Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortsetzungsfeststellungsklage im Revisionsverfahren. berechtigtes Interesse iS von § 131 Abs 1 S 3 SGG. Wiederholungsgefahr als Feststellungsinteresse

 

Orientierungssatz

1. Der Übergang von der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch im Revisionsverfahren zulässig (BSG vom 21.10.1958 - 2 RU 135/57 = BSGE 8, 176).

2. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits rechtfertigt das Feststellungsbegehren iS von § 131 Abs 1 S 3 SGG nicht.

3. Das Feststellungsinteresse ist zu verneinen, wenn ungewiß bleibt, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse vorliegen wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes (BVerwG vom 25.11.1986 - 1 C 10/86 = Buchholz, 310, § 113 Nr 162).

 

Normenkette

SGG § 131 Abs 1 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 24.03.1987; Aktenzeichen L 7 Ar 223/85)

SG Lüneburg (Entscheidung vom 24.06.1985; Aktenzeichen S 13 Ar 166/84)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren noch die Feststellung, daß mehrere Bewilligungsbescheide der Beklagten, welche er ursprünglich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angefochten hatte, wegen der darin enthaltenen Einschränkungen rechtswidrig waren.

Die Beklagte gewährte dem Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma W.                      durch mehrere Bescheide vom 7. September 1983 Mehrkostenzuschüsse (MKZ) in Höhe von insgesamt 3.427,-- DM. In diesen Bescheiden erklärte sie gleichzeitig die Aufrechnung mit rückständigen Umlagen des in Konkurs gegangenen Unternehmens zur produktiven Winterbauförderung. Den gegen diese Bescheide erhobenen Widerspruch wies sie mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 26. März 1984 zurück.

Durch Urteil vom 24. Juni 1985 hat das Sozialgericht Lüneburg (SG) die mit der Klage angefochtenen Bewilligungsbescheide und den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die MKZ in vollem Umfange auszuzahlen. Die gegen dieses Urteil von der Beklagten eingelegte Berufung hatte teilweise Erfolg. Das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hat durch sein Urteil vom 24. März 1987 das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten mit der Maßgabe geändert, daß die Beklagte ihre Forderungen auf Winterbauumlagen gegen die Forderungen des Klägers auf MKZ nur unter dem Vorbehalt der Haftungsbeschränkung des § 60 Abs 1 Nr 3 iVm § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e Konkursordnung (KO) aufrechnen kann, soweit ihre Forderung nicht bereits durch Zahlung vom Kläger erfüllt worden ist.

Beide Verfahrensbeteiligten haben das Berufungsurteil mit der Revision angefochten. Die Beklagte hat die von ihr eingelegte Revision wieder zurückgenommen und im September 1987 die bewilligten Zuschüsse vorbehaltlos an den Kläger ausgezahlt.

Daraufhin hat der Kläger erklärt, die Hauptsache sei nach § 131 Abs 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erledigt. Er habe jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die ursprünglichen Verwaltungsakte rechtswidrig waren. Neben dem wirtschaftlichen Interesse bezüglich der Kosten des gesamten Rechtsstreits bestehe auch ein persönliches Interesse an der Klärung der Rechtslage. Für ihn als Konkursverwalter sei es von grundsätzlichem Interesse, ob die Beklagte in vergleichbaren Situationen zur Aufrechnung berechtigt sei.

Der Kläger beantragt festzustellen, daß

1. die Bescheide der Beklagten vom 07.09.1983 zum Az.: II-MKZ 191/83 Nr. 0-6 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1984 zum Az.: II. 2-9032-MKZ 191-W 1318/83 rechtswidrig waren,

2. die Beklagte verpflichtet war, an den Kläger die bewilligten Mehrkostenzuschüsse in Höhe von DM 3.427,-- in vollem Umfang auszuzahlen.

Die Beklagte hat sich zu dem Feststellungsbegehren des Klägers nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers ist nicht zulässig. Er hat nicht in ausreichendem Maße dargetan, daß er ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat.

Nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn er sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Der Übergang von der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch im Revisionsverfahren zulässig (BSGE 8, 178, 179/180; Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310, § 113 VwGO Nr 45).

Im vorliegenden Fall hat sich das ursprüngliche Klageziel in der Revisionsinstanz erledigt. Streitgegenstand der Klage und damit auch des Revisionsverfahrens war die vom Kläger angefochtene Verrechnung von Umlagerückständen mit den bewilligten MKZ. Die Beseitigung nur dieser Beschwer hat der Kläger in dem bisherigen Verfahren verfolgt. Dieser Rechtsnachteil ist nunmehr entfallen, nachdem die Beklagte die MKZ in dem bewilligten Umfange vorbehaltlos ausgezahlt hat. Damit ist gleichzeitig das Klageziel entfallen und der Kläger klaglos gestellt worden. Für die klageweise Durchsetzung des von ihm vorher verfolgten Begehrens fehlt es seit der Auszahlung der MKZ an einem Rechtsschutzbedürfnis (vgl BSG wie zuvor; Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310, § 113 VwGO Nr 154).

Nach alledem haben sich die angefochtenen Verwaltungsakte, soweit der Kläger die in ihnen enthaltene Beschwer beseitigen wollte, erledigt, so daß insofern die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG vorhanden sind. Die Zulässigkeit einer solchen Klage hängt nach dieser Vorschrift jedoch weiterhin davon ab, daß der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Nach seiner Auffassung hat er sowohl ein wirtschaftliches als auch ein persönliches Interesse an der Klärung der Rechtsfrage und damit an der Entscheidung über sein Feststellungsbegehren. Das wirtschaftliche Interesse leitet er davon ab, daß aufgrund des Feststellungsbegehrens auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden sei. Dieses von ihm als "wirtschaftlich" bezeichnete Interesse rechtfertigt jedoch das Feststellungsbegehren nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dies bereits im Jahre 1958 ausführlich dargelegt (BSGE 8, 178 f). Es hat ua ausgeführt, daß, wenn schon das Interesse am Kostenpunkt die Feststellungsklage rechtfertige, in Wirklichkeit die Kostenfrage zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werde und die Einschränkung der Feststellungsklagen auf den Fall des Vorliegens eines berechtigten Interesses praktisch bedeutungslos sei, da ein Interesse des Klägers an der Kostenentscheidung regelmäßig vorliege. Es kann aber nicht dem Belieben des Klägers überlassen sein, durch entsprechende Gestaltung seines Prozeßbegehrens zum Zwecke der Herbeiführung einer Kostenentscheidung eine Sachentscheidung zu erzwingen. Insbesondere darf nicht übersehen werden, daß eine Kostenentscheidung auch ohne ein Urteil in der Sache auf Antrag zu ergehen hat (§ 193 Abs 1 2. Halbs SGG).

Der Kläger hat nicht ausreichend dargetan, daß er ein sogenanntes "persönliches" Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage hat. Insoweit hat er lediglich in einem Satz dargetan, es sei für ihn als Konkursverwalter grundsätzlich von Interesse, ob die Beklagte in vergleichbaren Situationen zur Aufrechnung berechtigt sei. Mit diesem Vorbringen will er augenscheinlich geltend machen, daß für ihn eine Wiederholungsgefahr bestehe, welche im Sinne des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der hier angefochtenen Bescheide begründe. Damit nimmt der Kläger unausgesprochen auf das in der Rechtsprechung als gerechtfertigt anerkannte Feststellungsbegehren Bezug, wenn eine Wiederholungsgefahr tatsächlich gegeben ist (vgl zuletzt BSGE 56, 45, 49/50 mwN). Daß hier eine Wiederholungsgefahr besteht, ist jedoch mit dem bereits inhaltlich wiedergegebenen Satz aus der Klagebegründung nicht dargetan. Es fehlen jegliche Ausführungen, welche erkennen lassen, welche tatsächlichen Umstände eine Wiederholungsgefahr begründen können. Ein Eingehen darauf ist jedoch unverzichtbar (BSG vom 7. Mai 1986 - 9a RVs 28/84 -). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat das Feststellungsinteresse verneint, wenn ungewiß bleibt, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse vorliegen wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes (Buchholz, 310, § 113 Nr 162). Dieses Gericht hat aus guten Gründen darauf hingewiesen, daß sich die Frage, ob und wann ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes besteht, nur nach den wirklichen Umständen des einzelnen Falles beantworten lasse (Buchholz, 310, § 113 Nr 149). Es muß erkennbar werden, daß die erstrebte Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage geeignet ist, die Position des Klägers in dem von ihm bezeichneten Zusammenhang zu verbessern (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz, 402.24 § 7 Nr 20). Solange sich jedoch nicht mit der dafür erforderlichen Bestimmtheit übersehen läßt, welche Maßnahmen erneut drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden, kann im Einzelfalle ein berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz nicht anerkannt werden (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz, 418.6, ViehSG Nr 8).

Es ist sehr zweifelhaft, ob es überhaupt genügt, wenn für den Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen eines anderen Gemeinschuldners - hier wäre er eine andere Partei kraft Amtes - eine Wiederholungsgefahr bestände. In seinem Feststellungsbegehren legt der Kläger jedenfalls nichts dafür dar, daß bei ihm in Zukunft wahrscheinlich erneut tatsächliche Umstände eintreten werden, welche zum wiederholten Erlaß entsprechender Verwaltungsakte führen könnten. Soweit er ein Interesse aus seiner Tätigkeit als Konkursverwalter herzuleiten versucht, ist nicht einmal dargetan, ob und in welchem Umfange er auch in Zukunft mit der Verwaltung und Bereinigung von Konkursangelegenheiten ähnlicher Art befaßt sein könnte. Insbesondere aber fehlt jeglicher Hinweis darauf, daß sich dabei tatsächlich Umstände ergeben könnten, welche nach Eröffnung des Konkursverfahrens zunächst zur Bewilligung von Leistungen und alsdann zu einer Aufrechnungserklärung führen könnten. Nur in einem solchen Falle würde die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig werden, ob nach Eintritt eines Insolvenzereignisses gegenüber danach bewilligten Leistungen aufgerechnet werden kann.

In Ermangelung einer ausreichenden Darlegung vermag der erkennende Senat nicht zu beurteilen, inwiefern die begehrte Feststellung für den Kläger bedeutend werden kann, weil eine Wiederholungsgefahr nicht erkennbar ist. Die Feststellungsklage war abzuweisen.

Bei der Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 193 SGG war zu berücksichtigen, daß der Kläger im wesentlichen, nämlich der Nichtvornahme von Verrechnungen, praktisch Erfolg gehabt hat, nicht jedoch mit dem in der Revisionsinstanz gestellten Antrag.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659666

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