Entscheidungsstichwort (Thema)

KVdR - Versorgungsbezüge - betriebliche Altersversorgung - Beitragspflicht - Beitragsfreiheit - einmalige Leistung - laufende Leistung - Kapitalisierung - Direktversicherung - Unterscheidung - Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Beitragsrecht der KVdR verstößt die Unterscheidung zwischen einmaligen und laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Bestätigung von BSG vom 18.12.1984 - 12 RK 36/84 = BSGE 58, 10 = SozR 2200 § 180 Nr 25).

 

Normenkette

RVO § 385; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; SGB V § 237 Fassung 1988-12-20; RVO § 180 Abs. 5 Fassung 1981-12-01; SGB V § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; RVO § 180 Abs. 8 S. 2 Nr. 5 Fassung 1981-12-01

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 16.01.1992; Aktenzeichen VI KRBf 2/91)

SG Hamburg (Entscheidung vom 12.12.1990; Aktenzeichen 22 KR 2/84)

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Bezügen aus einer Pensionskasse bei der Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Die Klägerin ist seit 1980 als Rentnerin versicherungspflichtig und Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Neben ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält sie einen "Firmenzuschuß" und eine Pension von der "Pensionskasse B. ", einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, dessen Mitglieder die mit der deutschen U. -Gruppe verbundenen Unternehmen und deren der Pensionskasse beigetretene Arbeitnehmer sind. Die Beiträge zur Pensionskasse werden je zur Hälfte von den Mitgliedsunternehmen und den Arbeitnehmern aufgebracht. Die von der Klägerin bezogene Alterspension wird ab Vollendung des 60. Lebensjahres, frühestens ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses und der Gehaltszahlung gewährt. Sie betrug monatlich 610,30 DM bis zum 30. Juni 1983 und danach zunächst 628,60 DM. Der Firmenzuschuß belief sich zur gleichen Zeit auf monatlich 846,60 DM bzw 847,60 DM, die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf monatlich 1.747,80 DM bzw 1.845,30 DM.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1983 (Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1983) entschied die Beklagte, daß neben dem Firmenzuschuß auch die Pension der Klägerin mit einem (damaligen) Beitragssatz von 5,95% beitragspflichtig sei. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts vom 12. Dezember 1990; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 16. Januar 1992). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Pension der Klägerin sei eine Rente der betrieblichen Altersversorgung, die zu den einer Rente vergleichbaren Einnahmen und somit zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen gehöre. Insoweit habe sich am 1. Januar 1989 an der Rechtslage nichts geändert. Die Beitragspflicht sei auch verfassungsgemäß. Insbesondere verstoße sie trotz der Beitragsfreiheit von einmaligen Versorgungsleistungen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil ausreichende sachliche Gründe für die Differenzierung sprächen. Ein einmaliger Kapitalbetrag sei mit einer laufenden Rente nicht vergleichbar und werde häufig nicht zur Deckung des laufenden Lebensunterhalts verwendet. Nur die laufenden Bezüge seien ein Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten. Daran ändere auch die Gleichbehandlung laufender und einmaliger Versorgungsleistungen im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung nichts. Im übrigen könne ein eventueller Gleichheitsverstoß bei der Orientierung der KVdR an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zur Beitragsfreiheit von laufenden Bezügen aus der betrieblichen Altersversorgung führen; er sei daher für die Entscheidung unerheblich.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Die behauptete unterschiedliche Verwendung einmaliger bzw laufender Bezüge (Konsum bzw Lebensunterhalt) sei im Rahmen des Gleichheitsgebots kein Argument. Maßgebend sei der von den Beteiligten übereinstimmend gewollte Zweck der Altersversorgung. Einmalzahlungen hätten in der betrieblichen Altersversorgung erhebliches wirtschaftliches Gewicht (ca 4 Millionen Direktversicherungen) und seien daher auch mit den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar, obwohl diese grundsätzlich als laufende Zahlungen gewährt würden. Einmalzahlungen müßten infolgedessen in die Beitragspflicht einbezogen werden; dieses würde zu einer Entlastung der übrigen Beitragszahler, also auch ihrer eigenen (der Klägerin) Beitragslast führen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Januar 1992, das

Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Dezember 1990 und den Bescheid

der Beklagten vom 18. Februar 1983 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 1983 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Senat ist durch die fehlende Beiladung der Pensionskasse an einer sachlichen Entscheidung nicht gehindert, weil die umstrittene Beitragspflicht nur die Rechtssphäre der Klägerin betrifft und Fragen des Beitragseinzugs nicht Gegenstand des Verfahrens sind (BSGE 70, 105 = SozR 3-2500 § 229 Nr 1).

Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die von der Klägerin bezogene Alterspension beitragspflichtig ist. Für die Zeit vor dem 1. Januar 1989 richtet sich dies nach der Reichsversicherungsordnung (RVO); für die Zeit danach gelten die insoweit inhaltsgleichen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der Fassung des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477).

Die Klägerin ist nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V bzw Art 56 Abs 2 GRG) in der KVdR versicherungspflichtig. Seit dem 1. Januar 1983 sind in der KVdR außer den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 385 Abs 1 Satz 1 iVm § 180 Abs 5 Nr 2, Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO auch Renten der betrieblichen Altersversorgung beitragspflichtig. Der Beitragssatz bestimmt sich nach § 385 Abs 2a Satz 1 Halbs 1 RVO. Die genannten Vorschriften gelten nach § 514 Abs 2 RVO auch für die als Rentner versicherungspflichtigen Mitglieder von Ersatzkassen. An dieser Regelung hat sich durch das GRG nichts geändert (vgl § 237 Satz 1 Nr 2, § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5, § 248 Abs 1 SGB V).

Die Pension der Klägerin ist eine Rente der betrieblichen Altersversorgung, was von ihr nicht in Zweifel gezogen wird und sich in Übereinstimmung mit der hierzu vorliegenden Rechtsprechung (vgl BSG SozR 2200 § 180 Nr 40; BSGE 70, 105 = SozR 3-2500 § 229 Nr 1) aus den unangefochtenen Feststellungen des LSG ergibt. Danach stand der Erwerb des Rentenanspruchs in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis der Klägerin zu einem Unternehmen der U. -Gruppe. Die Rente ist in den Voraussetzungen den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar und hängt der Höhe nach vom Gehalt aus dem Arbeitsverhältnis ab. Diese Merkmale kennzeichnen die Alterspension der Klägerin als rentenähnlich, so daß sie von der Beitragspflicht nach den genannten Vorschriften erfaßt wird. Darüber hinaus handelt es sich um eine Leistung iS des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG), denn die Pensionskasse ist als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die Versorgungsbezüge auf Grund von Rechtsansprüchen gewährt (vgl § 1 Abs 3 BetrAVG). In einem solchen Fall ist die Einordnung als beitragspflichtig iS des § 180 Abs 5 Nr 2, Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO nicht zweifelhaft (vgl BSG SozR 3-2500 § 229 Nr 3).

Anders als die Klägerin hat der Senat gegen die von der Beklagten festgestellte Beitragspflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn veranlassen könnten, die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen. Maßstab ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, der dem Gesetzgeber verbietet, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muß also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen braucht der Gesetzgeber allerdings nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller Fälle besorgt zu sein (BVerfGE 87, 234, 255 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 30 mwN). Das BVerfG hat für die KVdR bereits ausgesprochen, daß der Gleichheitssatz nicht deswegen verletzt wird, weil neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Einnahmen (dort eine Beamtenpension) zur Beitragsberechnung herangezogen werden. Denn es entspreche dem Solidaritätsprinzip, Versicherte nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Beiträgen zu belasten (BVerfGE 79, 223 = SozR 2200 § 180 Nr 46). Daß dieser Grundsatz auch die Beitragspflicht von Renten der betrieblichen Altersversorgung rechtfertigt, wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

Die unterschiedliche Behandlung von laufenden sowie von kapitalisierten laufenden Versorgungsbezügen einerseits und von einmaligen Versorgungsleistungen andererseits kann den Senat ebenfalls nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften über die Beitragspflicht überzeugen. Der Gleichheitssatz vermag weder die Beitragsfreiheit der von der Klägerin bezogenen laufenden Leistung noch einen Anspruch der selbst nicht betroffenen Klägerin auf Einbeziehung von einmaligen Leistungen in die Beitragspflicht zu rechtfertigen. Der Senat hat im Urteil vom 8. Dezember 1988 (BSG SozR 2200 § 180 Nr 47) ausgesprochen, daß laufende Leistungen anders als einmalige dazu dienen, das für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen zu erhöhen. In einer früheren Entscheidung vom 18. Dezember 1984 (BSGE 50, 10 = SozR 2200 § 180 Nr 25) hat er darauf hingewiesen, daß bei der nachträglichen Umwandlung laufender Bezüge in einmalige eine vorbeugende Regelung gegen die Umgehung der Beitragspflicht dringlicher sein könnte als bei von vornherein vereinbarten Einmalzahlungen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Aus der zitierten Entscheidung des BVerfG zieht er darüber hinaus den Schluß, daß laufende Leistungen iS des BetrAVG, die auch auf Beitragszahlungen des Arbeitgebers beruhen, wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung von der Beitragspflicht in der KVdR nicht ausgenommen werden dürfen. Das BVerfG hat aus dem Solidaritätsprinzip abgeleitet, daß die Beiträge versicherungspflichtiger Rentner, die neben ihrer Rente vergleichbare, der Altersversorgung dienende Einnahmen haben, nicht allein nach der Höhe der Rente bemessen werden dürfen. Es sei eindeutig unbillig, die Beiträge für den vollen Krankenversicherungsschutz nach einer niedrigen Rente zu bemessen, während die Einnahmen, welche die eigentliche Lebensgrundlage bildeten, beitragsfrei blieben. Vor allem gebe es keinen sachlichen Grund dafür, die durchschnittlich höheren Kosten für die KVdR von den in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Mitgliedern auch für solche Rentner mittragen zu lassen, die durch ihre Altersversorgung insgesamt wirtschaftlich besser als der Durchschnitt der beschäftigten Mitglieder dastehen (vgl BVerfGE 79, 223, 237f = SozR 2200 § 180 Nr 46 S 199f). Rentner, die wie die Klägerin neben der Rente nicht unerhebliche Einkünfte aus einer betrieblichen Altersversorgung beziehen, können insoweit nicht anders behandelt werden als Rentner, bei denen wie im Verfahren vor dem BVerfG Rente und Beamtenpension zusammentreffen, zumal das BVerfG seine Ausführungen nicht auf diesen Personenkreis beschränkt hat. Solange die KVdR beitragspflichtig ist, muß die Beitragspflicht daher bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen auch die Pension der Klägerin erfassen; auch der Gesetzgeber könnte sie ohne Verletzung des Gleichheitssatzes nicht beseitigen. Die Klägerin selbst geht mithin zu Recht davon aus, daß sie weder die Befreiung ihrer Pension von der Beitragspflicht noch eine entsprechende Verpflichtung des Gesetzgebers erreichen kann.

Für eine weitergehende verfassungsrechtliche Überprüfung fehlt der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis. Denn das für die Klägerin günstigste Ergebnis wäre unter diesen Umständen das verfassungsrechtliche Gebot, daß auch von vornherein als solche vereinbarte Einmalleistungen der betrieblichen Altersversorgung in die Beitragspflicht einbezogen werden müßten. Wenn und solange dieses nicht geschieht, wird die Klägerin dadurch nicht in ihren eigenen Rechten betroffen, weil sich an ihrer Beitragspflicht nichts ändert. Das gilt selbst dann, wenn die Behauptung zuträfe, daß sich ihre eigene Beitragslast bei einer Ausdehnung der Beitragspflicht auf die genannten Einmalleistungen mindern würde. Der Zusammenhang zwischen der eigenen Beitragslast und der angestrebten Beitragslast der Versicherten mit Einmalleistungen ist lediglich ein Rechtsreflex und daher nicht einklagbar. Anderenfalls könnten Versicherte ihre Beitragsbescheide auch sonst mit der Begründung anfechten, die Krankenkasse erhebe von anderen Versicherten die Beiträge nicht vollständig. Sie müßten uU sogar Beitragsbescheide gegenüber einem anderen Versicherten mit der Begründung anfechten können, die Beiträge seien zu niedrig festgesetzt. Dieses würde über das Rechtsschutzinteresse an der Wahrnehmung eigener Rechte hinausgehen und in Popularklagen münden. Der Senat hat insofern bereits entschieden, daß ein Arbeitgeber seine Beitragspflicht für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht mit der Behauptung zu mindern suchen kann, mit einem Teil der Beiträge würden angeblich verfassungswidrige Leistungen finanziert (BSGE 57, 184 = SozR 2200 § 385 Nr 10). Dem entspricht die Unzulässigkeit der Klage eines Versicherten auf Unterlassung bestimmter Ausgaben zugunsten anderer Versicherter (BSGE 60, 248 = SozR 1500 § 54 Nr 67; BVerfGE 78, 320 = SozR 1500 § 54 Nr 86).

Aber selbst wenn man den Gesetzgeber an die von ihm selbst beschlossene Beitragspflicht für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in dem Sinne für gebunden hält, dabei jedenfalls alle diejenigen Leistungen zu erfassen, die für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen erheblich sind, und man trotz der angeführten Rechtsprechung der Klägerin das Recht einräumt, einen entsprechenden Verfassungsverstoß geltend zu machen, kann ihre Revision keinen Erfolg haben oder zu einer Vorlage an das BVerfG führen. Denn die der gesetzlichen Regelung zugrundeliegende Einschätzung, daß Einmalleistungen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der allermeisten Rentner nur geringe wirtschaftliche Bedeutung haben, wird durch die bisher vorliegenden statistischen Erhebungen bestätigt. Die Zahl der Umwandlungen von laufenden Zahlungen in Einmalzahlungen sowie die Zahl der von vornherein vereinbarten Einmalzahlungen hat sich nach der Einführung der Beitragspflicht nur unwesentlich erhöht. 1984 hatten von den Beschäftigten mit einer betrieblichen Altersversorgung in der Industrie rund 6% und im Handel rund 5% (auch) eine Zusage auf eine Kapitalleistung; seit 1981 war in beiden Bereichen etwa 1% der Beschäftigten von der Umstellung oder Neueinführung einer betrieblichen Altersversorgung mit Ansprüchen auf Kapitalleistungen betroffen (Unterrichtung des Bundestags durch die Bundesregierung vom 2. Januar 1985, BT-Drucks 10/2681 S 8f, 21ff). Ein ähnlicher Verbreitungsgrad wurde 1986 bei den aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmern ermittelt: Zwar hatten etwa 9% der zwischen 65 und 85 Jahre alten Männer eine einmalige Kapitalleistung erhalten; bei den knapp doppelt so vielen Frauen war der Prozentsatz jedoch so gering, daß er statistisch nicht verwertbar war (Forschungsbericht Alterssicherung in Deutschland 1986, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1992, Zusammenfassender Bericht, S 173f). Unter diesen Umständen ist das Gestaltungsermessen des Gesetzgebers durch eine wirtschaftlich bedeutsame Ausweitung der Zusagen von Einmalzahlungen derzeit nicht weiter eingeschränkt, als dies im Urteil des Senats vom 18. Dezember 1984 (BSGE 58, 10, 15 = SozR 2200 § 180 Nr 25 S 94) angenommen wurde. Denn obwohl diese Erhebungen schon einige Jahre zurückliegen, sind ihnen keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die 1983 gemachten Annahmen durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt sein könnten. Mögliche weitere Veränderungen sollte der Gesetzgeber freilich auch künftig im Auge behalten.

Im übrigen darf die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht auf die Häufigkeit von Einmalzahlungen verengt werden; ebenso wichtig wie die von der Klägerin angeführte Zahl von über 4 Millionen Direktversicherungen, bei denen es sich nicht ausschließlich um Kapitalversicherungen zu handeln braucht, ist die durchschnittliche Höhe der erbrachten Leistungen. Die zuletzt genannte Erhebung ergab für das Jahr 1986 einen durchschnittlichen Kapitalbetrag von rund 25.000 DM (Forschungsbericht Alterssicherung aaO); für die im Jahre 1992 noch laufenden Kapitalversicherungen zugunsten von insgesamt 3,9 Millionen Personen wird ein durchschnittlicher Betrag von knapp 50.000 DM in der Einzelversicherung und von knapp 30.000 DM in der Gruppenversicherung genannt (Betriebliche Altersversorgung 1993, 81). Würde aus diesen Beträgen eine Pension wie diejenige der Klägerin finanziert, wäre das Kapital einschließlich Verzinsung spätestens nach 10 Jahren verbraucht, so daß von einer echten Versorgungsleistung nicht gesprochen werden kann (so auch allgemein für Kapitalleistungen eine Untersuchung aus den Jahren 1980 bis 1982: Forschungsbericht Zukünftige Rentengenerationen, Anwartschaften in der Alterssicherung der Geburtsjahrgänge 1920 - 1955, herausgegeben 1986 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, S 165). Ferner würde eine Beitragserhebung häufig an der Geringfügigkeitsklausel (§ 381 Abs 2 Satz 3, 4 RVO, § 226 Abs 2 iVm § 237 Satz 2 SGB V) scheitern, weil sich bei einer Verteilung verhältnismäßig niedriger Kapitalleistungen auf mehrere Jahre (etwa auf höchstens zehn Jahre entsprechend § 180 Abs 8 Satz 4 RVO, § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V) nur geringe Monatsbeträge ergäben. Dieses läßt Zweifel daran aufkommen, ob die Einführung einer Beitragspflicht auch für die von vornherein als solche vereinbarten Einmalleistungen den damit verbundenen Aufwand rechtfertigen würde. Soweit es sich wie bei der Klägerin um laufende Leistungen nach dem BetrAVG handelt, ist der Arbeitgeber überdies nach § 16 BetrAVG verpflichtet, alle drei Jahre die Anpassung der laufenden Leistungen zu überprüfen. Der Versorgungsempfänger kann in diesem Fall mit einer wertbeständigen Erhöhung seiner laufenden Einnahmen rechnen, während eine Einmalzahlung außer bei einem sehr hohen Betrag einen wirtschaftlich vergleichbaren Vorteil nicht bietet. Dieser Unterschied macht sich auch dann bemerkbar, wenn eine laufende Versorgung durch eine einmalige Zahlung abgefunden ("kapitalisiert") wird, denn in der Regel wird der in der Anpassungsverpflichtung liegende wirtschaftliche Vorteil die Abfindungssumme erhöhen (zur diesbezüglichen Verpflichtung Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG Stand: Juni 1993, § 16 RdNr 3399f).

Da die Beklagte und die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, daß die Pension der Klägerin zur Beitragsbemessung heranzuziehen ist, muß die Revision zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

RegNr, 21755 (BSG-Intern)

BetrAV 1995, 256-258 (ST1)

DOK 1995, 157-158 (KT)

EWiR 1995, 497 (L)

USK, 94152 (T)

WzS 1995, 54 (T)

Die Beiträge 1995, 433-439 (LT1)

EzS, 55/174 (T)

NZS 1995, 177-179 (LT1)

SozR 3-2500 § 229, Nr 4 (LT1)

ZfS 1995, 101 (KT)

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