Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Erhöhung der angemessenen Unterkunftskosten durch nicht erforderlichen Umzug. keine Begrenzung der Leistungen auf die bisherigen Unterkunftskosten nach Unterbrechung des Leistungsbezuges für mindestens einen Monat

 

Leitsatz (amtlich)

Die Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung bei einem nicht erforderlichen Umzug entfaltet nach einer mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens einem Kalendermonat verbundenen Überwindung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens keine Wirkung mehr.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 Sätze 1, 2 Fassung: 2006-07-20, § 41 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 28.02.2013; Aktenzeichen L 5 AS 369/09)

SG Dessau-Roßlau (Urteil vom 08.09.2009; Aktenzeichen S 7 AS 4331/08)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vom Beklagten zu leistenden Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1971 geborene, alleinstehende Kläger bezieht vom Beklagten seit 1.1.2005 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld II (Alg II). Vom 1.8.2005 bis zu seinem Umzug am 15.1.2007 bewohnte er in K. eine 32,35 m² große Wohnung, für die er eine monatliche Bruttokaltmiete von 190 Euro (Nettokaltmiete 149 Euro und kalte Betriebskosten 41 Euro) und ab Oktober 2006 eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 17 Euro zahlte. Der Beklagte bewilligte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,94 Euro für Dezember 2006 und in Höhe von 209,11 Euro inklusive einer Nebenkostennachforderung in Höhe von 5,17 Euro für Januar 2007.

Einen vom Kläger am 11.9.2006 gestellten Antrag auf Zusicherung künftiger Unterkunftsaufwendungen vor einem Umzug innerhalb von K. in eine teurere Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 49 m² lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 25.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006). Die hiergegen vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhobene Klage (S 7 AS 61/07) blieb ohne Erfolg, da der Umzug in eine größere Wohnung nicht erforderlich gewesen sei (Urteil vom 8.9.2009).

Am 2.1.2007 hatte der Kläger den Mietvertrag über die größere Wohnung in K. geschlossen, für die er ab Einzug am 15.1.2007 die geschuldete monatliche Bruttowarmmiete von 342,55 Euro zahlte. Für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 31.7.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung nur in Höhe der vorherigen Unterkunftsaufwendungen von monatlich 209,11 Euro (bestandskräftiger Bescheid vom 18.1.2007). Diese Bewilligung hob er für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.7.2007 wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen ganz auf und forderte vom Kläger die Erstattung der Leistungen (bestandskräftiger Bescheid vom 21.11.2007). Der Kläger hatte am 11.4.2007 mit der N einen Arbeitsvertrag für Saisonarbeit in Dänemark geschlossen, befristet bis 31.12.2007. Er übte die Beschäftigung vom 11.4.2007 bis 14.10.2007 aus, weil das Beschäftigungsverhältnis vorzeitig beendet wurde.

Auf den am 11.10.2007 gestellten neuen Alg II-Antrag des Klägers, der weiterhin in der von ihm zuletzt angemieteten Wohnung in K. wohnte, bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 Alg II in Höhe von monatlich 556,11 Euro, bestehend aus der Regelleistung in Höhe von 347 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung erneut nur in Höhe von 209,11 Euro (Bescheid vom 13.11.2007). Der hiergegen mit dem Begehren auf Zahlung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008).

Das SG hat den Beklagten im anschließenden Klageverfahren verurteilt, dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,29 Euro zu gewähren (Urteil vom 8.9.2009). Der Kläger habe einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen und angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro. Die Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II finde entgegen der Auffassung des Beklagten keine Anwendung, da sie nur bei Umzügen während eines ununterbrochenen Leistungsbezuges gelte, nicht aber nach zeitweiliger Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs. Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) ist erfolglos geblieben (Urteil vom 28.2.2013). Die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien im streitigen Bewilligungsabschnitt trotz Eingreifens der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im früheren Bewilligungsabschnitt nicht der Höhe nach begrenzt, da die Vorschrift nicht nach unterbrochenem Leistungsbezug fortwirkend anwendbar sei. Wer nicht oder nicht mehr im Leistungsbezug stehe, sei auch nicht den Regelungen des SGB II unterworfen. Allerdings sei nicht jede Unterbrechung des Leistungsbezugs ausreichend, sondern die Überwindung der Hilfebedürftigkeit aus eigener Kraft, dh durch eigenes Einkommen und nicht durch Rückgriff auf Schonvermögen oder nicht nachhaltige Zuwendungen Dritter, für mindestens einen Monat erforderlich. Da der Kläger fünf Monate wegen eigenen Einkommens und fehlender Hilfebedürftigkeit nicht im Leistungsbezug gestanden habe, sei § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nach seinem neuen Alg II-Antrag nicht mehr anzuwenden.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II geltend. Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt, da der Kläger zur Zeit des Mietvertragsabschlusses und Umzugs im Leistungsbezug gestanden habe und der Umzug nicht erforderlich gewesen sei. Die vorübergehende Unterbrechung des Leistungsbezugs infolge der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit stehe der Anwendbarkeit der Norm nicht entgegen, jedenfalls dann nicht, wenn die Unterbrechung nicht mindestens sechs Monate gedauert habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Er nimmt auf die Entscheidungen des SG und des LSG Bezug.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, denn der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die im streitigen Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 bewohnte Wohnung in Höhe von monatlich 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Beklagten begehrte Aufhebung der Urteile des LSG und des SG, mithin seine Verpflichtung, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 13.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 127,18 Euro zu zahlen. Der Betrag ergibt sich aus der Differenz der vom Kläger tatsächlich aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung für die von ihm im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung abzüglich der Warmwasserpauschale in Höhe von 336,29 Euro und der vom Beklagten bewilligten 209,11 Euro. Die Beschränkung des Streitgegenstandes allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung war nach der alten, bis 31.12.2010 geltenden und hier anzuwendenden Rechtslage zulässig (vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Offen bleiben kann, ob auch unter der Neufassung (nF) der §§ 19 bis 22 SGB II zum 1.1.2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes weiterhin prozessual zulässig ist.

Der Zeitraum ab Antragstellung des Klägers am 11.10.2007 bis 31.10.2007 ist nicht Streitgegenstand, da hierüber vom Beklagten mit bestandskräftigem Versagungsbescheid vom 12.11.2007 entschieden worden ist.

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung sind § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II in der für die streitige Zeit geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

Der Kläger stellte am 11.10.2007 den erforderlichen Antrag auf Alg II, welches die Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst (§ 37, § 19 SGB II). Zudem erfüllte er im streitigen Zeitraum nach den von den Beteiligten nicht gerügten und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) die Voraussetzungen hinsichtlich des Lebensalters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II. Er war auch hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II. Anhaltspunkte für das Eingreifen eines Ausschlusstatbestands (§ 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und 5 SGB II) sind nicht ersichtlich.

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Eine Begrenzung der vom Beklagten zu zahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung auf die geringeren bewilligten Kosten der zuvor vom Kläger bewohnten Wohnung folgt vorliegend nicht aus § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II (dazu unter 3.). Auch eine Kostensenkung nach § 22 Abs 1 Satz 1 iVm § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II kommt hier nicht in Betracht (dazu unter 4.).

3. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aF), eingeführt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706), lautete: "Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht."

Auf diese Vorschrift kann sich der Beklagte vorliegend nicht stützen, weil sie bei Eintritt eines neuen Leistungsfalls keine fortwirkende Anwendung findet (vgl auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Pletscher in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 22 SGB II RdNr 79, 84. EL Stand 11/2013; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Eine neuer Leistungsfall liegt hier vor, weil der Kläger zu Beginn des streitigen Bewilligungsabschnitts seine frühere Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens für mindestens einen Kalendermonat überwunden hatte und aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war. Bei dem mit Eintritt seiner erneuten Hilfebedürftigkeit vorliegenden neuen Leistungsfall ist für die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung allein § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen für die fortgesetzte Begrenzung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II liegen im streitigen Zeitraum trotz Eingreifens der Regelung im früheren Bewilligungsabschnitt (zu deren Voraussetzungen vgl BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52; Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35) nicht vor.

a) Die Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II wird durch eine mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens einem Kalendermonat verbundene Überwindung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens begrenzt. Bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles findet die Vorschrift keine Anwendung. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II, seinem Sinn und Zweck, einer vergleichenden Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II und unter Berücksichtigung von Wertungsgesichtspunkten sowie des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns.

Bereits dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "weiterhin" ist es immanent, dass unmittelbar vor Eingreifen der Norm ein ununterbrochener Leistungsbezug bestanden haben muss. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber dieses Tatbestandsmerkmal nicht in den seit 1.1.2011 geltenden § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF übernommen hat, folgt keine andere Auslegung der hier anzuwendenden alten Fassung. Denn zum einen können hieraus keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (so bereits zur fehlenden Regelung des Verteilzeitraums vor dem 1.4.2011: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 23; BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zum anderen ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass trotz der Wortlautänderung § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF dem bisherigen Recht entspricht (BT-Drucks 17/3404, S 98).

Auch aus dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II ergibt sich, dass diese Vorschrift nach einer mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs verbundenen Überwindung der Hilfebedürftigkeit bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles nicht fortwirkt. Mit der nur nach erforderlichen Umzügen vorgesehenen Übernahme höherer, noch abstrakt angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung soll eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen verhindert und den Kommunen im Hinblick auf die Kostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eine Steuerungsfunktion belassen werden (BT-Drucks 16/1410 S 23, zur ratio legis vgl auch ausführlich BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35, RdNr 21). Beide Ziele sind aber nur während des Leistungsbezugs und gerade nicht mehr ab dem mit der Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat verbundenen Ende des Leistungsbezugs zu erreichen, da ab diesem Zeitpunkt die Vorschriften des SGB II für die nicht mehr hilfebedürftige Person nicht mehr gelten und die Leistungsträger keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr haben.

Erst durch einen neuen Alg II-Antrag begibt sich die betroffene Person neu - wie die erstmalig hilfebedürftige Person - in das System des SGB II und auch nur bei Hilfebedürftigkeit und Leistungsbezug unterliegt sie erneut dessen Regeln (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Dem Umstand, dass ein Mietvertrag über eine teurere angemessene Wohnung noch während des früheren Leistungsbezugs und damit zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden war, als die hilfebedürftige Person nicht in der Lage war, die höheren Mietzahlungen für die neue Wohnung selbst zu leisten, wird durch die bis zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des früheren Leistungsbezugs eingreifende Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hinreichend Rechnung getragen.

Dieses Ergebnis wird auch durch eine vergleichende Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und den sich daraus ergebenden Wertungsgesichtspunkten bestätigt. Wie der 4. Senat des BSG bereits in früheren Entscheidungen betont hat, knüpft die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und die damit verbundene Möglichkeit einer Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II an den Status als erwerbsfähige hilfebedürftige/leistungsberechtigte Person an (vgl BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Die Vorschriften gelten auch bei Vorliegen eines früheren Leistungsbezugs nicht über dessen Beendigung hinaus, wenn die hilfebedürftige Person nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs, aber vor dem Eintritt neuer Hilfebedürftigkeit eine neue Wohnung angemietet hat und in diese eingezogen ist, selbst wenn die neue Hilfebedürftigkeit zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits absehbar war (BSG aaO). Die vorliegende Fallkonstellation rechtfertigt keine andere Behandlung einer ebenfalls erneut hilfebedürftig gewordenen Person.

Auch der dem gesamten Leistungssystem des SGB II immanente, in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II aF bzw § 1 Abs 2 Satz 1 SGB II nF sowie in § 2 SGB II normierte Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns spricht für die hier vorgenommene Auslegung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II. Die Eigenverantwortung leistungsberechtigter Personen soll insbesondere dadurch gestärkt werden, dass sie dazu beitragen, ihren Lebensunterhalt durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft und damit unabhängig von der Grundsicherung zu bestreiten (vgl Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 2 RdNr 5; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 1 RdNr 27, Stand 2/2012). Hierdurch soll wiederum dem nur temporären Charakter der Leistungsgewährung nach dem SGB II Rechnung getragen werden, mit der Folge, dass die Verantwortung des Jobcenters - und damit auch seine Berechtigung zur Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II - endet, sobald der Leistungsberechtigte aus dem Leistungssystem ausscheidet, selbst dann, wenn das Ende des Leistungsbezugs nur vorübergehend ist und damit letztlich "nur" zu einer Unterbrechung führt. Durch den bei einem neuen Leistungsfall mit einer erneuten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II verbundenen nochmaligen "Vorwurf", eine teurere Wohnung angemietet zu haben, würden der Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns sowie die vom Gesetzgeber als unterstützenswert erachteten Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit (§ 1 Abs 2 Nr 2 SGB II aF/§ 1 Abs 3 Nr 2 SGB II nF, §§ 15 ff SGB II) konterkariert.

Wie auch der Senat bereits in einer früheren Entscheidung ausgeführt hat, gilt die Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nur, solange nicht Veränderungen in den persönlichen Umständen der betroffenen Person eintreten, die eine Neubestimmung der für sie angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gerechtfertigt erscheinen lassen (Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 13). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns ist die Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens eine solche Veränderung in den persönlichen Umständen (vgl auch zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit im Zusammenhang mit der Bemessung des sog Verteilzeitraums bei einmaligen Einnahmen: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 64; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31).

b) In zeitlicher Hinsicht ist als Zäsur für die Begrenzung einer fortgesetzten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II die vorherige Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Unterbrechung des Leistungsbezugs für mindestens einen Kalendermonat erforderlich, aber auch ausreichend (so bereits BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 22; vgl im Übrigen auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Nach Ablauf eines Kalendermonats liegt bei erneuter Hilfebedürftigkeit ein neuer Leistungsfall vor. Die bloße Abmeldung aus dem Leistungsbezug trotz tatsächlich fortbestehender Hilfebedürftigkeit genügt dagegen nicht, um eine Zäsur mit Blick auf die fortgesetzte Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu erreichen.

Diese Anknüpfung an mindestens einen Kalendermonat für das Vorliegen eines neuen Leistungsfalls folgt aus dem im SGB II geltenden und in der Rechtsprechung des BSG bereits mehrfach betonten Monatsprinzip (vgl BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R -, RdNr 26; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 28; BSG Beschluss vom 23.11.2006 - B 11b AS 17/06 B - SozR 4-4225 § 2 Nr 1 RdNr 14 f; zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Zusammenhang mit der Festlegung des sog Verteilzeitraums bei Zufluss einmaliger Einnahmen vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31). Der Alg II-Anspruch ist auf eine kalendermonatsweise Betrachtung angelegt, wie bereits die in § 41 Abs 1 SGB II normierte Festlegung der Berechnungs- und Leistungsabschnitte auf einen Kalendermonat zeigt. Zudem wird der Regelbedarf (zuvor: Regelleistung) nach § 20 SGB II als Leistung je Kalendermonat ausgewiesen und die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung iS von § 22 SGB II hat monatsweise zu erfolgen. Die Alg II-Verordnung aF (§ 2) bzw § 11 Abs 2 und 3 SGB II nF stellen hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen auf den Zufluss von Einnahmen innerhalb eines Kalendermonats ab und § 30 SGB II aF bzw § 11b Abs 3 SGB II sehen einen vom monatlichen Erwerbseinkommen abzusetzenden Freibetrag vor. Auch § 23 Abs 4 SGB II aF bzw § 24 Abs 4 SGB II nF, wonach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen, knüpfen an eine kalendermonatsweise Betrachtungsweise an. Nicht zuletzt kommt in § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II nF, wonach der Alg II-Antrag auf den Ersten des Monats zurückwirkt, zum Ausdruck, dass das Gesetz für den Alg II-Anspruch an den Kalendermonat anknüpft.

An dieses Monatsprinzip des SGB II ist in zeitlicher Hinsicht auch für die Zäsur bei der Begrenzung der Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II anzuknüpfen. Hierdurch wird insbesondere dem Grundsatz des Forderns und Förderns Rechnung getragen, indem für die betroffenen Personen Anreize geschaffen werden, ihre Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Einkommen zu überwinden, um bei deren tatsächlicher Realisierung, sei es auch nur für einen Kalendermonat, von dem Vorteil der Beendigung der Wirkungsdauer des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II profitieren zu können.

Dieser Rückgriff auf das Monatsprinzip steht überdies mit der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG im Einklang, wonach bei zu erbringenden Monatsleistungen wie nach dem SGB II, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz das Entfallen der Hilfebedürftigkeit für einen Monat genügt, um eine Zäsur für nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch nachträglich nicht zu erbringende Leistungen zu bewirken (vgl Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 3/12 R - juris RdNr 13; Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - SozR 4-3520 § 3 Nr 3 RdNr 14).

Für die vom Beklagten unter Bezugnahme auf einen Beschluss des LSG Sachsen (20.10.2008 - L 3 B 530/08 AS-ER) geforderte Unterbrechung des Leistungsbezugs von "wesentlich mehr als sechs Monaten" und auch für das Erfordernis eines zeitlichen Moments von sechs Monaten fehlt es dagegen an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Zwar sieht § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II als Regelbewilligungszeitraum sechs Monate vor. Dennoch liegt § 41 Abs 1 SGB II - wie gezeigt - insgesamt eine kalendermonatsweise Betrachtung der Berechnung und Erbringung der Leistungen nach dem SGB II zugrunde. Der sechsmonatige Bewilligungszeitraum folgt dagegen aus Gründen der Verwaltungsökonomie, weil eine monatsweise Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen und Bescheidung nicht mit vertretbarem Aufwand zu realisieren wäre (vgl BT-Drucks 15/1516, S 63).

c) Anhaltspunkte dafür, dass § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hier aus anderen Gründen fortwirken könnte, bietet der vorliegende Fall nicht, in dem der Kläger seine Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Erwerbseinkommens für mehr als einen Kalendermonat überwunden hatte und für fünf Monate aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war, bevor er erneut hilfebedürftig wurde. Seinem erneuten Leistungsantrag liegt ein neuer Leistungsfall zugrunde.

4. Da § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im hier streitigen Zeitraum nicht anwendbar ist, sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind.

Eine hier allein noch denkbare Absenkung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II scheidet aus, da es bereits an einer hierfür erforderlichen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten fehlt. Die vom Kläger beantragte Zusicherung war allein aufgrund der fehlenden Erforderlichkeit des Umzugs aus der zuvor bewohnten in die neue Wohnung abgelehnt worden.

Von der festgestellten Bruttowarmmiete von monatlich 342,55 Euro war - wie vom SG im Ergebnis vorgenommen - lediglich ein Betrag in Höhe von monatlich 6,26 Euro als Warmwasserpauschale abzuziehen, da eine entsprechende Berücksichtigung bereits durch die Regelleistung in Höhe von 347 Euro erfolgte (vgl hierzu BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 28 bis 30; Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335). Auf die für den streitigen Zeitraum fehlenden hinreichenden Feststellungen des LSG zu den nach Bruttokaltmiete und Heizkosten aufgeschlüsselten tatsächlichen Aufwendungen des Klägers (zur getrennten Angemessenheitsprüfung von Unterkunfts- und Heizkosten vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21) und zur Angemessenheit der Unterkunftskosten kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6773531

FEVS 2015, 157

NDV-RD 2014, 110

SGb 2014, 326

ZfF 2014, 207

info-also 2014, 228

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