Unfallregulierung und Behindertenrabatt bei Ersatzbeschaffung

Erhält ein Unfallgeschädigter bei konkreter Schadensabrechnung von der gegnerischen Versicherung Schadensersatz für den Kauf eines fabrikneues Ersatzfahrzeugs, muss er sich einen Rabatt des Herstellers für Menschen mit Behinderung anrechnen lassen: Nach der Differenzhypothese ist ihm durch den Unfall im Umfang des gewährten Kaufpreisnachlassen kein Schaden entstanden. 

Das Auto einer Frau mit Schwerbehinderung wurde bei einem Unfall so stark beschädigt, dass der Kauf eines neuen Fahrzeuges erforderlich wurde. Sowohl für das Unfallauto als auch für das neu erstandene wurde ihr vom sie vom Fahrzeughersteller ein 15%-iger Rabatt aufgrund ihrer Behinderung eingeräumt.

Haftpflichtversicherer hatte Versicherungsleistung um den Rabatt gekürzt

Die gegnerischen Haftpflichtversicherung war zwar bereit, den Schaden zu übernehmen. Zum Streitpunkt wurde der Schwerbehinderten-Rabatt, den die Frau erhalten hatte. Die Versicherung wollte ihre Leistung um den Rabatt kürzen, währen die Unfallgeschädigte argumentierte, dass ihr der Rabatt wegen ihrer Behinderung zustehe.

BGH berechnete Vermögenslage nach der Differenzmethode

Der BGH hat entschieden, dass das Berufungsgericht, das OLG Frankfurt am Main, zu Recht entschieden hat, dass die Geschädigte sich den Nachlass für Menschen mit Behinderung anrechnen lassen muss. Das OLG war davon ausgegangen, dass für die Beantwortung der Frage, in welcher Höhen ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt - Fahrzeugpreis mit oder ohne Rabatt -  die Differenzmethode angewandt werden müsse.

Schadensersatz von gegnerischen Haftpflicht nach der Differenzmethode

Nach der Differenzhypothese muss die

  • Vermögenslage, nach Eintritt des haftungsbegründenden Ereignisses
  • mit der Vermögenslage verglichen werden, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte

(vgl. BGH, Urteil v. 18.01.2011, VI ZR 325/09). Nach dieser Differenzmethode ist der Klägerin kein Schaden entstanden.

Verdienst des Unfallopfers am Schadensfall ist nicht gewollt

Da die Klägerin - so sie Gerichte - an dem Schadensfall nicht verdienen soll, könne sie Ersatz der Anschaffungskosten für das Neufahrzeug nur in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten beanspruchen. Anderenfalls wäre sie durch den Schadensersatz bereichert: In ihrem Vermögen befände sich nicht nur, wie vor dem Unfall, ein Neufahrzeug, sondern zusätzlich ein Geldbetrag in Höhe des bei der Ersatzbeschaffung gewährten Rabatts.

Rabatt unabhängig vom Schadensereignis

In diesem Zusammenhang wies der BGH darauf hin, dass der Nachlass für Menschen mit Behinderung, wie auch ein Werksangehörigenrabatt, generell und unabhängig von dem Schadensereignis gewährt werde.

Die Klägerin habe diesen Rabatt nicht im Hinblick auf das Schadensereignis erhalten. Ihm komme keine schadensrechtliche Ausgleichsfunktion zu. Der eingetretene Schadensfall gab lediglich Anlass, von der durch den Hersteller des erworbenen Fahrzeugs eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen.

(BGH, Urteil v. 14.07.2020, VI ZR 268/19).

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Hintergrund: Differenzhypothese beim Schadensersatz

Ob und in welchem Umfang ein nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Schaden vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach einem rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenen Umstand eingetreten wäre (BGH, Urteil v. 6.7.2000, IX ZR 198/99). Es ist ein Gesamtvermögensvergleich anzustellen, in dessen Rahmen nach der sog. Differenzhypothese gegenüberstellend vorzutragen und zu beweisen ist, wie sich die gesamte Vermögenssituation ohne das Haftpflichtgeschehen entwickelt hätte und wie sie sich nunmehr tatsächlich darstellt (BGH, Urteil v. 15.11.2011, VI ZR 4/11). Der Schadenersatzpflichtige hat (nur) den Differenzschaden zu ersetzen.
Nur die Differenz beider Vermögenslagen ist Gegenstand des Schadenersatzbegehrens.

Unzulässig ist es einzelne Schadenpositionen herauszugreifen und gesondert, ohne Berücksichtigung anderer für die Vermögensentwicklung bedeutsamer Umstände, geltend zu machen (BGH, Urteil vom 24.9.1999, V ZR 71/99).

Bereicherungsverbot: Die Rechtsprechung betont den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsatz (BGH, Urteil v. 6.3.2007, VI ZR 120/06), dass der Geschädigte zwar vollen Schadenersatz verlangen kann, aber nicht darüber hinaus bereichert werden darf, an dem Schadensfall also nicht verdienen soll (BGH, Urteil v. 15.11.2011, VI ZR 4/11).

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Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Schadensersatz, Versicherung