Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff Schule

 

Leitsatz (redaktionell)

Der fachlichen Ausbildung dienende Schulen sind nicht nur Fachschulen, sondern auch andere Bildungseinrichtungen, wenn sie (uU neben anderen Angeboten) berufliche Bildungsgänge anbieten, die zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führen.

 

Orientierungssatz

1. Wesentliche Merkmale einer Schule sind der Unterricht durch fachlich vorgebildete Lehrer für eine Mehrzahl von Schülern nach einem bestimmten Lehrplan und für eine längere, im wesentlichen feststehende Dauer (vergleiche BSG vom 25.11.1976 11 RA 146/75 = SozR 2200 § 1262 Nr 9).

2. Versicherungsfreiheit von Personen, die während des Besuches einer privaten Fachschule einer Beschäftigung nachgehen.

 

Normenkette

AVG § 4 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1957-02-23; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 5 Fassung 1975-06-24, § 1228 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-02-23, § 172 Abs. 1 Nr. 5 Fassung 1975-06-24, § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b; AVG § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b; RVO § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Fassung 1975-06-24

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 16.06.1981; Aktenzeichen L 9 Kr 35/80)

SG Berlin (Entscheidung vom 11.04.1980; Aktenzeichen S 75 Kr 170/78)

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine in der Rechtsform einer GmbH geführte private Akademie für Fremdsprachen (Übersetzer- und Dolmetscher-Institut, private Berufsfachschule und Fachschule für Fremdsprachen-Sekretärinnen und Wirtschaftskorrespondenten), bietet die Möglichkeit zum Erlernen und Verbessern fremdsprachlicher Kenntnisse in verschiedenen, nach Umfang und Inhalt unterschiedlichen Formen an. Die beigeladene Frau Z. war seit dem 1. Oktober 1975 in den Fachbereichen 2 (Englisch) und 3 (Französisch) als Studierende eingeschrieben. Ihre wöchentliche Unterrichtszeit betrug anfangs 24, am Ende etwa 30 Stunden. Im Herbst 1976 bestand sie vor der Industrie- und Handelskammer Berlin die Prüfung als Wirtschaftskorrespondentin. Ende 1977 brach sie die weiterführende Ausbildung zur Wirtschaftsdolmetscherin ab. In der Zeit vom 9. August 1976 bis zum 30. September 1977 war sie als Sekretärin bei der Klägerin tätig, und zwar wöchentlich 18 Stunden gegen ein monatliches Bruttogehalt von 630,-- DM.

Aufgrund einer Betriebsprüfung erließ die Beklagte am 10. November 1977 einen Bescheid, in dem sie Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung der Angestellten nachforderte (insgesamt 2.460,08 DM). Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4. April 1978; Urteil des Sozialgerichts -SG- Berlin vom 11. April 1980).

Auf die Berufung der Klägerin und der beigeladenen Frau Z. hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 16. Juni 1981): Die Beigeladene sei in ihrer Tätigkeit als Sekretärin bei der Klägerin nach § 172 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 4 Abs 1 Nr 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) versicherungsfrei gewesen. Die Klägerin sei, jedenfalls soweit sie Ausbildungsgänge anbiete, wie sie von der Beigeladenen durchlaufen worden seien, eine "der fachlichen Ausbildung dienende Schule" im Sinne des Gesetzes. Die Beigeladene sei auch ihrem Status nach Studierende gewesen, weil ihre Arbeitskraft weit überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen worden sei. Die Versicherungsfreiheit der fraglichen Ausbildungsgänge füge sich auch in den Normzusammenhang der §§ 165, 172 und 176, jeweils Abs 1 Nr 5, RVO ein.

Mit der Revision macht die Beklagte geltend, das LSG habe den Begriff einer "der fachlichen Ausbildung dienenden Schule" verkannt. Der Hauptzweck einer solchen Schule müsse in der Vermittlung von Ausbildungen bestehen, die zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führten. Die Tatsache, daß die Klägerin in ihrem Studienprogramm auch berufsqualifizierende Abschlüsse anbiete, verleihe ihrem Schulbetrieb nicht insgesamt Ausbildungscharakter, denn es handele sich dabei nur um Bildungsangebote, die dem Gesamtbetrieb der Klägerin nicht das Gepräge gäben.

Auch die Ausführungen des LSG zum Normzusammenhang seien nicht überzeugend. Aus § 165 Abs 1 Nr 5 RVO und § 176 Abs 1 Nr 5 RVO sei abzulesen, daß nur die - nach diesen Vorschriften geschützten - eingeschriebenen Studenten von staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen versicherungsfrei nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO für Tätigkeiten neben dem Studium seien. Jedenfalls müsse die Ausbildung unter den gleichen Verhältnissen wie bei einer staatlich anerkannten Schule erfolgen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufungen gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich im wesentlichen auf das angegriffene Urteil.

Die Klägerin und die beigeladene Frau Z. haben keine Anträge gestellt.

Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) entschieden wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Die beigeladene Frau Z. war in der streitigen Zeit (9. August 1976 bis 30. September 1977) versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 172 Abs 1 Nr 5 RVO) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 4 Abs 1 Nr 4 AVG); denn sie war in dieser Zeit "ordentliche Studierende" einer der "fachlichen Ausbildung dienenden Schule".

Der Senat vermag der Auffassung der Beklagten, daß zu den fachlicher Ausbildung dienenden Schulen nur (staatlich anerkannte) Fachschulen zu rechnen seien, nicht zu folgen. Hiergegen spricht schon der Wortlaut des Gesetzes, aber auch der Vergleich mit dem Wortlaut anderer einschlägiger Vorschriften.

Der Gesetzgeber hat dort, wo er eine Beschränkung auf bestimmte Schulformen vornehmen wollte, diese ausdrücklich benannt (so in § 176 Abs 1 Nr 5 RVO und § 36 Abs 1 Nr 4 Buchst b AVG = § 1259 Abs 1 Nr 4 Buchst b RVO). In § 172 Abs 1 Nr 5 RVO und § 4 Abs 1 Nr 4 AVG hat er davon abweichend eine Formulierung gewählt, die sich nicht am Status, sondern am Ausbildungsziel der Schule orientiert. Dieser Unterschied im Wortlaut kann nicht ohne zwingende Gründe unbeachtet bleiben. Derartige Gründe sind indes nicht ersichtlich.

Der Gesetzeszusammenhang spricht, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, nicht für eine Begrenzung der Versicherungsfreiheit auf Studierende von Hochschulen und Fachschulen. So werden in der Krankenversicherung deutlich zwei Gruppen von Lernenden unterschieden, nämlich einerseits Studenten der staatlichen und der staatlich anerkannten Hochschulen (für sie gilt die studentische Pflicht-Krankenversicherung, § 165 Abs 1 Nr 5 RVO), und andererseits Schüler von berufsbildenden Schulen (Fachschulen) und bestimmten sonstigen Weiterbildungseinrichtungen; sie haben lediglich ein Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 176 Abs 1 Nr 5 RVO), wenn sie nicht anderweit pflichtversichert sind.

Der in § 172 Abs 1 Nr 5 RVO angesprochene Personenkreis ("Personen... während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer sonstigen der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienenden Schule") deckt sich mit keiner dieser beiden Gruppen. Er erfaßt zwar den Kreis der Hochschulstudenten vollständig, außerdem jedoch auch einen Teil der nach § 176 Abs 1 Nr 5 RVO Versicherungsberechtigten. Daraus ergibt sich: Hochschulstudenten sind kraft Gesetzes versichert. Üben sie während ihres Studiums eine Tätigkeit aus, die an sich nach § 165 Abs 1 Nrn 1 oder 2 RVO versicherungspflichtig wäre, so sind sie nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO in dieser neben dem Studium ausgeübten Beschäftigung versicherungsfrei, sofern sie ihrem Erscheinungsbild nach weiterhin Studenten bleiben (BSGE 50, 25). Besucher von anderen Schulen, "die der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienen", sind zwar nicht gesetzlich versichert, sondern nur versicherungsberechtigt, jedoch in einer Beschäftigung, die sie neben ihrer Ausbildung verrichten, ebenfalls versicherungsfrei. Die Besucher der übrigen in § 176 Abs 1 Nr 5 RVO genannten Schulen stehen den zuletzt genannten Personen insofern gleich, als sie aufgrund des Schulbesuchs nicht versicherungspflichtig, sondern nur versicherungsberechtigt sind; sie sind aber - anders als jene - versicherungspflichtig, wenn sie neben dem Schulbesuch eine Beschäftigung ausüben. Diese Differenzierung der verschiedenen Gruppen läßt keinen Schluß zu, wie die Merkmale einer der "fachlichen Ausbildung dienenden Schule" (§ 172 Abs 1 Nr 5 RVO) zu bestimmen sind; insbesondere läßt sie keinen inneren Zusammenhang zwischen einer studentischen Pflichtversicherung nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO und der Versicherungsfreiheit nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO erkennen.

Auch die Systematik der Rentenversicherung gibt keine sicheren Anhaltspunkte, um die von der Klägerin betriebene Schule in den Anwendungsbereich der - dem § 172 Abs 1 Nr 5 RVO wörtlich entsprechenden - Vorschrift in § 4 Abs 1 Nr 4 AVG einzubeziehen oder aber aus ihm auszuscheiden.

In der Rentenversicherung bestand und besteht keine besondere Versicherungspflicht oder -berechtigung für Studenten und Besucher von Schulen, die der beruflichen Ausbildung dienen. Für eine (weitere) Schulausbildung oder eine abgeschlossene Fachschul- oder Hochschulausbildung wird jedoch unter den Voraussetzungen des § 36 Abs 1 Nr 4 iVm Abs 2 bis 4 AVG (oder den entsprechenden Vorschriften der anderen Rentenversicherungen) eine Ausfallzeit angerechnet. Wird neben dem Schulbesuch eine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, so ist sie nach § 4 Abs 1 Nr 4 AVG in gleichem Umfang wie nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO versicherungsfrei.

Diese Regelung legt - trotz fehlenden Anhalts im Gesetzeswortlaut - die Überlegung nahe, ob nicht eine neben einer Schulausbildung ausgeübte Beschäftigung nur dann als versicherungsfrei angesehen werden sollte, wenn für die Schulausbildung die Anrechnung einer Ausfallzeit wenigstens dem Grunde nach in Betracht kommt, damit, wenn dies nicht möglich ist, die Beschäftigung als Beitragszeit berücksichtigt werden kann (so Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Rundschreiben vom 11. Juni 1965, und Spitzenverbände, DOK 1966, 32; vgl ferner Marburger, BlStSozArbR 1976, 105, 107). Bliebe eine Beschäftigung nur neben einer als Ausfallzeit angerechneten Schulausbildung versicherungsfrei, wäre sie dagegen im übrigen versicherungspflichtig, so würde auch vermieden, daß Studenten, die während des Studiums gearbeitet haben, später Nachteile in der Rentenberechnung gegenüber denjenigen erleiden, denen, weil sie nicht erwerbstätig gewesen sind, das Studium uneingeschränkt als Ausfallzeit angerechnet wird. Diese Überlegungen reichen indes nicht aus, die Versicherungsfreiheit einer Beschäftigung neben dem Besuch einer "der fachlichen Ausbildung dienenden Schule" auf solche Fälle zu beschränken, in denen der Schulbesuch als Ausfallzeit angerechnet wird. Bei denjenigen, für die die Anrechnung einer Ausfallzeit nicht in Betracht kommt (oder denen letztlich eine Ausfallzeit nicht angerechnet wird), kann es sinnvoll sein, daß die - oft nur niedrigen - Verdienste, die neben einer Vollzeitausbildung erzielt werden, das Beitragsbild nicht beeinträchtigen; sie werden dann - trotz Nichtanrechnung einer Ausfallzeit - auch an der Anrechnung einer Beitragszeit nicht interessiert sein. Dies spricht dafür, den Kreis derjenigen Personen, denen eine Ausfallzeit wegen Schulbesuchs angerechnet wird, und derjenigen, die mit Rücksicht auf eine Schulausbildung versicherungsfrei sind, unabhängig voneinander abzugrenzen.

Hinzu kommt, daß die Ausfallzeittatbestände, die häufig erst viele Jahre später rückwirkend beurteilt werden, klare und leicht feststellbare Abgrenzungsmerkmale erfordern. Insoweit liegt es daher nahe, an den Status einer (staatlich anerkannten) Schule anzuknüpfen. Demgegenüber ist bei der aktuellen Beurteilung der Versicherungsfreiheit, bei der in der Regel die Ermittlung des Sachverhalts in allen erheblichen Einzelheiten möglich ist, ein gleich starkes Bedürfnis nach leicht feststellbaren Kriterien nicht gegeben. Ist hiernach im vorliegenden Zusammenhang ein hinreichender Grund für eine unterschiedliche Regelung in den rechtlichen Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit einerseits und der Anrechnung einer Ausfallzeit andererseits denkbar, so kann nicht ohne weiteres über die verschiedenen Gesetzesfassungen hinweggegangen werden.

Ebensowenig wie Zusammenhang und Zweck der fraglichen Vorschriften zwingen die Gesetzesmaterialien zu einer einheitlichen Auslegung der einschlägigen, im Wortlaut voneinander abweichenden Vorschriften. Die historische Entwicklung spricht sogar eher dagegen.

§ 172 Abs 1 Nr 5 RVO hat seine heutige Fassung durch das Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl I, 1536) erhalten. Vorher bestand Versicherungsfreiheit für "Personen, die zu oder während ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf gegen Entgelt tätig sind". Die Bezugnahme auf die wissenschaftliche Ausbildung grenzte den Anwendungsbereich der Vorschrift enger ein, als dies heute der Fall ist. Es bedurfte einiger Mühe, um die Besucher von Fachschulen oder wenigstens von höheren Fachschulen einzubeziehen (vgl dazu BSGE 30, 248, 250). Warum die Neufassung des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO seinen Anwendungsbereich dann noch über den Fachschulbereich hinaus erstreckt hat, ist aus den Materialien des KVSG nicht ersichtlich; erörtert wurde nur die Situation der Hochschulstudenten (vgl BT-Drucks 7/3640, S 5 zu § 1 Nr 3 und S 12).

§ 4 Abs 1 Nr 4 AVG hat bereits im Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten von 1957 seine heutige Fassung erhalten. Auffällig ist allerdings, daß die Parallelvorschrift in § 1228 Abs 1 Nr 3 RVO nur Schulen erwähnt, die der "wissenschaftlichen" Ausbildung dienen (also der "fachlichen" Ausbildung dienende Schulen unerwähnt läßt). In Anlehnung an die frühere Rechtsprechung werden zu den "wissenschaftlichen" Schulen allerdings auch Fachschulen gerechnet (vgl Verbandskommentar § 1228, Anm 6 S 11). Warum es zu dieser Differenzierung zwischen RVO und AVG gekommen ist, ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen (BT- Drucks II/3080, S 10/11, und zu BT-Drucks II/3080, S 31; siehe aber den Erklärungsversuch bei Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 4 AVG, S 362). In der Zeit vor Erlaß der Gesetze zur Neuregelung der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten waren nach RVO und AVG versicherungsfrei Personen, die zu bzw während der wissenschaftlichen Ausbildung für ihren zukünftigen Beruf gegen Entgelt tätig waren (§ 12 Nr 4 AVG aF/ § 1235 Nr 3 RVO aF). Hieraus läßt sich indes, gleichviel wie man die heutige Differenzierung zwischen RVO und AVG interpretiert, ebenfalls kein Hinweis ableiten, daß entgegen dem weitergehenden Wortlaut in § 4 Abs 1 Nr 4 AVG hier nur staatlich anerkannte Fachschulen gemeint seien.

Da somit der Systematik, dem erkennbaren Zweck, der historischen Entwicklung und den Materialien der fraglichen Vorschriften keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, daß die unterschiedlichen Wortfassungen einheitlich zu interpretieren sind, muß - selbst wenn eine Vereinheitlichung wünschenswert wäre - von dem unterschiedlichen Gesetzeswortlaut ausgegangen werden und deshalb für § 172 Abs 1 Nr 5 RVO/§ 4 Abs 1 Nr 4 AVG bestimmt werden, was eine der fachlichen Ausbildung dienende Schule im Sinne dieser Vorschriften ist. Da im vorliegenden Fall Verfahrensrügen gegen Feststellungen des LSG nicht erhoben wurden, geht es nur um die rechtliche Abgrenzung. Den dazu vom LSG gemachten Ausführungen ist beizupflichten.

Die Klägerin erfüllt die Merkmale einer Schule. Die Definition, von der das LSG insoweit ausgeht, baut auf der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 1259 RVO auf und ist nicht zu beanstanden. Wesentliche Merkmale einer Schule sind danach der Unterricht durch fachlich vorgebildete Lehrer für eine Mehrzahl von Schülern nach einem bestimmten Lehrplan und für eine längere, im wesentlichen feststehende Dauer (vgl auch SozR 2200 § 1262 Nr 9). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LSG festgestellt. Im übrigen ergibt sich aus der Anerkennung der Klägerin als "Ergänzungsschule" durch den Berliner Senator für Bildung, daß auch dieser den Schulcharakter der Klägerin nicht in Zweifel zieht.

Die Klägerin ist auch eine Schule, die der fachlichen Ausbildung dient. Der Auffassung der Beklagten, dies sei nur der Fall, wenn die fachlichen Ausbildungsgänge bei einer Schule überwiegen und ihr das Gepräge geben, kann nicht gefolgt werden. Eine solche Auslegung mag zwar gerechtfertigt sein, wo das Gesetz bestimmte Schultypen mit rechtstechnischen Begriffen bezeichnet. So gehören zu den Hochschulen und Fachschulen grundsätzlich nur solche Einrichtungen, die insgesamt ihrer Art nach Hochschul- oder Fachschulcharakter haben. Selbst dort gibt es aber Ausnahmen, denn eine Fachschule kann auch einer anderen Einrichtung, zB einer allgemeinbildenden Schule, eingegliedert sein (vgl zu dem ähnlichen Problem der Lehrwerkstatt BSG SozR 4100 § 40 Nr 8).

Ein solcher Bezug auf bestimmte Schultypen fehlt aber, wenn das Gesetz darauf abstellt, ob die Schule der "fachlichen Ausbildung dient". Dieser Wortlaut läßt es zu, auch Schulen einzubeziehen, die nur teilweise der fachlichen Ausbildung dienen, indem sie - wenn auch nicht ausschließlich - Bildungsgänge aus dem Bereich fachlicher Berufsbildung anbieten.

Dem LSG ist weiter darin zu folgen, daß unter die berufliche Ausbildung auch solche Bildungsgänge fallen, die der Umschulung oder Fortbildung dienen (für Fortbildungsfachschulen ebenso Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, AVG § 4 Anm E 2, S V 68).

Der Ausdruck "Studierende" hat demgegenüber keine wesentliche selbständige Bedeutung. Er bringt nur zum Ausdruck, daß es sich um Ausbildungsgänge handeln muß, die außerhalb allgemeinbildender Schulen in der Regel für Erwachsene eingerichtet sind, von einer längeren, jedenfalls nicht ganz kurzen Dauer sind und einen qualifizierenden Abschluß zum Ziel haben (s dazu auch BSG 25. April 1984 - 10 RKg 2/83 -). Auch dies hat das LSG festgestellt.

Dem Gesetz ist entgegen der Auffassung der Beklagten schließlich kein Anhalt dafür zu entnehmen, daß zwischen öffentlichen und privaten Schulen zu unterscheiden sei oder zwischen Schulen, deren Ausbildungsgänge mit staatlichen Prüfungen abschließen, und solchen Schulen, die auf Prüfungen der Industrie- und Handelskammer hinführen. Bei privaten Schulen mag zwar die Kontrolle des regelmäßigen Besuchs und der Zwang hierzu geringer sein. In der Regel ist aber davon auszugehen, daß derjenige, der das Ausbildungsziel erreichen will und die Schulgebühren entrichtet, auch am Unterricht teilnimmt. Es bedürfte besonderer Anhaltspunkte im Gesetz, um zu unterstellen, daß der Gesetzgeber diesem Unterschied wesentliche Bedeutung beigemessen hat. Solche Anhaltspunkte sind indes nicht ersichtlich.

Die Revision konnte mithin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

RegNr, 15283

Das Beitragsrecht Meuer, 423 A 5a 27

EzB RVO § 172, Nr 9

KVRS, A-1700/5 (LT1)

USK, 84154 (LT1)

Die Beiträge 1985, 85-90 (LT1)

ErsK 1985, 100-101 (ST1)

RV 1985, 94-97 (LT1)

SozR 2200 § 172, Nr 17 (LT1)

SozSich 1985, 25 (L1)

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