Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtskosten. Gebührenermäßigung gemäß Nr 7111 GKVerz. mehrere Erledigungstatbestände. Gesamtbeendigung des Verfahrens. noch zu treffende Entscheidung über die Kosten. echte Kostengrundentscheidung. unechte Kostengrundentscheidung. Aufwand. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Gebührenermäßigung gem Nr 7111 KV GKG (juris: GKVerz) kommt nicht in Betracht, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostengrundentscheidung treffen muss, die sich nicht lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft hat.

2. Auf den konkreten Aufwand der zu treffenden echten Kostengrundentscheidung kommt es nicht an.

 

Orientierungssatz

1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die praktizierte Auslegung des Nr 7111 GKVerz unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 3 GG, weil auch eine echte Kostengrundentscheidung im Einzelfall mit sehr wenig Aufwand verbunden sein kann, bestehen nicht.

2. Eine Gebührenermäßigung kommt grundsätzlich nicht nur bei einer Beendigung des Verfahrens durch einen einzigen der in Nr 7111 GKVerz genannten Beendigungstatbestände in Betracht, sondern auch bei einer Beendigung durch eine Kombination von zwei (oder mehr) Beendigungstatbeständen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Urkundsbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).

Das unter dem Aktenzeichen S 11 R 765/09 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren der Erinnerungsführerin und jetzigen Beschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) wegen einer Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch wurde durch Teilabhilfebescheid der damaligen Beklagten vom 19.05.2011 und im Übrigen durch Klagerücknahme (Schriftsatz vom 05.06.2012) erledigt. Mit Beschluss vom 13.06.2012 wurden, gestützt auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Kosten des Verfahrens entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen zu 4/7 der Beschwerdeführerin und zu 3/7 der damaligen Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 67.912,40 € festgesetzt.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 11.04.2013 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtskosten in Höhe von 1.124,57 € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG zu Grunde.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30.04.2013 Erinnerung eingelegt.

Mit Beschluss vom 05.06.2013 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Für die von der Beschwerdeführerin begehrte Anwendung des Ermäßigungstatbestands nach Nr. 7111 KV GKG hat es schon wegen des Wortlauts dieser Regelung keinen Raum gesehen, da sich das Verfahren durch "Annahme eines Teilanerkenntnisses" und Klagerücknahme im Übrigen erledigt habe. Zudem sei - so das SG - mangels Einigung der Beteiligten hinsichtlich der Kosten eine richterliche Kostengrundentscheidung nach § 197 a SGG i.V.m § 161 Abs. 2 VwGO notwendig gewesen. Sowohl im Sinn der Kostengerechtigkeit als auch zum Zweck der Prozesswirtschaftlichkeit könne den Parteien der Ermäßigungstatbestand nicht zugutekommen, wenn mangels Einigung über die Kostentragung eine richterliche Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Rechtsstands mit einem möglicherweise erheblichen richterlichen Arbeitsaufwand erforderlich sei. Dies entspreche der Gesetzesintention, wie sie in Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG ihren Ausdruck finde, wonach eine Einigung über die Kosten Voraussetzung für die Ermäßigung sei. Offenbleiben könne, ob für die Anwendung der Nr. 7111 KV GKG grundsätzlich das gesamte Verfahren, d.h. inklusive der Kosten, erledigt sein müsse oder ob im Fall eines Vergleichs aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 160 VwGO die Ermäßigung angewandt werden könne, da der gerichtliche Beschluss nur auf das Gesetz verweisen müsse. Denn vorliegend sei jedenfalls eine richterliche Ermessensentscheidung und somit ein Mehraufwand erforderlich gewesen. In Fällen, in denen mangels Einigung der Beteiligten über die Kosten das Gericht tätig werden müsse, könne eine Ermäßigung nicht gewährt werden.

Mit Schreiben vom 24.06.2013 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und diese mit Hinweis auf das Vorbringen im Erinnerungsverfahren (Schreiben vom 09.01.2013) begründet. Sie ist der Ansicht, dass eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen habe. Aufgrund der teilweisen Klagerücknahme und des "Teilanerkenntnisses" habe das SG nicht über die materielle Begründetheit der streitgegenständlichen Forderung entscheiden müssen; ein mit der Abfassung eines Urteils vergleichbarer richterlicher Arbeitsaufwand sei nicht entstande...

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