Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Gebührenermäßigung bei Klagerücknahme nach mündlicher Verhandlung und zurückgestellter Urteilsabsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine analoge Anwendung der Gebührenermäßigung gem. Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG bei Klagerücknahme nach der mündlichen Verhandlung, in der ein Urteil ergangen ist, kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Absetzung des Urteils bis zur nachträglichen Klagerücknahme aufgrund einer Absprache des Hauptsacherichters mit dem Kläger zurückgestellt worden ist.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 22. Januar 2014 wird aufgehoben.

II. Auf die Erinnerung hin werden die Gerichtskosten im Verfahren vor dem Sozialgericht München mit dem Aktenzeichen S 15 R 3010/11 mit 363,- € festgestellt.

 

Gründe

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Kostenbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).

Das unter dem Aktenzeichen S 15 R 3010/11 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) der damaligen Klägerin und jetzigen Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund endete dadurch, dass der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2013 die Klage teilweise zurücknahm. Im Übrigen wurde die Klage durch Urteil abgewiesen; dabei wurden die Kosten des Verfahrens der Beschwerdegegnerin auferlegt. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom selben Tag auf 5.000,- € festgesetzt. Mit Schreiben vom 05.11.2013 nahm der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin die Klage dann vollumfänglich zurück.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 07.11.2013 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtkosten in Höhe von 121,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde.

Dagegen hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schriftsatz vom 08.11.2013 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat er damit begründet, dass gemäß Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG eine Ermäßigung nur dann stattfinde, wenn die Klage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werde. Der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, in der hier ein Urteil gesprochen worden sei, sei am 25.10.2013 gewesen. Die Klagerücknahme mit Schreiben vom 05.11.2013 sei also zu spät für eine Ermäßigung erfolgt. Wie hoch Qualität und Quantität des richterlichen Aufwands im Einzelfall bei einer verspäteten Klagerücknahme tatsächlich seien, könne wegen des eindeutigen Wortlauts des Ermäßigungstatbestands keine Rolle spielen.

Auf Nachfrage des Kostengerichts hat der Hauptsacherichter im November oder Dezember 2013 - seine Stellungnahme ist nicht datiert - angegeben, dass ihn der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung gebeten habe, die Angelegenheit mit seinem Mandanten besprechen zu können. Er werde dann die Klage nachträglich zurücknehmen. Aufgrund dieser Vereinbarung habe der Hauptsacherichter nicht begonnen, das Urteil abzusetzen. Dies erweitere - so der Hauptsacherichter - den Spielraum des Vorsitzenden, ohne die Sache vertagen zu müssen. Es wäre nicht sachdienlich, wenn ihm diese Möglichkeit durch zu restriktive Anwendung des Kostenrechts genommen würde.

Mit Beschluss vom 22.01.2014 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Zwar seien - so das SG - die Tatbestände der Nr. 7111 KV GKG ihrem Wortlaut nach nicht erfüllt. Gleichwohl werde im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm, Herstellung der Kostengerechtigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit, eine Ausdehnung des Tatbestands der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG für notwendig erachtet. Eine Auslegungsfähigkeit dieses Tatbestands werde trotz des klaren Wortlauts nicht grundsätzlich ausgeschlossen, obgleich sich hinsichtlich des Ausnahmecharakters der Nr. 7111 KV GKG eine weite Auslegung verbiete. Der Kostengesetzgeber habe wohl die Art der im vorliegenden Fall getroffenen Vereinbarung nicht bedacht. Es werde für sinnvoll erachtet, es einem Vorsitzenden zu ermöglichen, eine mündliche Verhandlung mit einem Urteil abzuschließen, ohne zur Vertagung verpflichtet zu sein, und dennoch dem Kläger den Anreiz der Kostenfolge zu geben, wenn das Verfahren noch durch Rücknahme beendet werde. Denn der mit der Absetzung eines Urteils verbundene richterliche Aufwand, der durch die Klagerücknahme eingespart werden könne, sei nicht unbeträchtlich. Auch spreche die Kostengerechtigkeit für eine Reduzierung, wobei zu berücksichtigen sei, dass eine Ermäßigung gemäß Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG auch dann anfalle, wenn ein Gerichtsbescheid oder ein Urteil vom Richter bereits fertig gestellt sei. Im Hinblick auf die im Kostenrecht geforderte Klarheit werde es für sinnvoll erachtet, den Ausnahmetatbestand der Nr. 7111 (Nr. 1a) KV GKG auf die Fälle auszudehnen, in denen das Bestehen einer Vereinbarung zwischen dem Hauptsacherichter und dem...

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