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 15 f). Dies treffe nicht nur zu, wenn der im Ausland beschäftigte Ehegatte - wie in den Fällen der sog Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV - weiterhin der Beitragspflicht zur deutschen Rentenversicherung unterliege (BSGE 71, 227, 232 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 16), sondern auch bei anderen, in § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI nicht erschöpfend geregelten Fallgestaltungen, etwa in Fällen, in denen während der Auslandstätigkeit im Inland zumindest ein sog "Rumpfarbeitsverhältnis" mit einem inländischen Arbeitgeber fortbestehe, aus dem während dieser Zeit wechselseitige Rechte und Pflichten erwüchsen und das bei Beendigung des von vornherein durch Vertrag zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalts auch mit den Hauptpflichten wieder auflebe (BSGE 71, 227, 233 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 17 f).

Diese Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG in der Folgezeit fortgeführt (vgl etwa BSG, Urteil vom 16.11.1993 - 4 RA 39/92; BSG, Urteil vom 25.1.1994 - 4 RA 3/93 - SozR 3-2600 § 56 Nr 6; BSG, Urteil vom 10.11.1998 - B 4 RA 39/98 R - SozR 3-2600 § 56 Nr 13; BSG, Urteil vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R - BSGE 91, 245 = SozR 4-2600 § 56 Nr 1, RdNr 8 ff). Bei dieser Rechtsprechung handelt es sich um eine (verfassungskonforme) ausdehnende Auslegung, die sich auf das Normprogramm des § 56 Abs 3 Satz 2 und Satz 3 SGB VI stützt - nämlich dem einheitlichen Grundgedanken, dass während der Zeit der Kindererziehung nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im Wesentlichen wegen der Kindererziehung deutsche Rentenanwartschaften entgangen seien (vgl BSGE 91, 245 = SozR 4-2600 § 56 Nr 1, RdNr 16).

Der erkennende Senat vermag der Regelung des § 1 Abs 2 BErzGG (idF vom 12.10.2000) kein dem § 56 SGB VI vergleichbares, weit gefasstes Normprogramm zu entnehmen, das es ermöglichen würde, die Fallgruppe der "Rumpfarbeitsverhältnisse" über den Gesetzeswortlaut hinaus in diese Vorschrift mit einzubeziehen. Vielmehr geht er davon aus, dass der Gesetzgeber - wie die Anwendung der herkömmlichen Auslegungsmethoden zeigt - den begünstigten Personenkreis mit Auslandswohnsitz im BErzGG deutlich enger gefasst hat als im SGB VI.

3. Dieses durch Auslegung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG (idF vom 12.10.2000) gewonnene Ergebnis hält nach Auffassung des erkennenden Senats auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor.

a) Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit - zu dem auch die steuerfinanzierte Sozialleistung BErzg gehört (vgl § 25 Abs 2 SGB I; § 11 BErzGG) - ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (vgl BVerfGE 99, 165, 178 f = FamRZ 1999, 357; BVerfGE 106, 166, 175 f = SozR 3-5870 § 3 Nr 4 S 13; BVerfGE 111, 160, 169 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 43; BVerfGE 111, 176, 184 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 26). Die sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist erst überschritten, wenn sich für die Ungleichbehandlung, die in dem Ausschluss anderer Personengruppen von der Begünstigung liegt, im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts kein Rechtfertigungsgrund finden lässt, der in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung steht. Bei einer Ungleichbehandlung von unter dem Schutz des Art 6 Abs 1 GG stehenden Familien ist daher zu prüfen, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 106, 166, 175 f = SozR 3-5870 § 3 Nr 4 S 14; BVerfGE 111, 160, 169 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 46; BVerfGE 111, 176, 184 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 26; BSG, Teilurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 6/08 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 42; BSG, Vorlagebeschlüsse vom 3.12.2009 - B 10 EG 5/08 R - RdNr 98, - B 10 EG 6/08 R - RdNr 93 und - B 10 EG 7/08 R - RdNr 94).

b) Mit der sich aus der Neufassung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG ergebenden Beschränkung der Gewährung von BErzg bei Auslandserziehung ua auf Fälle der Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV werden die Familien (Erziehende/Ehegatten) schlechter gestellt, die - wie hier - ihre Kinder im Ausland erziehen, jedoch die Voraussetzungen der Ausstrahlung nicht erfüllen. Mit dieser Ungleichbehandlung verfolgt der Gesetzgeber jedoch ein rechtlich zulässiges Differenzierungsziel. Zudem orientiert er sich mit dem Ausschluss dieser Personengruppe an einem geeigneten Differenzierungskriterium, um dieses Differenzierungsziel zu erreichen.

Sinn und Zweck der zusätzlichen gesetzlichen Anforderungen für die Gewährung von BErzg an Personen, die in Deutschland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, ist es, diese Leistung des Familienlastenausgleichs, mit der vor allem die Betreuung und Erziehung von Kindern in der ersten Lebensphase durch die Mutter oder den Vater finanziell gefördert werden soll (vgl BT-Drucks 10/3792 , S 1, 13; BVerfGE 111, 176, 178 ff, 185 f = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 2 ff, 30), bei Auslandserziehung ua auch solchen Personen zukommen zu lassen, die während eines nur vorübergehenden Auslandsaufenthalts noch einen hinreichend engen Bezug zum Inland, insbesondere zur inländischen Arbeitswelt, haben. BErzg soll auch denjenigen gewährt werden, bei denen während des Auslandsaufenthalts noch ein in Deutschland sozialversicherungspflichtiges (und damit auch beitragspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis des Erziehenden oder dessen Ehegatten iS des § 4 SGB IV besteht. Diese Regelung hat den Zweck in Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis im Inland nicht gelöst wird, der Arbeitnehmer aber im Interesse des Arbeitgebers vorübergehend ins Ausland geht ("entsandt wird"), den Sozialversicherungsschutz (mit Beitragspflicht) während des Auslandsaufenthalts aufrecht zu erhalten.

Die Anknüpfung an ein der inländischen Sozialversicherung unterliegendes Beschäftigungsverhältnis als einen das Wohnsitz- und Aufenthaltsprinzip erweiternden Ausnahmetatbestand mag zwar systematisch gesehen als nicht konsequent erscheinen (vgl Buchner/Becker, MuSchG - BErzGG, 7. Aufl 2003, § 1 BErzGG RdNr 13). Sie ist jedoch auch im Zusammenhang mit der Gewährung einer Sozialleistung für die Betreuung und Erziehung eines Kindes in dessen erster Lebensphase sachgerecht, denn sie sichert einen hinreichenden Inlandsbezug bei vorübergehender Arbeitsleistung im Ausland. Im Hinblick auf die gerade bei einem Auslandsaufenthalt - auch unter Berücksichtigung des Schutzes von Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) - besonders weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der steuerfinanzierten Sozialleistungen (wozu das BErzg gehört - vgl § 25 Abs 2 SGB I, § 11 BErzGG) ist demnach die sich aus dieser Anknüpfung ergebende Ungleichbehandlung durch hinreichend gewichtige Gründe sachlich gerechtfertigt (vgl dazu allgemein auch EuGHE I 2007, 6347).

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt auch die unterschiedliche Behandlung des "Rumpfarbeitsverhältnisses" bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und bei der Gewährung von BErzg andererseits nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, denn dieser enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln (vgl BVerfGE 40, 121, 139 f = SozR 2400 § 44 Nr 1 S 7; BVerfGE 75, 78, 107 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 468). Zudem verfolgt der Gesetzgeber mit der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Gewährung von BErzg jeweils unterschiedliche Zwecke.

Wie bereits ausgeführt, ist es Hauptzweck des BErzg, die Betreuung und Erziehung von Kindern in der ersten Lebensphase zu fördern. Durch eine finanzielle Hilfe - das BErzg - soll es Müttern oder Vätern ermöglicht oder erleichtert werden, im Anschluss an die Mutterschutzfrist ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit verzichten zu können (vgl BT-Drucks 10/3792, S 1, 13; BVerfGE 111, 176, 178 ff, 185 f = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 2 ff, 30).

Demgegenüber hat die Kindererziehung für das als Generationenvertrag ausgestaltete Alterssicherungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung eine bestandssichernde Bedeutung. Das BVerfG hat im Hinblick darauf den Gesetzgeber nach Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG für verpflichtet angesehen, den Mangel des Rentenversicherungssystems, der in den durch Kindererziehung bedingten Nachteilen bei der Altersversorgung liegt, in weiterem Umfang als bisher auszugleichen (vgl BVerfG, Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1, 37 ff = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7 ff). Diesen Ausgleich hat der Gesetzgeber mit der Anerkennung der Kindererziehungszeiten als Pflichtbeitragszeiten (§ 3 Satz 1 Nr 1, § 56, § 249, § 249a SGB VI idF des RRG 1992 vom 18.12.1989 ≪BGBl I 2261≫, geändert durch Art 1 Renten-Überleitungsgesetz vom 25.7.1991 ≪BGBl I 1606≫) - also die Anerkennung der Vorleistung "Kindererziehung" als Rentenanwartschaften begründenden Tatbestand - geschaffen. An diesen Normzweck hat die rentenrechtliche Rechtsprechung des BSG angeknüpft und bei Auslandserziehung - wie bereits aufgezeigt - eine erweiternde Auslegung des § 56 SGB VI unter Einbeziehung weiterer Fallgruppen, etwa des "Rumpfarbeitsverhältnisses", vorgenommen (grundlegend Urteil vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - BSGE 71, 227, 230 ff = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 14 ff).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2375082

DB 2010, 2343

FamRZ 2010, 1900

SGb 2010, 528

Breith. 2011, 263

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