Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 19.11.1963; Aktenzeichen 4 Kr 25/58)

SG Oldenburg (Urteil vom 26.06.1961)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. November 1963 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Juni 1961 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Rechtsstreit betraf die Frage, welche Geldleistungen, die der Arbeitgeber der Klägerin als werdender Mutter in den drei Monaten vor Einstellung der Arbeit außer dem laufenden Gehalt gewährt hatte, bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes der letzten drei Monate nach § 13 Abs. 1 des Mutterschutzgesetz es (MuSchG) vom 24. Januar 1952 zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin war seit Juni 1958 bei der T. AG O. als Stenotypistin beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag betrugen ihre Bezüge brutto 6.020,– DM für das Kalenderjahr. Sie wurden in 14 Monatsgehältern zu je 430,– DM eingeteilt. Das 13. Monatsgehalt wurde jeweils im Frühjahr und das 14. Gehalt am 15. Dezember jeden Jahres ausgezahlt. Ferner hatte die Klägerin nach dem Arbeitsvertrag die jeweilige Weihnachtsgratifikation zu erhalten. Außerdem bestand ein Urlaubsanspruch für 21 Werktage. Vom 21. Dezember 1959 an bezog die Klägerin wegen bevorstehender Entbindung von der beklagten Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) Wochengeld. Sie halte in den letzten drei Monaten (21. September bis 20. Dezember 1959) von der T. AG erhalten:

Gehaltszahlungen für die Zeit:

brutto

netto

vom 21. bis 30.9.1959

DM 143,33

115,85

„1.” 31.10.1959

” 430,–

347,55

„1.” 30.11. 1959

” 430,–

347,55

„1.” 20.12.1959

” 322,50

260,67

sowie ausgezahlt im Dezember

1959:

14. Gehalt

430,–”

302,25

1.373,87

Urlaubsabgeltung

107,50”

86,88

Weihnachtsgratifikation

”250,–

223,60

DM 2.113,33

1.684,35

Das von der DAK gewährte Wochengeld betrug täglich 13,38 DM. Die DAK hatte es nach den „Richtlinien für die Berechnung des Wochengeldes und der Sonderunterstützung nach § 13 Abs. 1 und § 11 Abs. 2 des MuSchG für die Zeit ab 1.1.55” des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 29. November 1954 (BABl 1954, 737) folgendermaßen errechnet:

Berechnungszeitraum

monatliches Gehalt

anteiliges 13. u. 14. Gehalt

Gesamt-Brutto-Arbeitsentgelt

Abzüge

netto DM

21. bis 30.9.59

143,33

23,89

167,22

35,99

131,23

1. bis 31.10.59

430,–

71,67

501,67

107,98

393,69

1, bis 30.11.59

430,–

71,67

501,67

107,98

393,69

1. bis 20.12.59

322,50

47,77

370,27

84,55

285,72

1.204,33 DM

Die Klägerin war mit der von der DAK errechneten Höhe des Wochengeldes nicht einverstanden. Sie meinte, die Urlaubsabgeltung (86,88 DM netto) und die Weihnachtsgratifikation (223,60 DM netto) seien zwar nicht zu berücksichtigen; doch müsse das 14. Gehalt voll mitgerechnet werden. Sie errechnete auf diese Weise ein Wochengeld von täglich 15,24 DM und begehrte diesen Betrag von der DAK.

Die DAK hat mit Bescheid vom 12. Februar 1960 die Gewährung eines höheren Wochengeldes als das von ihr bewilligte abgelehnt. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid vom 28. April 1960 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat die DAK verpflichtet, ein Wochengeld in der von der Klägerin errechneten Höhe zu zahlen; es hat dies jedoch anders als die Klägerin begründet; Nach § 13 Abs. 1 MuSchG gelte als Verdienst jeder wirtschaftliche Vorteil, der der Beschäftigten als Gegenleistung für ihre Arbeit tatsächlich gewährt werde; dazu gehörten auch Sondervergütungen. Die Weihnachtsgratifikation sei in vollem Umfang zu berücksichtigen (Urteil vom 26. Juni 1961).

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung der DAK zurückgewiesen. Es hat die Rechtsauffassung des SG bestätigt. Es hat ausgeführt, es brauche nicht entschieden zu werden, ob das 140 Gehalt voll zu berücksichtigen sei, weil die Weihnachtsgratifikation zum Durchschnittsverdienst gehöre. Die Weihnachtsgratifikation sei der Sache nach Arbeitsentgelt. Mit der Bemessung des Wochengeldes nach dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate solle der Frau dieser Verdienst für die Zeit des Beschäftigungsverbotes ohne Rücksicht darauf erhalten bleiben, ob der Verdienst vor den maßgebenden drei Monaten oder später nach Wiederaufnahme der Arbeit niedriger oder höher sei. Deshalb seien alle den Verdienst in den drei Monaten erhöhenden Zahlungen, die die Frau für diesen Zeitraum erhalten habe, bei der Berechnung des Wochengeldes zu berücksichtigen, auch wenn es sich um Sonderzahlungen handele, auf die in davor oder dahinter liegenden Zeiträumen kein Anspruch bestehe. Revision ist zugelassen (Urteil vom 19. Februar 1963).

Die DAK hat Revision eingelegt. Sie beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie rügt einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 MuSchG. Sie führt aus, die Kernfrage sei, ob bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes im Sinne des § 13 Abs. 1 MuSchG sämtliche während des Bemessungszeitraumes tatsächlich gezahlten Nettobezüge, also auch Sonderzahlungen jeglicher Art oder lediglich die laufenden regelmäßigen Nettogehälter zu berücksichtigen seien. Sie verweist auf die Richtlinien und Bescheide des BMA vom 29. November 1954 (BABl 1954, 737), vom 10. Juni 1955 (DOK 1955, 329) und vom 27. Februar 1958 (Eisel „Das Mutterschutzgesetz und seine Anwendung” A 89). Die Auffassung des LSG führe zu den unbefriedigenden Ergebnis, daß die Frau bei Einschluß der Sonderzahlungen in die Durchschnittsberechnung ein höheres Wochengeld erhalte, als ihr Nettoeinkommen im gleichen Zeitraum erreichen würde. Dies gehe über das Schutzbedürfnis der Frau hinaus und führe zu einer unbegründeten Begünstigung.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Rechtsausführungen des LSG für zutreffend.

Die beigeladene Bundesrepublik hat sich nicht geäußert.

Die Revision der DAK ist begründet.

Für den hier in Frage kommenden Zeitraum der Gewährung von Wochengeld – vom 21. Dezember 1959 an – ist noch das MuSchG vom 24. Januar 1952 anzuwenden (Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Änderung des MuSchG und der RVO vom 24. August 1965).

Nach § 13 Abs. 1 MuSchG erhalten Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung (KrV) pflichtversichert sind, während der entsprechenden Zeit vor und nach der Niederkunft ein Wochengeld in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten drei Monate (Berechnungszeitraum). Als Verdienst gilt das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt.

Mit der Gewährung von Leistungen während der Schutzfristen wird bezweckt, die Frau für eine gewisse Zeit vor und nach der Niederkunft von der Sorge um ihr Arbeitseinkommen zu befreien (RAM in RABl 1943 III 247; BSG 13,23, 25; 15,56,59; 17, 246, 250; BAG vom 28. Juni 1963 in AP Nr. 2 zu § 10 MuSchG). Das MuSchG geht in § 13 Abs. 1 (und § 10 Abs. 1) bei der Berechnung des Wochengeldes von der Bezugsmethode (Referenzprinzip) im Gegensatz zum Lohnausfallprinzip aus, d. h. für die Höhe des Wochengeldes ist der durchschnittliche Arbeitsverdienst maßgebend, den die Prau in einem bestimmten zurückliegenden Zeitabschnitt erzielt hat.

Daß in § 13 Abs. 1 MuSchG der „Durchschnittsverdienst” des Berechnungszeitraums maßgebend ist, besagt nicht, daß sämtliche in dieser Zeit ausgezahlten Bezüge, die an sich Entgelt sind, zu berücksichtigen sind. Vielmehr können bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes nur diejenigen Bezüge mitgerechnet werden, die als regelmäßiges Arbeitsentgelt für die während des Berechnungszeitraumes geleistete Arbeit gewährt werden. Da das Beschäftigungsverbot die Fortsetzung der bisherigen Arbeit hindert, ist es sachgerecht, die Bemessung des Wochengeldes auf den Wert der im Berechnungszeitraum geleisteten Arbeit abzustellen (vorausgesetzt, daß diese nicht schon wegen Schwangerschaft erleichtert oder verkürzt und deshalb geringer bezahlt war; vgl. BSG 17, 246, 249 f). Dieser Wert kommt in dem regelmäßigen Arbeitsentgelt für diese Arbeit zum Ausdruck.

Diese Gleichsetzung des in § 13 Abs. 1 MuSchG verwandten Begriffs des „Durchschnittsverdienstes” mit dem des „regelmäßigen Arbeitsentgeltes” wird durch § 13 Abs. 4 Buchst. b MuSchG gestützt (vgl. auch § 12 Abs. 1 MuSchG). Danach entfällt der Anspruch auf Wochengeld ganz oder teilweise für die Zeit, in der das regelmäßige Arbeitsentgelt weitergewährt wird 5 ohne daß die Beschäftigung ausgeübt wird. Nach dieser Vorschrift stehen die Ausübung der Beschäftigung und das regelmäßige Arbeitsentgelt in naher Beziehung zueinander. Wird anderes Entgelt als das regelmäßige Arbeitsentgelt gewährt, ohne daß die Beschäftigung ausgeübt wird, so schließt dies den Anspruch auf Wochengeld nicht aus. Unter regelmäßigem Arbeitsentgelt ist hier die Vergütung (Lohn, Gehalt) zu verstehen, die für die in fest bestimmten Zeitabschnitten geleistete Arbeit gewährt wird. Nicht zum regelmäßigen Arbeitsentgelt gehören Geldleistungen, die zwar Entgelt im Sinne des § 160 RVO sind, weil sie auf dem Arbeitsverhältnis beruhen, die aber nicht die nach Tarifvertrag, Arbeitsvertrag usw. geschuldete spezielle Gegenleistung für eine genau bestimmte Arbeitsleistung sind. Solche einmaligen Zuwendungen, die in einer Zeit ausgezahlt werden, in der die werdende Mutter ihre Beschäftigung nicht ausübt, hindern die Weitergewährung des Wochengeldes nicht. Sie können daher, wenn sie während des Berechnungszeitraumes vor Einstellung der Arbeit ausgezahlt werden, auch nicht die Höhe des Wochengeldes beeinflussen (zum „regelmäßigen Arbeitsentgelt” vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 idF vom 12. Juli 1961).

Es muß daher bei allen Entgeltzahlungen während des Berechnungszeitraumes geprüft werden, ob und inwieweit sie regelmäßiges Arbeitsentgelt für die während des Berechnungszeitraumes geleistete Arbeit sind.

Nach diesen Grundsätzen waren die Zahlungen, die die Klägerin während des Berechnungszeitraumes erhalten hat und die nicht das laufende Monatsgehalt darstellen, zu beurteilen, nämlich

  1. das 14. Monatsgehalt,
  2. die Weihnachtsgratifikation,
  3. die Urlaubsabgeltung.

Zu a) Das Gehalt der Klägerin war nach dem Arbeitsvertrag als ein Jahresgehalt in Höhe von 6.020,– DM festgelegt, eingeteilt in 14 gleich hohe Teile; 12 Teilgehälter waren monatlich fällig, das 13. und 14. Gehalt zu anderen festgelegten Zeitpunkten. Das 13. und 14. Gehalt waren also nicht nur. Arbeitsentgelt für den Monat der Fälligkeit, sondern für das ganze Jahr. Das regelmäßige Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate betrug ein Viertel des Jahresgehaltes von 6.020,– DM, Dieser Teil des Jahresgehaltes war bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes für den Berechnungszeitraum mitzurechnen. Da nur das Entgelt, das für die Arbeit im Berechnungszeitraum gewährt wird, zu berücksichtigen ist und sich das 14. Monatsgehalt (wie das 13. Gehalt) nach dem Arbeitsvertrag auf die Arbeit des ganzen Jahres erstreckt, ist die Auffassung der Klägerin, das 14. Monatsgehalt sei in voller Höhe zu berücksichtigen, nicht richtig.

Zu b) Die Weihnachtsgratifikation gehört nicht zum regelmäßigen Arbeitsentgelt für den Berechnungszeitraum. Sie bedeutet ihrem Wesen nach dreierlei, ohne daß stets alle drei Gesichtspunkte gleiches Gewicht hätten. Die Weihnachtsgratifikation ist ein zusätzliches Entgelt und wird als eine allgemeine Anerkennung für geleistete Dienste gegeben (Treueprämie).

Sie ist nicht ein Entgelt für einzelne, innerhalb des Jahres näher bestimmte, festumrissene Leistungen, sondern stellt eine pauschale Bewertung der Leistung dar. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß ein Arbeitnehmer bei Ausscheiden vor dem Zeitpunkt der Zahlung der Weihnachtsgratifikation nicht etwa einen seiner Beschäftigungsdauer entsprechenden Teil verlangen kann. Dementsprechend beeinträchtigt Nichtarbeit wegen Krankheit, Urlaubes oder eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG den Anspruch auf Weihnachtsgratifikation im allgemeinen nicht. Ferner ist die Weihnachtsgratifikation eine Gabe zu Weihnachten und ein Beitrag für die besonderen Aufwendungen anläßlich des Festes (BSG 19, 137, 138; 19, 141, 145). Außerdem kann mit der Weihnachtsgratifikation eine Wirkung für die Zukunft dergestalt verbunden sein, daß der Arbeitnehmer während einer bestimmten Zeit nicht kündigt oder bei Kündigung einen Teil der Weihnachtsgratifikation zurückzahlt (vgl. BAG in AP zu § 611 BGB, Gratifikationen, Nr. 1, 35 mit Anm., 36 mit Anm.).

Eine – ungekürzte – Weihnachtsgratifikation bezieht sich hiernach nicht auf bestimmte Zeiten innerhalb des Jahres, wie etwa auf die Monate, in denen Arbeit geleistet wurde, unter Ausschluß der Zeiten von Arbeitsunfähigkeit und Urlaub. So wie die Weihnachtsgratifikation eine pauschale Treueprämie für das zu Ende gehende Jahr im ganzen gesehen darstellt, bedeutet sie im nächsten Jahr, wenn die Frau nach Ablauf der Zeit des Beschäftigungsverbotes die Arbeit wieder aufgenommen hat, ebenfalls eine Treueprämie für das Jahr insgesamt. Der Zeitraum, für den das Beschäftigungsverbot wirkt, wird von den Weihnachtsgratifikationen mit umfaßt. Daher kann die Weihnachtsgratifikation, die im Berechnungszeitraum ausgezahlt wird, nicht noch eigens den Durchschnittsverdienst für diesen Zeitraum erhöhen (vgl. Dersch-Neumann, Bundesurlaubsgesetz –BUrlG–, 2. Aufl., 1963, Randziff. 40 zu § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, wonach das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst in den letzten 13 Wochen bemessen wird).

Zu c) Die Urlaubsabgeltung ist kein regelmäßiges Arbeitsentgelt. Sie ist ihrem Wesen nach ein Ersatz für den Urlaubsanspruch, der ein Anspruch auf Freizeitgewährung ist (Dersch-Neumann, aaO, Randziff. 78 bis 80, 84, 85, 86 zu § 7 BUrlG). Der Freizeitanspruch ist zwar nach seinem Umfang festgelegt „und auf eine bestimmte Anzahl von Tagen begrenzt. Er ist aber nicht auf Gewährung der Freizeit zu einer bestimmten Kalenderzeit innerhalb des Urlaubsjahres gerichtet. Die Abgeltung des Urlaubs ist zwar Entgelt; sie stellt aber keinen Lohn für eine zu einer bestimmten Zeit während des Urlaubsjahres geleisteten Arbeit dar. Sie bezieht sich auf das Urlaubsjahr insgesamt.

Weiteres Entgelt als die von der DAK berücksichtigten Zahlungen können somit bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes nicht mitgerechnet werden. Ein weitgehender Anspruch der Klägerin besteht nicht. Die Revision der beklagten DAK war deshalb begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Langkeit, Dr. Krebs, Geyser

 

Fundstellen

BSGE, 69

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