In einigen Bereichen des Sozialgesetzbuches finden sich spezialgesetzliche Vorschriften über Aufrechnungsmöglichkeiten, etwa in der Sozialhilfe und in der Arbeitslosenversicherung.

3.1 Sozialhilfe

In der Sozialhilfe gilt eine spezielle Aufrechnungsvorschrift. Nach ihr kann die Leistung auf Sozialhilfe mit Ansprüchen des Trägers der Sozialhilfe aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche des Leistungsträgers auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe handelt, die die leistungsberechtigte Person oder ihr Vertreter durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben oder durch pflichtwidriges Unterlassen veranlasst hat. Die spezielle Aufrechnungsvorschrift des SGB XII ist im Vergleich zu der Vorschrift des SGB I weitergehend. Sie sieht ausdrücklich vor, dass die Sozialhilfeleistung ‹bis auf das jeweils Unerlässliche› aufgerechnet werden kann.

Eine Gegenüberstellung der Aufrechnungsvoraussetzungen nach dem SGB I und nach dem SGB XII verdeutlicht die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Regelung in der Sozialhilfe:

 
Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I Aufrechnung nach § 26 SGB XII
  • Aufrechnender ist ein Sozialleistungsträger.
  • Aufrechnender ist ein Träger der Sozialhilfe.
  • Der Sozialleistungsträger hat Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen oder Beitragsansprüche nach dem SGB gegen einen Berechtigten.
  • Der Träger der Sozialhilfe hat:

    • Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe, die durch eine der folgenden Verhaltensweisen des Berechtigten erbracht worden sind:

      • vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben
      • grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben
      • pflichtwidriges Unterlassen oder
    • Ansprüche auf Kostenersatz nach §§ 103, 104 SGB XII (auch hier gilt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Berechtigten).
  • Der Berechtigte hat Ansprüche auf laufende Geldleistungen gegen diesen Sozialleistungsträger.
  • Der Berechtigte hat Ansprüche auf Leistungen der Sozialhilfe.
  • Aufrechnung mit der laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte, wenn der Leistungsberechtigte hierdurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften über die Sozialhilfe wird.
  • Aufrechnung mit der Sozialhilfeleistung bis auf das jeweils Unerlässliche.

Aufrechnung bei Sozialhilfeempfängern

Würde im Bereich der Sozialhilfe nur die allgemeine Aufrechnungsmöglichkeit nach dem SGB I bestehen, so könnte der Träger der Sozialhilfe in der Konsequenz nahezu nie, oder nur sehr eingeschränkt, aufrechnen. Dies gilt insbesondere auch für Fälle in denen eine Leistungsgewährung vorsätzlich durch den Berechtigten herbeigeführt wurde. Denn die Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I ließe eine Aufrechnung theoretisch nur bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung (z. B. Hilfe zum Lebensunterhalt) zu, und zwar auch nur dann, wenn der Leistungsberechtigte hierdurch nicht hilfebedürftig würde. Gerade das ist der Sozialhilfeempfänger jedoch bereits, so dass im Ergebnis eine Aufrechnung nach SGB I nicht möglich wäre. Die spezialgesetzliche Vorschrift des SGB XII stellt somit sicher, dass die Träger der Sozialhilfe die Möglichkeit haben, mit Ansprüchen bis auf das jeweils Unerlässliche aufzurechnen. So wird sichergestellt, dass Berechtigte, die Leistungen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, diese nicht ohne Weiteres behalten können, nur weil sie hilfebedürftig im Sinne der Sozialhilfe sind.

3.2 Arbeitslosenversicherung

Auch im Bereich des Arbeitsförderungsrechts gilt eine spezialgesetzliche Aufrechnungsvorschrift. Hat ein Bezieher einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III diese Leistung zu Unrecht erhalten, weil der Anspruch wegen der Anrechnung von Nebeneinkommen gemindert war oder wegen einer Sperrzeit ruhte, so kann die Agentur für Arbeit mit dem Anspruch auf Erstattung gegen den Anspruch auf die genannten Leistungen in voller Höhe aufrechnen. Die Aufrechnung ist in diesen Fällen in der Höhe nicht begrenzt. Die Vorschrift ist in der Praxis von großer Bedeutung, da es oftmals zu Überzahlungen aufgrund der Anrechnung von Nebeneinkommen kommt. Auch kommt es zu häufig zu Überzahlungen aufgrund von Sperrzeiten. Durch die Aufrechnungsmöglichkeiten der Agentur für Arbeit werden die betroffenen Arbeitslosen daher so behandelt, wie es der Fall gewesen wäre, wenn bereits von Beginn der Leistungsgewährung der Sachverhalt richtig festgestanden hätte.

 
Achtung

Aufrechnung bei Rückzahlung von Leistungen

Der Anspruch auf Rückzahlung von Leistungen nach dem SGB III gegen einen Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Arbeitsförderung kann ebenfalls aufgerechnet werden.

Darüber hinaus kann die Agentur für Arbeit mit Ansprüchen auf

  • Winterbau-Umlage,
  • Rückzahlung vorläufig erbrachten Kurzarbeiter- und Wintergeldes sowie
  • Erstattung zu Unrecht geleisteter Beitragserstattungen

gegen Ansprüche auf Kurzarbeiter- und Wintergeld, die vom Arbeitgeber verauslagt sind, aufrechnen. Der Arbeitgeber gilt insoweit als anspruchsberechtigt.

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