Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfügbarkeit. Nahtlosigkeitsregelung. Beratungspflicht der Versicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Die Fiktion in § 103 Abs 2 AFG (Fassung: 1969-06-25) kann sich nach ihrem Sinn und Zweck nur auf die objektive Verfügbarkeit auswirken. Sie soll verhindern, daß sich unterschiedliche Beurteilungen der Versicherungsträger über die Leistungsfähigkeit eines Versicherten zu dessen Lasten auswirken, weil der Versicherte hierauf keinen Einfluß hat. Hingegen liegt es in seinem Verantwortungsbereich, ob er bereit ist, jede ihm zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann (vgl BSG 1978-08-01 7 RAr 49/77 = SozR 4100 § 103 Nr 18).

2. Der Versicherungsträger hat nach allgemeiner Meinung grundsätzlich nicht von Amts wegen zu beraten. Es obliegt vielmehr dem Bürger, sein Anliegen vorzutragen und den Versicherungsträger um Beratung zu bitten. Gegen oder ohne seinen Willen soll der Bürger von den Trägern öffentlicher Gewalt keine Ratschläge erfahren (vgl BSG 1980-11-12 1 RA 45/79 = SozR 1200 § 14 Nr 9).

 

Normenkette

AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 2 Fassung: 1975-12-18, § 103 Abs 2 Fassung: 1969-06-25, § 105a Fassung: 1980-08-18; SGB 1 § 14 Fassung: 1975-12-11; AFG § 100 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 12.11.1981; Aktenzeichen V ARBf 63/80)

SG Hamburg (Entscheidung vom 23.09.1980; Aktenzeichen 2 AR 920/79)

 

Tatbestand

In Streit ist, ob dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 14. Juni 1979 bis 16. Januar 1980 und vom 22. Februar bis 30. September 1980 zusteht.

Der Kläger war bis zum 2. Oktober 1976 über elf Jahre als Zahnradstoßer beschäftigt. Ab 24. September 1976 war er arbeitsunfähig und erhielt Krankengeld vom 3. Oktober 1976 bis 23.März 1978. Am 4. Oktober 1976 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Der Aufforderung, am 7. Oktober 1976 zur Arbeitsberatung zu erscheinen, kam er nicht nach. Am 20. September 1977 beantragte er bei der Beigeladenen zu 1) Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Diese lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger sei in der Lage, leichtere Männerarbeiten vollschichtig auszuführen. Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger am 13. Juni 1979 zurück.

Am 14. Juni 1979 meldete sich der Kläger wieder bei der Beklagten und beantragte Arbeitslosenhilfe (Alhi). Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 4. Juli 1979 abgelehnt, weil der Kläger innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden habe und keiner der Ersatztatbestände der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) erfüllt werde. Im Vorverfahren berief sich der Kläger auf seine Antragstellung vom 4. Oktober 1976 und gab an, der Sachbearbeiter habe ihn damals darauf hingewiesen, daß er den Termin am 7. Oktober 1976 einzuhalten habe, wenn er bis dahin wieder arbeitsfähig geworden sei. Anderenfalls sollte er sich erst melden, wenn er wieder arbeitsfähig sei. Daran habe er sich gehalten. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Zur Begründung wurde in dem Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1979 ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg, weil er innerhalb der Rahmenfrist vom 14. Juni 1976 bis 13. Juni 1979 nicht an mindestens 180 Kalendertagen in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden habe. Bei der Arbeitslosmeldung am 4. Oktober 1976 sei er krank gewesen und habe somit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden. Ein Anspruch auf Alhi bestehe wegen des Fehlens einer entlohnten Beschäftigung innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht.

Nach einer von der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 17. Januar bis 14. Februar 1980 durchgeführten stationären Heilbehandlung stellte der Kläger am 22. Februar 1980 einen Wiederbewilligungsantrag, den die Beklagte durch Bescheid vom 27. März 1980 ablehnte. In einem weiteren Bescheid vom gleichen Tage lehnte sie auch den Antrag des Klägers vom 4. Oktober 1976 unter Hinweis auf die fehlende Verfügbarkeit ab.

Das Sozialgericht (SG) ist davon ausgegangen, daß die Bescheide vom 27. März 1980 gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand seines Verfahrens geworden sind und hat durch Urteil vom 23. September 1980 den Bescheid vom 4. Juli 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1979 sowie den Bescheid vom 27. März 1980 betreffend die Alg-Zahlung, aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 14. Juni 1979 bis zum 16. Januar 1980 und ab 22. Februar 1980 zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 12. November 1981 das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, es teile nicht die Ansicht des SG, die darauf hinauslaufe, daß auch das Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit von der Fiktion des § 103 Abs 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 25. Juni 1969 erfaßt werde. Hiernach gelte ein leistungsgeminderter Arbeitsloser bis zur Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, dem insoweit die alleinige Zuständigkeit zukomme, als nicht berufsunfähig. Vielmehr werde sein Leistungsvermögen oberhalb der Grenze der Berufsunfähigkeit fingiert. Diese Regelung beziehe sich nach ihrem Sinn und Zweck nur auf die objektive Verfügbarkeit. Sie könne das Erfordernis der subjektiven Arbeitsbereitschaft nicht ersetzen. Diese Bereitschaft habe dem Kläger bei der Arbeitslosmeldung am 4. Oktober 1976 gefehlt. Er habe sich zu jeglicher Arbeit unfähig gefühlt. Er sei nicht davon ausgegangen, daß seine Arbeitsunfähigkeit demnächst behoben würde. Zur vorgesehenen Arbeitsberatung sei er ebensowenig erschienen, wie er das Ende der Krankengeldzahlung mit dem 23. März 1978 oder den zuvor von der Beigeladenen zu 1) am 21. November 1977 erlassenen Ablehnungsbescheid zum Anlaß genommen habe, sich der Beklagten zur Verfügung zu stellen, obwohl in dem genannten Bescheid seine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichtere körperliche Arbeiten bestätigt worden sei. Die am 4. Oktober 1976 und in der nachfolgenden Zeit fehlende subjektive Verfügbarkeit sei erst mit der Meldung des Klägers beim Arbeitsamt am 14. Juni 1979 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Anwartschaftserhaltung durch das am 2. Oktober 1976 beendete Beschäftigungsverhältnis nicht mehr erreicht werden können.

Die Bewilligung von Alhi für die streitige Zeit sei von der Beklagten ebenfalls zu Recht abgelehnt worden. Der Kläger habe im letzten Jahr vor der Arbeitslosmeldung am 14. Juni 1979 keinen der gemäß § 134 Abs 1 Nr 4 AFG, §§ 1 bis 3 Alhi-VO anspruchsbegründenden Tatbestände erfüllt.

Das Klagebegehren sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 100 und 104 AFG. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des LSG sei von der Verfügbarkeitsfiktion des § 103 Abs 2 Satz 2 AFG auszugehen, derzufolge der Kläger nicht berufsunfähig gewesen sei und daher der Arbeitsvermittlung am 4. Oktober 1976 zur Verfügung gestanden habe. Auf jeden Fall erscheine es ungerechtfertigt, von vornherein zu unterstellen, dem Kläger habe bei der Arbeitslosmeldung die Bereitschaft gefehlt, eine Arbeit aufzunehmen. Gemessen an seinem bisherigen Arbeitsleben seien Zweifel an einem ernsthaften Willen zur Arbeitsaufnahme und somit an der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers nicht ohne weiteres anzunehmen. Eine Erkrankung, auch wenn sie mit Arbeitsunfähigkeit verbunden sei, müsse die Verfügbarkeit nicht unbedingt ausschließen. Es sei dem Kläger nicht zu widerlegen, daß er subjektiv bereit und objektiv in der Lage gewesen sei, jede zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.

Der Beklagten obliege eine Betreuungspflicht im Sinne einer umfassenden Beratungs- und Auskunftspflicht nach den §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1), auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten beratend hinzuweisen. Die Anmeldestelle des Arbeitsamtes habe jedoch trotz der Arbeitslosmeldung und des Antrages auf die Gewährung von Alg den Kläger gar nicht erst registriert, so daß der Vorgang der Vermittlungsstelle nicht habe zugeleitet werden können. Unter Berücksichtigung dieser Verletzung der §§ 14 und 15 SGB 1 sei das Klagebegehren auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet.

In seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 1982 rügt der Kläger weiterhin, daß die tatsächlichen Feststellungen des LSG auf der Verletzung von Denkgesetzen und Erfahrungssätzen beruhten (die Revisionsbegründungsfrist war bis zum 9. August 1982 verlängert worden).

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. November 1981 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. September 1980 zurückzuweisen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 2) schließt sich dem Vorbringen des Klägers an, stellt jedoch keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 164 Abs 2 SGG.

Durch § 164 Abs 2 Satz 3 SGG soll sichergestellt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel der Revision überprüft und insoweit die Rechtslage genau durchdacht hat. Das muß die Revisionsbegründung erkennen lassen und jedenfalls die Gründe aufzeigen, die nach Auffassung des Prozeßbevollmächtigten das vorinstanzliche Urteil unrichtig erscheinen lassen. Hierzu bedarf es zumindest einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nrn 2, 5 und 12). Diese ist hier noch in dem erforderlichen Maße erfolgt. Der Revisionsbegründung ist zu entnehmen, daß sich der Kläger gegen die Auffassung des LSG wendet und sich insoweit die Begründung des erstinstanzlichen Urteils zu eigen macht, indem er darauf hinweist, daß die Kammer zu Recht keinen Zweifel gehabt habe, daß die Fiktion der Verfügbarkeit in § 102 Abs 2 Satz 2 AFG auch für die Begründung der Anwartschaftszeit gilt. Insoweit läßt sich seinem Vorbringen entnehmen, worin er eine Fehlerhaftigkeit der zu dem angegriffenen Ergebnis hinführenden Gedankengänge des LSG erblickt.

Die Revision ist jedoch unbegründet.

Dem steht nicht entgegen, daß zwischen dem Tage der Verkündung des Berufungsurteils und der Zustellung des schriftlich abgefaßten Urteils knapp sechs Monate verstrichen sind. Wie der Senat bereits entschieden hat, reicht eine solche Verzögerung nicht aus, von Amts wegen davon ausgehen zu müssen, daß das Urteil im Rechtssinne nicht mit Gründen versehen sei und damit gemäß § 202 SGG, § 551 Nr 7 Zivilprozeßordnung (ZPO) als auf einer Verletzung der Gesetze beruhend angesehen werden müsse (Urteile vom 18. März 1982 - 7 RAr 46/81 - und 23. Juni 1982 - 7 RAr 80/81).

Die angefochtenen Bescheide sind, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens waren, wie das LSG richtig entschieden hat, nicht rechtswidrig. Der Kläger hat für den hier in Betracht kommenden Zeitraum vom 14. Juni 1979 bis 16. Januar 1980 und vom 22. Februar bis 30. September 1980 keinen Anspruch auf Alg oder Alhi.

Ein Anspruch auf Alg besteht deshalb nicht, weil der Kläger für die Zeit ab 14. Juni 1979 die hierfür nach § 100 Abs 1 AFG erforderliche Anwartschaftszeit zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt hat. Die Anwartschaftszeit hat nach der hier maßgeblichen, bis zum 31. Juli 1979 geltenden Fassung von § 104 Abs 1 AFG (vgl § 104 Abs 4 idF des 5. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl I S.1181) erfüllt, wer in der Rahmenfrist 26 Wochen oder 6 Monate in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Die Rahmenfrist geht dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder, was hier nicht einschlägig ist, gemäß § 105 AFG als erfüllt gelten (§ 104 Abs 2 AFG). Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 104 Abs 3 AFG drei Jahre. Unterstellt man, daß es sich bei der am 4. Oktober 1976 gegenüber dem Arbeitsamt abgegebenen Erklärung um eine Arbeitslosmeldung iS von § 100 Abs 1 AFG handelt, beginnt die Rahmenfrist dennoch nicht an diesem Tage. Der Kläger konnte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Anspruch auf Alg haben, da für die Zeit bis zum 23. März 1978 die Voraussetzungen hierfür gemäß § 100 Abs 1 AFG deshalb nicht erfüllt waren, weil er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand.

Nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG ist für die Verfügbarkeit ua Voraussetzung, daß der Arbeitslose bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG bestand bei dem Kläger in dieser Zeit eine entsprechende Arbeitsbereitschaft nicht. Er hatte hiernach keinen ernsthaften Willen zur Aufnahme einer ihm zumutbaren Beschäftigung gehabt. Der Senat ist gemäß § 163 SGG an diese Feststellung gebunden, weil der Kläger in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht hat.

Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 1982 rügt, die Feststellungen des LSG beruhten auf der Verletzung von Denkgesetzen und Erfahrungssätzen, kann dies schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil diese Rügen nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgebracht worden sind. Bis zum Ablauf dieser Frist hat der Kläger, worauf die Beigeladene zu 1) zutreffend hingewiesen hat, die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht formgerecht wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels angegriffen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Er hat sich insoweit lediglich mit neuem tatsächlichem Vorbringen gegen das angefochtene Urteil gewandt. Dieses Vorbringen kann jedoch in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden.

Der mangelnden Verfügbarkeit steht, wie das LSG zutreffend erkannt hat, nicht entgegen, daß der Kläger in der Zeit ab 20. September 1977 seine Rentenansprüche gegen die Beigeladene zu 1) verfolgt hat. Dies hatte zur Folge, daß er gemäß § 103 Abs 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung nicht als berufsunfähig galt. Diese Fiktion kann sich nach ihrem Sinn und Zweck nur auf die objektive Verfügbarkeit auswirken. Sie soll verhindern, daß sich unterschiedliche Beurteilungen der Versicherungsträger über die Leistungsfähigkeit eines Versicherten zu dessen Lasten auswirken, weil der Versicherte hierauf keinen Einfluß hat. Hingegen liegt es in seinem Verantwortungsbereich, ob er bereit ist, jede ihm zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann (vgl BSGE 47, 40, 44 = SozR 4100 § 103 Nr 18). Das wird, wie das LSG zu Recht hervorgehoben hat, durch den Wortlaut des ab 1. Januar 1981 geltenden § 105a Abs 1 AFG (eingefügt durch Art II § 7 Nr 7 SGB 10 vom 18. August 1980, BGBl I, S.1469/1487), der ua an die Stelle des bisherigen § 103 Abs 2 AFG getreten ist und nach dem Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 8/4022 S. 89) in geänderter Fassung die bisherige Regelung des § 103 Abs 1 und 2 AFG übernimmt, bestätigt. In der neuen Fassung wird ausdrücklich erklärt, daß es dem Anspruch auf Alg nicht entgegensteht, wenn der Arbeitslose die hierfür erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen allein deshalb nicht erfüllt, weil er wegen einer nicht nur vorübergehenden Minderung seiner Leistungsfähigkeit keine längere als kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausüben kann, wenn weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden ist. Die Fiktion betrifft also hiernach eindeutig nur die objektive Verfügbarkeit. Bestand demnach eine Arbeitsbereitschaft gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG erst ab 14. Juni 1979, so konnte zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Anwartschaftszeit durch das am 2. Oktober 1976 beendete Beschäftigungsverhältnis nicht erfüllt werden.

Ein Anspruch auf Alhi steht dem Kläger für den hier geltend gemachten Zeitraum gleichfalls nicht zu. Der Kläger erfüllt ab 14. Juni 1979 die hierfür erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG in der hier maßgeblichen Fassung bis zum 31. Juli 1979 nicht. In Betracht kommt hier allein Buchstabe b) dieser Vorschrift. Hiernach ist erforderlich, daß der Arbeitslose innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, mindestens zehn Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat. Daran, daß dies hier nicht der Fall ist, bestehen keine Zweifel, wenn man den Antrag auf Alhi vom 14. Juni 1979 zugrunde legt. Aber auch wenn man in dem Antrag vom 4. Oktober 1976 gleichzeitig einen Antrag auf Alhi erblicken wollte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Zwar wäre dieser Antrag noch nicht gegenstandslos, da er erst durch den Bescheid vom 27. März 1980 beschieden worden ist, der Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Jedoch kann dies nicht dazu führen, daß die Jahresfrist des § 134 Abs 1 Nr 4 AFG von diesem Zeitpunkt an gerechnet werden kann. Sie kann vielmehr entsprechend § 104 Abs 3 AFG, der hier gemäß § 134 Abs 2 AFG gilt, weil Besonderheiten der Arbeitslosenhilfe nicht entgegenstehen, erst von dem Tage an gerechnet werden, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind. Das war hier, da die nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG erforderliche Verfügbarkeit erst ab 14. Juni 1979 bestanden hat, der 13. Juni 1979. In dem Jahre vor diesem Tage war der Kläger nicht beschäftigt.

Ersatztatbestände, die nach den Vorschriften der Alhi-VO an die Stelle der vorherigen entlohnten Beschäftigung iS von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG treten, liegen nicht vor. Der Kläger hat in der hier in Betracht kommenden Zeit nicht für mindestens 26 Wochen oder 6 Monate die in § 3 Alhi-VO genannten Leistungen bezogen.

Zu Unrecht meint der Kläger, daß er seinen Anspruch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen könne, weil die Beklagte eine entsprechende Beratung unterlassen habe. Diesem Anspruch steht entgegen, daß der Versicherungsträger nach allgemeiner Meinung grundsätzlich nicht von Amts wegen zu beraten hat. Es obliegt vielmehr dem Bürger, sein Anliegen vorzutragen und den Versicherungsträger um Beratung zu bitten. Gegen oder ohne seinen Willen soll der Bürger von den Trägern öffentlicher Gewalt keine Ratschläge erfahren (BSG SozR 1200 § 14 Nr 9 mwN). Der Kläger hat um eine solche Beratung nicht nachgesucht. Er ist vielmehr der Aufforderung der Beklagten, zur Beratung zu erscheinen, nicht nachgekommen. Die Auffassung des Klägers, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn darauf hinzuweisen, daß er die Anwartschaftszeit innerhalb der Rahmenfrist erfüllen müsse, trifft nicht zu. Zwar war die Beklagte aufgrund des zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Sozialrechtsverhältnisses verpflichtet, von sich aus ihn auf Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig ist, daß jeder Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde (SozR 1200 § 14 Nr 9). Hier war jedoch nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG für den Bediensteten der Beklagten, der den Antrag des Klägers vom 4. Oktober 1976 entgegengenommen hat, nicht erkennbar, daß der Kläger noch rund zwei Jahre und neun Monate der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen würde.

Die Revision kann nach allem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658405

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