Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Satzungsregelung. zusätzliche Leistungen gemäß § 11 Abs 6 SGB 5. Koppelung an ungekündigte Mitgliedschaft verstößt gegen höherrangiges Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Der Satzung einer Krankenkasse ist die Genehmigung zu versagen, wenn diese Ansprüche auf zusätzliche Leistungen gemäß § 11 Abs 6 SGB V an eine ungekündigte Mitgliedschaft bindet.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.05.2019; Aktenzeichen B 1 A 1/18 R)

 

Tenor

I. Die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 29.07.2016 und 16.01.2017 wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Satzungsgenehmigung für zusätzliche Leistungen iSd § 11 Abs. 6 SGB V.

1. Die Klägerin ist eine bundesweite Krankenkasse iSd § 4 SGB V mit ca. 26.500 Mitgliedern und Sitz in A-Stadt. Im Jahr 2016 plante sie Änderungen ihrer Satzung, u.a. die Verknüpfung der Kostenerstattung bei zusätzlichen Leistungen nach § 11 Abs. 6 SGB V mit einer ungekündigten Mitgliedschaft sowie namentlich die Unterbringung von Begleitpersonen im Familienzimmer. Dazu übersandte die Klägerin der Beklagten als zuständige Genehmigungsbehörde die geplanten Änderungen vorab. Diese teilte mit Mail vom 16.06.2016 mit, dass die oben genannten Bestimmungen nicht genehmigt werden könnten. Am 21.06.2016 beschloss der Verwaltungsrat der Beklagten gleichwohl die entsprechenden Änderungen (29. Satzungsnachtrag Ziff. 4, Art. I § 12 Abs. VIII a und Abs. VIII c.). Nach Anhörungsschreiben vom 13.07.2016 genehmigte die Beklagte mit Bescheid vom 29.07.2016 die Satzungsänderungen mit Ausnahme der benannten Regelungen, deren Genehmigung abgelehnt wurde.

2. Gegen die Teilablehnung der Genehmigung hat die Klägerin mit Schreiben vom 03.08.2016 Klage zum Bayer. LSG erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zur vollumfänglichen Genehmigung des 29. Satzungsnachtrags zu verpflichten. Mit Schriftsatz vom 24.10.2016 hat die Klägerin die Klage beschränkt und nur noch die Genehmigung begehrt, per Satzung Kostenerstattungsansprüche für zusätzliche Leistungen mit der ungekündigten zu verknüpfen. Begründend hat sie vorgetragen, die Satzungsänderung halte den Rahmen der Selbstverwaltungsautonomie der Klägerin ein und bewege sich im ihr eingeräumten Gestaltungsspielraum. § 11 Abs. 6 SGB V berechtige die Krankenkassen zu einer autonomen Auslegung und Ausgestaltung in ihrem Sinne, insoweit könne also höherrangiges Recht nicht verletzt werden. Diese Einschätzungsprärogative der Kassen sei der Aufsicht der Beklagten entzogen, die teilweise Versagung der Genehmigung überschreite die zulässige maßvolle Aufsicht, auf welche die Beklagte beschränkt sei. Die Verknüpfung der zusätzlichen Satzungsleistung mit einer ungekündigten Mitgliedschaft stelle lediglich eine Voraussetzung der Kostenerstattung von Satzungsleistungen dar, welche sich auf die Dauer der Leistung beziehe. Insoweit bedürfe der Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich seiner Voraussetzungen einer Ausgestaltung. Dies sei zumindest eine vertretbare Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Das Sachleistungsprinzip des § 2 Abs. 1 SGB V bleibe unberührt.

Wirtschaftlich sei die Verknüpfung einer ungekündigten Mitgliedschaft erforderlich, da die Inanspruchnahme von Satzungsleistungen trotz Kündigung der Mitgliedschaft die Finanzplanung der Kassen erschwere, weil diese Leistungen allein von der Kasse und unabhängig vom Gesundheitsfonds finanziert würden. Zudem werde das System der Zusatzleistungen pervertiert, falls Versicherte durch Kassenwechsel bestimmte Leistungen mehrfach in Anspruch nehmen könnten (Verhinderung des "Krankenkassen-Hopping"). Die Versicherten hätten es selbst in der Hand, ob und wann sie die Mitgliedschaft kündigten, die Regelung sei transparent und vorhersehbar und im Hinblick auf das Sozialleistungssystem sachlich veranlasst. Schließlich seien gleichartige Satzungsbestimmungen von namentlich benannten Kassen durch die jeweiligen Landesbehörden genehmigt wurden. Dies bestätige den Ausgestaltungspielraum der Krankenkassen im Rahmen des § 11 Abs. 6 SGB V, der ihnen aufgrund der Selbstverwaltungsautonomie zu gewähren und von den Aufsichtsbehörden unangetastet zu lassen sei.

Die Beklagte hat die streitgegenständliche Teilablehnung der Genehmigung damit begründet, dass die begehrte Änderung gegen zwingendes Recht verstoße. Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB V entstünden grundsätzlich gemäß § 40 Abs. 1 SGB I. Im Rahmen des § 11 Abs. 6 SGB könnten die Kassen nach der Systematik des SGB V weder Leistungsvoraussetzungen noch das Mitgliedschaftsrecht regeln bzw. deren gesetzlichen Grundlagen ändern. Eine Befugnis, Leistungsvoraussetzungen zu bestimmen, wie dies in § 65a SGB V geregelt sei, sehe § 11 Abs. 6 SGB V nicht vor. Damit fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage der Änderung, die Klägerin überschreite somit ihre Satzungsbefugnisse. Das berechtigte Vertrauen der Versicherten müsse geschützt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht kenne das SGB V kennt keine...

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