Beteiligte

Deutsche Angestellten-Krankenkasse – Pflegekasse

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. August 1996 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der Beiträge zur Pflegeversicherung.

Die 1928 geborene Klägerin ist seit Juli 1993, dem Beginn des Bezuges von Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Rente betrug im ersten Halbjahr 1995 monatlich 627, 10 DM, der Zuschuß des Rentenversicherungsträgers zu den Aufwendungen für die Pflegeversicherung monatlich 3, 14 DM.

Mit Bescheid vom 1. Februar 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1995 setzte die beklagte Pflegekasse den ab 1. Januar 1995 zu zahlenden Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung auf monatlich 13, 54 DM fest. Sie legte der Beitragsbemessung unter Hinweis auf § 57 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) i.V.m. § 240 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) beitragspflichtige Einnahmen von monatlich 1.353, 33 DM, aufgerundet auf 1.354 DM, zugrunde.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 4. April 1996). Die Beitragsbemessung sei rechtmäßig; die ihr zugrundeliegenden Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, sie sei zu Unrecht freiwillig versichert, weil das Gesundheitsstrukturgesetz sie von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ausgeschlossen habe. Sie habe nämlich die Führung ihres Versicherungsverhältnisses als freiwillige Versicherung ohne Widerspruch hingenommen. Damit sei die Entscheidung der Beklagten bestandskräftig geworden und binde die Beteiligten. Verfassungsrechtlich sei die Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen zur KVdR nicht zu beanstanden. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15. August 1996). Der angefochtene Gerichtsbescheid sei nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätten die Verfassungsmäßigkeit der für die Beitragsbemessung maßgebenden Vorschriften bereits bestätigt. Zwar hätten die Entscheidungen Streitigkeiten in der Krankenversicherung zum Gegenstand gehabt. Für die soziale Pflegeversicherung könne nichts anderes gelten, da das SGB XI insoweit die Regelung des SGB V übernehme.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs. 1 GG) und des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs. 1 GG) durch die Regelung des § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 240 SGB V.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 15. August 1996 und den Gerichtsbescheid des SG vom 4. April 1996 vollständig sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1995 insoweit aufzuheben, als der Beitragsbemessung höhere Einnahmen als ihre Rente zugrunde gelegt worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Die Beitragsbemessung zur sozialen Pflegeversicherung ist nicht zu beanstanden (unten 1.). Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die einschlägigen gesetzlichen Regelungen (unten 2.).

1. Die Klägerin ist, wie das LSG festgestellt hat, freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. An diese Feststellung ist der Senat gebunden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Klägerin pflichtversichert in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 3 SGB XI). Ihre Beiträge zur Pflegeversicherung waren jedenfalls in dem hier zu beurteilenden ersten Halbjahr 1995 nach fiktiven Mindesteinnahmen zu bemessen. Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist für die Beitragsbemessung zur Pflegeversicherung der freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden. Nach dessen Abs. 4 Satz 1 gilt für den Kalendertag als beitragspflichtige Einnahmen mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, was auf den Monat umgerechnet einem Drittel der monatlichen Bezugsgröße entspricht. Da die monatliche Bezugsgröße für das Jahr 1995 4.060 DM betrug, galt als Mindesteinnahmen-Grenze i.S. des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V ein Betrag von 1.353, 33 DM (4.060 DM: 90 × 30). Diesen Betrag hat die Beklagte, aufgerundet auf volle 1.354 DM, der Beitragsbemessung zugrunde gelegt, weil die Rente der Klägerin von monatlich 627, 10 DM im ersten Halbjahr 1995 die Mindesteinnahmen-Grenze unterschritt. Unter Zugrundelegung der gerundeten Mindesteinnahmen und eines Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung von 1 v.H. für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. Juni 1996 (§ 55 Abs. 1 Halbs 1 SGB XI) ergab sich 1995 ein monatlicher Beitrag von 13, 54 DM.

2. Die für die Beitragsbemessung maßgebenden Vorschriften verletzen die Klägerin nicht in ihren Grundrechten.

Prüfungsmaßstab ist zunächst der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG. Zu vergleichen sind diejenigen in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Rentner, deren Pflichtmitgliedschaft auf einer Pflichtversicherung in der KVdR beruht (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI), mit denjenigen in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Rentnern, die wie die Klägerin freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind (§ 20 Abs. 3 SGB XI). Für diese Gruppen ergibt sich unter bestimmten Voraussetzungen aus der Art der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung eine unterschiedliche Beitragsbelastung in der Pflegeversicherung.

Von den Grundlagen der Beitragsbemessung (Beitragssatz, beitragspflichtige Einnahmen und Beitragsbemessungsgrenze, vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGB XI) werden Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze nicht von dem Versicherungsverhältnis in der Krankenversicherung berührt, das die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung begründet. Auswirkungen hat die Art dieses Versicherungsverhältnisses dagegen auf die beitragspflichtigen Einnahmen.

Die soziale Pflegeversicherung verweist für die beitragspflichtigen Einnahmen ihrer Mitglieder, soweit sich die Mitgliedschaft aus der (Pflicht- oder freiwilligen) Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ableitet, generell auf das Krankenversicherungsrecht (§ 57 Abs. 1 und 4 SGB XI). Dort sind die beitragspflichtigen Einnahmen für die Versicherungspflichtigen anders und enger bestimmt (vgl. BSGE 74, 282 = SozR 3-2500 § 192 Nr. 2) als für die freiwilligen Mitglieder (vgl. BSGE 71, 244 = SozR 3-2500 § 224 Nr. 2 S. 6). Rentner, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V versicherungspflichtig in der KVdR sind, haben in der Krankenversicherung und damit auch in der Pflegeversicherung Beiträge nach dem Zahlbetrag der Rente, dem Zahlbetrag der Versorgungsbezüge und aus dem Arbeitseinkommen zu entrichten (§ 237 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI). Die Renten sind unabhängig von ihrer Höhe beitragspflichtig (§ 228 SGB V), Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen nur, wenn sie insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße (1995: 203, 00 DM) übersteigen (§ 226 Abs. 2 SGB V). Bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung sind dagegen in der Krankenversicherung nach Maßgabe des § 240 SGB V und der Satzung der Krankenkasse alle Einnahmen beitragspflichtig, die ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmen (vgl. § 240 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 238a SGB V), vor allem auch Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung. Bei fehlenden oder geringen Einkünften sind die Beiträge gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V nach fiktiven Mindesteinnahmen zu bemessen. Die Regelungen gelten uneingeschränkt auch für die Krankenversicherung freiwillig versicherter Rentner (vgl. Urteil des Senats vom 6. November 1997 – 12 RK 61/96, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Vorschriften finden in der Pflegeversicherung entsprechende Anwendung (§ 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB XI; Sonderregelungen in § 57 Abs. 4 Satz 3 und 4 SGB XI). Das kann hier in zweifacher Hinsicht zu Nachteilen führen:

Einmal sind die in der Krankenversicherung freiwillig versicherten Rentner in der Pflegeversicherung dann mit höheren Beiträgen belastet als die in der Krankenversicherung pflichtversicherten Rentner, wenn ihre Einnahmen bis zur Beitragsbemessungsgrenze auch aus anderen Einkünften als der Rente, Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen bestehen. Die Unterschiede in der Beitragsbelastung sind um so größer, je geringer die Einnahmen aus Rente, Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen im Verhältnis zu den sonstigen Einnahmen sind, was z.B. bei (früheren) Selbständigen besonders ins Gewicht fallen kann.

Zum Zweiten sind die in der Krankenversicherung freiwillig versicherten Rentner gegenüber den in der Krankenversicherung pflichtversicherten Rentnern benachteiligt, wenn ihre beitragspflichtigen Einnahmen wie bei der Klägerin nicht die Mindesteinnahmen-Grenze erreichen. Während jene nur Beiträge nach den tatsächlich erzielten und aus dem Versicherungspflichttatbestand der Krankenversicherung beitragspflichtigen Einnahmen (Rente, Versorgungsbezüge, Arbeitseinkommen) zu entrichten haben, bemessen sich die Beiträge der benachteiligten Gruppe nach fiktiven Mindesteinnahmen. Für die Klägerin hatte das zur Folge, daß sie im Jahre 1995 einen Beitrag in der Pflegeversicherung von monatlich 13, 54 DM zu zahlen hatte. Unter Berücksichtigung des Zuschusses aus der Rentenversicherung zu den Beiträgen in der Pflegeversicherung, der nach dem Zahlbetrag der Rente zu berechnen ist und daher im Jahre 1995 monatlich 3, 14 DM betrug, ergab sich eine Beitragsbelastung von monatlich 10, 40 DM. Als Mitglied in der KVdR hätte die Klägerin selbst nur einen Beitragsanteil von monatlich 3, 14 DM aufbringen müssen.

Die Ungleichbehandlung der Einnahmen hinsichtlich der Beitragspflicht zur Pflegeversicherung nach der Art des in der Krankenversicherung bestehenden Versicherungsverhältnisses findet jedoch in sachlichen Gründen eine ausreichende Stütze. Ungleichbehandlung und rechtfertigende Gründe stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander.

Für die grundsätzliche Übernahme des Beitragsrechts der Krankenversicherung in der sozialen Pflegeversicherung spricht die Vergleichbarkeit von Leistungsrecht und Finanzierung in beiden Versicherungszweigen. In der Krankenversicherung steht der Umfang der Leistungen mit Ausnahme des Krankengeldes in keinem Zusammenhang mit der Höhe der gezahlten Beiträge (vgl. BVerfGE 89, 365, 378 = SozR 3-2500 § 385 Nr. 4 S. 6). Das Beitragsrecht der Krankenversicherung wird daher grundsätzlich nicht von dem individuellen Leistungsrisiko bestimmt, sondern dem Grundsatz des sozialen Ausgleichs (Solidaritätsprinzip; vgl. BSG SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 S. 4; BSGE 69, 72, 74 = SozR 3-2500 § 241 Nr. 1 S. 3). Grundlage der Beitragsbemessung ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten. Das Konzept der solidarischen Finanzierung ist auf die Pflegeversicherung übertragbar, weil deren Leistungsrecht sich ausschließlich nach dem Bedarf der Versicherten, nicht nach ihrer Beitragsleistung richtet. In der Pflegeversicherung besteht eine Gegenseitigkeit von Beiträgen und Leistungen i.S. einer Äquivalenz noch weniger als in der Krankenversicherung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 S. 4).

Das Solidaritätsprinzip schließt in der Krankenversicherung nicht aus, daß die beitragspflichtigen Einnahmen bei den verschiedenen Mitgliedergruppen (Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte) in verfassungsrechtlich zulässiger Weise unterschiedlich geregelt sind (vgl. BSGE 71, 244, 247f. = SozR 3-2500 § 224 Nr. 2 S. 6). Der Gesetzgeber hat nach generellen Merkmalen bestimmte in § 5 Abs. 1 SGB V aufgeführte Personengruppen als besonders schutzbedürftig angesehen, sie deshalb der Versicherungspflicht unterworfen und die das jeweilige Pflichtversicherungsverhältnis typischerweise prägenden Einnahmearten beitragspflichtig gemacht. Demgegenüber werden bei freiwilligen Mitgliedern die Beiträge nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen (vgl. Urteil des Senats vom 6. November 1997 – 12 RK 61/96, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Übertragung auch dieser Differenzierung auf das Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung ist sachlich gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber beabsichtigte mit dem Verweis auf die Regelungen der beitragspflichtigen Einnahmen in der Krankenversicherung in erster Linie eine Verwaltungsvereinfachung. Der Regierungsentwurf eines Pflege-Versicherungsgesetzes (E-PflegeVG) sah noch eigenständige Regelungen der beitragspflichtigen Einnahmen vor, unterschieden nach den versicherten Personengruppen, unabhängig von der Art des Krankenversicherungsverhältnisses (§§ 55, 56, 59 E-PflegeVG); für alle Mitglieder ohne oder mit geringen Einkünften sollte ein Mindestbeitrag gelten (§ 53 E-PflegeVG; vgl. BT-Drucks 12/5262 S. 24ff. und 152ff.). Diese Regelungen sind während des Gesetzgebungsverfahrens durch den Verweis auf die Vorschriften über die beitragspflichtigen Einnahmen in der Krankenversicherung ersetzt worden. Den Krankenkassen und den erst noch zu errichtenden Pflegekassen sollte in der Kürze der Zeit zwischen Verkündung des PflegeVG und dessen Inkrafttreten eine reibungslose Umsetzung des Beitragsrechts ermöglicht werden, was bei einem völlig neuen Beitragssystem für die Pflegeversicherung nach Auffassung der Krankenkassen nicht gewährleistet gewesen wäre (vgl. Begründung der Beschlußempfehlung des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in BT-Drucks 12/5952 S. 23 zu VI 5; Protokolle des Ausschusses vom 16. September, 6. und 18. Oktober 1993 Nr. 85 S. 33, Nr. 95 S. 10 und Nr. 96 S. 24). Das Ziel der Verwaltungsvereinfachung allein dürfte allerdings eine auf Dauer angelegte Regelung der Beitragsbemessung entsprechend dem Recht der Krankenversicherung nicht rechtfertigen. Die soziale Pflegeversicherung ist für die betroffenen freiwillig Krankenversicherten jedoch so ausgestaltet, daß die Beitragsbemessung nach einheitlichen Grundsätzen sachgerecht ist.

Die Tatsache, daß sowohl die Versicherungspflichtigen als auch die freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in der Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind, hat keinen Bezug zu der Beitragsgestaltung in der sozialen Pflegeversicherung. Sie ist vielmehr Ausdruck des mit dem PflegeVG vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, für alle Krankenversicherten, seien sie gesetzlich oder privat versichert, einen Versicherungsschutz für den Fall der Pflegebedürftigkeit sicherzustellen (vgl. Begründung des Entwurfs BT-Drucks 12/5262 S. 2 zu B 2). Je nach der Art des Krankenversicherungsschutzes (gesetzlich oder privat) besteht Versicherungspflicht in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung. Hinzu kommt, daß den freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung in der Übergangsvorschrift des Art 41 Abs. 1 Satz 1 PflegeVG und in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XI Wahlrechte eingeräumt worden sind, aufgrund deren sie selbst entscheiden können, ob sie im System der sozialen Pflegeversicherung verbleiben oder sich in der privaten Pflegeversicherung versichern wollen. Damit wird der Freiwilligkeit ihrer Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung, die sie jederzeit durch Austritt beenden können (§ 191 Nr. 4 SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung Rechnung getragen. Sie gehören auch hier nicht zu dem Personenkreis, für den der Gesetzgeber – wie für die in der Krankenversicherung Pflichtversicherten – verallgemeinernd und typisierend von einem besonderen Schutzbedürfnis in einer Solidargemeinschaft ausgeht. Wer trotz des Wahlrechts in der sozialen Pflegeversicherung verbleibt, kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Beitragsbemessung nach Mindesteinnahmen entsprechend der freiwilligen Krankenversicherung sei unangemessen hoch. Das gilt grundsätzlich auch, wenn ein Wechsel zur privaten Krankenversicherung wegen etwaiger Risikoausschlüsse oder -zuschläge ausgeschlossen oder unwirtschaftlich ist und daher das Wahlrecht zugunsten der privaten Pflegeversicherung nicht verwirklicht werden kann, weil die Voraussetzung für den Kontrahierungszwang, der privaten Versicherungsunternehmen in § 110 Abs. 3 SGB XI auferlegt wird, nicht vorliegt (vgl. BSGE 70, 13, 20 = SozR 3-2500 § 240 Nr. 6 S. 16).

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, für Rentner mit Einnahmen unter der Mindesteinnahmen-Grenze, die von den Wahlrechten aus rechtlichen Gründen (zeitliche Befristung, vgl. Art 41 Abs. 1 Satz 1 PflegeVG) oder tatsächlich keinen Gebrauch machen können, eine Sonderregelung ihrer beitragspflichtigen Einnahmen in der Pflegeversicherung zu treffen. Die für freiwillig Krankenversicherte in der Pflegeversicherung geltende Beitragsbemessung ist von diesen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung hinzunehmen, weil eine weitere Differenzierung der beitragspflichtigen Einnahmen zu ihren Gunsten nicht mehr verwaltungspraktikabel wäre und die Unterschiede nicht sehr erheblich sind (vgl. BVerfGE 44, 283, 288 f; BVerfG SozR 3-2200 § 385 Nr. 6 S. 21). Die Unterschiede in der Höhe der Beiträge, die sie im Verhältnis zu den in der Krankenversicherung Pflichtversicherten mit vergleichbaren Einnahmen aufzubringen haben, halten sich wegen des niedrigen Beitragssatzes in der Pflegeversicherung in vertretbaren Grenzen. Zu berücksichtigen ist auch, daß sie dem Zwang zu einer (sozialen oder privaten) Pflegeversicherung ohnehin nicht entgehen können, wenn sie nicht ganz auf einen Krankenversicherungsschutz verzichten wollen. Bei Wahl der privaten Pflegeversicherung wären dort erheblich höhere, weil risikoabhängige Prämien zu zahlen. Insgesamt ist für sie die Versicherung in der sozialen Pflegeversicherung auch zu Mindestbeiträgen immer noch sehr günstig.

Bei der Klägerin des vorliegenden Verfahrens spricht schon gegen eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber den in der Krankenversicherung Pflichtversicherten, daß sie sich gemäß Art 41 Abs. 1 Satz 1 PflegeVG ohne Nachweis einer privaten Krankenversicherung von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung hätte befreien lassen können. Nach dieser Vorschrift konnten sich Personen, die wie die Klägerin bei Inkrafttreten des SGB XI am 1. Januar 1995 bereits in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert waren, bis zum 30. Juni 1995 von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung befreien lassen, wenn sie eine gleichwertige private Pflegeversicherung nachwiesen (Art 41 Abs. 1 Satz 3 PflegeVG i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Die privaten Versicherungsunternehmen unterlagen gegenüber diesen Personen einem Kontrahierungszwang zum Abschluß eines privaten Pflegeversicherungsvertrages auch ohne private Krankenversicherung unter Beachtung der in § 110 Abs. 1 SGB XI geregelten Rahmenbedingungen einschließlich der von einer Vorversicherungszeit unabhängigen Begrenzung der Prämienhöhe auf den Höchstbeitrag in der sozialen Pflegeversicherung (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchst e) SGB XI).

Die Beitragsbemessung in der Pflegeversicherung nach Mindesteinnahmen für die in der Krankenversicherung freiwillig Versicherten ohne Einnahmen oder mit geringen Einkünften verstößt nicht gegen den in Art 20 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsgrundsatz. Das gilt selbst dann, wenn Versicherte wie die Klägerin neben ihrer Rente laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) beziehen. Der Sozialstaatsgrundsatz enthält zwar einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber. Angesichts seiner Weite und Unbestimmtheit läßt sich daraus jedoch regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren. Zwingend ist lediglich, daß der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft (vgl. BVerfGE 82, 60, 81 = SozR 3-5870 § 10 Nr. 1 S. 5). Diese Mindestvoraussetzungen werden durch die Beitragspflicht zur sozialen Pflegeversicherung, auch wenn der Beitragsbemessung Mindesteinnahmen zugrunde zu legen sind, nicht beeinträchtigt. Das gilt insbesondere für Versicherte wie die Klägerin, die bis zum Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung familienversichert waren, also allenfalls ein geringfügiges Gesamteinkommen hatten (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V i.V.m. § 16 SGB IV). Für sie entsteht die Beitragspflicht zur freiwilligen Krankenversicherung und seit 1. Januar 1995 auch zur sozialen Pflegeversicherung im Zusammenhang mit dem Zufluß zusätzlicher Einnahmen (hier der Rente), die in jedem Fall die Beiträge zu beiden Versicherungszweigen decken und übersteigen. Konnte schon bisher der Lebensunterhalt nicht aus dem eigenen geringfügigen Gesamteinkommen und den Einnahmen des stammversicherten Ehegatten bestritten werden, sondern mußte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG in Anspruch genommen werden, so änderte die durch die freiwillige Krankenversicherung begründete Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung an dieser wirtschaftlichen Lage nichts. Die Beiträge sind bei voraussichtlich kurzfristigem Bezug laufender Hilfe zum Lebensunterhalt vom Sozialhilfeträger zu übernehmen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Halbs 2 und § 13 Abs. 3 BSHG i.d.F. des Gesetzes vom 23. Juli 1996 ≪BGBl. I 1088≫). Im übrigen können sie übernommen werden (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Halbs 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 BSHG nF) oder sind anderenfalls vor einer Anrechnung der Rente auf den Bedarf von dieser abzusetzen (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BSHG).

Da eine Beeinträchtigung von Grundrechten der Klägerin nicht vorliegt, kam eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht. Die Revision der Klägerin war vielmehr zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NZS 1998, 291

SozSi 1998, 397

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