Wann ist ein Elektrofahrrad haftungsmäßig ein Kraftfahrzeug?

Beim Zusammenstoß einer 71-jährigen Pedelec-Fahrerin mit einem „normalen“ Radfahrer verletzt sich die ältere Dame. Haftet sie für ihr Fehlverhalten wie der Halter eines Kraftfahrzeugs auch ohne Verschulden schon wegen der Betriebsgefahr? Das richtet sich auch nach der km/h-Leistung ihres Fahrgerätes.

Der technische Fortschritt bringt immer auch neue Rechtsfragen mit sich. Eine 71-jährige Frau ist mit ihrem Elektrofahrrad unterwegs. Als sie an einer Kreuzung die Straße überqueren will, stößt sie mit einem 44-jährigen Fahrradfahrer zusammen, der von der vorfahrtsberechtigten Straße links in die Straße abbiegt, aus der die Fahrerin des Pedelec (Englisch für: Pedal Electric Cycle) kommt. Die ältere Dame bricht sich beim Sturz das Schlüsselbein.

Haftung auch ohne Verschulden?

Wer haftet für den Schaden? Kommt für die Fahrerin des Pedelec eine Haftung auch ohne Verschulden in Frage, allein schon aufgrund der Gefahr, die durch den Betrieb eines Elektrofahrrads besteht?

Schmerzengeld und Schadensersatz gefordert

Vom ihrem Unfallgegner fordert die Frau Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von 3.300 Euro. Begründung:

  • Der Beklagte habe die Kurve beim Abbiegen geschnitten und deshalb den Unfall verursacht.
  • Der wiederum hält dagegen, dass es nur zu dem Unfall gekommen sei, weil die Pedelec-Fahrerin nicht rechts gefahren sei.

Gericht: 50:50 Haftungsverteilung

In der ersten Instanz hatte das Amtsgericht Lemgo der Klage der 71-Jährigen noch in vollem Umfang stattgegeben. Doch in der Berufungs-Verhandlung kam das Landgericht Detmold zu einer anderen Einschätzung: Beide Parteien haften je zur Hälfte, entschied das Gericht.

Normale Pedelecs sind keine Kraftfahrzeuge

In der Urteilsbegründung wiesen die Richter darauf hin,

  • dass es sich bei einem Pedelec nicht um ein Kraftfahrzeug im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes handele.
  • Dies ist seit dem 21. Juni 2013 in § 1 Abs. 3 StVG geregelt.

Ein Verschulden aufgrund der Betriebsgefahr, also allein aus dem Grund, weil das Halten eines Kraftfahrzeugs schon eine Gefahrenquelle darstellt, komme deshalb nicht in Frage.

Nur das Mitverschulden in Rechnung gestellt

Die Pedelec-Fahrerin habe den Unfall aber mitverschuldet. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass sie gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe. Der 44-jährige Fahrradfahrer wiederum habe beim Linksabbiegen die Kurve geschnitten.

  • Das Gericht bewertete diese beiden Verkehrsverstöße als gleich schwerwiegend.
  • Der 44-jährige Fahrradfahrer muss deshalb die Hälfte des eingeklagten Schadens bezahlen.

(LG Detmold, Urteil v. 15.07.2015, 10 S 43/15)


Wichtig: Für Speed-Pedelecs gelten andere Regeln

Pedelec ist nicht gleich Pedelec und damit auch nicht die rechtliche Einordnung dieser "Drahtesel".

  • Als Fahrräder gelten nur Pedelecs mit max. 25 Watt Motorunterstützung bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h.
  • Sogenannten Speed-Pedelecs, die bis zum Erreichen von 45 km/h vom Elektromotor unterstützt werden, sind keine Fahrräder. Sie erfordern auch ein Versicherungskennzeichen.