Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Zuständigkeit für ein gerichtliches Verfahren über die Wiederaufnahme des Verfahrens. Verweisung innerhalb des Gerichtszweiges bei funktionaler Unzuständigkeit der Instanz. Berufungsurteil. Wiederaufnahmeklage

 

Leitsatz (amtlich)

Verweisung einer Wiederaufnahmeklage an das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen und nicht in der Sache entschieden hatte.

 

Orientierungssatz

1. Wurde ein Rechtsschutzbegehren in der falschen Instanz eingelegt (hier: Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahren), hat das angerufene Gericht den Rechtsstreit an das örtlich und funktional zuständige Gericht im richtigen Instanzenzug zu verweisen.

2. Für einen Wiederaufnahmeklage ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig.

 

Normenkette

ZPO § 584 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2 S. 1; SGG § 98

 

Tenor

Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens S 15 AS 33/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 761/14) wird an das Sozialgericht Würzburg verwiesen.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens S 15 AS 33/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 761/14).

Der 1958 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 07.11.2013 beantragte er die Übernahme der im Jahr 2013 für den Betrieb seines Traktors entstandenen Kosten iHv 226,98 € (TÜV, Versicherung, Fahrzeugpapiere und Diesel). Der Beklagte führte dazu mit Schreiben vom 13.12.2013 aus, der Traktor werde nicht nur für das Sägen des Holzes genutzt. Der notwendige Diesel sei aus dem Regelbedarf zu decken. Es werde angefragt, ob Einverständnis mit einer Einmalzahlung von 30 € für den Traktorbetrieb bestehe. Eine Rechtbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt. Den dagegen eingelegten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 als unzulässig und bewilligte schließlich mit Bescheid vom 28.04.2014 im Hinblick auf Aufwendungen bezüglich des Traktors für 2013 eine Leistung iHv 19 €. Für 2014 berücksichtigte der Beklagte keine entsprechenden Kosten. Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2014 (S 15 AS 33/14) abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 761/14) verworfen. Das im Berufungsverfahren gegenständliche Begehren von Leistungen für 2013 bis 2015 iHv 19 € monatlich in Bezug auf die Traktorkosten führe nicht zu einem Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 750 €, es handele sich nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr und die Berufung sei vom SG nicht zugelassen worden.

Der Kläger hat beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) die Wiederaufnahme des Verfahrens S 15 AS 33/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 761/14) beantragt. Erst jetzt lägen die kompletten Urkunden vollständig vor und seien zuvor vom Senat nicht berücksichtigt worden. Die Urkunden seien beim SG am 20.07.2015 eingegangen. Die Sache sei an das SG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Verfahren S 15 AS 33/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 761/14) wieder aufzunehmen und das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 18.03.2015 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 17.09.2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18.03.2015 - L 11 AS 761/14 - als unzulässig zu verwerfen bzw. im Falle der Zulässigkeit die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe für eine Wiederaufnahme seien nicht schlüssig dargelegt. Die vom Kläger benannten Urkunden seien für das Verfahren ohne Einfluss.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Wiederaufnahmeklage ist an das SG zu verweisen. Die Beteiligten sind vor der Verweisung angehört worden.

Gemäß § 98 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 17a Abs 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist bei sachlicher Unzuständigkeit der Rechtsstreit nach Anhörung an das zuständige Gericht zu verweisen. Diese Vorschriften sind jedenfalls entsprechend auch bei nicht gegebener funktionaler (instanzieller) Zuständigkeit anzuwenden (vgl Beschluss des Senats vom 27.03.2014 - L 11 AS 178/14 ER; LSG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2006 - L 1 B 77/06 KR ER - juris; LSG NRW, Beschluss vom 30.01.2009 - L 16 AR 4/08 - juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 98 Rn 2 mwN). Ansonsten würde in Fällen wie dem vorliegenden den Beteiligten der gemäß Art 101 Grundgesetz (GG) garantierte gesetzliche Richter entzogen.

Das LSG ist funktionell unzuständig. Für eine Wiederaufnahmeklage ist zunächst grundsätzlich das Gericht zuständig, das im ersten Rechtszug erkannt hat (§ 584 Abs 1 1.HS ZPO), mithin das ...

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