Leitsatz (redaktionell)

Wird einem Versicherten während des Bezuges von Krankengeld Rente wegen EU bewilligt, so lebt der Anspruch auf Krankengeld, der mit dem Tage, von dem an die Erwerbsunfähigkeitsrente zugebilligt wurde, nach RVO § 183 Abs 3 endete, bei Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente mit dem Beginn der Berufsunfähigkeitsrente wieder auf.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1961-07-12, § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1961-07-12, § 183 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 1965 und des Sozialgerichts Fulda vom 20. Januar 1964 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. Januar 1963 und 3. April 1963 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 1.Januar bis 31. Juli 1963 Krankengeld unter Anrechnung der Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger, der freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse war, erhielt vom 7. Dezember 1961 an Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit. Am 2. April 1962 beantragte er bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente; diese wurde ihm mit Bescheid vom 9. Oktober 1962 für die Zeit vom 7. Juni bis 31. Dezember 1962 zugebilligt. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erhalten hatte, stellte sie die Krankengeldzahlung ein. Auf ihren Antrag erstattete die BfA ihr die auf den Zeitraum vom 8. Juni bis 15. Oktober 1962 entfallenden Rentenbeträge, die niedriger als das Krankengeld waren, gemäß § 183 Abs. 3 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Nachdem die BfA die Rente ab 1. Januar 1963 in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt hatte, beantragte der Kläger bei der Beklagten die Weitergewährung von Krankengeld vom 1. Januar 1963 an. Mit Bescheid vom 25. Januar 1963 lehnte diese den Antrag ab, weil der Kläger der Rentenkrankenversicherung angehöre; nach § 165 Abs. 1 Satz 3 RVO i.V.m. § 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO hätten jedoch Rentner keine Krankengeldansprüche.

Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger gehöre nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO der Krankenversicherung der Rentner an und habe als solcher gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO keinen Anspruch auf Krankengeld, soweit sich nicht aus § 183 RVO etwas anderes ergäbe. § 183 RVO enthalte jedoch keine Rechtsgrundlage für die Ansprüche des Klägers. Dieser erhalte zwar seit 1. Januar 1963 Berufsunfähigkeitsrente und sei auch weiterhin arbeitsunfähig.

Da jedoch die Krankengeldzahlung bereits am 16. Oktober 1961 eingestellt worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 183 Abs. 5 RVO nicht vor. Es sei zwar nicht einzusehen, aus welchen gesetzgeberischen Gründen dem Kläger, wenn er statt der Erwerbsunfähigkeitsrente von Anfang an Berufsunfähigkeitsrente erhalten hätte, das Krankengeld gemäß § 183 Abs. 5 RVO, gekürzt um den Betrag der gewährten Rente, zu zahlen gewesen wäre, während es ihm hier nicht zustehe, weil die Berufsunfähigkeitsrente im Anschluß an eine Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt worden sei. Der Senat sei jedoch durch den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gehindert, dem Antrag des Klägers stattzugeben. Revision ist zugelassen worden.

Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

Er trägt vor, es liege eine Lücke im Gesetz vor, die so vom Gericht ausgefüllt werden müsse, wie der Gesetzgeber die Frage geregelt hätte, wenn er die Lücke erkannt hätte. Die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente setze voraus, daß dieser Rentenempfänger weiterhin eine bezahlte Tätigkeit ausübe. Dagegen hänge die andersartige Regelung bei einem Empfänger von Erwerbsunfähigkeitsrente damit zusammen, daß dieser ohne eine weitere Tätigkeit auf den Empfang der Rente zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen sei. Wenn man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall anwende, so sei nicht einzusehen, daß der "eingeschobene" Erwerbsunfähigkeitszeitraum etwas an diesem Prinzip ändern solle. Mit der Berufsunfähigkeitsrente könne der Kläger allein seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten; er sei also entweder auf Arbeitsentgelt oder dessen Surrogat, das Krankengeld, angewiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Hessischen LSG vom 10. Februar 1965, des Urteils des Sozialgerichts Fulda vom 20. Januar 1964 sowie der Bescheide der Beklagten vom 25. Januar 1963 und 3. April 1963 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1963 Krankengeld unter Anrechnung der Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II.

Die Revision ist begründet.

Der Kläger hat als versicherter Rentner gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO dann einen Anspruch auf Krankengeld, wenn sich dies aus § 183 RVO ergibt. Nach § 183 Abs. 3 RVO endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage, von dem an eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird. Weiter wird nach § 183 Abs. 5 RVO, wenn dem Versicherten während des Bezuges von Krankengeld Rente wegen Berufsunfähigkeit von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird, das Krankengeld um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente gekürzt; insoweit geht bei rückwirkender Gewährung der Rentenanspruch auf die Krankenkasse über. Im vorliegenden Fall hat nach § 183 Abs. 3 RVO das Krankengeld mit Rücksicht auf die vom 7. Juni bis 31. Dezember 1962 zugebilligte Erwerbsunfähigkeitsrente geendet.

Wäre dem Kläger aber von Anbeginn an statt einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine solche wegen Berufsunfähigkeit zugebilligt worden, also vom 7. Juni 1962 an, so hätte er seinen Anspruch auf das Krankengeld unter Kürzung um die Rente behalten. Der Gesetzgeber geht also in der Regelung des § 183 Abs. 5 RVO davon aus, daß eine Berufsunfähigkeitsrente nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht, daß der Betreffende also im allgemeinen noch eine Tätigkeit ausübt, aus der er Lohn erhält; im Krankheitsfalle soll ihm dann das Krankengeld als Lohnersatz zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite entspricht es der Vorstellung des Gesetzgebers, daß der Empfänger einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit kein Krankengeld mehr benötigt. Krankengeld und Erwerbsunfähigkeitsrente haben beide volle Lohnersatzfunktion. Da aber Doppelleistungen vermieden werden sollen, fällt das Krankengeld weg, sobald eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugebilligt wird. Wie der Senat in seinem Urteil vom 11. Juli 1967 - 3 RK 93/65 - ausgeführt hat, will der Gesetzgeber aber dann den Versicherten nicht ohne Lohnersatz lassen, wenn eine Erwerbsunfähigkeitsrente später in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt wird und die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld aber wohl vorliegen. Wäre die Berufsunfähigkeitsrente von Anfang an zugebilligt worden, also vom 7. Juni 1962, so wäre sie während des Bezuges von Krankengeld zugebilligt worden, der Kläger hätte daher Anspruch auf das Krankengeld, auf das die Rente anzurechnen wäre. Nicht anders kann es aber dem Sinn des § 183 RVO entsprechend sein, wenn eine Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt wird.

Es muß daher die Lohnersatzfunktion der Erwerbsunfähigkeitsrente wieder durch die Lohnersatzfunktion des Krankengeldes abgelöst werden, sobald diese Rente wegfällt. Der Krankengeldanspruch lebt zu diesem Zeitpunkt daher wieder auf, wenn seine übrigen Voraussetzungen gegeben sind.

Der Kläger war nach den Feststellungen des LSG noch bis zum 31. Juli 1963 arbeitsunfähig. Er hat daher, wie er es beantragt, für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1963 Anspruch auf Krankengeld, weil hier im Rahmen von drei Jahren seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch keine 78 Wochen erreicht sind.

Es muß daher unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und der Bescheide der Beklagten der Klage stattgegeben werden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2365177

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