Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten des Verfahrens

 

Orientierungssatz

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift stellt keine Gesetzesänderung dar, sondern stellt nur verbindlich fest, was schon von vornherein rechtens war. Davon ist auch bei Anwendung des § 186 SGG auszugehen. Es ist daher gerechtfertigt, den Gebührenwegfalltatbestand des § 186 S 2 SGG eng dahin auszulegen, daß er nur gegeben ist, wenn die Erledigung einer Sache auf einer - echten - Rechtsänderung, also auf einem Rechtssetzungsakt beruht.

 

Normenkette

SGG § 186 S 2

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 18.02.1983; Aktenzeichen L 4 Ar 29/82)

 

Gründe

In seinem die Anwendung des § 118a Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl I S 1189) betreffenden Rechtsstreit hat das Bundesverfassungsgericht auf Vorlage des 7. Senats des Bundessozialgerichts vom 18. August 1983 am 18. November 1986 (1 BvL 39/83) beschlossen, daß die genannte Vorschrift mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig ist, soweit sie für Studenten einer Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld anordnet. Daraufhin hat die Beklagte ihre mit Schriftsatz vom 8. April 1983 eingelegte Revision am 3. Juli 1987 zurückgenommen. Mit Beschluß des 7. Senats des Bundessozialgerichts vom 21. August 1987 (7 RAr 19/87) sind der Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt worden. Der Kostenbeamte hat die gemäß § 184 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von der Beklagten zu entrichtende Pauschgebühr auf 100, -- DM festgesetzt. Der Erinnerung der Beklagten, der Gebührenwegfalltatbestand des § 186 Satz 2 SGG müsse sinngemäß auch dann als erfüllt angesehen werden, wenn sich eine Sache dadurch erledige, daß das Bundesverfassungsgericht die umstrittene Rechtsnorm für nichtig erkläre, hat der Kostenbeamte nicht abgeholfen. Er hat sie dem nach dem Geschäftsverteilungsplan hierfür zuständigen 5b Senat gemäß § 189 Abs 2 Satz 2 SGG zur Entscheidung vorgelegt.

Die Erinnerung ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Nach § 186 Satz 2 SGG entfällt die von den Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts für jede Streitsache, an der sie beteiligt sind, gemäß § 184 SGG zu entrichtende Pauschgebühr, wenn die Erledigung auf einer Rechtsänderung beruht. Das trifft hier entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu. Wie das BSG bereits durch Beschluß des 6. Senats vom 13. Februar 1961 - 6 RKa 19/59 - (BSGE 14, 25) entschieden hat, stellt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift keine Gesetzesänderung dar, sondern stellt nur verbindlich fest, was schon von vornherein rechtens war. Davon ist auch bei Anwendung des § 186 SGG auszugehen. Der Erinnerungsführerin ist zwar zuzugeben, daß einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die die Nichtigkeit einer Rechtsnorm feststellt, eine Wirkung zukommt, die der einer Rechtsänderung vergleichbar ist. Gleiches läßt sich aber beispielsweise auch von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts sagen, durch die etwa die Auslegung einer Rechtsnorm, wie sie von der Erinnerungsführerin vertreten wird, für unzutreffend und eine für sie weniger günstige Auslegung für zutreffend erklärt wird. Gleichwohl handelt es sich in beiden Fällen nicht um Rechtsänderungen sondern um Feststellungen über den wahren Inhalt des - unverändert geltenden - Rechts. Unter diesem Gesichtspunkt hält es der Senat für gerechtfertigt, den Gebührenwegfalltatbestand des § 186 Satz 2 SGG eng dahin auszulegen, daß er nur gegeben ist, wenn die Erledigung einer Sache auf einer - echten - Rechtsänderung, also auf einem Rechtssetzungsakt beruht. Das erfordert auch die Praktikabilität des § 186 SGG für die Kostenbeamten, die andernfalls immer wieder vor die Frage gestellt würden, ob eine gerichtliche Entscheidung in ihrer Wirkung einer Rechtsänderung vergleichbar ist. Hinzu kommt die Erwägung, daß die Einführung einer Pauschgebühr auch darauf abzielt, die an den Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit beteiligten Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die nicht die Gerichtshaltungskosten der Sozialgerichtsbarkeit zu tragen haben, durch die Pauschgebühr an der Kostentragung zu beteiligen und sie zur Vermeidung unnötiger Verfahren anzuhalten. Werden aber die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - hier bis in die Revisionsinstanz - in Anspruch genommen, so liegt gerade darin der Grund für die Fälligkeit der Pauschgebühr, der nicht durch die Bedeutung der einzelnen Streitsache und die Wirkung der hierzu ergehenden Entscheidung beseitigt wird. Die Erinnerung war daher zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663291

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