Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragspflicht einer auf einer Einmalleistung beruhenden Sofortrente. Beitragsbemessung aus monatlichem Zahlbetrag. Verfassungsmäßigkeit. wesentliche Änderung der Verhältnisse. Anwendung des § 48 Abs 1 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Grundsatz hinreichender Voraussehbarkeit der Beitragsbelastung verlangt nicht, dass in der maßgeblichen Rechtsgrundlage (hier: Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) alle Arten von Einnahmen (hier: Sofortrente) einzeln und ausdrücklich bezeichnet werden.

2. Die auf einer Einmalleistung beruhende Sofortrente unterliegt mit ihrem monatlichen Zahlbetrag und nicht allein mit ihrem Ertragsanteil der Beitragspflicht in der freiwilligen Krankenversicherung.

3. Die Berücksichtigung des Zahlbetrags der Sofortrente bei der Beitragsbemessung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

 

Orientierungssatz

Für die Anwendung des § 48 Abs 1 SGB 10 ist auf den Regelungsgehalt desjenigen bestandskräftigen Verwaltungsakts als "Vergleichsbescheid" abzustellen, mit dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmalig entschieden worden ist (vgl BSG vom 2.12.2010 - B 9 V 2/10 R = SozR 4-3100 § 35 Nr 5).

 

Normenkette

SGB 5 § 240 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2007-03-26, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2007-03-26; SzBeitrVfGrs § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 3 Abs. 1 S. 1; SGB 10 § 48 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.12.2015; Aktenzeichen L 16 KR 397/14)

SG Düsseldorf (Urteil vom 05.06.2014; Aktenzeichen S 8 KR 1089/11)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung streitig.

Die Klägerin ist seit 1981 freiwillig krankenversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Nach Aufgabe ihrer selbstständigen Tätigkeit setzte die Beklagte ausgehend von der Mindestbemessungsgrundlage einen monatlichen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 121,79 Euro und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) von 18,74 Euro fest (Bescheid vom 30.9.2010).

Im Januar 2011 schloss die Klägerin mit der P. AG eine "Sofort beginnende Rentenversicherung mit zeitlich befristeter Rentenzahlung gegen Einmalbetrag" ab. Aufgrund der geleisteten Einmalzahlung von 202 000 Euro ist eine monatliche Rentenzahlung von 1503,62 Euro für die Zeit vom 1.2.2011 bis zum 1.12.2022 garantiert. Daneben ist eine Überschussbeteiligung vorgesehen. Im Fall des Todes der Klägerin während der Rentenbezugszeit wird der Einmalbetrag abzüglich der bereits geleisteten garantierten Renten zurückgezahlt (Beitragsrückgewähr).

Mit Bescheid vom 27.5.2011 errechnete die Beklagte unter Vorbehalt für die Zeit ab 1.2.2011 Beiträge zur GKV von 249,42 Euro und zur sPV von 36,83 Euro monatlich. Diese Festsetzung hob sie mit weiterem Bescheid vom 16.6.2011 auf. Darüber hinaus setzte sie ab 1.2.2011 auf der Grundlage ua der Sofortrente über 1643,94 Euro monatlich einen Beitrag zur GKV von 261,72 Euro und zur sPV von 38,64 Euro monatlich fest. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch erhoben hatte, wurden die Beiträge unter Berücksichtigung höherer Kapitaleinkünfte für die Zeit ab 1.9.2011 neu berechnet (Bescheid vom 2.9.2011). Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2011 zurück.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Beiträge zur GKV und sPV mit Wirkung ab 1.1. und 1.6.2012 (Bescheid vom 25.5.2012), 1.10.2012 (Bescheid vom 30.10.2012), 1.1.2013 (Bescheide vom 13.12.2012 und 15.5.2013), 1.5.2013 (Bescheid vom 15.5.2013) sowie 1.1.2014 (Bescheid vom 7.4.2014) neu festgesetzt. Das SG Düsseldorf hat die Beklagte verurteilt, "unter Abänderung der Bescheide vom 27.5.2011, 16.6.2011 und 2.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2011 die Beiträge unter Zugrundelegung nur des Ertragsanteils der Rentenzahlung der P. AG und nicht des gesamten Zahlbetrags festzusetzen". Bei der Finanzierung und Auszahlung der Sofortrente handele es sich um Vermögensverzehr durch Rückzahlung eingezahlten Kapitals. Für eine Beitragspflicht reinen Kapitalverzehrs fehle es an einer Rechtsgrundlage (Urteil vom 5.6.2014).

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Nordrhein-Westfalen haben die Beteiligten "den Rechtsstreit auf die Überprüfung des Bescheides vom 16.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2011" sowie "die Überprüfung bezüglich der Höhe der Krankenversicherungsbeiträge" beschränkt. Insoweit hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Der Zahlbetrag der auf einem privaten Versicherungsvertrag beruhenden Sofortrente bestimme die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin. Auch wenn es sich nicht um eine Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Lebensversicherungsvertrag handele, liege eine regelmäßige Versicherungsleistung vor, die monatlich als Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehe und nicht als bloße Kapitalrückgewähr anzusehen sei. Ihre einkommensteuerrechtliche Behandlung sei unerheblich. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 223 Abs 2 S 1, § 240 Abs 1 SGB V und Art 3 Abs 1 GG. Die Generalklausel des § 3 Abs 1 der "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler ≪BeitrVerfGrsSz≫) sei nicht hinreichend bestimmt und damit keine Grundlage für die Berücksichtigung des Zahlbetrags der Sofortrente bei der Beitragsbemessung. Unabhängig davon handele es sich bei der Sofortrente um eine von vornherein zeitlich befristete Rentenzahlung durch Verbrauch eigener Kapitalmittel und nicht um eine lebenslange Leibrente. Durch diesen Kapitalverzehr werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gerade nicht erhöht. Die Sofortrente sei mit einem Auszahlungsplan einer Bank vergleichbar. Entgegen der Annahme des LSG sei eine Kapitalentnahme möglich und im Fall ihres Todes würde der verbliebene Einmalbetrag zurückgezahlt. Die steuerrechtliche Behandlung der Sofortrente dürfe wegen der Parallelität von sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Einkommensermittlung nicht außer Betracht bleiben. Da es bei Abschluss der Sofortrente an einer die Beitragspflicht konkretisierenden Regelung gefehlt habe, verstoße deren Berücksichtigung bei der Beitragsbemessung auch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Zudem sei Art 3 Abs 1 GG verletzt. Ein sachlicher Grund, die zeitlich befristete Sofortrente, nicht aber eine andere Form des Kapitalverzehrs einzubeziehen, liege nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2015 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 2014 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 16.6.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2011 die Beiträge zur freiwilligen GKV für die Zeit vom 1.2. bis zum 31.8.2011 in zutreffender Höhe festgesetzt. Nur noch hierüber hatte der Senat zu entscheiden, nachdem die Beteiligten den Verfahrensgegenstand in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG darauf beschränkt haben. Die Beitragsfestsetzung - auch mit Wirkung für die Vergangenheit (dazu 1.) - unter Berücksichtigung der Sofortrente beruht auf § 240 SGB V iVm § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz in den Fassungen vom 6.5.2010 und 30.5.2011 (dazu 2.). Ihr monatlicher Zahlbetrag gehört zu den beitragspflichtigen Einnahmen iS dieser Vorschriften (dazu 3.). Eine Beitragspflicht nur des Ertragsanteils ist weder aus Gründen des Vertrauensschutzes (dazu 4.) noch wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 3 Abs 1 GG geboten (dazu 5.).

1. Die Beklagte war berechtigt, mit Bescheid vom 16.6.2011 die Beiträge auch rückwirkend für die Zeit vom 1.2.2011 bis zur Bekanntgabe des Verwaltungsakts neu festzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass sie bereits mit Bescheid vom 27.5.2011, der mangels Widerspruchs für die Beteiligten bindend geworden war (§ 77 SGG), über die Höhe der für die Zeit ab 1.2.2011 zu zahlenden Beiträge entschieden hatte. Dieser Bescheid regelte die Beitragshöhe "unter Vorbehalt", damit nur vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt, und entfaltete deshalb keine Bindungswirkung in Bezug auf die mit Bescheid vom 16.6.2011 endgültig getroffene Regelung der Beitragshöhe. Die Bindungswirkung eines bestandskräftig gewordenen einstweiligen Verwaltungsakts schafft zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des endgültigen Verwaltungsakts und ist von vornherein auf Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt angelegt. Mit Erlass des Bescheids vom 16.6.2011 hat sich der vorläufige Verwaltungsakt vom 27.5.2011 erledigt iS von § 39 Abs 2 SGB X (vgl BSG Urteil vom 22.3.2006 - B 12 KR 14/05 R - BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5, RdNr 12).

§ 48 Abs 1 S 2 SGB X, der abschließend die Fälle aufführt, in denen die Aufhebung eines bindenden Verwaltungsakts mit Dauerwirkung ausnahmsweise wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse mit Wirkung für die Vergangenheit in Betracht kommt, greift auch nicht in Bezug auf den Bescheid vom 30.9.2010, mit dem der monatliche Beitrag zur GKV für die Zeit ab 17.8.2010 festgesetzt worden ist. Für die Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X ist auf den Regelungsgehalt desjenigen bestandskräftigen Verwaltungsakts als "Vergleichsbescheid" abzustellen, mit dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmalig entschieden worden ist (BSG Urteil vom 2.12.2010 - B 9 V 2/10 R - SozR 4-3100 § 35 Nr 5 RdNr 39). Das ist aber der bestandskräftige Verwaltungsakt vom 27.5.2011, der sich allerdings - wie soeben ausgeführt wurde - aufgrund seiner vorläufigen Regelung mit Erlass des Bescheids vom 16.6.2011 inhaltlich erledigt hat.

2. Die Beitragsfestsetzung unter Berücksichtigung der Sofortrente ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Nach § 240 Abs 1 und Abs 2 S 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der GKV einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) geregelt; dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt und bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds herangezogen werden, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Diesem Regelungsauftrag ist der SpVBdKK durch Erlass der BeitrVerfGrsSz vom 27.10.2008 nachgekommen (Die Beiträge 2009, 183 ff; für die hier streitige Zeit vom 1.2. bis zum 31.8.2011 idF der dritten Änderung vom 6.5.2010 ≪Die Beiträge 2010, 392 ff≫ und vierten Änderung vom 30.5.2011). Gemäß § 2 Abs 1 S 1 und 2 BeitrVerfGrsSz werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen, wobei die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen hat. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz). Mit diesen Regelungen hat der SpVBdKK die Vorgaben des § 240 Abs 1 und Abs 2 S 1 SGB V zulässig umgesetzt (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 11/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 29 RdNr 16).

Wie der Senat bereits wiederholt entschieden und ausführlich begründet hat, stehen die BeitrVerfGrsSz für sich genommen in Einklang mit höherrangigem (Gesetzes- und Verfassungs-)Recht (BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 21/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 30 RdNr 13; BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 8/14 R - BSGE 119, 257 = SozR 4-2500 § 240 Nr 27, RdNr 16; BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - BSGE 119, 107 = SozR 4-2500 § 240 Nr 25, RdNr 22; BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 10/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 24 RdNr 15; BSG Urteil vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17, RdNr 13 ff). Hiergegen hat die Klägerin keine Bedenken erhoben. Sie rügt vielmehr die fehlende hinreichende Bestimmtheit der Generalklausel des § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz. Auch diesem Einwand ist der Senat bereits entgegengetreten. Es trifft zwar zu, dass aufgrund des im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verankerten Bestimmtheitsgebots eine die Beitragspflicht regelnde Vorschrift im Rahmen des Möglichen so zu fassen ist, dass die Beitragslast im Voraus bestimmt werden kann. Allerdings dürfen die Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit nicht übersteigert werden. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr dann genügt, wenn die Ausgestaltung einer Regelung den zu ordnenden Lebenssachverhalt sowie Normzweck berücksichtigt, einer Auslegung zugänglich ist und Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können. Diesen Anforderungen trägt § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz Rechnung, der unter Rückgriff auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 240 SGB V, ggf unter Berücksichtigung der hierzu und zu den Vorgängervorschriften bisher ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, bestimmt werden kann (BSG Urteil vom 18.12.2013 - B 12 KR 3/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 22 RdNr 28 ff mit Hinweisen auf Rspr des BVerfG).

Eine die Generalklausel des § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz konkretisierende Regelung ist auch nicht speziell zur Heranziehung der Sofortrente bei der Beitragsfestsetzung wegen deren Eigenart geboten. Ihrer bedarf es nicht schon deshalb, weil eine auf einer Einmalzahlung beruhende Sofortrente, wie sie hier der Klägerin zufließt, in der Rechtsprechung des BSG noch nicht als beitragspflichtige Einnahme zum Lebensunterhalt anerkannt wäre. Einnahmen, die nicht bereits ausdrücklich durch das BSG als dem Lebensunterhalt dienend angesehen worden sind, müssen zwingend weder in § 3 Abs 1 BeitrVerfGrsSz noch in einem Katalog zu dieser Regelung gesondert aufgeführt sein, um zur Beitragsbemessung herangezogen werden zu dürfen. Der Grundsatz hinreichender Voraussehbarkeit der Beitragslast setzt nicht voraus, dass in der maßgeblichen Rechtsgrundlage (hier: BeitrVerfGrsSz) alle beitragspflichtigen Einnahmen einzeln und ausdrücklich bezeichnet werden. In Erfüllung des Regelungsauftrags des § 240 Abs 1 SGB V hat der SpVBdKK sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Ihm steht es im Rahmen seiner Regelungskompetenz frei, die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entweder durch Aufzählung einzelner beitragspflichtiger Einnahmen zu regeln, die neben eine ergänzende und alle übrigen Einnahmen erfassende Vorschrift tritt, oder die beitragspflichtigen Einnahmen über eine Generalklausel zu erfassen und notwendige Ausnahmen einer speziellen Regelung vorzubehalten (BSG Urteil vom 18.12.2013 - B 12 KR 3/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 22 RdNr 25 f).

Unabhängig davon, von welcher Gestaltungsmöglichkeit der SpVBdKK Gebrauch macht, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer als beitragspflichtig erachteten Einnahme festzustellen, ob deren Berücksichtigung den Vorgaben des § 240 SGB V entspricht und im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten dem Bestreiten seines Lebensunterhalts dient. Bereits in seiner früheren, noch zu Regelungen über die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder in den Satzungen der jeweiligen Krankenkassen ergangenen Rechtsprechung hat es der Senat für Renten aus privaten Versicherungsverträgen ausreichen lassen, sie aufgrund einer Generalklausel der Beitragsbemessung zu unterwerfen, ohne dass es der ausdrücklichen Bezeichnung von Rentenarten in der Satzung bedurfte (BSG Urteil vom 27.1.2010 - B 12 KR 28/08 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 13 RdNr 15). Hieran hält der Senat auch unter Geltung der BeitrVerfGrsSz fest. Soweit er außerdem eine besondere konkretisierende Regelung dann gefordert hat, wenn die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt oder verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung stehen und sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen lassen (BSG Urteil vom 22.3.2006 - B 12 KR 8/05 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 6 RdNr 20 mwN), kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung auf die BeitrVerfGrsSz zu übertragen ist. Derartige Umstände sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.

3. Der monatliche Zahlbetrag eines durch eine Einmalleistung erworbenen Sofortrentenanspruchs gehört zu den beitragspflichtigen Einnahmen iS des § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz. Danach sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung als beitragspflichtige Einnahmen zugrunde zu legen. Mit dieser Regelung werden diejenigen Einnahmen konkret bezeichnet oder pauschalierend umschrieben, die die nach § 240 Abs 1 S 2 SGB V und dieser Regelung folgend nach § 2 Abs 1 S 2 BeitrVerfGrsSz zu berücksichtigende gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten bestimmen. Indem § 240 Abs 1 S 2 SGB V an die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten anknüpft, besteht die Beitragspflicht grundsätzlich unabhängig davon, ob diese Einnahmen dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind - anders noch unter Geltung der RVO - und ob mit einer Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt wird oder nicht (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 11/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 29 RdNr 17 mwN). Seit der Geltung des § 240 SGB V sind bei freiwilligen Mitgliedern Versicherungsrenten als "Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können", allgemein beitragspflichtig (BSG Urteil vom 6.9.2001 - B 12 KR 14/00 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 41 S 208 mwN). Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Einnahmen erfordert regelmäßig eine wertende Entscheidung dazu, ob sie dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ausnahmsweise eine besondere eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (BSG Urteile vom 18.12.2013 - B 12 KR 3/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 22 RdNr 22 und - B 12 KR 24/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 20 RdNr 22, jeweils mwN; in diesem Sinn auch Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum GRG, BT-Drucks 11/2237 S 225 zu § 249).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die Klägerin nicht beanspruchen, der Beitragsbemessung nicht den Zahlbetrag der Sofortrente, sondern lediglich einen Ertragsanteil zugrunde zu legen. Denn die Sofortrente insgesamt und nicht nur ein Kapitalzuwachs steht ihr zum Verbrauch für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung und prägt daher wesentlich ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS des § 240 Abs 1 S 2 SGB V. Dabei ist unerheblich, ob der Sofortrente eine Entgeltersatzfunktion zukommt. Rentenzahlungen bestimmen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch dann, wenn sie ein ausgefallenes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht ersetzen, sondern - wie hier - zusätzliche Einnahmen darstellen (BSG Urteil vom 6.9.2001 - B 12 KR 5/01 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 40 S 202). Auch liegt ein Zufluss von Geldmitteln bei der Klägerin nicht allein im Kapitalzuwachs, sondern auch in den Sofortrentenzahlungen, die sie monatlich durch Umwandlung des dem Versicherer überlassenen Kapitals erhält. Dass die Sofortrente nur befristet für die Zeit vom 1.2.2011 bis zum 1.12.2022 und längstens bis zum Tod der Klägerin geleistet wird, ist unschädlich. Das von § 240 Abs 1 S 2 SGB V iVm § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz verfolgte Ziel, Einnahmen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen, die den "allgemeinen" laufenden Lebensbedarf über einen längeren Zeitraum hinweg sukzessive befriedigen (vgl BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 10/12 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 24 RdNr 23), wird bei der hier zu beurteilenden Sofortrente unzweifelhaft erreicht. Der Beitragsbemessung lediglich Einnahmen zu unterstellen, die nicht befristet, sondern lebenslang zufließen, ist weder mit dem Wortlaut dieser Vorschriften noch mit deren Sinn zu vereinbaren.

Eine Beschränkung der Beitragspflicht auf lebenslang zu gewährende Leibrenten ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus den Urteilen des Senats vom 6.9.2001 (B 12 KR 40/00 R, B 12 KR 5/01 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 40 - und B 12 KR 14/00 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 41) und 27.1.2010 (B 12 KR 28/08 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 13). In diesen Entscheidungen wird vielmehr darauf hingewiesen, dass Renten aus privaten Versicherungsverträgen zu den beitragspflichtigen Einnahmen zählen und die Beitragsbemessung durch § 240 Abs 1 S 2 SGB V gerade nicht auf bestimmte Einkunftsarten beschränkt ist. Auch spielt es keine Rolle, ob aus der privaten Rentenversicherung laufende Geldleistungen erbracht werden oder eine einmalige Kapitalzahlung geleistet wird (BSG Urteil vom 27.1.2010 - B 12 KR 28/08 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 13 RdNr 16). Infolgedessen ist es unerheblich, dass die geltend gemachte - vom LSG allerdings nicht festgestellte (§ 163 SGG) - Möglichkeit der Kapitalentnahme besteht.

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, beitragspflichtig seien nur Einnahmen und nicht ein Kapitalverzehr, der hier - vergleichbar einem Auszahlungsplan einer Bank - vorliege. Der Senat hat zwar bei einer gegen Überlassung eines Grundstücks auf Lebenszeit gezahlten Leibrente zwischen dem Kapitaltilgungsanteil sowie dem der jeweiligen Höhe des Restkapitalwerts entsprechenden Zinsanteil unterschieden und lediglich den Ertragsanteil als beitragspflichtige Einnahme angesehen, während es sich bei dem Kapitalanteil um eine Umschichtung von Kapital handele (BSG Urteil vom 25.8.1982 - 12 RK 57/81 - SozR 2200 § 180 Nr 12 S 37 f). Darüber hinaus hat er die Berücksichtigung einer privaten Berufsunfähigkeitsrente als Einnahme bestätigt, weil mangels Anspruch auf Rückzahlung des eingezahlten Kapitals nicht von einer Vermögensumschichtung oder einem Vermögensverzehr gesprochen werden könne (BSG Urteil vom 19.6.1986 - 12 RK 28/85 - SozR 2200 § 180 Nr 32 S 131). Diese zu § 180 RVO ergangenen Entscheidungen sind aber dadurch gekennzeichnet, dass nur solche geldwerten Vorteile zu den Einnahmen iS dieser Vorschrift gehörten, die - anders als nach § 240 Abs 1 S 2 SGB V iVm § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz - dem Arbeitsentgelt als Mittel der Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts gleichzuachten waren (BSG aaO; BSG Urteil vom 21.9.2005 - B 12 KR 12/04 R - Juris RdNr 24). Wie bereits ausgeführt wurde, stellt § 240 Abs 1 S 2 SGB V aber auf die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unabhängig davon ab, ob Zuwendungen mit dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 11/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 29 RdNr 17 mwN). Der Begriff der beitragspflichtigen Einnahmen, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, wird damit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgegrenzt. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die Sofortrentenzahlung auf regelmäßig entrichteten Beiträgen oder einer Einmalzahlung beruht und ob im Fall der Übertragung von Vermögen an einen Dritten überhaupt von Kapitalverzehr gesprochen werden kann. Entscheidend ist, dass die Rentenleistung - wie hier - die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (mit)bestimmt.

Die der Klägerin zufließende Sofortrente gehört schließlich nicht zu denjenigen Einnahmen, die nach der Rechtsprechung des Senats ausnahmsweise von der Beitragspflicht ausgenommen sind. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die gerade der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern ihm ungekürzt erhalten bleiben sollen. Zum anderen sind nicht zu verbeitragen bestimmte Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 11/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 29 RdNr 24 mwN). Eine solche privilegierte Sonderstellung kommt der Sofortrente nicht zu.

4. Die Klägerin kann die Heranziehung zu niedrigeren Beiträgen auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes beanspruchen. Ihr Einwand, bei Abschluss der privaten Rentenversicherung habe es an einer die Beitragspflicht der Sofortrente eindeutig regelnden Beitragsbemessungsvorschrift gefehlt, vermag ein schützenswertes Vertrauen in die Außerachtlassung des Zahlbetrags und die Berücksichtigung allein des Ertragsanteils der Sofortrente nicht zu begründen. Seit Einführung durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) ordnet § 240 Abs 1 S 2 SGB V an, dass bei der Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen ist. Die Vorschrift des § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz, wonach "alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können", als beitragspflichtige Einnahmen zugrunde zu legen sind, besteht unverändert seit Erlass der BeitrVerfGrsSz vom 27.10.2008. Eine Schutzwürdigkeit der rechtlichen Einschätzung bei Abschluss des Sofortrentenvertrags, dass es trotz dieser Vorschriften gleichwohl einer sie konkretisierenden, die Beitragspflicht des Zahlbetrags einer befristeten Sofortrente normierenden Sonderregelung bedarf, besteht nicht.

5. Die Berücksichtigung des Zahlbetrags der Sofortrente bei der Beitragsbemessung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG. Dass die grundsätzliche beitragsrechtliche Ungleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten verfassungsgemäß ist, hat der Senat schon entschieden (BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 6/15 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 2 RdNr 29 mwN). Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung besteht auch nicht im Vergleich zu anderen freiwillig Krankenversicherten, die ihr (Kapital)Vermögen nicht oder ohne Vermögensverschiebung beitragsfrei anlegen. Die Klägerin unterscheidet sich von dieser Vergleichsgruppe schon dadurch, dass sie ihr Vermögen einem Dritten übertragen und als Gegenleistung hierfür einen Anspruch auf Zahlung einer eigenständigen Versicherungsleistung erworben hat. Zudem ist es nicht zu beanstanden, dass typisierend Zahlungen aus privaten Rentenversicherungsverträgen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sind (vgl BSG Urteil vom 27.1.2010 - B 12 KR 28/08 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 13 RdNr 17). Soweit die Klägerin geltend macht, es fehle ein sachlicher Grund dafür, zwar die zeitlich befristete Sofortrente, nicht aber eine andere Form des Kapitalverzehrs bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen, ist bereits ausgeführt worden, dass seit Geltung des § 240 Abs 1 S 2 SGB V iVm § 3 Abs 1 S 1 BeitrVerfGrsSz bei allen freiwillig Versicherten unabhängig davon, ob ein Anspruch auf Rückzahlung eingezahlten Kapitals besteht, ausschließlich darauf abzustellen ist, ob die zu beurteilende Zuwendung die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmt und für den Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann. Eine Ungleichbehandlung aufgrund der besonderen privaten Rentenversicherungsform liegt daher nicht vor.

Für Fehler bei der konkreten Berechnung der Beiträge zur GKV bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11433386

WzS 2018, 88

NZS 2018, 239

SGb 2017, 700

RdW 2018, 122

Breith. 2018, 438

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