Beteiligte

…, Klägerin und Revisionsklägerin

Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Hamburg, Nagelsweg 27-35, Beklagte und Revisionsbeklagte

Bundesrepublik Deutschland

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin nach Beendigung eines unbezahlten Urlaubs wieder krankenversicherungspflichtig geworden ist.

Die 1959 geborene Klägerin war von Juni 1979 bis Ende März 1989 als Verwaltungsangestellte bei einem Bundesministerium versicherungspflichtig beschäftigt und seit 1984 Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Zur Betreuung ihrer im Dezember 1987 geborenen Tochter erhielt sie vom 1. April 1989 bis zum 31. März 1990 unbezahlten Sonderurlaub. Als dieser endete, war die Klägerin schwanger. Am 2. April 1990, einem Montag, wurde sie für diesen und den nächsten Tag wegen einer Plazentainsuffizienz arbeitsunfähig krank geschrieben, am 4. April 1990 begann die Mutterschutzfrist. Das zunächst für die Zeit vom 1. bis 3. April 1990 gezahlte Arbeitsentgelt forderte die Arbeitgeberin wieder zurück, nachdem wegen der vorzeitigen Entbindung feststand, daß die Sechswochenfrist für die Gewährung von Mutterschaftsgeld bereits am 29. März 1990 begonnen hatte. Die Klägerin erhielt sodann von ihrem Arbeitgeber für die Zeit vom 1. April bis zum 5. Juli 1990 einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 35,85 DM täglich. Den am 11. April 1990 gestellten Antrag der Klägerin, sie mit Wirkung vom 1. April 1990 als Pflichtmitglied zu führen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Juni 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1991 ab, weil wegen nicht erbrachter Arbeitsleistung eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nicht entstanden sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 11. Juli 1991 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland mit Urteil vom 21. Januar 1993 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. In der Zeit seit dem 1. April 1990 sei trotz des weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Pflichtmitgliedschaft der Klägerin weder nach § 192 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erhalten geblieben noch nach § 186 Abs 1 SGB V neu entstanden. Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn bereits seit dem 29. März 1990 Mutterschutz bestanden habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 186 Abs 1 SGB V.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG vom 21. Januar 1993 und das Urteil des SG vom 11. Juli 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1991 aufzuheben und festzustellen, daß sie seit dem 1. April 1990 Pflichtmitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland hat sich zur Sache nicht geäußert.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist; denn die Klägerin war im April 1990 und der darauf folgenden Zeit nicht Pflichtmitglied der Beklagten.

Die Klägerin war nach den Feststellungen des LSG vor Beginn ihres unbezahlten Urlaubs am 1. April 1989 versicherungspflichtig beschäftigt. Ihre Versicherungspflicht, die auf § 5 Abs 1 Nr 1 des seit dem 1. Januar 1989 geltenden SGB V beruhte, endete aus Anlaß des unbezahlten Urlaubs. Entfallen nämlich die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift, endet auch die darauf beruhende Mitgliedschaft. Solches galt schon nach dem vor dem 1. Januar 1989 geltenden Recht für die Versicherungspflicht Beschäftigter (§ 165 Abs 1 Nrn 1 oder 2 iVm Abs 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung [RVO]). Dies war zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergab sich aber aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift über den Beginn der Mitgliedschaft (§ 306 Abs 1 RVO; § 186 Abs 1 SGB V). Wie danach die Mitgliedschaft mit dem Tage des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung begann, so endete sie mit dem Tage des "Austritts" aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung. Nach dem hier anzuwendenden § 190 Abs 2 SGB V endet die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis endet. Mit dieser Vorschrift sollte nicht inhaltlich neues Recht gesetzt, sondern die frühere, sich aus der entsprechenden Anwendung des § 306 Abs 1 RVO ergebende Rechtslage bestätigt werden (vgl Begründung zu § 199 Abs 2 des Entwurfs eines Gesundheits-Reformgesetzes, BT-Drucks 11/2237 S 216). Zwar wird in § 190 Abs 2 SGB V nicht wie in § 306 Abs 1 RVO und § 186 Abs 1 SGB V auf die "Beschäftigung", sondern auf das "Beschäftigungsverhältnis" abgestellt. Damit kann aber nicht das Bestehenbleiben der Mitgliedschaft bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auch dann gemeint sein, wenn zuvor die Beschäftigung aufgegeben wurde und die Entgeltlichkeit entfallen ist. Vielmehr ist mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses in § 190 Abs 2 SGB V nur der Regelfall der Beendigung von Versicherungspflicht und Mitgliedschaft durch Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses gemeint, ohne daß damit eine frühere Beendigung bei Entfallen eines entscheidenden Elementes der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden sollte. Damit aber waren bei der Klägerin die Versicherungspflicht und - abgesehen von etwaigen Erhaltenstatbeständen (§ 192 Abs 1 SGB V) - die Mitgliedschaft beendet, als infolge des unbezahlten Urlaubs die Beschäftigung nicht mehr ausgeübt und Entgelt nicht mehr gezahlt wurde.

An dieser versicherungsrechtlichen Beurteilung ändert das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses während des unbezahlten Urlaubs nichts. Die Versicherungspflicht und die Mitgliedschaft hängen nicht allein vom Bestehen eines Arbeitsvertrages ab, sondern davon, daß die gesetzlichen Vorschriften über Versicherungspflicht und Mitgliedschaft erfüllt sind. Ist nämlich für den Beginn der Versicherungspflicht und der Mitgliedschaft nach § 186 Abs 1 SGB V der Eintritt in die (versicherungspflichtige entgeltliche) Beschäftigung, dh in der Regel der Tag der tatsächlichen Aufnahme der Arbeit und nicht etwa nur der arbeitsvertraglich für die Arbeitsaufnahme vereinbarte Tag maßgebend, so muß auch das Ende der Versicherungspflicht und der Mitgliedschaft in der Regel schon eintreten, wenn ein Element des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses, also die Beschäftigung oder die Entgeltlichkeit oder beide Elemente nicht mehr gegeben ist. Dieses wird durch § 192 Abs 1 SGB V (früher: § 311 Satz 1 RVO) bestätigt, wonach die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten bleibt, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Entgeltzahlung, längstens für einen Monat fortbesteht (Nr 1) oder solange bestimmte Leistungen gewährt wurden (Nrn 2 und 3). Denn wenn schon bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis ohne Beschäftigung und Entgeltzahlung die Kassenmitgliedschaft erhalten bliebe, wäre die in § 192 Abs 1 SGB V getroffene Regelung überflüssig und hinsichtlich der Monatsfrist des § 192 Abs 1 Nr 1 SGB V unerklärlich.

War die Klägerin somit grundsätzlich vom Beginn des unbezahlten Urlaubs an (1. April 1989) nicht mehr krankenversicherungspflichtig, so kam für sie nur noch eine erhaltene Mitgliedschaft iS des § 192 SGB V in Betracht. Etwaige Erhaltenstatbestände nach dieser Regelung reichten jedoch nicht bis zum Tag der geplanten Wiederaufnahme der Beschäftigung (1. bzw 2. April 1990). Dieses ist den Ausführungen des LSG im Zusammenhang zu entnehmen und entspricht der Gesetzeslage. Denn gemäß § 192 Abs 1 Nr 1 SGB V wäre die Mitgliedschaft allenfalls für den auf den 31. März 1989 folgenden Monat, dh bis zum 30. April 1989, erhalten geblieben. Ein Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bis April 1990 wegen Bezuges von Mutterschafts- oder Erziehungsgeld nach der Geburt des Kindes Ende 1987 nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V in der ursprünglichen, bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung kam schon wegen der zeitlichen Begrenzung dieser Leistungen nicht in Betracht. Denn Mutterschaftsgeld wird nach der Entbindung nur für höchstens zwölf Wochen gezahlt (§ 13 des Mutterschutzgesetzes [MuSchG] iVm § 200 Abs 3 RVO), Erziehungsgeld konnte nach der hier maßgeblichen bis 31. Dezember geltenden Fassung des § 4 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) nur bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes gewährt werden, bei der Klägerin demnach nicht über die Jahresmitte von 1989 hinaus. Sofern es sich bei dem Urlaub um einen nach gesetzlichen Vorschriften gewährten Erziehungsurlaub gehandelt haben sollte, führte dies nach der hier maßgeblichen, von 1989 bis 1991 geltenden Fassung des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ebenfalls nicht zum Erhalt der Mitgliedschaft. Dieses gilt vielmehr erst vom 1. Januar 1992 an; von diesem Zeitpunkt an ist neben dem Bezug von Erziehungsgeld auch die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ein die Mitgliedschaft erhaltender Tatbestand (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V idF des Art 3 des Zweiten Änderungsgesetzes des BErzGG vom 6. Dezember 1991 [BGBl I 2142]). Eine Ausdehnung der gesetzlichen Erhaltenstatbestände aus allgemeinen familienpolitischen Gründen ist im Wege der Rechtsanwendung nicht zulässig, weil das Gesetz die Erhaltenstatbestände, auch die familienpolitischen, eingehend und abschließend geregelt hat. Der nach § 192 Abs 2 SGB V unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehene Erhalt der Pflichtmitgliedschaft Schwangerer ua bei Beurlaubung unter Wegfall des Arbeitsentgelts kommt bei der Klägerin nicht in Betracht, weil § 192 Abs 2 SGB V voraussetzt, daß die Schwangerschaft im Zeitpunkt der Beurlaubung bestanden haben muß, nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG die Klägerin aber erst etwa im August 1989, also mehrere Monate nach Beginn des Sonderurlaubs schwanger geworden ist. Schließlich scheidet auch ein Erhalt der Pflichtmitgliedschaft nach der für Ersatzkassen noch bis Ende 1995 bestehenden Sonderregelung des § 190 Abs 12 SGB V aus, weil danach die Mitgliedschaft eines nicht mehr Pflichtversicherten bei Nichterklärung des Austritts nur als freiwillige Mitgliedschaft fortgeführt wird (§ 190 Abs 12 Satz 2 iVm Abs 3 Satz 2 SGB V).

Eine Versicherungspflicht der Klägerin und eine Mitgliedschaft bei der Beklagten haben nach dem Ende des unbezahlten Urlaubs Anfang April 1990 nicht neu begonnen. Am Montag, dem 2. April 1990, sollte die Klägerin zwar nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Beschäftigung gegen Entgelt wieder aufnehmen. Deswegen allein lebten aber ihre Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) und die Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht wieder auf. Denn wenn die Versicherungspflicht geendet hat und die Mitgliedschaft nicht mehr fortgesetzt worden ist, ist das Krankenversicherungsverhältnis abgeschlossen. Es besteht nicht etwa latent weiter. Vielmehr muß es neu begründet werden. Dazu müssen alle Voraussetzungen, die für den erstmaligen Eintritt der Versicherungspflicht erforderlich sind, erneut gegeben sein, nämlich die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V und der Eintritt in die Beschäftigung nach § 186 Abs 1 SGB V, dh im Regelfall die Aufnahme der Arbeit. Von letzterem hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung zu § 306 Abs 1 RVO, die wegen der weitgehenden Übereinstimmung dieser Vorschrift mit § 186 Abs 1 SGB V nach wie vor maßgebend ist, bestimmte Ausnahmen zugelassen und trotz Nichtaufnahme der tatsächlichen Arbeit Versicherungspflicht bejaht: Bei einem Unfall des Arbeitnehmers auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme (BSGE 26, 124 = SozR Nr 3 zu § 306), bei einem Gastarbeiter, der nach Aushändigung der Arbeitspapiere an den Arbeitgeber und nach Unterbringung auf dem Werksgelände einen Unfall erlitten hatte (BSGE 29, 30 = SozR Nr 4 zu § 306 RVO), bei fristgerechter Kündigung durch den Arbeitgeber vor Arbeitsantritt und Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit bis zum Wirksamwerden der Kündigung (BSGE 36, 161, 164 = SozR Nr 73 zu § 165 RVO), bei nahtloser Überführung eines versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses in ein beim selben Arbeitgeber bestehendes reguläres und ebenfalls versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, zu dessen Beginn jedoch Arbeitsunfähigkeit bestand (BSGE 48, 235 = SozR 2200 § 306 Nr 5). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt bei der Klägerin nicht vor. Sie hat am Montag, dem 2. April 1990 (Tag der vereinbarten Wiederaufnahme der Arbeit), ihre Arbeit wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht tatsächlich aufgenommen. Zwar ist das die Arbeitsunfähigkeit bescheinigende ärztliche Attest erst im Laufe dieses Tages, möglicherweise sogar nach dem Zeitpunkt der vereinbarten Wiederaufnahme der Arbeit ausgestellt worden. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG bestand aufgrund dieses Attestes aber die Arbeitsunfähigkeit bereits am Beginn dieses Tages. In einem solchen Fall beginnen Versicherungspflicht und Mitgliedschaft auch dann nicht, wenn die grundsätzlich erforderliche Arbeitsaufnahme daran scheitert, daß der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist (so: BSG SozR 2200 § 306 Nr 10; BSG USK 8201; Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1994 - 12 RK 17/92, zur Veröffentlichung bestimmt). Diese Auslegung des § 186 Abs 1 SGB V trägt dem Versicherungsprinzip Rechnung. Denn dazu, daß die Versicherung in der Regel erst mit der Arbeitsaufnahme beginnen und erst danach bei Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld begründen kann, steht es in Widerspruch, eine Versicherung entstehen zu lassen, wenn die Arbeitsaufnahme an der Arbeitsunfähigkeit scheitert.

Etwas anderes gilt nicht deswegen, weil an der Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs möglicherweise nicht mehr festzuhalten ist. Zwar hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. Mai 1993 (BSGE 72, 221, 224, 225 = SozR 3-2200 § 165 Nr 10) die Kritik an dieser Rechtsfigur als gewichtig bezeichnet und die Frage offengelassen, ob an ihr festzuhalten ist. Selbst wenn die Rechtsprechung zum mißglückten Arbeitsversuch aber aufgegeben würde, wäre das auf die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ohne Einfluß. Beim mißglückten Arbeitsversuch wird nämlich der Eintritt der Versicherungspflicht verneint, obwohl die Arbeit tatsächlich aufgenommen worden ist. Jedenfalls hierauf kann nach dem Gesetz für das Eintreten von Versicherungspflicht grundsätzlich nicht verzichtet werden.

Das Ergebnis ändert sich auch nicht dadurch, daß die Klägerin vom Zeitpunkt der beabsichtigten Aufnahme der Arbeit Anfang April 1990 an wegen Arbeitsunfähigkeit für mindestens sechs Wochen Entgeltfortzahlung erhalten hätte, wenn dieser Anspruch nicht durch eine Zahlung von Mutterschaftsgeld ausgeschlossen worden wäre (vgl BAGE 10, 7; BAG AP Nr 7 zu § 14 MuSchG 1968). Eine derartige Regelung sieht der bis zum 31. Dezember 1994 geltende § 616 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Angestellte wie die Klägerin (vgl hierzu BAGE 24, 107, 110; BAG AP Nrn 86 und 87 zu § 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes [LFZG]) und ab 1. Januar 1995 § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (Art 53 des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 [BGBl I 1014]) einheitlich für Arbeiter und Angestellte vor. Im Gegensatz dazu verliert nach der am 31. Dezember 1994 auslaufenden entsprechenden Regelung des § 1 Abs 1 Satz 1 LFZG ein Arbeiter den Anspruch auf Arbeitsentgelt nur dann nicht, wenn er "nach Beginn der Beschäftigung" durch Arbeitsunfähigkeit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird (zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten vgl BAG AP Nr 72 zu § 1 LFZG). Ein Anspruch auf Entgeltzahlung mag erst recht bestehen, wenn unbezahlter Urlaub bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gewährt wird und der Angestellte am Tage der beabsichtigten Wiederaufnahme der Arbeit arbeitsunfähig erkrankt ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Gesetzgeber dieser arbeitsrechtlichen Lösung jedoch bis heute nicht gefolgt, sondern verlangt nach wie vor den Eintritt in die Beschäftigung, also grundsätzlich deren Aufnahme, die dementsprechend auch für den Wiederbeginn von Versicherungspflicht und Mitgliedschaft zu verlangen ist. Scheitert sie an krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, so kann sie durch die arbeitsrechtliche Entgeltzahlung nicht ersetzt werden; vielmehr tritt Versicherungspflicht nicht ein, und auch die Mitgliedschaft beginnt nicht. Die Rechtsprechung ist an die gesetzliche Regelung gebunden, nach welcher der Eintritt in die Beschäftigung Voraussetzung für den Beginn der Mitgliedschaft und mithin für das Entstehen von Versicherungspflicht ist.

Für die Klägerin spricht auch nicht, daß ihr Sonderurlaub an einem Samstag endete und deshalb der Wiederbeginn ihrer Beschäftigung gegen Entgelt auf den arbeitsfreien Sonntag fiel. Im Gesetz ist nicht eindeutig geregelt, ob bei Beginn des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses an einem arbeitsfreien Tage die Versicherungspflicht und die damit verbundene Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse an diesem Tage oder an dem nächstfolgenden Arbeitstage beginnt, an dem die Arbeit tatsächlich aufgenommen wird. In der Praxis wird in solchen Fällen angenommen, daß Versicherungspflicht und Mitgliedschaft schon mit dem arbeitsfreien Tag beginnen (GesamtKomm, Bd 3, § 186 SGB V Anm 4). Sofern an dem betreffenden arbeitsfreien Tage ein Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt bereits besteht, hält der Senat diese Praxis dann für rechtlich zulässig, wenn am nächstfolgenden Arbeitstag die Arbeit tatsächlich aufgenommen wird. Insoweit besteht eine Regelungslücke. Anscheinend hat der Gesetzgeber bei der Ausdehnung der ursprünglich nur für Arbeiter vorgesehenen Krankenversicherungspflicht auf die Angestellten die für diese typische, für den Arbeiter aber früher untypische monatliche Entgeltzahlung bei der Regelung des Beginns der Mitgliedschaft ungewollt nicht berücksichtigt. Die Lücke kann durch entsprechende Anwendung des § 186 Abs 1 SGB V geschlossen werden. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nämlich, daß der Gesetzgeber bei vereinbarungsgemäßem Eintritt in die Beschäftigung Versicherungspflicht und Mitgliedschaft bereits vor diesem Eintritt beginnen läßt; denn liegt der Eintritt in die Beschäftigung im Laufe des (Arbeits-)Tages, bei Spätschicht (22 Uhr) sogar an dessen Ende, bestehen Versicherungspflicht und Mitgliedschaft vom Beginn des betreffenden Tages an, dh ab 0.00 Uhr. Wer dagegen die Arbeit an dem betreffenden (Arbeits-)Tage nicht aufnimmt, tritt in der Regel nicht gemäß § 186 Abs 1 SGB V in die Beschäftigung ein und ist jedenfalls an diesem Tage nicht pflichtversichert. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 186 Abs 1 SGB V in den Fällen, in denen wie hier das Beschäftigungsverhältnis an einem arbeitsfreien Sonntag beginnen soll, beginnen Versicherungspflicht und Mitgliedschaft nur, wenn der Arbeitnehmer am nächstfolgenden Arbeitstag in die Beschäftigung eintritt. Damit wird auch sichergestellt, daß Personen, die die vereinbarte entgeltliche Beschäftigung nicht aufnehmen, nicht unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis an einem Arbeitstag oder an einem arbeitsfreien Tage beginnt. Da die Klägerin an dem auf den arbeitsfreien Sonntag folgenden Tag nicht in die Beschäftigung eingetreten ist, konnte sie selbst dann nicht versicherungspflichtig und Mitglied der Beklagten werden, wenn sie am Sonntag (1. April 1990), an dem das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis wieder beginnen sollte, arbeitsfähig war.

Schließlich folgt eine im April 1990 entstandene Pflichtmitgliedschaft der Klägerin nicht daraus, daß sie vor dem vom Arzt angegebenen Zeitpunkt entbunden wurde und ihr infolgedessen das für sechs Wochen vor der Entbindung zu zahlende Mutterschaftsgeld (§ 13 Abs 2 MuSchG iVm § 200 Abs 3 RVO) sowie der Zuschuß des Arbeitgebers dazu (§ 14 MuSchG) rückwirkend bereits ab 29. März 1990 erhielt. Der Bezug von Mutterschaftsgeld begründet selbst keine Pflichtmitgliedschaft. Er ist lediglich imstande, eine unmittelbar vorher bestehende Pflichtmitgliedschaft zu erhalten (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V). Bei der Klägerin bestand aber unmittelbar vor Bezug des Mutterschaftsgeldes eine solche Mitgliedschaft nicht. Eine Pflichtmitgliedschaft der Klägerin ist Anfang April 1990 auch nicht dadurch zustande gekommen, daß für die Klägerin etwa wegen der verfrühten Entbindung schon ab 29. März 1990 ein Arbeitsverbot für werdende Mütter nach § 3 Abs 2 MuSchG bestanden hätte. Dabei kann dahingestellt werden, ob eine Pflichtmitgliedschaft zustande kommt, wenn in einem Beschäftigungsverhältnis am ersten Arbeitstag bereits ein solches Beschäftigungsverbot besteht. Denn bei der Klägerin bestand ein derartiges Verbot erst seit dem 4. April 1990. Dieser Zeitpunkt ergab sich aus dem Zeugnis des Arztes über den voraussichtlichen Termin der Entbindung, das nach § 5 Abs 2 Satz 1 MuSchG für die Berechnung der Mutterschutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG maßgebend ist. Irrt sich - wie hier - der Arzt über diesen Zeitpunkt, verkürzt oder verlängert sich das Beschäftigungsverbot für werdende Mütter entsprechend. Diese Regelung, die sich von der entsprechenden für das Mutterschaftsgeld (§ 13 MuSchG iVm § 200 Abs 3 Satz 4 RVO) dadurch unterscheidet, daß sie bei zu spät angenommener Entbindung eine Verkürzung der Sechswochenfrist vorsieht, hat hier zur Folge, daß die Mutterschutzfrist nicht rückwirkend schon am 29. März 1990 beginnen konnte (vgl BSG SozR 2200 § 200 Nr 3 S 12; ferner zu der entsprechenden Problematik beim Kündigungsschutz Schwangerer: BAG AP Nr 15 zu § 9 MuSchG 1968).

Die Revision der Klägerin konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Haufe-Index 517698

BB 1995, 1596

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