Entscheidungsstichwort (Thema)

Revision. Zulassung. Rechtssache. Grundsätzliche Bedeutung. Divergenz. Verfahrensmangel. Wiederaufnahmeklage. Beschluss. Befangenheitsantrag. Rechtsmissbräuchliche Kollektivablehnung. Prozessfähigkeit. Berufungsverfahren. Zustellungsmangel. Nichtigkeit. Rechtsmittel. Prozesskostenhilfe. Mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einem Befangenheitsantrag gegen einen kompletten Senat handelt es sich um eine rechtsmissbräuchliche Kollektivablehnung

2. Die Wiederaufnahmeklage findet nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte, was der Fall ist, wenn der Kläger bereits mit PKH-Anträgen im Anschluss an die mit den Wiederaufnahmeklagen zur Überprüfung gestellten Berufungsentscheidungen erfolglos geltend gemacht hat, dass das LSG nicht ohne seine Beteiligung auf mündliche Verhandlung in der Sache hätte entscheiden dürfen.

 

Normenkette

SGG § 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1, § 158 S. 2, § 160 Abs. 2, § 179; ZPO §§ 114, 121, 170 Abs. 1 S. 2, § 579 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2

 

Tenor

Die Verfahren B 14 AS 279/16 B, B 14 AS 280/16 B, B 14 AS 281/16 B, B 14 AS 282/16 B, B 14 AS 283/16 B, B 14 AS 284/16 B, B 14 AS 285/16 B, B 14 AS 286/16 B, B 14 AS 287/16 B und B 14 AS 288/16 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren B 14 AS 279/16 B.

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung von Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in den Beschlüssen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. August 2016 - L 7 AS 152/16 WA -, vom 23. August 2016 - L 7 AS 153/16 WA, L 7 AS 156/16 WA, L 7 AS 158/16 WA, L 7 AS 168/16 WA -, vom 29. August 2016 - L 7 AS 155/16 WA und L 7 AS 157/16 WA -, vom 30. August 2016 - L 7 AS 167/16 WA und L 7 AS 170/16 WA - und vom 31. August 2016 - L 7 AS 169/16 WA - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerden des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in den vorgenannten Beschlüssen werden als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Dem Antrag auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die angestrebten Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den bezeichneten Entscheidungen erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakten nicht ersichtlich.

Insbesondere kommt den Rechtssachen grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht zu. Sie ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist, wovon bei den hier streitbefangenen Wiederaufnahmeklagen nicht auszugehen ist.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidungen des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweichen, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Schließlich ist nach Durchsicht der Verfahrensakten nicht ersichtlich, dass der Kläger einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtenen Entscheidungen des LSG beruhen können (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere ist das LSG zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es über die von ihm als unzulässig angesehenen Wiederaufnahmeklagen entsprechend § 158 Satz 2 SGG im Beschlusswege und damit ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter entscheiden durfte (vgl nur BSG Beschluss vom 18.9.2014 - B 14 AS 85/14 B - juris mwN). Keinen Verfahrensfehler lässt es weiter erkennen, dass es entschieden hat unter Beteiligung von Richtern, die der Kläger mit der Wendung "Es bleibt beim Befangenheitsantrag gg. den 7. Senat" und damit im Wege einer rechtsmissbräuchlichen Kollektivablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 20.7.2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771, 3772; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 8; BSG Beschluss vom 14.9.2010 - B 5 R 21/10 BH; BFH Beschluss vom 25.8.2009 - V S 10/07 - NJW 2009, 3806, 3807; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 60 RdNr 10b). Soweit der Kläger weiter seine iS von § 179 SGG iVm § 579 Abs 1 Nr 4 ZPO genügende Vertretung in Zweifel zieht, war zunächst seine Prozessfähigkeit und damit die Möglichkeit, sich in den den Wiederaufnahmeklagen zugrunde liegenden Berufungsverfahren ordnungsgemäß zu beteiligen, nicht berührt durch ein etwaiges Betreuungsverfahren (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 71 RdNr 4); insoweit ist auch kein Zustellungsmangel iS von § 170 Abs 1 Satz 2 ZPO begründet.

Soweit er die Rüge der mangelnden Vertretung weiter auf die fehlende Möglichkeit der Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen in diesen Berufungsverfahren stützt, steht dem in entsprechender Anwendung von § 179 SGG iVm § 579 Abs 2 ZPO die Rechtskraft der mit den Wiederaufnahmeklagen angegriffenen Berufungsurteile entgegen. Hiernach findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte (zur Anwendung auf die Fälle des § 579 Abs 1 Nr 4 vgl BFH Urteil vom 2.12.1998 - X R 15-16/97 - BFHE 188, 1 mwN; BSG Urteil vom 23.3.1965 - 11 RA 304/64 - BSGE 23, 30). So liegt es hier, nachdem der Kläger bereits mit PKH-Anträgen im Anschluss an die mit den Wiederaufnahmeklagen zur Überprüfung gestellten Berufungsentscheidungen erfolglos geltend gemacht hat, dass das LSG nicht ohne seine Beteiligung auf mündliche Verhandlung in der Sache hätte entscheiden dürfen (BSG Beschluss vom 28.1.2016 - B 14 AS 177/15 BH zu L 7 AS 2625/12 -; BSG Beschlüsse vom 18.3.2016 - B 14 AS 156/15 BH zu L 7 AS 1563/12 -, - B 14 AS 157/15 BH zu L 7 AS 2047/12 -, - B 14 AS 158/15 BH zu L 7 AS 2049/12 -, - B 14 AS 159/15 BH zu L 7 AS 3176/12 -, - B 14 AS 172/15 BH zu L 7 AS 2043/12 -, - B 14 AS 173/15 BH zu L 7 AS 2167/12 -, - B 14 AS 174/15 BH zu L 7 AS 2380/12 -, - B 14 AS 175/15 BH zu L 7 AS 349/14 -, - B 14 AS 176/15 BH zu L 7 AS 528/14).

Die vom Kläger persönlich eingelegten Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den genannten Entscheidungen des LSG sind als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden sind (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG), worauf der Kläger in den Rechtsmittelbelehrungen der Entscheidungen des LSG hingewiesen worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10448896

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