Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Verweigerung der Aufnahme eines zumutbaren 1-Euro-Jobs. Bestimmtheitsgebot. zulässige Arbeitszeit. Anforderungen an das Angebot der Arbeitsgelegenheit und die Rechtsfolgenbelehrung. Begriff der zusätzlichen Arbeit. Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Ein Absenkungsbescheid gem § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 kann noch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots des § 33 SGB 10 genügen, auch wenn der Absenkungsbetrag nicht konkret benannt ist. Bei der Ermittlung des Regelungsgehalts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Dem Bürger muss es unter zumutbarer Anstrengung seiner geistigen Kräfte möglich sein, eindeutig den jeweiligen Regelungsgehalt zu entnehmen. Ist das der Fall, genügt die Regelung dem Bestimmtheitserfordernis, auch wenn Auslegungsbedürftigkeit besteht.

2. § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst d SGB 2 verkörpert für Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 gegenüber § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 eine Sonderregelung.

3. Von der Regelung des § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 werden nur im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten erfasst. Bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale kann auf die Regelung des § 261 SGB 3 zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zurückgegriffen werden (vgl BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R und LSG München vom 27.11.2008 - L 7 B 954/08 AS ER).

4. Der zeitliche Umfang einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung von 30 Wochenstunden hält sich im Rahmen des Zumutbaren (vgl BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R, aaO).

5. Den Kriterien des BSG hinsichtlich der Anforderungen an ein Angebot der Arbeitsgelegenheit (vgl BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R, aaO) ist genügt, wenn dem Angebot eine gewisse Konkretisierung des Tätigkeitsfeldes entnehmbar ist. Es müssen aber nicht die konkreten Verrichtungen und Handreichungen einzeln aufgeführt werden.

6. Die Anforderungen an eine hinreichende Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 können nicht für alle "sanktionsfähigen" Obliegenheitsverletzungen einheitlich beurteilt werden. Stets kommt es darauf an, was nach Lage der Dinge auf der einen Seite im Interesse des Arbeitsuchenden geboten, auf der anderen Seite aus Sicht des Grundsicherungsträgers noch zumutbar erscheint.

7. Die Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB 2 auf die Absenkungsregelung des § 31 Abs 6 S 1 Halbs 1, S 2 SGB 2 ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht zulässig. Diese betrifft nur die Auszahlung von Leistungen, nicht aber die Zwischenschritte der Berechnung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen B 4 AS 30/09 R)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 22. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Kläger wendet sich gegen eine Absenkung seiner Regelleistung.

Der 55-jährige Kläger bezieht seit 01.01.2005 laufend Arbeitslosengeld (Alg) II. Davor erhielt er bereits Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Vom 01.01.1987 bis 31.12.1999 war der Kläger in der EDV-Branche selbstständig tätig (Vertrieb). Vom 01.03.2000 bis 18.04.2002 verbüßte er eine Haftstrafe. Seit 22.02.2002 ist er arbeitslos gemeldet. Sein Gesundheitszustand ließ es im streitgegenständlichen Zeitraum zu, dass er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich hätte erwerbstätig sein können. In dieser Phase hatte er weder Einkommen noch relevantes Vermögen.

Mit Bescheid vom 16.12.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum Januar bis Mai 2006 in Höhe von monatlich 572,72 EUR. Mit Bescheid vom 21.12.2005 änderte sie die Höhe der Bewilligung auf 616,38 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 24.01.2006 unterbreitete die Beklagte dem Kläger ein Angebot für einen 1,50 Euro-Job bei der Stadtverwaltung A-Stadt. Darin war ausgeführt, es würde sich um Pflege und Instandhaltung öffentlicher Einrichtungen handeln. Die wöchentliche Arbeitszeit betrage 30 Stunden. Die Arbeitsgelegenheit laufe ab sofort bis 31.03.2006. Gegenüber der Beklagten hatte die Stadt A-Stadt in ihrem Förderantrag mitgeteilt, die Arbeitszeit erstrecke sich auf Dienstag bis Donnerstag je 7 Stunden 45 Minuten, auf Freitag 6 Stunden 45 Minuten; bei den Arbeiten handle es sich um zusätzliche Tätigkeiten, die sonst nicht bzw. nicht in diesem Umfang durchgeführt würden; die zugewiesenen Kräfte würden dem Stadtbauhof zugeteilt. In dem Schreiben vom 24.01.2006 forderte die Beklagte den Kläger auf, dieser solle sich umgehend bei der Stadt A-Stadt vorstellen. Dem Schreiben war eine formblattmäßige Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Am 30.01.2006 hatte sich der Kläger zwar vorgestellt und sollte zum 01.02.2006 mit der Arbeitsgelegenheit beginnen. Er trat den Dienst jedoch nicht an.

Auf das Schreibe...

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