Auskunftpflicht ehemaliger Geschäftsführer

Ehemalige Geschäftsführer sind auch nach ihrem Ausscheiden gegenüber der Gesellschaft zur Auskunft verpflichtet. Die Pflicht besteht selbst dann, wenn die Auskunft Fehlverhalten des Geschäftsführers offenbart. 

Auskunftspflicht des Geschäftsführers 

GmbH-Geschäftsführer unterliegen während ihrer Geschäftsführungstätigkeit vielfältigen Pflichten. Unter anderem stehen der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer von Gesetzes wegen (also auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung) umfassende Auskunftsansprüche zu. Für ein solches Auskunftsbegehren der Gesellschaft bedarf es keines besonderen Auskunftsinteresses, konkreten Anlasses oder Verdachts auf eine Pflichtverletzung. Ausreichend ist dafür das allgemeine und anlasslose Interesse, die Tätigkeit der Geschäftsführung zu kontrollieren. 

Diese Auskunftspflicht besteht gegenüber dem Geschäftsführer auch nach seiner Abberufung und auch nach Beendigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrags in gewissem Umfang fort. Umfang und Inhalt dieser nachvertraglichen Auskunftspflicht bestimmen sich nach dem Informationsbedürfnis der Gesellschaft und nach Umfang und Inhalt der damaligen Geschäftsführertätigkeit. Was ein ehemaliger Geschäftsführer an Informationen mitteilen muss, hängt also davon ab, was angesichts seiner früheren Aufgaben, der Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr und des von der Gesellschaft mit dem Auskunftsverlangen verfolgten Zwecks nach Treu und Glauben gefordert werden kann. 

Aufklärungsbedürfnis der Gesellschaft im Haftungsprozess gegen den Geschäftsführer 

Benötigt die Gesellschaft Informationen des ehemaligen Geschäftsführers, um gegen ihn einen Haftungsprozess zu initiieren, ergibt sich ein Aufklärungs- und Informationsbedürfnis der Gesellschaft bereits aus dem begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung und der Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens. Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Geschäftsführer mit der verlangten Auskunft eine eigene Pflichtverletzung offenbaren würde. 

Mit dieser Thematik hat sich jüngst das OLG Brandenburg befasst. 

Verfahren vor dem OLG Brandenburg wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot 

In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Verfahren machte die klagende GmbH umfassende Auskunftsansprüche gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer wegen Verstößen gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot und weiteren Pflichtverletzungen geltend. Die Auskünfte dienten der Durchsetzung von Schadensersatz- und Haftungsansprüchen der Gesellschaft gegen den ehemaligen Geschäftsführer. 

OLG Brandenburg: Keine uneingeschränkte Auskunftspflicht  

Das OLG Brandenburg urteilte, dass der ehemalige Geschäftsführer auch nach Abberufung und Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages umfassend zur Auskunftserteilung verpflichtet bleibt. Die Auskunftspflicht besteht aber nach der Entscheidung des OLG Brandenburg nicht uneingeschränkt, sondern hängt maßgeblich von dem Informationsbedürfnis der Gesellschaft ab. Wird die Auskunft – wie vorliegend – zur Geltendmachung eventueller Hauptansprüche (hier: Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Geschäftsführer) begehrt, bestimmt sich der Auskunftsanspruch nach dem Aufklärungsbedürfnis der Gesellschaft. Von einem Aufklärungsbedürfnis der Gesellschaft ist bereits dann auszugehen, wenn der begründete Verdacht einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers besteht und wahrscheinlich ist, dass der Gesellschaft deswegen Ansprüche zustehen. Vorliegend lagen hinreichende Verdachtsmomente dafür vor, dass der ehemalige Geschäftsführer seine Pflichten in mehrfacher Hinsicht verletzt hatte: neben Verstößen gegen das vertragliche und gesetzliche Wettbewerbsverbot hatte der ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft auch nachweislich mehrmalig Geschäftschancen entzogen und diese für sich persönlich genutzt. Hinreichend wahrscheinlich war außerdem, dass der Gesellschaft aufgrund vorgenannter Pflichtverletzungen von dem ehemaligen Geschäftsführer zu ersetzende Schäden entstanden sind. 

Offenbarung eigener Pflichtverletzung schränkt Auskunftspflicht nicht ein 

Die Auskunftspflicht wurde auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Geschäftsführer mit der verlangten Auskunft eine eigene Pflichtverletzung offenbaren würde. Die unbeschränkte Auskunftspflicht verletzt den ehemaligen Geschäftsführer jedenfalls dann nicht in seinen Grundrechten, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung mit einem strafrechtlichen Verwertungsverbot einhergeht. So lag der Fall hier. Aus denselben Gründen stand auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit dem Auskunftsanspruch nicht entgegen. 

Demgegenüber war der ehemalige Geschäftsführer nicht zur Auskunft verpflichtet, soweit die Gesellschaft auf die begehrten Auskünfte nicht angewiesen war, weil sie selbst über die Informationen verfügte. 

Anmerkungen und Praxistipp 

Verhält sich ein Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft rechtswidrig, kann die Gesellschaft auch nach Beendigung der Organstellung und des Geschäftsführeranstellungsvertrags umfassende Auskunftsansprüche – notfalls zwangsweise – gegen den ehemaligen Geschäftsführer durchsetzen. Dabei umfasst der Auskunftsanspruch auch die Pflicht des ehemaligen Geschäftsführers zur Vorlage von Dokumenten und Unterlagen, die die Auskunftspflicht betreffen. Auf dieser Grundlage ist die Gesellschaft sodann in der Lage, den ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Prozesstaktisch empfiehlt es sich, die Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zusammen in einer Stufenklage gegen den ehemaligen Geschäftsführer geltend zu machen. 


(OLG Brandenburg Urteil v. 4.12.2024 – 4 U 65/23)