Beteiligte

Barmer Ersatzkasse

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. August 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Streitig ist die Familienversicherung des Klägers.

Die Mutter des Klägers war als Studentin versicherungspflichtig und Mitglied der beklagten Krankenkasse. Der 1985 geborene Kläger war freiwilliges Mitglied der Beklagten. Eine Familienversicherung im Rahmen der Versicherung der Mutter war nach § 10 Abs 3 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ausgeschlossen, weil ihr Ehemann und Vater des Klägers nicht Mitglied einer Krankenkasse war, sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg und regelmäßig höher war als das Gesamteinkommen der Mutter.

Seit 1. April 1995 leben die Eltern des Klägers getrennt. Der Kläger lebt im Haushalt seiner Mutter, sein Vater zahlt für ihn Unterhalt. Seine Mutter ist weiterhin Mitglied der Beklagten. Bei ihrem Ehemann liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs 3 SGB V unverändert vor. Im Mai 1995 beantragte sie, den Kläger in die Familienversicherung aufzunehmen. Dies lehnte die Beklagte mit an die Mutter gerichtetem Bescheid vom 27. Juli 1995 und Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1996 ab.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, die Bescheide der Beklagten aufzuheben und festzustellen, daß er seit 1. April 1995 bei der Beklagten familienversichert ist. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. September 1996). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 15. August 1997). Die Anfechtungsklage sei zulässig. Die Bescheide der Beklagten seien als gegenüber dem Kläger ergangen anzusehen, auch wenn sie an seine Mutter gerichtet gewesen seien. Denn darin werde über ein Recht des Klägers, seine Familienversicherung, entschieden. Die Feststellungsklage sei ebenfalls zulässig. Die Klagen seien jedoch unbegründet. Der Kläger sei nach § 10 Abs 3 SGB V von der Familienversicherung ausgeschlossen. Die Regelung verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1, 4 des Grundgesetzes (GG).

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 10 Abs 3 SGB V. Die Vorschrift sei im Hinblick auf Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG verfassungskonform dahin auszulegen, daß mit dem Begriff „Ehegatte” nur derjenige gemeint sei, der mit dem „Mitglied” in einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft verbunden sei. Danach seien Kinder von nicht in einer Wirtschaftsgemeinschaft lebenden Ehegatten über das krankenversicherte Mitglied auch dann familienversichert, wenn die übrigen Voraussetzungen des Ausschlußtatbestandes vorlägen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 15. August 1997 und das Urteil des SG vom 26. September 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1996 aufzuheben und festzustellen, daß der Kläger seit dem 1. April 1995 bei der Beklagten familienversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden muß. Es ist zunächst ein Vorverfahren nachzuholen.

Der Kläger hat in erster Linie eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1996 erhoben. Ihm fehlt für diese Klage nicht die Klagebefugnis. Zwar ist der Bescheid vom 27. Juli 1995 ihm gegenüber nicht wirksam geworden, weil er nicht an ihn gerichtet und ihm nicht bekanntgegeben worden war (vgl § 37 Abs 1 Satz 1, § 39 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren ≪SGB X≫). Die Bekanntgabe an seine Mutter ist ihm entgegen der Ansicht des LSG nicht zuzurechnen. Zwar genügt für die Wirksamkeit von Willenserklärungen, die gegenüber einem Kind abzugeben sind, auch die Erklärung gegenüber einem Elternteil (§ 1629 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Beklagte hat den Bescheid vom 27. Juli 1995 jedoch der Mutter nicht als gesetzlicher Vertreterin des Klägers, sondern in ihrer Eigenschaft als Stammversicherte bekanntgegeben. Jedoch können auch Verwaltungsakte mit Drittwirkung angefochten werden (vgl BSGE 70, 99, 100 ff = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 mwN). Die Klagebefugnis ist gegeben, wenn die geltend gemachten rechtlichen Interessen des Dritten vom Schutzzweck der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm erfaßt werden. Die vom Kläger als Kind eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung geltend gemachte Familienversicherung dient in diesem Sinne auch seinen individuellen Interessen. Die Familienversicherung nach § 10 SGB V ist als eigene Versicherung des Familienangehörigen ausgestaltet (vgl BSGE 72, 292, 294 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2; USK 93109; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 6; BSG SozR 3-5405 Art 59 Nr 1). Ihre Feststellung oder Ablehnung berührt daher unmittelbar eine eigene Rechtsposition des Familienangehörigen. Der Senat hat dementsprechend bereits in zwei Entscheidungen die Beschwer und damit die Klagebefugnis des Familienangehörigen gegen einen an den Stammversicherten gerichteten Bescheid bestätigt (Urteil vom 29. Juni 1993 - 12 RK 13/93 - USK 93109; Urteil vom 25. Februar 1997 - 12 RK 34/95 - Die Leistungen, Beilage, 1997, 379 = SGb 1998, 272). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

Zur Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gehört jedoch, daß Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes zuvor in einem Vorverfahren überprüft worden sind (§ 78 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das Vorverfahren ist eine grundsätzlich unverzichtbare Sachurteils-(Prozeß-)Voraussetzung (vgl BSG SozR 1500 § 78 Nr 15; BSGE 59, 227, 229 = SozR 4100 § 134 Nr 29; BSGE 65, 105, 106 = SozR 1500 § 78 Nr 27). Sie ist hier im Verhältnis des Klägers zur Beklagten nicht erfüllt. Ein Vorverfahren, an dem der Kläger iS des § 12 Abs 1 Nr 1, 2 oder 4 SGB X beteiligt war, hat nicht stattgefunden. Die gesetzlich geregelten Ausnahmen vom Vorverfahrenszwang (vgl § 78 Abs 1 Satz 2 SGG) liegen nicht vor. Danach wäre ein Vorverfahren hier allenfalls dann entbehrlich, wenn der Kläger durch einen Abhilfebescheid oder den an seine Mutter gerichteten Widerspruchsbescheid erstmals beschwert wäre (§ 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG iVm § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫ entsprechend). Ein Abhilfebescheid ist hier jedoch nicht ergangen. Die im Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1996 enthaltene Beschwer des Klägers ist die gleiche, die schon durch den Bescheid vom 27. Juli 1995 gegeben war. Das gilt sowohl für die Beschwer in Gestalt der Ablehnung der Familienversicherung als auch für die Beschwer, die sich aus der fehlenden Anhörung im Verwaltungsverfahren nach § 24 Abs 1 SGB X ergibt (vgl BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 13 S 35).

Die Rechtsprechung hat allerdings das Vorverfahren auch unter anderen Voraussetzungen für entbehrlich gehalten, wenn ein solches im Verhältnis zu einem Dritten schon stattgefunden hat (vgl BVerwG DÖV 1970, 248; BVerwG Buchholz 406.11 § 30 BBauG Nr 5 = DÖV 1972, 390; BVerwGE 40, 25; BVerwG DÖV 1976, 353; vgl kritisch hierzu Eyermann, VwGO, 10. Aufl 1998, § 68 RdNr 21; Kopp, VwGO, § 68 RdNr 7, 29; Meier, Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens, 1992, S 82 mwN in Anm 141 und 142).

Diese Rechtsprechung ist auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden, bei dem der ursprüngliche Verwaltungsakt den Widerspruchsführer und einen Dritten in gleicher Weise beschwert, jedoch nur der am Vorverfahren nicht beteiligte Dritte klagt, nicht zu übertragen.

Der Senat hat dies bereits für die Fälle einer Klageänderung durch Beteiligtenwechsel auf der Kläger- oder der Beklagtenseite entschieden. Er hat die Nachholung des Widerspruchsverfahrens für erforderlich gehalten, wenn zunächst der Stammversicherte gegen den an ihn gerichteten Widerspruchsbescheid Klage erhoben hatte, jedoch später im Wege der Klageänderung an seiner Stelle der am Vorverfahren nicht beteiligte Familienangehörige Kläger wurde (vgl Urteil vom 29. Juni 1993 USK 93109; Urteil vom 25. Februar 1997, Die Leistungen, Beilage, 1997, 379). Das gleiche hat der Senat in einem Rechtsstreit angenommen, in dem ein Leistungsbezieher nach dem Arbeitsförderungsgesetz anfangs gegen die Bundesanstalt für Arbeit auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung geklagt und die Klage später im Wege zulässiger Klageänderung gegen die bisher beigeladene Krankenkasse gerichtet hatte (BSG vom 11. Juni 1992 - 12 RK 45/90 - USK 92124). Es gibt keine überzeugenden Gründe, bei einem solchen Beteiligtenwechsel auf das gesetzlich erforderliche Vorverfahren zu verzichten. Nichts anderes kann gelten, wenn das Klageverfahren von vornherein und ausschließlich von demjenigen eingeleitet und durchgeführt wird, im Verhältnis zu dem von der Beklagten kein Vorverfahren stattgefunden hat. Hierfür sprechen jedenfalls Zweck und Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens nach dem SGG.

Das Widerspruchsverfahren dient der Selbstkontrolle der Verwaltung, in Angelegenheiten der Sozialversicherung wie hier der Krankenversicherung unter Beteiligung der Selbstverwaltungsorgane (vgl § 85 Abs 2 Nr 2 SGG). Darüber hinaus soll der Schutz des betroffenen Bürgers verbessert und außerdem sollen die Sozialgerichte vor unnötiger Arbeit bewahrt werden (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, vor § 77 RdNr 1 mwN). Dieser Zielsetzung entsprechend ist das im SGG zunächst nur für bestimmte gesetzlich geregelte Fälle vorgeschriebene Vorverfahren (§ 78 SGG aF) mit Wirkung zum 1. Januar 1975 im Grundsatz auf alle Anfechtungsklagen erstreckt worden (§ 78 SGG idF des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974 ≪BGBl I 1625≫). Die in § 78 Abs 2 SGG idF vom 30. Juli 1974 noch eingeräumte Wahlmöglichkeit zwischen Widerspruch und Klage in Angelegenheiten der Unfallversicherung, der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betraf, auf die ein Rechtsanspruch bestand, ist mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 durch den Einigungsvertrag (EinigVtr) vom 31. August 1990 (BGBl II 889, 1032) gestrichen worden, um die Sozialgerichte von einer Vielzahl unnötiger Rechtsstreitigkeiten zu entlasten (Anlage I Kapitel VIII, Sachgebiet D, Abschnitt II, Satz 1 Nr 1 Buchst a, vgl auch Erläuterungen zum EinigVtr, BT-Drucks 11/7817 S 143). Dieser Entwicklung zu einer uneingeschränkten Vorverfahrenspflicht entspricht es, daß durch Art 8 Nr 2 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I 53) auch § 85 Abs 4 SGG aufgehoben worden ist, wonach in Angelegenheiten der Sozialversicherung die Widerspruchsstelle den Widerspruch dem zuständigen SG als Klage zuleiten konnte, wenn sie dem Widerspruch nicht stattgeben wollte und der Widerspruchsführer diesem Verfahren zuvor schriftlich zugestimmt hatte. Die Verpflichtung zur Durchführung eines Vorverfahrens gilt nach dem SGG nunmehr uneingeschränkt, soweit im Gesetz nicht für besondere Fälle etwas anderes bestimmt ist (§ 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG), der Verwaltungsakt von einer der in § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGG benannten Behörden erlassen worden ist oder ein Land oder ein Versicherungsträger klagen will (§ 78 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGG). Es ist der Rechtsprechung aufgrund dieser Entwicklung auch dann verwehrt, das Widerspruchsverfahren für entbehrlich zu halten, wenn der Verwaltungsakt eine „gebundene”, dh nicht im Ermessen der Verwaltung stehende Entscheidung betrifft und schon einmal in einem von einem Dritten wie hier dem Stammversicherten eingeleiteten Widerspruchsverfahren nachgeprüft worden ist. Auch dann kann die Überprüfung auf die Zweckmäßigkeit der Entscheidung im Einzelfall (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG) in einem weiteren, von dem Drittbetroffenen veranlaßten Widerspruchsverfahren zu einem Ergebnis führen, das einen Rechtsstreit überflüssig macht (vgl § 54 SGB X).

Der Senat weicht mit seiner Auffassung zur Notwendigkeit eines Vorverfahrens im Verhältnis der Beklagten zu den klagenden Familienangehörigen trotz eines Widerspruchsbescheides gegenüber dem Stammversicherten nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundessozialgerichts (BSG) ab. Der 1. Senat des BSG hatte zwar zunächst noch das gegenüber einem Antragsteller durchgeführte Verwaltungsverfahren ausnahmsweise dem Kläger zugerechnet, wenn Leistungsansprüche aus der Familienversicherung nach § 10 SGB V im Streit waren (vgl BSGE 77, 102, 103 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 2; BSG vom 18. Januar 1996 - 1 RK 25/94 - unveröffentlicht). Der 1. Senat wollte die Beteiligten aus prozeßökonomischen Gründen nicht zu einer Nachholung des Verwaltungsverfahrens zwingen, nur weil die Krankenkasse ihre nach dem vor 1989 geltenden Recht der Familienhilfe (§ 205 der Reichsversicherungsordnung) zutreffende Praxis unter Geltung des SGB V vorübergehend fortgeführt und sich ausschließlich an den Stammversicherten gewandt hatte (vgl BSG SozR 3-2500 § 30 Nr 8 S 29). Der 1. Senat hat jedoch in seinem Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 26/95 - (SozR 3 aaO) angekündigt, diese Verwaltungspraxis für Verwaltungsverfahren, die nach dem 31. Juli 1997 enden, nicht mehr hinzunehmen; Klagen gegen Bescheide, die gegenüber dem Stammversicherten statt gegenüber dem klagenden Familienangehörigen erlassen worden sind, seien dann unzulässig. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die Geltendmachung von Leistungsansprüchen aus einem bestehenden Versicherungsverhältnis des Familienangehörigen. Demgegenüber betrifft die Rechtsprechung des erkennenden 12. Senats das Bestehen oder Nichtbestehen einer Familienversicherung überhaupt. Der erkennende Senat hat die Familienversicherung trotz ihrer Ausgestaltung als eigene Versicherung des Familienangehörigen auch als Teil der Rechtsposition des Stammversicherten angesehen und diesem jedenfalls ein eigenes Recht auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Familienversicherung zuerkannt (Urteil vom 29. Juni 1993 - 12 RK 48/91 - BSGE 72, 292, 294 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2 S 4). Er hat ebenfalls mit Urteil vom 29. Juni 1993 (USK 93109) klargestellt, daß der Familienversicherte zwar gegen die an den Stammversicherten gerichteten Bescheide klagen kann, jedoch insoweit ein eigenes Widerspruchsverfahren durchzuführen ist. Hieran hat der Senat im Urteil vom 26. Februar 1997 (Die Leistungen, Beilage, 1997, 379) festgehalten.

Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27. Juli 1995 ist in seiner Klage zu sehen (vgl BSG SozR 7815 Art 1 § 7 Nr 1 S 7 mwN; BSGE 65, 105, 107 = SozR 1500 § 78 Nr 27 S 41). Die Widerspruchsfrist hatte er nicht einzuhalten, weil ihm gegenüber wegen der fehlenden Bekanntgabe keine Frist in Lauf gesetzt worden war. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden. Der gegenüber dem Kläger zu erlassende Widerspruchsbescheid kann nicht in der Klage- oder Berufungserwiderung der Beklagten gesehen werden (vgl BSG SozR 1500 § 78 Nr 8). Dahinstehen kann, ob an der Befugnis zur Umdeutung von Prozeßvorbringen in Verwaltungserklärungen überhaupt noch festgehalten werden kann, nachdem die vom BSG hierfür herangezogene Neuordnung des § 78 SGG, insbesondere die Austauschbarkeit von Klage und Widerspruch nach § 78 Abs 2 Satz 1 SGG und die Weiterleitung eines Widerspruchs als Klage an das zuständige SG nach § 85 Abs 4 SGG, jeweils idF vom 30. Juli 1974, entfallen und die entsprechenden Vorschriften aufgehoben worden sind (so allerdings BSG Urteil vom 7. Februar 1996 - 6 RKa 42/95 - SozR 3-2500 § 85 Nr 2 S 75/76; BSG Urteil vom 15. August 1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54; BSG Urteil vom 27. August 1998 - B 9 SB 13/97 R - unveröffentlicht). Voraussetzung für eine Ersetzung des Widerspruchsbescheides durch Einlassungen der Beklagten im Rechtsstreit ist nach der Rechtsprechung jedenfalls, daß die prozeßführende Behörde und die Widerspruchsbehörde identisch sind (BSG SozR 1500 § 78 Nr 15; BSGE 65, 105, 107 = SozR 1500 § 78 Nr 27). Das ist hier nicht der Fall, da bei der Beklagten als Trägerin der Sozialversicherung die von der Vertreterversammlung bestimmte Widerspruchsstelle für den Erlaß des Widerspruchsbescheides zuständig ist (§ 85 Abs 2 Nr 2 SGG).

Das LSG wird der Beklagten nunmehr Gelegenheit geben müssen, das Widerspruchsverfahren unter Beteiligung des Klägers durchzuführen. Sofern dem Widerspruch nicht abgeholfen wird, hat das LSG die Mutter des Klägers zum weiteren Verfahren notwendig beizuladen. Sie hat als Stammversicherte ein Recht darauf, den Umfang ihrer eigenen Krankenversicherung zu kennen. Daher ist sie an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten derart beteiligt, daß die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Familienversicherung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs 2 Halbsatz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

SozSi 2000, 180

SozSi 2000, 69

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