Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaß eines Verwaltungsaktes. Schadensersatz wegen unrichtiger Verdienstbescheinigung. Subordinationsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch der Bundesanstalt für Arbeit gegen den Arbeitgeber auf Schadenersatz wegen unrichtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung (AFG § 145 Nr 1) ist öffentlich-rechtlicher Natur; die Bundesanstalt kann den Anspruch jedoch nicht durch Verwaltungsakt, sondern nur durch Leistungsklage geltend machen.

 

Orientierungssatz

1. Soweit nicht ausdrücklich ein Verwaltungsakt vorgesehen ist, muß der Erlaß des Verwaltungsaktes durch das Überordnungsverhältnis legitimiert sein.

Das gilt nicht nur im Verhältnis mehrerer Träger öffentlicher Verwaltung zueinander, sondern auch im Verhältnis eines Trägers öffentlicher Verwaltung zum Bürger (vgl BSG vom 1969-12-18 2 RU 314/67 = BSGE 30, 230).

2. Die Geltendmachung des Schadensersatzes nach AFG § 145 Nr 1 wegen unrichtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung dient weder der Bestrafung oder Erziehung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberschaft insgesamt wegen Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten.

3. Die verschiedenen öffentlich-rechtlichen Pflichten der Arbeitgeber gegenüber der BA schaffen kein außerhalb dieser einzelnen Pflichten liegendes allgemeines Subordinationsverhältnis.

 

Normenkette

AFG § 133 Abs 1 Fassung: 1974-08-07, § 145 Nr 1 Fassung: 1974-07-17; SGG § 51 Abs 1 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.12.1978; Aktenzeichen L 9 Al 187/77)

SG Landshut (Entscheidung vom 11.07.1977; Aktenzeichen S 8 Al 248/76)

 

Tatbestand

I

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Schadensersatz.

Die Beklagte gewährte in der Zeit zwischen dem 21. April und 14. November 1975 der 1954 geborenen E.W. Arbeitslosengeld (Alg). Das Alg berechnete die Beklagte nach einer Arbeitsbescheinigung der Klägerin, derzufolge E.W. als ihre Filialleiterin in D im vorletzten abgerechneten Monat 2.323,99 DM brutto erhalten hatte. Tatsächlich hatte das Bruttoarbeitsentgelt 1.250,-- DM betragen. Mit Schreiben vom 2. Februar 1976 "ersuchte" die Beklagte die Klägerin, den ihr entstandenen Schaden an überzahltem Alg von 2.143,20 DM und an überzahlten Krankenversicherungsbeiträgen von 469,15 DM gemäß § 145 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu ersetzen; bei Nichtanerkennung des Schadensersatzes werde der Betrag nebst Zinsen eingeklagt, Die Klägerin erwiderte, sie habe das Schreiben an ihre Versicherung weitergeleitet, und bat um Stundung, sowie darum, alle offenen Fragen mit der Versicherung zu klären. Später teilten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit, die Klägerin erkenne den Anspruch nicht an. Durch Widerspruchsbescheid vom 2. August 1976 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück; im Widerspruchsbescheid ist ua ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch nach § 145 AFG sei gegeben; ein solcher Anspruch könne auch durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden.

Der Anfechtungsklage der Klägerin gab das Sozialgericht Landshut (SG) durch Urteil vom 11. Juli 1977 statt, da die Beklagte vor der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs zunächst von E. W. die Überzahlung zurückfordern müsse. Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 14. Dezember 1978 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei gegeben. Der von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch betreffe keine bürgerlich-rechtliche, sondern eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung, die nach § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sei. Die Beklagte sei auch befugt gewesen, den Schadensersatzanspruch durch Verwaltungsakt festzustellen und geltend zu machen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs seien gegeben. Infolge der Fahrlässigkeit ihres Buchhalters beim Ausstellen der Arbeitsbescheinigung habe die Klägerin der Beklagten einen Schaden von 2.612,35 DM verursacht. Für ihren Buchhalter hafte die Klägerin gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), weil der Schadensersatzanspruch aus § 145 AFG nicht auf unerlaubter Handlung beruhe, sondern auf Verletzung der dem Arbeitgeber dem Arbeitsamt gegenüber obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung aus § 133 AFG, die durch Verwaltungsakt durchzusetzen sei und deren schuldhafte Verletzung eine Ordnungswidrigkeit darstelle. Auch als Obliegenheit hafte die Klägerin nach § 278 BGB für ihren Buchhalter, da sie ihn als ihren Repräsentanten eingesetzt habe. Auf mitwirkendes Verschulden könne sich die Klägerin nicht berufen; das bescheinigte Monatsgehalt von 2.323,99 DM sei im Hinblick auf den angegebenen Beruf einer Filialleiterin nicht so ungewöhnlich hoch, daß eine Rückfrage bei der Klägerin oder der Leistungsempfängerin erforderlich gewesen wäre. Schließlich könne die Klägerin die Beklagte auch nicht darauf verweisen, vorher einen eventuellen Rückerstattungsanspruch gegen E.W. geltend zu machen. Sinn und Zweck des § 145 AFG sei es insbesondere, den Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen und gewissenhaften Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 133 AFG anzuhalten. Dieses Ziel werde am ehesten erreicht, wenn der Arbeitgeber bei schuldhafter Verletzung seiner Pflichten der Beklagten unmittelbar hafte und diese nicht auf einen vorrangigen eventuellen Rückerstattungsanspruch verweisen könne. Demgemäß ergebe sich auch aus § 254 Abs 2 BGB keine Verpflichtung der Beklagten, zunächst gegen die Leistungsempfängerin vorzugehen, zumal da diese allenfalls das zuviel gezahlte Alg zu erstatten habe. Da die Einwendungen der Klägerin unbegründet seien, könne offen bleiben, ob die Klägerin durch die Bitte um Stundung den Anspruch nach Grund und Höhe anerkannt habe.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von §§ 145, 151 152 AFG. Der Durchsetzung des § 133 AFG diene § 230 AFG, nicht § 145 AFG. Durch § 133 AFG, eine Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitnehmers, werde kein vertragsähnliches Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitsamt geschaffen, das die entsprechende Anwendung des § 278 BGB rechtfertige. Für ihren Buchhalter, der sich bislang als zuverlässig erwiesen habe, könne sie sich entlasten. Auch treffe die Beklagte ein Mitverschulden. Der angegebene Lohn sprenge für weibliche Metzgereiangestellte im Raum D jeglichen Rahmen. Schließlich müsse sich die Beklagte zunächst an die Krankenkasse und die Leistungsempfängerin halten. Die Beklagte sei nach § 151 AFG verpflichtet, die Leistungsgewährung zurückzunehmen; sie habe einen gegenüber dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes erleichterten Rückerstattungsanspruch. Sie, die Klägerin, dagegen könne sich weder an die Krankenkasse noch an ihre ehemalige Arbeitnehmerin halten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei öffentlich-rechtlich. Das ergebe sich aus seiner Regelung im AFG und dem Umstand, daß neben ihm ein zivilrechtlicher Anspruch aus § 823 Abs 2 BGB iVm § 263 des Strafgesetzbuches, § 826 BGB bestehen könne. Nicht allein die Bußgeldvorschrift, auch die Schadensersatzpflicht könne den Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen und gewissenhaften Erfüllung seiner Verpflichtungen aus § 133 AFG anhalten. Auch sei die Beklagte nicht gehalten, vorrangig überzahlte Leistungen von Leistungsempfängern zurückzufordern. Der Schadensersatzanspruch sei durch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Abgabe einer zutreffenden Bescheinigung und durch den Schutz des Arbeitnehmers vor Rückforderungen nach § 152 AFG, da die Schadensursache allein vom Arbeitgeber gesetzt worden sei, in doppelter Weise in das öffentlich-rechtliche System eingebaut; erst die Vorschrift des § 152 AFG sei die Ursache für den der Beklagten erwachsenen Schaden. Die Haftung der Klägerin gemäß § 278 BGB ergebe sich aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4100 § 84 Nr 2).

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist begründet.

Zutreffend hat das LSG den Rechtsweg zu den Sozialgerichten bejaht. Nach § 51 Abs 1 SGG haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung und der übrigen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit zu entscheiden. Die Klage richtet sich gegen das Schreiben der Beklagten vom 2. Februar 1976 idF des Widerspruchsbescheids vom 2. August 1976. Zwar kann dem Schreiben vom 2. Februar 1976 nicht entnommen werden, daß die Beklagte schon mit diesem Schreiben kraft hoheitlicher Gewalt verbindlich hat regeln wollen, daß die Klägerin den Betrag von 2.612,35 DM zu zahlen hätte. Die Beklagte hat die Klägerin vielmehr lediglich unter Androhung gerichtlicher Schritte ersucht, ihr den Betrag zu ersetzen. Doch ist der Wille der Beklagten, eine verbindliche Regelung zu treffen, dem Widerspruchsbescheid zu entnehmen, zu dem die Beklagte aufgrund ihres Schreibens vom 2. Februar 1976 und der Ablehnung des Schadensersatzanspruchs durch die Klägerin an sich nicht veranlaßt war. Nach dem Widerspruchsbescheid, dessen Fassung maßgebend ist, hat die Beklagte unter Berufung auf § 145 AFG einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin mit unmittelbarer Wirkung geregelt. Nimmt ein Träger der öffentlichen Verwaltung für sich in Anspruch, die zwischen ihm und einem anderen bestehende Rechtsbeziehung durch Verwaltungsakt zu regeln, weil er diese Rechtsbeziehung als eine seiner hoheitlichen Regelungsbefugnis unterworfene Angelegenheit ansieht, ist für die Anfechtung dieses Verwaltungsakts die sachliche Zuständigkeit der Gerichte gegeben, die für die Anfechtung hoheitlicher Regelungen dieser Art berufen sind, unabhängig davon, ob die mit dem Verwaltungsakt geregelte Rechtsbeziehung öffentlich-rechtlicher Art ist und durch Verwaltungsakt geregelt werden darf (BSGE 15, 14, 15; 24, 190, 191; 25, 268, 269; 35, 188, 189 = SozR § 51 SGG Nr 61; 40, 96, 97 = SozR 2200 § 393 Nr 2; BVerwGE 27, 131, 132; 30, 211, 212; 40, 85). Da die Beklagte in einer Angelegenheit der Arbeitslosenversicherung hoheitlich tätig geworden ist, die zur Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gehört, ist für die Anfechtung solcher Bescheide kein anderer als der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.

Dagegen kann dem LSG nicht in der Ansicht gefolgt werden, daß die Beklagte befugt sei, den Schadensersatzanspruch nach § 145 Nr 1 AFG wegen nicht richtiger Ausfüllung einer Arbeitsbescheinigung gegen den Arbeitgeber durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

Allerdings ist das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten hinsichtlich der Verpflichtungen der Klägerin als Arbeitgeberin, eine Arbeitsbescheinigung auszustellen, und hinsichtlich der Folgen der Verletzung dieser Verpflichtung, um die es hier geht, öffentlich-rechtlicher Natur. Eine solche Gestaltung liegt immer dann vor, wenn ein Hoheitsträger aufgrund besonderer, speziell ihn berechtigender oder verpflichtender Rechtsvorschriften beteiligt ist (BSGE 35, 188, 191 = SozR § 51 SGG Nr 61; BSGE 47, 35, 37 = SozR 1500 § 51 Nr 15). Die Beklagte nimmt die Klägerin aufgrund einer Vorschrift in Anspruch, die nur sie als Trägerin der Arbeitslosenversicherung berechtigt und die Klägerin nur als Arbeitgeberin verpflichtet. Nach einhelliger Ansicht ist die Verpflichtung der Arbeitgeber, bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses alle Tatsachen auf einem Vordruck der Beklagten zu bescheinigen, die für die Entscheidung über das Alg erheblich sein können (§ 133 AFG), eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu Zwecken der Aufgaben der Beklagten (Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm z. AFG, § 133 RdNrn 2 und 3 (Stand August 1972); Krebs, Komm z. AFG, § 133 RdNr 1 (Stand Oktober 1977); Krebs, Komm z. Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -AVAVG-, § 174 RdNr 15; Dräger/Buchwitz/Schönefelder, Komm z. AVAVG, § 174 RdNrn 8 und 9). Unstrittig handelt es sich um eine Verpflichtung gegenüber der Beklagten; strittig ist lediglich, ob die Vorschrift auch dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren Anspruch gewährt, den er selbst geltend machen kann, oder ob ihm nur im Rahmen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ein - privatrechtlicher - Anspruch gegen seinen Arbeitgeber zusteht (vgl Schönefelder/Kranz/Wanka aaO RdNr 4; Dräger/Buchwitz/Schönefelder aaO). Ebenso wie die Rechtsnatur der Rückforderung einer zu Unrecht bezogenen Leistung der Rechtsnatur der Leistung folgt, gilt, daß auch Ausgleichsansprüche, Herstellungsansprüche, Ersatzansprüche und Schadensersatzansprüche sowie Unterlassungsansprüche wegen Verletzung besonderer Verpflichtungen der Rechtsnatur folgen, in die das Rechtsverhältnis eingebettet ist, dem die besondere Verpflichtung entnommen ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht nur für gegen die öffentliche Hand gerichtete Ansprüche wie den Folgenbeseitigungsanspruch, den sozialversicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen Verletzung einer aus dem Versicherungsverhältnis entspringenden Dienstleistungspflicht (vgl BSGE 41, 126 = SozR 7610 § 242 Nr 5; BSGE 41, 260) und den Anspruch auf Unterlassung eines drohenden Konkursantrages (BSGE 45, 109 = SozR 1500 § 51 Nr 13), sondern auch umgekehrt für Ansprüche der Versicherungsträger auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten der Einzugsstelle (BSGE 26, 129, 133), der Pflichten des Geschäftsführers eines Sozialversicherungsträgers (BSGE 33, 209 = SozR § 51 SGG Nr 61) und der Pflichten des Versicherten (BSGE 45, 119 = SozR 2200 § 1542 Nr 1). Daß der Anspruch auf Ersatz des Schadens geht, steht daher (entgegen Schroeder-Printzen, ABA 1960, 147) der öffentlich-rechtlichen Natur des Schadensersatzanspruchs nicht entgegen. Daher ist auch der Schadensersatzanspruch der Beklagten nach § 145 Nr 1 AFG wegen nicht richtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung dem öffentlichen Recht zuzuordnen (im Ergebnis ebenso Bay LSG Breithaupt 1974 (63), 539; LSG Nordrhein-Westfalen Breithaupt 1973 (62), 843, 845; Hess LSG in Berndt/Dräger, Arbeitsvermittlung usw, AVAVG § 206 II Rspr Nr 4; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 145 RdNr 2 (Stand August 1973); Hennig/Kühl/Heuer, Komm z. AFG, § 145 Anm 1 (11. Ergänzungslieferung; Jülicher, SGb 1979, 445, 450; aA wohl Krebs, Komm z. AFG, § 145 RdNr 9). Aber nicht jedes öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis berechtigt den zuständigen Träger der öffentlichen Verwaltung, Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Zum Wesen des Verwaltungsaktes gehört es, daß er eine Regelung trifft, die den Adressaten binden soll; das schließt - unabhängig von dem öffentlich-rechtlichen Anspruch in der Sache - die Überordnung des Erklärenden über den Adressaten ein (vgl BSGE 45, 296, 298 = SozR 2200 § 381 Nr 26). In ständiger Rechtsprechung hat das BSG in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht zusätzlich zum öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis gefordert, daß, soweit nicht ausdrücklich ein Verwaltungsakt vorgesehen ist, der Erlaß des Verwaltungsaktes durch das Überordnungsverhältnis legitimiert sein muß (BSGE 5, 140, 143; 12, 65, 68; 30, 230, 233; 41, 237, 238 = SozR 5910 § 90 Nr 2; 45, 296, 298 = SozR 2200 § 381 Nr 26; BVerwGE 21, 270, 271; 24, 225, 228; 27, 245, 246). Das gilt nicht nur im Verhältnis mehrerer Träger öffentlicher Verwaltung zueinander, sondern auch im Verhältnis eines Trägers öffentlicher Verwaltung zum Bürger (BSGE 30, 230, 232; BVerwG aaO).

Eine Vorschrift, nach der der Schadensersatzanspruch nach § 145 Nr 1 AFG durch Verwaltungsakt geltend zu machen ist, ist nicht vorhanden. § 146 Satz 1 AFG bestimmt zwar, daß Entscheidungen über den Anspruch der Direktor des Arbeitsamts trifft. Gemeint sind damit aber Entscheidungen über Ansprüche auf Leistungen der Bundesanstalt. Das ergibt sich aus der Stellung der Vorschrift im Abschnitt "Gemeinsame Vorschriften für die Gewährung von Leistungen", in die die Schadensersatzvorschrift des § 145 AFG systemwidrig eingeordnet ist. Läßt, wie das hier der Fall ist, eine ausdrückliche Bestimmung die Regelung durch Verwaltungsakt nicht zu, ist die Zulässigkeit der hoheitlichen Geltendmachung des Anspruchs davon abhängig, ob aus der Gesamtregelung des Rechtsverhältnisses oder dem fraglichen Anspruch selbst das erforderliche Überordnungsverhältnis zu entnehmen ist (vgl dazu Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, Berlin 1974, S 207 ff; Kopp, VwGO, 3. Auflage 1977, § 42 Anm 4b). Ein solches Verhältnis der Überordnung ist in bezug auf den Schadensersatzanspruch nach § 145 Nr 1 AFG wegen unrichtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung nicht gegeben.

Der Schadensersatzanspruch nach § 145 Nr 1 AFG ist nicht herkömmlich eine hoheitliche Regelung. Rechtsprechung und Lehre haben zu dem früheren § 206 des Gesetzes über Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung überwiegend die Ansicht vertreten, der Schadensersatzanspruch gehöre dem bürgerlichen Recht an (LG Regensburg und LG Hamburg in Berndt/Dräger, aaO, § 206 AVAVG II Rspr 1 und 2; OLG Celle ABA 1963, 170 mit zustimmender Anmerkung Geffers; Schroeder-Printzen ABA 1960, 147; Dräger/Buchwitz/Schönefelder aaO, § 206 RdNr 3; Krebs, Komm z. AVAVG, § 206 RdNr 16; aA lediglich Hess LSG aaO). Diese Ansicht wird, wenn sie auch nicht mehr als herrschend bezeichnet werden kann, auch zu § 145 AFG vertreten (vgl Krebs, Komm z. AFG, § 145 Anm 9); ihr ist zwar nicht zuzustimmen, sie fußt jedoch auf dem letztlich zutreffenden Ausgangspunkt, daß der Arbeitgeber dem Arbeitsamt insoweit nicht untergeordnet ist. Auch seiner Natur nach bedarf der Schadensersatzanspruch nach § 145 Nr 1 AFG keiner Überordnung des Arbeitsamtes über den Arbeitgeber. Der Anspruch erwächst zwar aus der Arbeit der Beklagten, seine Geltendmachung gehört aber nicht wie die Gewährung von Alg, Arbeitslosenhilfe (Alhi), Unterhaltsgeld usw zu den eigentlichen Aufgaben, der Beklagten nach § 3 AFG. Der Schadensersatz ist nicht wie ein Rückforderungsanspruch die Umkehrung des Leistungsaktes. Im Gegensatz zu dem einen Subordinationsverhältnis zugerechneten Beitrag (BSGE 40, 96, 97 = SozR 2200 § 393 Nr 2; 45, 296, 299 = SozR 2200 § 381 Nr 26) beruht auf dem Schadensersatzanspruch nicht die Finanzierung der Aufgaben der Beklagten; vielmehr dient der Schadensersatz wie die Schadensersatzansprüche des bürgerlichen Rechts lediglich dem Ersatz eines der Beklagten bei der Erledigung ihrer Aufgaben entstandenen Schadens. Zwar bewirkt jede Schadensersatz- Anspruchsgrundlage, daß der potentielle Schadensersatzpflichtige sich bemühen wird, den zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestand nicht zu erfüllen; insoweit bewirkt auch § 145 Nr 1 AFG, daß die Arbeitgeber ihren Pflichten aus § 133 AFG nachkommen. Doch ist Sinn und Zweck der Vorschrift - wohl anders als im Falle des § 8 Abs 3 AFG - nicht diese Wirkung, sondern der Ersatz des der Beklagten entstandenen Schadens. Dagegen soll die Bußgeldvorschrift des § 230 Abs 1 Nr 4 AFG den Arbeitgeber anhalten, seinen Verpflichtungen aus § 133 AFG nachzukommen. Denn für den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit reicht es aus, daß der Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig seinen Verpflichtungen nach § 133 AFG nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist; ein der Beklagten entstandener Schaden ist nicht erforderlich. Die Geltendmachung des Schadensersatzes nach § 145 Nr 1 AFG wegen unrichtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung dient daher weder der Bestrafung oder Erziehung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberschaft insgesamt wegen Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, wie dies zur Rechtfertigung des Leistungsbescheids bei Schadensersatzansprüchen im Beamtenrecht und Soldatenrecht angeführt wird (vgl BVerwGE 27, 245). Überhaupt ist der Arbeitgeber nicht wie der Beamte und Soldat dem Dienstherrn in derart umfassendem Sinne der Beklagten untergeordnet, daß jeder Schadensersatzanspruch aus der Verletzung der vom Arbeitgeber zu erfüllenden Pflichten einem Subordinationsverhältnis zugerechnet werden müßte. Die Arbeitgeberschaft ist zwar an der Selbstverwaltung der Beklagten beteiligt, der einzelne Arbeitgeber steht aber zu der Beklagten nicht in einem Mitgliedschaftsverhältnis. Auch die verschiedenen öffentlich-rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers gegenüber der Beklagten schaffen kein außerhalb dieser einzelnen Pflichten liegendes allgemeines Subordinationsverhältnis. Insbesondere bei der Gewährung des Alg und der Alhi ist der Arbeitgeber - anders als beim Wintergeld, Schlechtwettergeld und Kurzarbeitergeld, an dessen Gewährung der Arbeitgeber ein eigenes Interesse hat, und ggf anders als der Konkursverwalter beim Konkursausfallgeld - in die Auszahlung und Geltendmachung der Ansprüche nicht einbezogen; der Arbeitgeber wird lediglich als Auskunftsperson und Beweisperson benötigt. Diese Funktion allein rechtfertigt aber nicht, den Schadensersatz aus der Verletzung von Auskunftspflichten als hoheitlich anzusehen, zumal da der Beklagten hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs auch kein Ermessen eingeräumt ist. Die Folge, daß die Beklagte den Schadensersatzanspruch durch Leistungsklage geltend machen muß, falls der Schuldner nicht freiwillig zahlt, ist nicht ungewöhnlich. Soweit nach § 117 Abs 4 Satz 2, § 127, § 140 Satz 3, § 141, § 141m AFG privatrechtliche Ansprüche des Arbeitslosen auf die Beklagte bzw die Bundesrepublik Deutschland übergehen, muß die Beklagte sogar außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit Leistungsklagen erheben.

Ist die Beklagte demnach nicht befugt, den Schadensersatz durch Verwaltungsakt geltend zu machen, erweist sich der ergangene Verwaltungsakt als rechtswidrig, ohne daß zu prüfen ist, ob der Beklagten der behauptete Anspruch zusteht. Das LSG hätte die im Ergebnis zutreffende Aufhebung des Schreibens vom 2. Februar 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. August 1976 durch das SG bestätigen und die Berufung der Beklagten zurückweisen müssen. Mit diesem Ergebnis hat die Revision daher Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 291

Breith. 1981, 257

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