Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeldrecht: Beurteilung einer Nachzahlung von Arbeitsentgelt nach dem steuerrechtlichen Zuflussprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

1. Anschluss-Rechtsprechung an BSG, Urteile vom 14.12.2017 - B 10 EG 4/17 R und B 10 EG 7/17 R

2. Der Zufluss von Nachzahlungen von Arbeitsentgelt wird nicht mehr nach einem elterngeldrechtlichen, sondern nach dem steuerrechtlichen Zuflussprinzip beurteilt.

3. Im Einkommensteuergesetz selbst ist das Prinzip angelegt, dass nur solche Nachzahlungen von laufendem Arbeitslohn dem abgelaufenen Kalenderjahr zugeordnet werden dürfen, die kurze Zeit nach dessen Beendigung zugeflossen sind.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.11.2019; Aktenzeichen B 10 EG 5/19 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft das Begehren der Klägerin, für Betreuung und Erziehung ihrer Tochter höheres Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu erhalten.

Die 1984 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und Mutter des am 16.03.2017 geborenen Kindes L. A.. Im Elterngeld-Bezugszeitraum war sie mit L.s Vater verheiratet und lebte mit ihm und L. in einem Haushalt. In dem gemeinsamen Haushalt befand sich damals neben L. auch ein älteres gemeinsames Kind, der am 23.04.2014 geborene J. A..

Vor L.s Geburt arbeitete die Klägerin als abhängig beschäftigte Zahnärztin im zeitlichen Umfang von 20 Wochenstunden bei der Zahnärztlichen Tagesklinik Dr. E. MVZ GmbH. Laut Anstellungsvertrag war sie zum 01.05.2013 in Vollzeit als angestellte Zahnärztin eingestellt worden. Die Vergütung war folgendermaßen geregelt: In den ersten drei Monaten ihrer Tätigkeit sollte die Klägerin ein monatliches Bruttogehalt von 5.000 EUR beziehen, das zum Ende des jeweiligen Monats fällig war. Ab dem vierten Monat sollte sie anstelle des Festgehalts ein ausschließlich erfolgsabhängiges, variables monatliches Bruttoentgelt erhalten. Die Höhe der Vergütung wurde in Form eines bestimmten Prozentsatzes des in einem Quartal von ihr erwirtschafteten Umsatzes definiert. Auf den hiernach bestehenden Vergütungsanspruch sollten der Klägerin monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 5.000 EUR ausgezahlt werden, die ebenfalls zum Monatsende fällig waren. Bis zum 15. des auf das jeweilige Quartal folgenden Kalendermonats war der Vergütungsanspruch für das Quartal abzurechnen. Auf die Quartalsvergütung kamen laut Arbeitsvertrag die bereits geleisteten Abschlagszahlungen zur Anrechnung. Sofern die Abschlagszahlungen den Quartalsvergütungsanspruch überstiegen, sollte die Klägerin den übersteigenden Betrag zurückzahlen müssen. In § 2 Abs. 5 des Arbeitsvertrags stand, neben den in Absatz 1 und 2 genannten Bezügen habe die Klägerin keinen weiteren Vergütungsanspruch, etwa aufgrund von Mehrarbeit oder Nachtarbeit; Mehrarbeit sei durch Freizeitgewährung auszugleichen.

Zum 01.10.2015 trat eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt kam die Klägerin aus der Elternzeit für das erste Kind zurück und arbeitete nur noch 20 Stunden pro Woche. Die Vergütungsregelungen wurden entsprechend angepasst (Halbierung). Eine nachträgliche Umsatzreduzierung sollte zu Lasten der Klägerin gehen; dieser sollte in einem derartigen Fall aber zumindest eine monatliche Bruttovergütung von 1.000 EUR bleiben. Die Urlaubsregelung der Ergänzungsvereinbarung wies 16 Tage Erholungsurlaub pro Jahr bei Zugrundelegung einer Vier-Tage-Woche aus. Bestimmungen zu Zahlungen der Arbeitgeberin bei Erholungsurlaub enthielt sie nicht.

Nach der Rückkehr der Klägerin aus der Elternzeit für das erste Kind funktionierte das Arbeitsverhältnis nicht reibungslos; die Arbeitgeberin enthielt der Klägerin diverse Teile des Arbeitsentgelts vor. Angesichts der nunmehr ausschließlich erfolgsabhängigen Vergütung rechnete die Arbeitgeberin allein anhand der behandelten Fälle ab, ohne darauf zu achten, inwieweit Krankheit oder Urlaub angefallen waren. Zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin kam es in der zweiten Jahreshälfte 2016 zu einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (11 Ca 4676/16), der im Wesentlichen damit zusammenhing, dass die Klägerin ab 19.08.2016 einem ärztlich angeordneten Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) a.F. unterlag. Weiter wollte sie mit dem Rechtsstreit erreichen, dass das zweite Quartal 2016 abgerechnet würde, was bis dato allem Anschein nach unterblieben war. Die Arbeitgeberin, so wurde im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, habe weder Urlaubsentgelt noch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Feiertagsvergütung geleistet. Stets sei eine Abrechnung auf der Grundlage der erzielten Umsätze erfolgt. Es stünden die Vergütung für sechs Krankheitstage im März (15., 21.) und April 2016 (05. bis 08.) aus, die Vergütung für fünf Tage Urlaub im April (14., 18. bis 21.) sowie...

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