Hat ein Sozialleistungsträger eine ihm obliegende Pflicht zur Auskunft und Beratung verletzt und ist dem Betroffenen daraus ein rechtlicher Nachteil entstanden, hat dieser einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.[1] Ein Verschulden seitens des Sozialleistungsträgers ist nicht erforderlich. Auf dieser Grundlage kann beansprucht werden, die Rechtsfolge herbeizuführen, die bei einer rechtmäßigen und damit fehlerfreien und vollständigen Auskunft oder Beratung eingetreten wäre. Voraussetzung ist, dass der Nachteil durch eine rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann. Grob fahrlässiges Verhalten oder vorsätzliches Handeln des Betroffenen schließen den Herstellungsanspruch aus.

 
Praxis-Beispiel

Unterlassene Beratung

Ein Mensch mit Behinderung erhält seit Jahren Hilfe zum Lebensunterhalt. Das Sozialamt hat dabei übersehen, dass ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht, und hätte bei der Bedarfsprüfung darüber durch eine Spontanberatung informieren müssen. Bei einem Sachbearbeiterwechsel fällt die pflichtwidrig unterlassene Beratung auf. Am 18.4. wird daraufhin ein Rentenantrag gestellt. Unter Hinweis auf § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird Rente vom 1.4. an zugebilligt. Die für die zurückliegende Zeit entgangene Rente stellt einen Schaden dar, der ursächlich auf die unterlassene Spontanberatung zurückzuführen ist. Der Schaden kann aber nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend gemacht werden, weil eine rechtmäßige Amtshandlung nur innerhalb der Grenzen des § 99 SGB VI möglich ist.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann sich auch durch die fehlerhafte, unvollständige oder unterlassene Beratung einer anderen Behörde ergeben. Davon ist auszugehen, wenn

  • die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft sind,
  • die andere Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund eines bestehenden Kontakts der aktuelle Ansprechpartner des Berechtigten ist und
  • aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen kann, dass bei dem Berechtigten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage besteht.
[1] BSG, Urteil v. 22.3.2018, B 5 RE 1/173 R.

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