Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.12.1986)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 1986 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die 1952 geborene Klägerin wendet sich dagegen, daß die Beklagte ihr die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) und von Arbeitslosenhilfe (Alhi) versagt hat, weil sie die erforderlichen Anwartschaftszeiten nicht erfüllt habe.

Sie war als Verkäuferin vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982 für die R. … -W. … -G. … in A. …, vom 1. Januar bis 31. Dezember 1983 für die R. … H. … eG in K. … und vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 für die R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. tätig. Ein schriftlicher Vertrag für die Zeit vor dem 31. Dezember 1982 liegt nicht vor. In einem schriftlichen Anstellungsvertrag mit der R. … H. … eG in K. … vom 12./14. Januar 1983 wurde für die Zeit ab 1. Januar 1983 – ohne Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit – ein Brutto-Stundengehalt in Höhe von 8,35 DM vereinbart.

Am 2. Januar 1985 meldete die Klägerin sich beim Arbeitsamt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Sie bot Teilzeitarbeit mit 20 Wochenstunden vormittags an, da ab 13.00 Uhr keine Möglichkeit der Betreuung ihres achtjährigen Sohnes durch eine andere Person gegeben sei. In einer Arbeitsbescheinigung vom 8. Januar 1985 hatte die R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1984 eine wöchentliche Arbeitszeit von 19,50 Stunden vermerkt. Die Deutsche Angestellten Krankenkasse, Bezirksgeschäftsstelle A. … (DAK), teilte unter dem 7. Februar 1985 mit, daß die Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982 von der Arbeitslosenversicherung befreit gewesen sei. Das Arbeitsamt lehnte daraufhin die Gewährung von Alg und Alhi mit der Begründung ab, die Klägerin habe innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist bzw im Jahr vor der Arbeitslosmeldung in einem kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und aus diesem Grunde nicht die erforderlichen Anwartschaftszeiten von 360 bzw 150 Kalendertagen erfüllt (Bescheid vom 14. Februar 1985). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe im Jahre 1983 sechs Monate und im Jahre 1984 sieben Monate mehr als 20 Stunden wöchentlich gearbeitet. Außerdem seien vom 1. Januar 1983 bis 30. Juni 1984 regelmäßig Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden. Mit Schreiben vom 14. März 1985 überreichte die R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. eine Aufstellung über die von der Klägerin insgesamt geleisteten Arbeitsstunden. Danach überschritt die Klägerin den für 20 wöchentliche Arbeitsstunden maßgebenden Monatsdurchschnitt von 86,67 Stunden in der zweiten Jahreshälfte 1980 zwei Monate, in den Jahren 1981 und 1982 jeweils vier Monate und in den Jahren 1983 und 1984 jeweils sechs Monate lang. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 27. März 1985).

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 5. Februar 1986). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Dezember 1986). In den Entscheidungsgründen heißt es: Ein Anspruch auf Alg oder Alhi setze voraus, daß die Anwartschaftszeit erfüllt sei (§§ 101 Abs 1, 134 Abs 1 Nr 4b Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Diese erfülle, wer für den Anspruch auf Alg in der dreijährigen Rahmenfrist (hier: 1. Januar 1982 bis 31. Dezember 1984) 360 Kalendertage oder wer für den Anspruch auf Alhi im Jahr vor Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen mindestens 150 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden habe (§§ 100 Abs 1, 104 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 und 3, 134 Abs 1 Nr 4b AFG idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 -AFKG-, BGBl I 1497). Nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG seien die Personen zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt seien (Arbeitnehmer), soweit sie nicht nach § 169 AFG beitragsfrei seien. Letzteres sei hier der Fall gewesen; denn die Klägerin habe in einer nach § 169 Nr 6 AFG beitragsfreien kurzzeitigen Beschäftigung gestanden.

Kurzzeitig sei eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflege oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt sei, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt blieben (§ 102 Abs 1 AFG in der bis Ende 1985 geltenden Fassung). Bestünden hinsichtlich der Arbeitszeit vertragliche Vereinbarungen, sei ihnen zu entnehmen, ob die Beschäftigung kurzzeitig sei. Hier seien keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden. Ein schriftlicher Vertrag sei vor Ende 1982 nicht zustande gekommen. Der schriftliche Anstellungsvertrag vom 12./14. Januar 1983 habe keine Regelungen oder Anhaltspunkte über die Arbeitszeit enthalten. Sonstige (neben-)vertragliche oder stillschweigende Abmachungen hätten nicht bestanden. Dem Hinweis in der Arbeitsbescheinigung vom 8. Januar 1985 zur wöchentlichen Arbeitszeit von 19,50 Stunden komme nur indizielle Bedeutung zu. Bei der Frage nach dem Umfang der Arbeitszeit könne auch nicht eine Beschäftigung zugrunde gelegt werden, die der Natur der Sache nach kurzzeitig beschränkt zu sein pflege; denn aus der Verkäufer-Beschäftigung der Klägerin könne nicht von vornherein auf eine Beschränkung ihrer Arbeitszeit auf unter 20 Wochenstunden geschlossen werden. Einer solchen Annahme stünden zumindest die von der Klägerin tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeiten in der hier maßgebenden Zeitspanne entgegen. Damit sei für die Frage, ob die Klägerin kurzzeitig beschäftigt gewesen sei, der (notgedrungen rückwirkend) zu beurteilende tatsächliche Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses ausschlaggebend.

Darüber hinaus erscheine es sachgerecht, bei schwankenden Arbeitszeiten für die Frage der Kurzzeitigkeit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit maßgebend sein zu lassen, wobei gelegentliche Abweichungen geringfügiger Dauer unberücksichtigt zu bleiben hätten. Hiervon ausgehend sei bereits bei Begründung des Beschäftigungsverhältnisses im Juli 1980 die Annahme gerechtfertigt gewesen, daß die Verkäuferinnen-Tätigkeit der Klägerin kurzzeitig sein solle. Darauf deute die familiäre Situation der Klägerin. So habe die Klägerin ihren damals noch nicht schulpflichtigen Sohn nachmittags beaufsichtigen müssen, was mit ihrem Hinweis auf bloße Teilzeitarbeit bei der Antragstellung vom 2. Januar 1985 in Einklang stehe. Weiter sei die Klägerin nach Auskunft der DAK in der Zeit vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982 von der Arbeitslosenversicherung befreit gewesen. Während dieses Zeitraumes seien auch keine Beiträge abgeführt worden, was indizielle Bedeutung für die sich entwickelnden tatsächlichen Arbeitszeitverhältnisse haben könne. Vor allem aber spreche für die Annahme kurzzeitiger Beschäftigung der Klägerin die von der R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. übersandte Aufstellung über die geleisteten Arbeitsstunden. Danach sei der sich für wöchentlich 20 Arbeitsstunden errechnende monatliche Durchschnitt von 86,67 Stunden in der zweiten Jahreshälfte 1980 nur zwei Monate, in den Jahren 1981 und 1982 jeweils nur vier Monate und in den Jahren 1983 und 1984 jeweils nur sechs Monate lang überschritten worden. Diese Überschreitungen seien als gelegentlich und im Vergleich zur langjährigen Beschäftigung als nicht erheblich zu bezeichnen, weil sie sich im langjährigen Beschäftigungsmittel angesichts schwankender und offenbar auch saisonal bedingter Arbeitszeit relativierten. Hierbei sei von Bedeutung, daß der monatliche Arbeitszeit-Durchschnitt lediglich im Sommer 1982 (wie 1981) dreimal hintereinander überschritten worden sei, im übrigen aber alle Monate mit Mehrarbeit durch (zusammenhängende) Arbeitszeitperioden unterbrochen worden seien, die eindeutig unter der Kurzzeitigkeitsgrenze gelegen hätten.

Schließlich stehe dem Ergebnis nicht entgegen, daß vom 1. Januar 1983 bis 30. Juni 1984 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden seien. Nach ständiger Rechtsprechung lasse sich aus fälschlicher Entrichtung von Beiträgen und deren Annahme durch die Beklagte ein Anspruch auf Leistungen nach dem AFG nicht herleiten.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung der §§ 100, 101, 102 und 104 AFG und trägt dazu im wesentlichen vor: Sie habe im Jahre 1982 vier Monate und in den Jahren 1983 und 1984 jeweils sechs Monate eine Arbeitszeit oberhalb der Kurzzeitigkeitsgrenze erreicht. Damit entfalle auf nahezu die Hälfte der Rahmenfrist eine Beschäftigung mit mehr als 20 Wochenstunden. Von gelegentlichen Abweichungen von geringer Dauer, die unberücksichtigt bleiben könnten, könne deshalb keine Rede sein. Dieses aus der nachträglichen Beobachtung des Beschäftigungsverhältnisses gewonnene Ergebnis decke sich mit der Einschätzung der R. … H. … eG in K. …. Ihr als größerer Handelsfirma seien die einschlägigen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts bekannt gewesen. Wenn sie in Kenntnis dieser Bestimmungen über lange Zeit regelmäßig Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zugunsten der Klägerin gezahlt habe, sei sie vorausschauend davon ausgegangen, daß die Grenze der Kurzzeitigkeit überschritten werde und Beitragspflicht bestehe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 1986 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichts der Rechtslage. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hätten hinsichtlich der Arbeitszeit keine Regelungen, sonstigen (neben-)vertraglichen oder stillschweigenden Vereinbarungen bestanden. Deshalb sei ausnahmsweise eine rückwirkende Betrachtung des tatsächlichen Ablaufs des Beschäftigungsverhältnisses zulässig. Nach den vorliegenden Aufzeichnungen der Arbeitgeberin habe die Arbeitszeit der Klägerin monatlichen/jährlichen Schwankungen unterlegen. Demgemäß müsse für die beitragsrechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses eine Durchschnittsberechnung vorgenommen werden. Dabei mache es keinen Unterschied, ob vom Jahresdurchschnitt ausgegangen oder auf einen Dreimonatszeitraum abgestellt werde. Im vorliegenden Fall ergebe die Durchschnittsberechnung – bezogen auf das Jahr – eine Arbeitszeit von unter 20 Stunden wöchentlich. Damit sei die Beschäftigung beitragsfrei gewesen mit der Folge, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Alg oder Alhi erworben habe.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen für eine abschließende Entscheidung darüber, ob der Klägerin ab 1. Januar 1985 Anspruch auf Alg oder Alhi zusteht, nicht aus.

Anspruch auf Alg hat, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat (§ 100 Abs 1 AFG in der hier maßgebenden Fassung des AFKG. Anspruch auf Alhi hat, wer darüber hinaus – ohne einen Anspruch auf Alg zu haben bedürftig ist (§ 134 Abs 1 Nr 3 AFG). Das LSG hat angenommen, daß die Klägerin weder die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch die für einen Anspruch auf Alhi erfüllt habe. Dem kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht beigepflichtet werden.

Die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Alg hat erfüllt, wer in den letzten drei Jahren vor Eintritt der für den Anspruch maßgebenden Arbeitslosigkeit (Rahmenfrist, § 104 Abs 2 und 3 AFG; hier vom 1. Januar 1982 bis 31. Dezember 1984) 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (§ 104 Abs 1 Satz 1). Die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Alhi hat erfüllt, wer innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist), mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können (§ 134 Abs 1 Nr 4b AFG). Die Klägerin stand nach den Feststellungen des LSG vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982 in abhängiger Beschäftigung zur R. … -W. … -G. … in A. …, vom 1. Januar bis 31. Dezember 1983 in solcher zur R. … H. … eG in K. … und vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 in solcher zur R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K.. Diese Beschäftigungen begründeten gemäß § 168 Abs 1 Satz 1 AFG grundsätzlich die Beitragspflicht, soweit die Klägerin nicht nach § 169 AFG oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs 1 AFG beitragsfrei beschäftigt war. Diese Rechtsfolge könnte sich hier nur dann ergeben, wenn die Klägerin kurzzeitig beschäftigt war; Arbeitnehmer in derartigen Beschäftigungen sind nämlich beitragsfrei (§ 169 Nr 6 Satz 1 AFG). Kurzzeitig ist nach § 102 Abs 1 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung (vgl Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 – BGBl I 2484) eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 102 Abs 1 Satz 2 AFG).

Ob eine Beschäftigung kurzzeitig ist, ist zunächst den vertraglichen Vereinbarungen über die Arbeitszeit zu entnehmen. Erst wenn Vereinbarungen hinsichtlich der Arbeitszeit nicht bestehen, ist maßgebend, ob die Beschäftigung der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt (BSG SozR 4100 § 102 Nrn 3 und 4; Urteile vom 19. Juni 1980 – 7 RAr 14/79 – USK 80292 = Dienstblatt R der Beklagten – DBlR 2652a AFG/§ 104, vom 15. Mai 1985 – 7 RAr 22/84 – (unveröffentlicht) sowie vom 28. Oktober 1987 – 7 RAr 28/86 – (demnächst in SozR 4100 § 102 Nr 7); Eckert in Ambs u.a., Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand Juni 1987, § 102 RdZiff 8f; Gagel/Steinmeyer, Komm zum AFG, Stand Juli 1987, § 102 RdZiff 6; Knigge/Ketelsen/ Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 1984, § 102 RdZiff 6). Im vorliegenden Fall ist eine vertragliche Vereinbarung über die Anzahl der wöchentlich zu leistenden Arbeitsstunden nach den Feststellungen des LSG, die für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), nicht zustande gekommen. Der Beschäftigung der Klägerin bei der R. … -W. … -G. … in A. … vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982 lag keine schriftliche Abmachung zugrunde. Die Beschäftigung bei der R. … H. … eG in K. … vom 1. Januar bis 31. Dezember 1983 basierte zwar auf dem schriftlichen Anstellungsvertrag vom 12./14. Januar 1983, der für die Beschäftigung bei der R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 dem Anschein nach weitergalt. Dieser beschränkt sich jedoch auf eine Festlegung des Brutto-Stundengehalts (8,35 DM) und enthält keine Aussage über die wöchentliche Arbeitszeit. Wie das LSG ferner festgestellt hat, existierten zwischen der Klägerin und ihren Arbeitgeberinnen in bezug auf die Arbeitszeit auch keine (neben-)vertraglichen oder stillschweigenden Vereinbarungen.

Kurzzeitig stellte die Beschäftigung der Klägerin sich somit dar, wenn sie der Natur der Sache nach, dh der Art und dem Umfang der anfallenden Verrichtungen sowie den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung nach, auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegte. Obschon der Gesetzeswortlaut des § 102 Abs 1 Satz 1 AFG nicht eindeutig ist, kommt es auch insoweit auf eine vorausschauende Betrachtung an (BSG vom 17. März 1981 – 7 RAr 19/80 – USK 1981, 8159 = DBlR 2676a AFG/§ 104; Gagel/Steinmeyer, aaO, § 102 RdZiff 9; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand April 1987, § 102 Anm 5). Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend ist, welchen Zeitaufwand bei normalem Ablauf der Ereignisse ein Ausführender mit durchschnittlichen Fähigkeiten unter den üblichen Bedingungen benötigt (BSG SozR 4100 § 102 Nrn 3 und 4; BSG vom 28. Oktober 1987, aaO; Gagel/Steinmeyer, aaO, § 102 RdZiff 18, Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 102 Anm 4). Ist mit schwankenden Arbeitszeiten zu rechnen, so muß die vorausssichtlich durchschnittliche Arbeitszeit ermittelt werden, wobei es – sofern wie hier bei der Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses Besonderheiten (zB zeitlich begrenztes Beschäftigungsverhältnis) nicht erkennbar sind – sachgerecht erscheint, einen Zwölf-Monats-Zeitraum zugrunde zu legen (vgl dazu etwa Eckert in Ambs u.a., aaO, § 102 RdZiff 12). Tritt während des Beschäftigungsverhältnisses mit schwankenden Arbeitszeiten eine Änderung oder Neugestaltung der Arbeitsbedingungen ein, greift von diesem Zeitpunkt an eine erneute vorausschauende Bewertung Platz (BSGE 13, 98, 100f).

Eine Feststellung, derzufolge die Beschäftigung der Klägerin auf weniger als 20 Stunden der Natur der Sache nach beschränkt war, hat das LSG nicht getroffen. Es hat im Rahmen dieser Frage weder auf die voraussichtliche Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses im Zeitpunkt seiner Begründung (1. Juli 1980) oder einer eventuellen späteren Neugestaltung abgehoben, noch hat es die voraussichtlich durchschnittliche Arbeitszeit ermittelt, noch hat es den erforderlichen objektiven Prüfungsmaßstab angewandt. Es hat die Frage, ob die Beschäftigung der Klägerin der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden beschränkt zu sein pflegte, vielmehr mit dem Hinweis verneint, aus der Verkäufer-Beschäftigung der Klägerin könne nicht von vornherein auf eine Beschränkung ihrer Arbeitszeit auf unter 20 Wochenstunden geschlossen werden, wenngleich diese Fallgestaltung auf dem Verkäuferinnen-Teilzeitmarkt verbreitet sein möge; einer solchen Annahme stünden zumindest die von der Klägerin tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeiten in der hier maßgebenden Zeitspanne entgegen. Statt dessen hat das LSG (notgedrungen) wie es meint rückwirkend den tatsächlichen Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses zugrunde gelegt. Von diesem Rechtsstandpunkt aus ist es zu dem Ergebnis gelangt, schon bei Begründung des Beschäftigungsverhältnisses am 1. Juli 1980 sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, daß die Verkäuferinnen-Tätigkeit der Klägerin kurzzeitig sein solle. Zur Begründung hat es sich auf die familiäre Situation der Klägerin (Notwendigkeit der Betreuung eines nicht schulpflichtigen Sohnes), auf die Auskunft der DAK vom 7. Februar 1985 (Befreiung von der Arbeitslosenversicherung und Nichtabführung von Beiträgen in der Zeit vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982) sowie auf die Aufstellung der R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. vom 14. März 1985 (Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze im Jahre 1980 in zwei Monaten, in den Jahren 1981 und 1982 in jeweils vier Monaten und in den Jahren 1983 und 1984 in jeweils sechs Monaten) gestützt. Insbesondere mit dem letzten Hinweis auf die tatsächliche zeitliche Entwicklung des Beschäftigungsverhältnisses hat es die gebotene voraussichtliche Schau durch eine nachträgliche Bewertung ersetzt. Das widerspricht der ständigen Rechtsprechung. Zwar kann in Einzelfällen die tatsächliche Erfüllung des Beschäftigungsverhältnisses, wie sie sich aus der rückschauenden Beurteilung ergibt, mit gewürdigt werden, etwa wenn von Anfang an wesentliche Merkmale auf eine kurzzeitige Beschäftigung hindeuten, eine Klärung im voraus aber nicht möglich war (BSGE 13, 98, 102), oder wenn ein von der Erwartung völlig abweichender tatsächlicher Verlauf von der entsprechenden endgültigen Änderung der Verhältnisse an eine neue Beurteilung rechtfertigt (BSG vom 17. März 1981, aaO; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 102 Anm 5). Jedoch hatte das LSG über einen solchen Sachverhalt hier nicht zu entscheiden.

Die bisherigen Feststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung darüber nicht zu, ob die Beschäftigung der Klägerin innerhalb der maßgebenden Fristen der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Wochenstunden beschränkt zu sein pflegte. Die familiäre Situation der Klägerin allein läßt sich nicht für die Notwendigkeit kurzzeitiger Tätigkeit heranziehen. Die Klägerin dürfte ihren damals noch nicht schulpflichtigen Sohn zwar nachmittags (ab 13.00 Uhr) ebenso zu betreuen gehabt haben, wie es gemäß ihren Angaben bei der Arbeitslosmeldung für die Zeit ab 2. Januar 1985 zutraf. Doch schloß das eine mehr als kurzzeitige Tätigkeit an den Vormittagen (zB 5 × 4 Stunden) nicht schlechthin aus, zumal da die Klägerin wochenlang offensichtlich mehr als kurzzeitig tätig gewesen ist. Auch die Arbeitsbescheinigung vom 8. Januar 1985 liefert für die hier erforderliche vorausschauende Betrachtung keine brauchbare Hilfestellung. Sie ist nach Abschluß der Beschäftigung ausgestellt worden und läßt nicht erkennen, ob die wöchentliche Arbeitszeit von 19,50 Stunden von Anfang an ins Auge gefaßt worden war oder sich erst nachträglich ergeben hat.

Nicht anders verhält es sich mit der Auskunft der DAK vom 7. Februar 1985. Danach ist die Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982 von der Arbeitslosenversicherung befreit gewesen. Offengeblieben ist aber, worauf diese Feststellung beruht. Insoweit könnte ein Einblick in die entsprechenden Verwaltungsvorgänge der DAK ggf Aufschluß bringen. Ohne Belang für die hier interessierende Frage der Kurzzeitigkeit ist ferner die Nichtabführung von Beiträgen in der Zeit vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1982 wie umgekehrt die Entrichtung von Beiträgen in der Zeit vom 1. Januar 1983 bis 30. Juni 1984. Denn eine Anwartschaftszeit wird nicht durch Zahlung von Beiträgen, sondern durch Ausübung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung erfüllt (BSGE 44, 193, 197 = SozR 4100 § 118 Nr 4; SozR 4100 § 168 Nr 10, Urteile vom 19. Juni 1980 und 17. März 1981, aaO). Auffällig bleibt indes, daß der für 20 wöchentliche Arbeitsstunden maßgebende Monatsdurchschnitt von 86,67 Stunden in den Jahren 1981 und 1982, als die Klägerin für die R. … -W. … -G. … in A. … tätig war, nur in jeweils vier Monaten erreicht wurde, während er in den Jahren 1983 und 1984, als die Klägerin für die R. … H. … eG in K. … und die R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. arbeitete, in jeweils sechs Monaten erreicht wurde. Dies könnte sich daraus erklären, daß mit Wirkung ab 1. Januar 1983 aufgrund Arbeitgeberwechsels und neuen Anstellungsvertrages vom 12./14. Januar 1983 geänderte Arbeitsbedingungen eintraten. Wäre das der Fall, müßte von diesem Zeitpunkt an eine neue vorausschauende Betrachtung angestellt werden. Sie sähe wegen der in den Jahren 1983 und 1984 zunehmenden Überschreitung des Monatsdurchschnittes von 86,67 Stunden möglicherweise anders aus als die vorausschauende Bewertung vom 1. Juli 1980.

Auf keinen Fall ist die Betrachtungsweise zu billigen, welche die Beklagte anhand der von der R. … -W. … -Z. … Rh. … eG in K. mit Schreiben vom 14. März 1985 eingereichten Aufstellung über die von der Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 1980 bis 31. Dezember 1984 tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vorgenommen hat. Die Berücksichtigung dieser nachträglichen Aufzeichnungen hat nicht allein zu einer unzulässigen nachträglichen Betrachtung verleitet; sie hat auch mögliche zwischenzeitliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen unberücksichtigt gelassen. Statt dessen wäre eine Anhörung der Beteiligten des Beschäftigungsverhältnisses zu Art und Umfang der Aufgabenstellung sowie zu den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung aus der vorausschauenden Perspektive angezeigt gewesen, und zwar möglicherweise getrennt für die Zeit ab 1. Juli 1980 und 1. Januar 1983 (sowie ggf ab 1. Januar 1984). An den entscheidenden Tatsachen, die einer solchermaßen anzustellenden Prognose zugrunde liegen, fehlt es bislang.

Da der Senat die erforderlichen Ermittlungen nicht selbst durchführen kann, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174480

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