Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Streitigkeit aus Leistungsbeschaffungsverträgen zwischen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und Leistungserbringern

 

Orientierungssatz

1. Da die RVO für die Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln keine Regelung getroffen hat, hat das Gesetz hierdurch zum Ausdruck gebracht, daß sich die Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts vollziehen soll; damit ist auch die Zulassung nach Privatrecht zu regeln.

2. Die gesetzliche Aufgabe der Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln ist ein bloßes fiskalisches Hilfsgeschäft wie beim Einkauf von Waren durch die Behörde (- also etwa eines Besens für die Reinigung der Räume oder von Kohlen zur Heizung -).

3. Für Klagen auf Zulassung zur Belieferung von Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln aufgrund eines Vertrages zwischen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung oder ihren Verbänden mit Leistungserbringern ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs 1; GVG § 13; SGB 10 § 53 Abs 1 S 1; RVO § 414e Buchst c, §§ 376c, 376d Abs 1, § 376d Abs 2

 

Verfahrensgang

GmS-OGB (Entscheidung vom 10.04.1986; Aktenzeichen GmS-OGB 1/85)

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 01.06.1983; Aktenzeichen L 11 Kr 20/83)

SG Duisburg (Entscheidung vom 13.12.1982; Aktenzeichen S 21 Kr 100/82)

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger mit einem Filialbetrieb für die Versorgung der Ersatzkassenmitglieder mit orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln zuzulassen ist. Der Kläger ist Meister im Orthopädie-, Chirurgiemechaniker- und Bandagistenhandwerk (BIV) und Inhaber eines Sanitätshauses in Mülheim/Ruhr. Er ist mit diesem Betrieb für die Lieferung von orthopädischen Hilfsmitteln an die Mitglieder der Ersatzkassen durch den Beklagten zugelassen. Der Zulassung liegt ein (Rahmen-) Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen eV einerseits und dem Bundesinnungsverband für das Orthopädie-, Chirurgiemechaniker- und Bandagistenhandwerk andererseits vom 21. August 1959 zugrunde. In diesem Vertrag werden allgemein die Voraussetzungen der Versorgung von Versicherten mit orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln durch Bandagisten-, Orthopädie- und Chirurgiemechanikermeister geregelt (§ 1 Abs 1 des Vertrages). Zur Belieferung und Versorgung werden danach nur solche Personen zugelassen, die bestimmte fachliche Voraussetzungen erfüllen und für deren Zulassung ein Bedürfnis besteht (§ 2 Abs 1). Nach § 3 des Vertrages ist die Zulassung eine persönliche; sie gilt nur für den vom Antragsteller angegebenen Betriebssitz. Filialbetriebe bedürfen danach einer besonderen Zulassung. Der Filialbetrieb soll grundsätzlich (Ausnahme: § 3 Abs 3 des Vertrages) von einem Meister geleitet werden. Über den Zulassungsantrag, dem eine Erklärung über die Zustimmung zum Rahmenvertrag beizufügen ist, entscheidet nach § 2 Abs 2 des Vertrages der Beklagte bzw dessen örtliche Gliederung. Der Kläger hat im Oktober 1981 die Zulassung eines Filialbetriebs in Essen-Kettwig beantragt. Er hat mitgeteilt, daß die Filiale von einer Verkäuferin geleitet werden soll und daß er selbst nur an bestimmten Tagen anwesend sein werde. Mit Schreiben vom 18. Januar 1982 lehnte der Ortsausschuß Essen des Beklagten den Zulassungsantrag für die Filiale mit der Begründung ab, daß nach dem Vertrag (§ 3 Abs 1) ein Meister dauernd dem Filialbetrieb zur Verfügung stehen müsse, dh eine sogenannte "Meisterpräsenz" vorgeschrieben sei. Auf die Klage vor dem Sozialgericht (SG) auf Zulassung seines Filialbetriebs zur Belieferung und Versorgung der Ersatzkassenmitglieder hat der Beklagte eingewandt, der Vertrag und die auf ihm beruhenden Rechtsverhältnisse zwischen den Ersatzkassen und den einzelnen Betrieben seien privatrechtlicher Natur, so daß die Klage mangels Zuständigkeit des SG als unzulässig abzuweisen sei. Durch Zwischenurteil vom 13. Dezember 1982 hat das SG den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit für gegeben erklärt. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 1. Juni 1983 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 51 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie des § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Er verweist darauf, daß der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung "Lieferantenverträge" der hier vorliegenden Art dem Privatrecht zugeordnet habe.

Der Senat hat das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorgelegt, weil er in der Zuständigkeitsfrage von einer Entscheidung des BGH abweichen wollte (§§ 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes -RechtsprEinhG-). Der Senat wollte dahin entscheiden, daß Leistungsbeschaffungsverträge, die von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung (im folgenden "Krankenkassen") bzw ihren Verbänden einerseits und den Leistungserbringern von orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln bzw ihren Vereinigungen andererseits zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten geschlossen werden, öffentlich-rechtliche Verträge sind und bei Streitigkeiten aus diesen Verträgen der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs 1 SGG gegeben ist. Der Senat sah sich hieran durch das nachfolgend genannte Urteil des BGH gehindert. Der BGH hat in diesem Urteil vom 26. Oktober 1961 - KZR 1/61 - (BGHZ 36, 91f), bei dem es um die Zulassung eines Betriebes zur Belieferung von Krankenkassenmitgliedern mit Gummistrümpfen ging - unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung vom 15. Dezember 1960 ("Apotheken-Urteil" - BGHZ 34, 53, 64) -, den Rechtssatz aufgestellt, daß die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Lieferanten von Heilmitteln nicht dem öffentlichen Recht, sondern dem Privatrecht angehörten. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, zwischen den Krankenkassen einerseits und den Lieferanten von Heilmitteln oder ihren Verbänden andererseits würden Verträge "auf der Grundlage rechtlicher Gleichordnung" abgeschlossen. Daß die Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten eine öffentlich-rechtliche Fürsorgepflicht hätten, hindere sie nicht, mit Dritten, auf die sich die Fürsorgepflicht nicht erstrecke, privatrechtliche Hilfsgeschäfte zur Beschaffung von Heilmitteln einzugehen. Der Antrag eines Lieferanten auf Zulassung zur Belieferung und Versorgung von Anspruchsberechtigten einer Krankenkasse sei als Angebot zum Abschluß eines bürgerlich-rechtlichen Vertrags anzusehen.

In seinem Vorlagebeschluß vom 12. März 1985 (SGb 1986, 28 mit zust Anmerkung von Narr = NJW 1985, 2784 = JZ 1986, 476 mit Besprechungsaufsatz von Schulin = KVRS A-9800/1 = USK 8543) hat das Bundessozialgericht (BSG) folgendes ausgeführt:

Der Streit um die Zulassung zu dem System der (Sachleistungs-) Versorgung mit orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln sei, wie sich aus zahlreichen Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergebe, eine "Angelegenheit der Sozialversicherung" iS des § 51 SGG ("Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung,..."). Diese (Zulassungs-) Angelegenheit sei öffentlich-rechtlicher Natur, weil die Beklagte als Handlungsorgan öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger über die streitige Zulassung in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben zu entscheiden habe, wie sie - die Beklagte - auch den Abschluß des der Streitigkeit zugrundeliegenden Rahmenvertrages in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben abgeschlossen habe; eines Vertrages, der nicht nur als solcher gesetzlich vorgeschrieben, sondern der auch inhaltlich vom Gesetz mitbestimmt werde. Die öffentlich-rechtliche Natur der Aufgabe ergebe sich n i c h t n u r nach den äußeren Kriterien des Ortes der Regelungsmaterie, nämlich weil sie integraler Bestandteil des unbestritten öffentlich-rechtlichen Sozialrechts und in der RVO als einem Gesetz mit unbestritten öffentlich-rechtlicher Materie geregelt sei, s o n d e r n a u c h aus dem spezifischen Charakter der beteiligten Normen, daß sie nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers mit Hilfe eigens dafür geschaffener Organe unbedingt durchgesetzt werden sollen. Wurde vom Gesetzgeber aber etwas als öffentlich-rechtliche Aufgabe angesehen und zu ihrer Realisierung entsprechende Organe betraut, dann könnten solche öffentlich-rechtlichen Aufgaben naturgemäß nur öffentlich-rechtlich erfüllt werden. Davon würden als A u s n a h m e n weder fiskalische Hilfsgeschäfte gelten können, weil sie eben für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe nicht "wesentlich" seien, noch solche Fälle in Betracht kommen, wo der Verwaltungsträger den gesetzlichen Zweck offensichtlich auch in anderen als den vom Gesetz vorgeschriebenen Formen erfüllen könne (- zB Privatkauf unter Vermeidung einer Enteignung -), wo aber das öffentlich-rechtliche Zweckinstrument gerade nicht eingesetzt werde, so daß es sich in beiden Fallgruppen um bloße Schein-Ausnahmen handele. Zumindest aber habe der Satz zu gelten, daß eine öffentlich-rechtliche Aufgabe i m Z w e i f e l auch öffentlich-rechtlich erfüllt werde. So sei auch der zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben abgeschlossene Allgemeinvertrag vom 21. August 1959 öffentlich-rechtlicher Natur; der Abschluß sei im Verhältnis zur öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung w e s e n t l i c h , insofern handele es sich nicht etwa um ein bloßes fiskalisches Hilfsgeschäft, bei dem es gerade nicht um eine Konkretisierung des gesetzlichen Auftrags gehe. Der Gesichtspunkt der G l e i c h o r d n u n g der Vertragspartner aber, den der BGH seiner Entscheidung ausdrücklich als Kriterium zugrundegelegt habe, könne zur Verneinung des öffentlich-rechtlichen Charakters eines Vertrages jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden, zu dem der Gesetzgeber im § 54 Abs 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bzw in dem wortgleichen § 53 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) den öffentlich-rechtlichen Vertrag gesetzlich normiert und in den Gesetzesmotiven zum Ausdruck gebracht habe, daß zur Abgrenzung zwischen dem privatrechtlichen und dem öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht mehr die sogenannte Subjektionstheorie angewendet werden könne, die Abgrenzung vielmehr allein nach dem Gegenstand der vertraglichen Regelung zu erfolgen habe.

Der zuständige Senat des BGH - Kartellsenat - hat sich dahin geäußert, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten (vgl § 14 RechtsprEinhG).

Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat am 10. April 1986 dagegen wie folgt beschlossen (GmS-OGB 1/85):

Für Klagen auf Zulassung zur Belieferung von Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln aufgrund eines Vertrages zwischen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung oder ihren Verbänden mit Leistungserbringern ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

Als Begründung wurde ausgeführt:

Der streitige Rahmenvertrag diene zwar der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben und sei auch in der RVO geregelt. Daraus lasse sich jedoch noch nicht seine öffentlich-rechtliche Natur entnehmen. Die einschlägigen Vorschriften der RVO enthielten keinerlei Hinweise auf die hoheitliche Natur der Beschaffungstätigkeit der Krankenkassen. § 376d RVO enthalte keine zwingende Regelung für den Fall, daß eine Rahmenvereinbarung nicht zustande komme (§ 376d Abs 1 Satz 1: "Zur Sicherung einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln schließen die Krankenkassen oder die hierzu bevollmächtigten Verbände Vereinbarungen mit den Leistungserbringern über die Erbringung der Leistungen und deren Preise"). Auch aus der öffentlichen Aufgabe folge noch nicht der öffentlich-rechtliche Charakter. Hier gehe es nicht um eine Regelung der öffentlich-rechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber den Anspruchsberechtigten selbst, sondern um die Beschaffung von außerhalb stehenden Anbietern, was zwar letztlich der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Fürsorgepflicht diene, der Vertrag erfahre dadurch aber noch keinen öffentlich-rechtlichen Charakter. Allein der Umstand, daß der Leistungserbringer bei der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Versorgungspflicht mitwirke, verleihe dem Beschaffungsgeschäft noch keinen öffentlich-rechtlichen Charakter. Das Beschaffungsgeschäft sei vom gesetzlichen Versicherungsverhältnis zu trennen; die öffentliche Hand benötige auch Waren und Leistungen, für deren Beschaffung ihr hoheitliche Mittel nicht zur Verfügung stünden. Sie müsse sich daher in diesem Bereich auf privatrechtlicher Ebene versorgen. Die RVO habe für die Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln keine Regelung getroffen. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, daß sich die Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts vollziehen solle. Damit sei auch die Zulassung nach Privatrecht zu regeln. Die öffentliche Hand sei daher auch bei der Auswahl des Vertragspartners für ein fiskalisches Hilfsgeschäft grundsätzlich an das Privatrecht, insbesondere an das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gebunden. Zwar müsse sie auch hier gewisse Bindungen und Schranken beachten, die für Privatpersonen nicht gelten, und die Auswahl werde auch durch die hoheitlichen Aufgaben beeinflußt werden. Diese besondere Bindung ändere jedoch nichts an der Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

Wie ersichtlich, enthält der Beschluß zwei tragende Rechtssätze:

1. Da die RVO für die Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln keine Regelung getroffen habe, habe das Gesetz hierdurch zum Ausdruck gebracht, daß sich die Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts vollziehen solle; damit sei auch die Zulassung nach Privatrecht zu regeln.

2. Die gesetzliche Aufgabe der Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln sei ein bloßes fiskalisches Hilfsgeschäft wie beim Einkauf von Waren durch die Behörde (- also etwa eines Besens für die Reinigung der Räume oder von Kohlen zur Heizung -).

Da an diesen Beschluß zwar nicht der herausgeforderte Gesetzgeber, wohl aber der Senat gebunden ist, war der eingeschlagene Rechtsweg als unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit unter Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Urteile auf Antrag des Klägers an das Landgericht Bonn zu verweisen. einem Filialbetrieb für die Versorgung der Ersatzkassenmitglieder mit orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln zuzulassen ist. Der Kläger ist Meister im Orthopädie-, Chirurgiemechaniker- und Bandagistenhandwerk (BIV) und Inhaber eines Sanitätshauses in Mülheim/Ruhr. Er ist mit diesem Betrieb für die Lieferung von orthopädischen Hilfsmitteln an die Mitglieder der Ersatzkassen durch den Beklagten zugelassen. Der Zulassung liegt ein (Rahmen-) Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen eV einerseits und dem Bundesinnungsverband für das Orthopädie-, Chirurgiemechaniker- und Bandagistenhandwerk andererseits vom 21. August 1959 zugrunde. In diesem Vertrag werden allgemein die Voraussetzungen der Versorgung von Versicherten mit orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln durch Bandagisten-, Orthopädie- und Chirurgiemechanikermeister geregelt (§ 1 Abs 1 des Vertrages). Zur Belieferung und Versorgung werden danach nur solche Personen zugelassen, die bestimmte fachliche Voraussetzungen erfüllen und für deren Zulassung ein Bedürfnis besteht (§ 2 Abs 1). Nach § 3 des Vertrages ist die Zulassung eine persönliche; sie gilt nur für den vom Antragsteller angegebenen Betriebssitz. Filialbetriebe bedürfen danach einer besonderen Zulassung. Der Filialbetrieb soll grundsätzlich (Ausnahme: § 3 Abs 3 des Vertrages) von einem Meister geleitet werden. Über den Zulassungsantrag, dem eine Erklärung über die Zustimmung zum Rahmenvertrag beizufügen ist, entscheidet nach § 2 Abs 2 des Vertrages der Beklagte bzw dessen örtliche Gliederung. Der Kläger hat im Oktober 1981 die Zulassung eines Filialbetriebs in Essen-Kettwig beantragt. Er hat mitgeteilt, daß die Filiale von einer Verkäuferin geleitet werden soll und daß er selbst nur an bestimmten Tagen anwesend sein werde. Mit Schreiben vom 18. Januar 1982 lehnte der Ortsausschuß Essen des Beklagten den Zulassungsantrag für die Filiale mit der Begründung ab, daß nach dem Vertrag (§ 3 Abs 1) ein Meister dauernd dem Filialbetrieb zur Verfügung stehen müsse, dh eine sogenannte "Meisterpräsenz" vorgeschrieben sei. Auf die Klage vor dem Sozialgericht (SG) auf Zulassung seines Filialbetriebs zur Belieferung und Versorgung der Ersatzkassenmitglieder hat der Beklagte eingewandt, der Vertrag und die auf ihm beruhenden Rechtsverhältnisse zwischen den Ersatzkassen und den einzelnen Betrieben seien privatrechtlicher Natur, so daß die Klage mangels Zuständigkeit des SG als unzulässig abzuweisen sei. Durch Zwischenurteil vom 13. Dezember 1982 hat das SG den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit für gegeben erklärt. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 1. Juni 1983 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 51 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie des § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Er verweist darauf, daß der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung "Lieferantenverträge" der hier vorliegenden Art dem Privatrecht zugeordnet habe.

Der Senat hat das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorgelegt, weil er in der Zuständigkeitsfrage von einer Entscheidung des BGH abweichen wollte (§§ 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes -RechtsprEinhG-). Der Senat wollte dahin entscheiden, daß Leistungsbeschaffungsverträge, die von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung (im folgenden "Krankenkassen") bzw ihren Verbänden einerseits und den Leistungserbringern von orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln bzw ihren Vereinigungen andererseits zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten geschlossen werden, öffentlich-rechtliche Verträge sind und bei Streitigkeiten aus diesen Verträgen der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs 1 SGG gegeben ist. Der Senat sah sich hieran durch das nachfolgend genannte Urteil des BGH gehindert. Der BGH hat in diesem Urteil vom 26. Oktober 1961 - KZR 1/61 - (BGHZ 36, 91f), bei dem es um die Zulassung eines Betriebes zur Belieferung von Krankenkassenmitgliedern mit Gummistrümpfen ging - unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung vom 15. Dezember 1960 ("Apotheken-Urteil" - BGHZ 34, 53, 64) -, den Rechtssatz aufgestellt, daß die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Lieferanten von Heilmitteln nicht dem öffentlichen Recht, sondern dem Privatrecht angehörten. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, zwischen den Krankenkassen einerseits und den Lieferanten von Heilmitteln oder ihren Verbänden andererseits würden Verträge "auf der Grundlage rechtlicher Gleichordnung" abgeschlossen. Daß die Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten eine öffentlich-rechtliche Fürsorgepflicht hätten, hindere sie nicht, mit Dritten, auf die sich die Fürsorgepflicht nicht erstrecke, privatrechtliche Hilfsgeschäfte zur Beschaffung von Heilmitteln einzugehen. Der Antrag eines Lieferanten auf Zulassung zur Belieferung und Versorgung von Anspruchsberechtigten einer Krankenkasse sei als Angebot zum Abschluß eines bürgerlich-rechtlichen Vertrags anzusehen.

In seinem Vorlagebeschluß vom 12. März 1985 (SGb 1986, 28 mit zust Anmerkung von Narr = NJW 1985, 2784 = JZ 1986, 476 mit Besprechungsaufsatz von Schulin = KVRS A-9800/1 = USK 8543) hat das Bundessozialgericht (BSG) folgendes ausgeführt:

Der Streit um die Zulassung zu dem System der (Sachleistungs-) Versorgung mit orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln sei, wie sich aus zahlreichen Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergebe, eine "Angelegenheit der Sozialversicherung" iS des § 51 SGG ("Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung,..."). Diese (Zulassungs-) Angelegenheit sei öffentlich-rechtlicher Natur, weil die Beklagte als Handlungsorgan öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger über die streitige Zulassung in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben zu entscheiden habe, wie sie - die Beklagte - auch den Abschluß des der Streitigkeit zugrundeliegenden Rahmenvertrages in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben abgeschlossen habe; eines Vertrages, der nicht nur als solcher gesetzlich vorgeschrieben, sondern der auch inhaltlich vom Gesetz mitbestimmt werde. Die öffentlich-rechtliche Natur der Aufgabe ergebe sich n i c h t n u r nach den äußeren Kriterien des Ortes der Regelungsmaterie, nämlich weil sie integraler Bestandteil des unbestritten öffentlich-rechtlichen Sozialrechts und in der RVO als einem Gesetz mit unbestritten öffentlich-rechtlicher Materie geregelt sei, s o n d e r n a u c h aus dem spezifischen Charakter der beteiligten Normen, daß sie nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers mit Hilfe eigens dafür geschaffener Organe unbedingt durchgesetzt werden sollen. Wurde vom Gesetzgeber aber etwas als öffentlich-rechtliche Aufgabe angesehen und zu ihrer Realisierung entsprechende Organe betraut, dann könnten solche öffentlich-rechtlichen Aufgaben naturgemäß nur öffentlich-rechtlich erfüllt werden. Davon würden als A u s n a h m e n weder fiskalische Hilfsgeschäfte gelten können, weil sie eben für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe nicht "wesentlich" seien, noch solche Fälle in Betracht kommen, wo der Verwaltungsträger den gesetzlichen Zweck offensichtlich auch in anderen als den vom Gesetz vorgeschriebenen Formen erfüllen könne (- zB Privatkauf unter Vermeidung einer Enteignung -), wo aber das öffentlich-rechtliche Zweckinstrument gerade nicht eingesetzt werde, so daß es sich in beiden Fallgruppen um bloße Schein-Ausnahmen handele. Zumindest aber habe der Satz zu gelten, daß eine öffentlich-rechtliche Aufgabe i m Z w e i f e l auch öffentlich-rechtlich erfüllt werde. So sei auch der zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben abgeschlossene Allgemeinvertrag vom 21. August 1959 öffentlich-rechtlicher Natur; der Abschluß sei im Verhältnis zur öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung w e s e n t l i c h , insofern handele es sich nicht etwa um ein bloßes fiskalisches Hilfsgeschäft, bei dem es gerade nicht um eine Konkretisierung des gesetzlichen Auftrags gehe. Der Gesichtspunkt der G l e i c h o r d n u n g der Vertragspartner aber, den der BGH seiner Entscheidung ausdrücklich als Kriterium zugrundegelegt habe, könne zur Verneinung des öffentlich-rechtlichen Charakters eines Vertrages jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden, zu dem der Gesetzgeber im § 54 Abs 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bzw in dem wortgleichen § 53 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) den öffentlich-rechtlichen Vertrag gesetzlich normiert und in den Gesetzesmotiven zum Ausdruck gebracht habe, daß zur Abgrenzung zwischen dem privatrechtlichen und dem öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht mehr die sogenannte Subjektionstheorie angewendet werden könne, die Abgrenzung vielmehr allein nach dem Gegenstand der vertraglichen Regelung zu erfolgen habe.

Der zuständige Senat des BGH - Kartellsenat - hat sich dahin geäußert, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten (vgl § 14 RechtsprEinhG).

Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat am 10. April 1986 dagegen wie folgt beschlossen (GmS-OGB 1/85):

Für Klagen auf Zulassung zur Belieferung von Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln aufgrund eines Vertrages zwischen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung oder ihren Verbänden mit Leistungserbringern ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

Als Begründung wurde ausgeführt:

Der streitige Rahmenvertrag diene zwar der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben und sei auch in der RVO geregelt. Daraus lasse sich jedoch noch nicht seine öffentlich-rechtliche Natur entnehmen. Die einschlägigen Vorschriften der RVO enthielten keinerlei Hinweise auf die hoheitliche Natur der Beschaffungstätigkeit der Krankenkassen. § 376d RVO enthalte keine zwingende Regelung für den Fall, daß eine Rahmenvereinbarung nicht zustande komme (§ 376d Abs 1 Satz 1: "Zur Sicherung einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln schließen die Krankenkassen oder die hierzu bevollmächtigten Verbände Vereinbarungen mit den Leistungserbringern über die Erbringung der Leistungen und deren Preise"). Auch aus der öffentlichen Aufgabe folge noch nicht der öffentlich-rechtliche Charakter. Hier gehe es nicht um eine Regelung der öffentlich-rechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber den Anspruchsberechtigten selbst, sondern um die Beschaffung von außerhalb stehenden Anbietern, was zwar letztlich der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Fürsorgepflicht diene, der Vertrag erfahre dadurch aber noch keinen öffentlich-rechtlichen Charakter. Allein der Umstand, daß der Leistungserbringer bei der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Versorgungspflicht mitwirke, verleihe dem Beschaffungsgeschäft noch keinen öffentlich-rechtlichen Charakter. Das Beschaffungsgeschäft sei vom gesetzlichen Versicherungsverhältnis zu trennen; die öffentliche Hand benötige auch Waren und Leistungen, für deren Beschaffung ihr hoheitliche Mittel nicht zur Verfügung stünden. Sie müsse sich daher in diesem Bereich auf privatrechtlicher Ebene versorgen. Die RVO habe für die Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln keine Regelung getroffen. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, daß sich die Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts vollziehen solle. Damit sei auch die Zulassung nach Privatrecht zu regeln. Die öffentliche Hand sei daher auch bei der Auswahl des Vertragspartners für ein fiskalisches Hilfsgeschäft grundsätzlich an das Privatrecht, insbesondere an das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gebunden. Zwar müsse sie auch hier gewisse Bindungen und Schranken beachten, die für Privatpersonen nicht gelten, und die Auswahl werde auch durch die hoheitlichen Aufgaben beeinflußt werden. Diese besondere Bindung ändere jedoch nichts an der Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

Wie ersichtlich, enthält der Beschluß zwei tragende Rechtssätze:

1. Da die RVO für die Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln keine Regelung getroffen habe, habe das Gesetz hierdurch zum Ausdruck gebracht, daß sich die Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts vollziehen solle; damit sei auch die Zulassung nach Privatrecht zu regeln.

2. Die gesetzliche Aufgabe der Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln sei ein bloßes fiskalisches Hilfsgeschäft wie beim Einkauf von Waren durch die Behörde (- also etwa eines Besens für die Reinigung der Räume oder von Kohlen zur Heizung -).

Da an diesen Beschluß zwar nicht der herausgeforderte Gesetzgeber, wohl aber der Senat gebunden ist, war der eingeschlagene Rechtsweg als unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit unter Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Urteile auf Antrag des Klägers an das Landgericht Bonn zu verweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657997

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