Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Darlehen für Mietschulden. Entstehung durch Sanktion. drohende Wohnungslosigkeit. Ermessensreduzierung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Übernahme von Mietschulden, die durch eine vollständige Einstellung der Leistungsgewährung im Hinblick auf eine Sanktion entstanden sind, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird Ziffer I. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 06.11.2012 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, ein Darlehen in Höhe von 1.687,35 € zur Begleichung seiner Mietschulden zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers gegen Ziffer I. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 06.11.2012 zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin A. S., A-Stadt, beigeordnet.

 

Gründe

I.

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf Mietschulden in Höhe von 1.687,35 €.

Der Antragsteller (ASt) bewohnt eine Wohnung der Stadt- und Wohnbau GmbH A-Stadt in der K.-Str. 44 in A-Stadt. Hierfür entstehen ihm Aufwendungen iHv 359,90 € monatlich (Nettomiete: 271,90 €, Heizkostenvorauszahlung: 47 €, Nebenkosten: 41 €). Die Antragsgegnerin (Ag) bestätigte die Angemessenheit der Wohnung und bewilligte dem ASt ab 01.06.2011 Alg II. Mit Bescheiden vom 07.12.2011 und 25.06.2012 verfügte sie, dass das Alg II für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.03.2012 bzw. 01.07.2012 bis 30.09.2012 wegen einer Sanktion vollständig entfalle.

Im Hinblick auf die fehlende Gewährung der Unterkunftskosten in den Sanktionszeiträumen kam der ASt hinsichtlich seiner Mietzahlungen in Rückstand. Einen Antrag auf Übernahme der Mietschulden iHv 733,80 € lehnte der Ag mit Bescheid vom 23.02.2012 ab. Die Gewährung eines Darlehens würde dem Zweck der Sanktionen widersprechen. Dementsprechend wurden weitere Anträge auf Übernahme von Mietschulden iHv 604,70 € ebenfalls mit Bescheid vom 18.06.2012 bzw. 29.08.2012 abgelehnt. Über die Widersprüche des ASt gegen die Bescheide vom 18.06.2012 bzw. 29.08.2012 ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden. In der Widerspruchsbegründung vom 05.10.2012 beantragte er die zwischenzeitlich aufgelaufenen Mietrückstände iHv 2.338,25 € - hilfsweise als Darlehen - zu übernehmen.

Nach einer wegen Zahlungsrückstandes von der Vermieterin ausgesprochenen Kündigung erging am 24.09.2012 ein Räumungsurteil des Amtsgerichts A-Stadt (Az: 1 C 468/12). In Bezug auf die Mietrückstände hinsichtlich der Garage und der durch die Räumungsklage entstandenen Kosten schloss der ASt mit seiner Vermieterin Ratenzahlungsvereinbarungen. Die Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 359,90 € werden von der Ag seit 01.10.2012 direkt an die Vermieterin gezahlt.

Einen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Mietrückstände iHv 2.338,25 € - hilfsweise als Darlehen - zu übernehmen, hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Beschluss vom 06.11.2012 abgelehnt (Ziffern I. und II.).

Einen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs 8 SGB II zur Tilgung der Mietschulden bestehe nicht, da nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass durch die begehrte Bewilligung eines Darlehens die Unterkunft mit der erforderlichen Sicherheit langfristig gesichert werden könne. Die Kündigung könne nicht mehr unwirksam gemacht werden und es liege bereits ein Räumungstitel vor. Trotz gerichtlicher Aufforderung sei keine aktuelle Erklärung der Vermieterin vorgelegt worden, dass sie trotz des Räumungstitels bereit sei, von diesem keinen Gebrauch zu machen.

Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und die Verpflichtung der Ag im Wege der einstweiligen Anordnung, Mietrückstände iHv 1.687,35 € zu übernehmen, hilfsweise in Form eines Darlehens, sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) allein für das Beschwerdeverfahren beantragt. Die Entscheidung des SG sei eine Überraschungs- und Willkürentscheidung. Es sei von ihm eine Frist zur Vorlage der Erklärung der Vermieterin bis "31.11.2012" gesetzt worden. Die Vermieterin habe insofern auch mit Schreiben vom 05.11.2012 erklärt, sie werde das Mietverhältnis aufrecht erhalten, wenn alle Rückstände ausgeglichen würden. Nachdem das SG aber bereits am 06.11.2012 entschieden habe, habe sich die Vorlage beim SG erübrigt. Im Hinblick auf die Erklärung der Vermieterin sei die Übernahme der Mietschulden zur Abwendung der drohenden Obdachlosigkeit geeignet. Es sei dabei auch fraglich, ob die Sanktionen rechtmäßig gewesen seien. Im Übrigen stehe dies einer Übernahme der Schulden nicht entgegen. Die Unterkunftskosten seien a...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge