Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Urteil vom 06.12.1989; Aktenzeichen L 2/1 Ka 4/87)

 

Tenor

Die Revision der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 6. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 1) hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger als Belegarzt des St. Elisabeth-Krankenhauses in Z. … (Rheinland-Pfalz) anzuerkennen hat.

Der als Frauenarzt in B. … (Saarland) niedergelassene Kläger ist zur kassen- und vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Mai 1987 beantragte er die Anerkennung als Belegarzt und legte dazu eine Bescheinigung des St. Elisabeth-Krankenhauses in Z. … vor, wonach er nach Umstrukturierung der dortigen Hauptfachabteilung Gynäkologie in eine Belegabteilung 5 bis 8 Betten belegen könne. Die mittlerweile eingerichtete Belegabteilung ist in den Krankenhausplan des Landes Rheinland-Pfalz aufgenommen.

Die Beklagte hat den Antrag abgelehnt und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie sich auf eine Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) bezogen. Darin ist ausgeführt worden, die für die Anerkennung des Klägers sprechenden Gesichtspunkte müßten gegenüber der schwierigen Situation im saarländischen Krankenhausbereich – Bettenüberhang und überdurchschnittlich lange Verweildauer – zurücktreten. Im Widerspruchsbescheid hat sich die Beklagte diese Auffassung zu eigen gemacht.

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Belegarzt des St. Elisabeth-Krankenhauses in Z. … anzuerkennen. Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, auch die Beigeladene zu 1) sei durch das Urteil des SG beschwert. Die beabsichtigte stationäre Tätigkeit bilde nicht das Schwergewicht der Gesamttätigkeit des Klägers. Soweit ersichtlich, übe er keine Nebentätigkeit aus, liege auch in seiner Person kein wichtiger Grund vor, der der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen stationären Versorgung der Patienten entgegenstehe, und solle der Kläger nur in einem Krankenhaus tätig sein. Die Wohnung oder Praxis des Klägers sei nicht so weit von dem Krankenhaus entfernt, daß die ordnungsgemäße Versorgung der von ihm ambulant und stationär zu betreuenden Versicherten nicht gewährleistet sei. Im Rahmen des Verfahrens über die Anerkennung des Belegarztes seien als bedarfsplanerische Kriterien allein die Zugehörigkeit des Krankenhauses zum Kreis der in § 371 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Krankenhäuser und die Aufnahme der gynäkologischen Abteilung in den Krankenhausplan zu beachten. Der Einwand der Beigeladenen zu 1) und 2), daß eine Anerkennung der Belegarzttätigkeit des Klägers in Z. … die ordnungsgemäße stationäre Behandlung gefährden würde, weil sie den Zielen des saarländischen Krankenhausplans entgegenstünde, sei unbeachtlich. Eine belegärztliche Tätigkeit sei nicht schon allein deshalb verboten, weil das Krankenhaus in einem anderen Bundesland liege als der Kassenarztsitz. Nicht ersichtlich sei, daß der Krankenhausplan für das Land Rheinland-Pfalz wegen eines Verstosses gegen das Planungsermessen unwirksam wäre.

Die Beigeladene zu 1) hat Revision eingelegt. Sie macht geltend, durch die Bezugnahme auf § 371 RVO im Belegarztvertrag solle sichergestellt werden, daß auch die stationäre kassenärztliche Versorgung nur im Rahmen einer bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Krankenhausplanung stattfinden könne;

dies sei nur dann gewährleistet, wenn auf den für den Zulassungsort des Antragstellers maßgeblichen Krankenhausbedarfsplan abgestellt werde.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) und die Beklagte beantragen,

die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 6. Dezember 1989 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 23. November 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte (gemischte Besetzung) entschieden. In dem Rechtsstreit geht es um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts iS des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG. Der Senat geht dabei von dem zur Zeit seiner Entscheidung geltenden Recht aus. Mit der Klage begehrt der Kläger eine durch die Entscheidung zu bestimmende Verpflichtung der Beklagten, die Anerkennung vom Zeitpunkt des Urteils an auszusprechen; der Kläger will keine rückwirkende Anerkennung erreichen (vgl Urteil des Senats vom 13. März 1991 – 6 RKa 33/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die kassen- und die vertragsärztliche Versorgung ist nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht eine gemeinsame Aufgabe der Krankenkassen und der Ärzte (§ 72 Abs 1 und Abs 3 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – ≪SGB V≫; BSG SozR 2200 § 368e Nr 10). Nur soweit es lediglich um den engeren Bereich der Beziehungen zwischen Ärzten geht, handelt es sich um Angelegenheiten der Kassenärzte (BSG SozR 1500 § 12 Nr 6). Kassenärzte im Sinn der Bestimmung des § 12 Abs 3 Satz 2 SGG sind auch die Vertragsärzte. Bestehen begründete Zweifel an der Zugehörigkeit zu den Angelegenheiten der Kassenärzte, so ist nach dem Grundsatz die gemischte Besetzung geboten (Urteil des Senats vom 10. Mai 1990 – 6 RKa 27/89 –, SozR 3-2500 § 106 Nr 2).

Soweit der Kläger Anerkennung als Belegarzt für die Behandlung von Versicherten der sog Primärkassen begehrt, folgt die Zuordnung des Rechtsstreits zu den Angelegenheiten des Kassenarztrechts daraus, daß nach den Bestimmungen des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) vom 28. September 1990 (DÄBl 1990 A-3238) über die Anerkennung als Belegarzt im Einvernehmen mit den Krankenkassen zu entscheiden ist. Das Gericht hat im vorliegenden Rechtsstreit darüber hinaus auch insoweit in gemischter Besetzung zu entscheiden, als es die vertragsärztliche Tätigkeit betrifft. Allerdings ist nach dem ab 1. Oktober 1990 geltenden Arzt/Ersatzkassen-Vertrag (EKV-Ärzte) – DÄBl 1990 A-2910 – nur eine Stellungnahme des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK)/des Verbandes der Arbeiter-Ersatzkassen e.V. (AEV) und bei unterschiedlichen Auffassungen eine gemeinsame Erörterung (§ 18 Abs 3 und 4 EKV-Ärzte) vorgesehen. Es bestehen aber begründete Zweifel, ob diese Regelung wirksam ist. Nach § 121 Abs 1 SGB V wirken nämlich die Vertragsparteien nach § 115 Abs 1 SGB V gemeinsam mit Krankenkassen und zugelassenen Krankenhäusern auf eine leistungsfähige und wirtschaftliche belegärztliche Behandlung der Versicherten hin; die Verträge nach § 115 Abs 1 SGB V regeln ua die Förderung des Belegarztwesens. Daraus könnte gefolgert werden, daß nicht im EKV-Ärzte, sondern nur in Verträgen nach § 115 Abs 1 SGB V zu regeln wäre, ob über den Krankenhausplan hinaus bei der Anerkennung als Belegarzt Bedarfsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Im EKV-Ärzte könnte dann möglicherweise nicht abschließend geregelt werden, wer über die Anerkennung zu entscheiden hat. Im vorliegenden Fall stellt sich die Bedarfsfrage, da die Beklagte ihre Entscheidung aufgrund der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) auf den Bettenüberhang und die überdurchschnittliche Verweildauer im Saarland gestützt hat.

Die Revision der Beigeladenen zu 1) ist nicht begründet.

Die Anerkennung von Kassen- und Vertragsärzten als Belegarzt ist im Zehnten Abschnitt des BMV-Ä und in §§ 16 ff EKV-Ärzte abschließend geregelt. Die insoweit zur Besetzung des Gerichts aufgeworfene Frage hinsichtlich der vertragsärztlichen Tätigkeit ist dahin zu beantworten, daß die abschließende Regelung nicht den Verträgen nach § 115 Abs 1 SGB V vorbehalten ist. Ob in diesen Verträgen eine Berücksichtigung des Bedarfs – hier des Bettenüberhangs – über den Krankenhausplan hinaus vorgesehen werden kann, bleibt dahingestellt. Für das Ob und das Wie von Regelungen nach § 115 Abs 2 Nr 1 SGB V über die Förderung des Belegarztwesens besteht jedenfalls ein weiter Beurteilungsspielraum. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß Regelungen über die Anerkennung als Belegarzt notwendigerweise und ausschließlich den Verträgen nach § 115 Abs 1 SGB V vorbehalten sind.

Nach den Bestimmungen des BMV-Ä und des EKV-Ärzte hat der Kläger Anspruch auf die Anerkennung als Belegarzt. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, daß die beabsichtigte belegärztliche Tätigkeit nicht das Schwergewicht der kassen-und vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers bilden wird, daß der Kläger keine Nebentätigkeiten ausübt, die einer ordnungsgemäßen stationären Versorgung von Patienten entgegenstünden, daß beim Kläger nicht wegen eines in seiner Person liegenden wichtigen Grundes die stationäre Versorgung der Patienten beeinträchtigt ist und daß schließlich auch seine Wohnung oder Praxis nicht vom Krankenhaus so weit entfernt liegt, daß die ordnungsgemäße Versorgung der von ihm ambulant und stationär zu betreuenden Versicherten nicht gewährleistet wäre; der Kläger will nur an einem Krankenhaus tätig sein (vgl § 33 BMV-Ä; § 17 EKV-Ärzte).

Ferner sind auch die Voraussetzungen nach § 32 Abs 1 BMV-Ä/§ 16 EKV-Ärzte gegeben. Stationäre kassen- oder vertragsärztliche Behandlung (belegärztliche Behandlung) liegt vor, wenn und soweit das Krankenhaus gemäß § 108 SGB V zur stationären Behandlung der Versicherten zugelassen ist, wenn die Krankenkasse Krankenhausbehandlung gewährt, wenn die stationäre ärztliche Behandlung nach dem zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus bestehenden Rechtsverhältnis nicht aus dem Pflegesatz abzugelten ist und wenn der Kassen-/Vertragsarzt für dieses Krankenhaus anerkannt ist (§ 16 EKV-Ärzte; § 32 Abs 1 BMV-Ä). Zum Ausschluß der Abgeltung aus dem Pflegesatz hat das LSG keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Dies war aber auch nicht erforderlich. Die belegärztliche Behandlung setzt nicht voraus, daß eine ausdrückliche Regelung für das Rechtsverhältnis der Krankenkasse zum Krankenhaus, die Behandlung sei nicht aus dem Pflegesatz abzugelten, getroffen ist.

Durch die Verweisung auf § 108 SGB V wird klargestellt, daß eine belegärztliche Tätigkeit nur an einem Krankenhaus ausgeübt werden darf, das in den Krankenhausbedarfsplan eines Landes aufgenommen ist oder sonst zu den zugelassenen Krankenhäusern gehört. Das LSG hat dazu festgestellt, daß das St. Elisabeth-Krankenhaus mit der gynäkologischen Belegabteilung in den Krankenhausplan des Landes Rheinland-Pfalz aufgenommen ist. Damit sind die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Belegarzt nach den vertraglichen Bestimmungen erfüllt. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Anerkennung. Dies schreiben die Verträge allerdings nicht ausdrücklich vor. Sie lassen aber keinen Raum für Ermessenserwägungen.

Mit den im angefochtenen Bescheid der Beklagten geltend gemachten Gründen kann die Anerkennung des Klägers als Belegarzt nicht versagt werden. Die Forderung, daß die Belegarztanerkennung mit den Zielen der Krankenhausplanung übereinstimmen müsse (Geck DOK 1988, 180, 181, 184), hat weder im Gesetz noch in den vertraglichen Regelungen einen Niederschlag gefunden. Im BMV-Ä/EKV-Ärzte wird lediglich auf § 108 SGB V, dh auf die Notwendigkeit der Zulassung des Krankenhauses, verwiesen.

Der in § 108 SGB V vorausgesetzte Krankenhausplan (in § 371 RVO ungenau als Krankenhausbedarfsplan bezeichnet) wird von den Ländern aufgestellt (§ 6 KHG). Soweit ein Krankenhaus auch für die Versorgung der Bevölkerung anderer Länder wesentliche Bedeutung hat, ist die Krankenhausplanung zwischen den beteiligten Ländern abzustimmen. Das LSG hat festgestellt, es sei nicht ersichtlich, daß bei Erstellung des Krankenhausplanes für das Land Rheinland-Pfalz die demgemäß maßgebenden Grundsätze nicht beachtet worden seien. Deshalb kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, daß für die Belegbetten in der gynäkologischen Abteilung des St. Elisabeth-Krankenhauses kein Bedarf bestehe.

Der Beigeladenen zu 1) ist zwar einzuräumen, daß durch Anerkennung des Klägers als Belegarzt die Ausgangslage für die Krankenhausplanung im Saarland verändert und die Auslastung der saarländischen Krankenhäuser beeinträchtigt wird, weil im Saarland ansässige Patientinnen des Klägers das außersaarländische St. Elisabeth-Krankenhaus aufsuchen werden. Das SGB V enthält aber keinen Hinweis auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieses Interesses bei der Anerkennung als Belegarzt. Insbesondere ist der Versicherte nicht verpflichtet, ein bestimmtes Krankenhaus aufzusuchen. Nach § 39 Abs 2 SGB V muß der Versicherte mit einer Mehrbelastung rechnen, wenn er ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus wählt. Der Arzt hat in der Verordnung von Krankenhauspflege in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben und das Verzeichnis nach § 39 Abs 3 SGB V zu berücksichtigen. Dieses Verzeichnis enthält die Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in der Region. Es ist indessen nicht ersichtlich, daß der Arzt, der einen Versicherten ins Krankenhaus einweist, dabei auch den Bedarf berücksichtigen müßte. Wenn der Bedarf nach dem Willen der Vertragspartner bei der Anerkennung als Belegarzt eine Rolle spielen sollte, hätten sie die Entscheidung darüber nicht abschließend in die Hände der KÄV gegeben, die an der Krankenhausplanung überhaupt nicht mitwirkt. Das von der Beigeladenen zu 1) vertretene Interesse an der Auslastung der saarländischen Krankenhäuser kann nur auf dem durch § 6 Abs 2 KHG vorgezeichneten Weg der Abstimmung der Krankenhausplanung zwischen den beteiligten Ländern geltend gemacht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1174287

AusR 1991, 16

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