Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde nach § 56 RVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Gebührenbemessung bei gerichtlichen Streitigkeiten aus dem SGB II.

2. Zur Aufteilung von Synergieeffekten aus mehreren gerichtlichen Verfahren: Eine gleichmäßige Aufteilung mit der Folge gleichmäßiger Gebührenreduktionen ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Verfahren annähernd zeitlich parallel betrieben worden sind. Ist ein Verfahren zeitlich deutlich den übrigen vorausgegangenen, können in diesem ersten Verfahren keine Synergieeffekte aus dem Betreiben mehrerer Verfahren entstehen.

3. Zum Verhältnis der Einigung zur Terminsgebühr: Die Bemessungskomponenten, die tätigkeitsbezogen sind also eindeutig einem abgrenzbaren Verfahrensabschnitt zugeordnet werden können, sind möglichst authentisch bei der jeweils einschlägigen Gebühr zu berücksichtigten.

4. Für die Bemessung der Einigungsgebühr darf nicht ausnahmslos nur auf die Nettoanwesenheit des Anwalts im Termin abgestellt werden; auch eine spezifische Terminsvorbereitung kann insoweit relevant sein.

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Sozialgericht München vom 6. März 2012 in der Sache S 32 AS 1165/10 sowie der Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. August 2012 - S 22 SF 308/12 E dahin abgeändert, dass die Verfahrensgebühr in Höhe von 170 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. August 2012 - S 22 SF 308/12 E zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23. August 2012 - S 22 SF 310/12 E wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeverfahren betreffen die aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen nach §§ 45 ff. RVG.

Die Beschwerdeführerin war dem damaligen Kläger im Weg der Prozesskostenhilfe in zwei Klageverfahren nach dem SGB II vor dem Sozialgericht München (S 32 AS 1165/10 und S 32 AS 2030/11) beigeordnet worden. Insgesamt waren bei der zuständigen Kammer seinerzeit offenbar fünf Verfahren anhängig, die allesamt Leistungen für Unterkunft und Heizung zum Gegenstand hatten; stets ging es darum, in welcher Höhe Heizkosten anerkennungsfähig waren. Die fünf Verfahren wurden am 07.11.2011 im Rahmen eines gemeinsamen Erörterungstermins durch Prozessvergleich erledigt.

In ihren Anträgen auf Festsetzung der Vergütung nach §§ 45 ff. RVG veranschlagte die Beschwerdeführerin für die angefallenen Gebühren jeweils die Mittelgebühren; nur bei der Verfahrens- und Terminsgebühr in der Streitsache S 32 AS 2030/11 blieb sie knapp unterhalb der jeweiligen Mittelgebühr. Die Urkundsbeamtin beim Sozialgericht setzte in beiden Verfahren jeweils eine Verfahrensgebühr von 120 EUR, eine Terminsgebühr von 100 EUR sowie eine Einigungsgebühr von 140 EUR fest. Auf die Erinnerungen der Beschwerdeführerin hat der Kostenrichter dies mit Beschlüssen von 21.08. (S 22 SF 308/12 E) und 23.08.2012 (S 22 SF 310/12 E) bestätigt. Er hat seine Entscheidungen im Wesentlichen mit dem unterdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad der Fälle und mit Synergieeffekten begründet. Zur Terminsgebühr hat er ausgeführt, bei deren Bemessung dürfe keine Vorbereitung des Anwalts einfließen; nur die "Nettoanwesenheit" im Termin sei relevant. Berücksichtige man, dass im Termin insgesamt fünf Verfahren erledigt worden seien, falle auf jedes einzelne nur eine vergleichsweise kurze Zeitdauer.

Gegen die Beschlüsse des Kostenrichters hat die Beschwerdeführerin jeweils Beschwerde eingelegt (L 15 SF 190/12 B betrifft S 22 SF 310/12 E, eingegangen am 05.09.2012; L 15 SF 197/12 B betrifft S 22 SF 308/12 E, eingegangen am 12.09.2012). Bezüglich der Bemessung der Verfahrensgebühren hat sie darauf hingewiesen, die ganze Betreuung der Verfahren sei äußerst aufwändig gewesen; der Kläger sei, so die Beschwerdeführerin, häufig in der Kanzlei erschienen. Für die Einigungsgebühr sei maßgebend, dass es über die Maßen schwierig gewesen sei, den Kläger zu einem Vergleich zu bewegen. Der Termin habe eine durchschnittliche zeitliche Länge aufgewiesen. Nach ihren Erfahrungen dauere der durchschnittliche Termin 20 Minuten.

Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts S 32 AS 1165/10 und S 32 AS 2030/11 beigezogen.

II.

Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerden ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheiten gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper; die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich im Wesentlichen aus der hier notwendig werdenden Festlegung, auf welche Weise Synergieeffekte zwischen mehreren Verfahren gebührenmindernd zu berücksichtigen sind. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).

Beide Beschwerden sind zulässig. Die Beschwerde L 15 SF 190/12 B ist vollständig unbegründet, die Beschwerde L 15 SF 197/12 B ist teilweise begründet.

Der Senat hat wiederholt entsc...

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